#11 - Wtf?!?
„Das ist echt voll krank und voll abgefahren und einfach nur ...boah."
Jana starrte seit fünf Minuten auf das Blatt, das ich ihr wortlos in die Hand gedrückt hatte, nachdem ich die Wohnung wieder betreten und mich auf die Couch fallen lassen hatte.
Sie fuhr mit dem Finger über die Liste, was alles die kommende Woche für mich anstehen würde.
„Das ist voll crazy! So krass!"
Sie sagte seitdem immer nur dasselbe, aber mir ging es nicht anders. Ich schüttelte die ganze Zeit den Kopf.
Und wisst ihr, was ich noch tat? Ich lächelte. Ich lächelte die ganze Zeit wie so eine Gestörte, die nicht mehr bis drei zählen konnte. Ich war so unendlich glücklich, dass ich das nicht in Worte fassen konnte!
„Guck dir das mal an! Das ist krass! Die haben alles so krass geplant, du bist in drei Tagen wirklich weltberühmt!"
„Jaa, ich weiß..."
„Alter, so krass, man!"
Sie bekam sich gar nicht mehr ein.
„Nicht nur die ganzen Sachen hier stehen an", sie schlug mit dem Zeigefinger ein paar Mal auf das Blatt, „sondern heute noch Stars4Hope, morgen frei für dich und Sonntag dann die Victoria's Secret Show! Das ist so abgefahren!"
Bald drehte sie wirklich durch und würde in einer Gummizelle landen.
„Wir sollten dann mal wohl losfahren zum Event", erinnerte ich uns beide wieder daran, dass ja heute noch etwas Anderes anstand, was Jana selbst ja gerade schon so nebenbei erwähnt hatte.
Ich freute mich so sehr darauf, endlich Harry wiederzusehen. Jetzt, nachdem ich die erste Hürde bei meinem Job gemeistert hatte und das „Vorstellungsgespräch" hinter mir hatte, konnte ich endlich wieder und ausschließlich nur noch an ihn denken.
Ich würde ihn endlich wiedersehen.
Es war einfach ein wunderbarer Tag.
Jana hingegen schien jetzt erst so richtig durchzudrehen. Sie hatte sich wohl die ganze Zeit des heutigen Tages nur auf AMCK und mich konzentriert, sodass sie das Event ein wenig in ihrem Kopf nach hinten geschoben hatte. Und jetzt kam es wieder in den Vordergrund...
Und dementsprechend drehte sie gerade auch ein wenig durch. Nur ein klitzekleines bisschen. So ganz wenig. Jana halt, ne.
Sie wuselte durch die Wohnung, suchte fünfmal ihr Handy, das sie fünfmal in der Hand hielt, und ging achtmal aufs Klo. Sie kämmte sich hundertmal die Haare, rannte zweimal gegen den Türstock, bekam rote Flecken im Gesicht und am Hals, suchte ihren Ausweis, trank ein wenig Wasser, spuckte es aus, weil sie nicht in der Lage war, es zu schlucken, atmete hektisch, -
„Okay. Stopp."
Ich hatte die ganze Zeit im Flur gestanden und sie beobachtet. Jetzt hielt ich sie am Ärmel fest und bremste sie.
„Wenn du so weitermachst, bekommst du einen Herzstillstand und wir dürfen den Tag im Krankenhaus verbringen."
Ich zog sie hinter mir in die Küche und verfrachtete sie auf einen der Stühle und wartete, bis sie nicht mehr zappelte wie ein Fisch an Land. Ich stemmte die Hände in die Hüfte und baute mich vor meiner kleinen Cousine auf.
„Komm mal runter, Jana", wies ich sie zurecht. „So landest du wirklich bald im Krankenhaus. Mach dich nicht selbst so fertig, es wird alles gut, es wird alles cool, und basta."
Sie atmete zitternd ein.
„Okay?"
„Okay", bestätigte sie hauchend. „Ohhh, das war gerade schon wieder wie bei ‚The Fault In Our Stars'! Bist du mein Gus?"
Ich schüttelte nur den Kopf, verdrehte die Augen und verließ die Küche. Insgeheim musste ich grinsen. Ich hatte nämlich unwillkürlich sofort das Gleiche bei unserem Wortwechsel gedacht.
Wir waren eben doch miteinander verwandt.
Ich wusste, dass sie später total cool tun würde, wenn wir auf dem Event waren. Niemand würde ihr anmerken, wie aufgedreht und aufgeregt sie war. Nur ich natürlich.
„Also, können wir?"
Papa hatte uns Geld für ein Taxi auf den Tisch gelegt, was ich echt süß von ihm fand. Ich wollte trotzdem mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, aber ich war mir nicht so sicher, ob Jana dazu in der Lage war. Also stellten wir uns an den Straßenrand und ich brachte ein Taxi ziemlich zügig dazu, bei uns stehen zu bleiben und uns zum Event-Gelände zu fahren.
„Aha, zu diesem Spenden-Event also?", fragte der Taxifahrer und wirkte beeindruckt. „Na, da wünsche ich den Damen viel Spaß!"
„Wie nett, dankeschön!"
Als wir ankamen, war die Hölle los. Und das wortwörtlich. Es waren natürlich nicht nur die Leute gekommen, die auch in die Halle reindurften, oh nein, es waren noch tausende weitere da, die einfach nur einen Blick auf die Stars werfen oder eben dabei sein wollten.
„Wie krass ist das bitte!", rief Jana mir zu. Ich zog sie hinter mir an der Hand den Schotterweg entlang auf die riesige Halle zu. Wir würden sicher noch eine Dreiviertelstunde brauchen, bis wir überhaupt in die Nähe der Eingänge kamen.
„Ey, vordrängeln ist assi!", rief jemand hinter uns. Ich ignorierte den Ruf, aber meine liebe Cousine konnte das natürlich nicht auf sich sitzen lassen.
„Wir haben Eintrittskarten!", schnauzte sie das Mädchen an und warf ihr einen zickigen Blick mit hoch erhobenem Kinn zu.
Das Mädchen grummelte noch vor sich hin und ließ uns dann aber in Ruhe.
Wir schoben uns weiter durch die Menge.
Immer wieder sah ich auf mein Handy hinunter, das ich in der Hand hielt, aber Harry hatte mir nur heute Morgen einmal kurz geschrieben, dass er eben nicht erreichbar sein würde, da sein Handy in der Garderobe war und sie die strenge Regel befolgen mussten, dass es dort auch blieb. Niall hatte sich anscheinend mal wieder tierisch darüber aufgeregt. Liam anscheinend auch, weil er dann nicht ständig am Handy hängen und Sophia schreiben konnte. Das hatte Niall mir wiederum geschrieben und seinen biestigen Kommentar, der darauf noch gefolgt war, wollte ich jetzt besser nicht wiederholen.
Ich behielt Recht, wir brauchten eine geschlagene Dreiviertelstunde bis zu den Gitterstäben, hinter denen das Event-Gelände losging.
...Problem: Irgendein Mädchen hatte sich aufgeführt, geheult, einen Anfall bekommen oder so getan, als hätte sie eine Eintrittskarte, ohne eine zu haben, weswegen die Security-Typen niemanden mehr reinließen.
„Aber wir haben doch Karten", sagte ich flehend zu ihm, als ich mich bis ganz nach vorne durchgedrückt hatte.
„Das nützt dir nichts, wir lassen hier niemanden durch, bis die Situation sich beruhigt hat", sagte er griesgrämig und drehte mir dann den Rücken zu.
Entgeistert starrte ich ihm auf den Hinterkopf.
Das war wohl nicht sein Ernst?!? Wieso dachten diese bekloppten Securities immer, dass so etwas das Ganze besser machen würde? Waren sie so dumm oder taten sie nur so?!
„Entschuldigen Sie mal", sagte ich jetzt laut, „wir haben Eintrittskarten mit Backstage-Eintritt, Sie werden uns jetzt wohl doch bitte reinlassen können! Sie haben hier nicht das Recht, uns zu verbieten, das Gelände zu betreten, wenn wir Karten haben und dazu berechtigt sind, reinzugehen."
Mein Tonfall war höflich und auf keinen Fall zickig oder so. Trotzdem drehte der Riese sich um und funkelte mich böse an.
„Mach so weiter, Mädchen, und du landest gleich auf der Polizeiwache für dein Verhalten", schnauzte er mich an. Ich traute meinen Ohren nicht.
„Wie bitte?!", fragte ich und sah ihm direkt in die Augen. „Ich habe rein gar nichts gemacht, Sir. Ich habe Sie lediglich darum gebeten, uns reinzulassen. Wir haben hier nicht gepöbelt oder Sie genervt oder sonst etwas."
„Du gehst mir auf den Senkel. Geh ganz nach hinten. Ans Ende der Schlange. Und bleib da."
Ich zog die Augenbrauen hoch und drehte mich um und gleich wieder zurück.
„Also ich sehe kein Ende. Es gibt nämlich keine Schlange. Das ist ein Haufen an Menschen, falls Sie das noch nicht bemerkt haben."
Ich wartete, aber er erwiderte nichts.
„Gut, dann gehe ich eben woanders hin und frage dort einen freundlicheren, kompetenteren und zuvorkommenderen Security-Menschen, ob er so freundlich wäre und uns reinlassen würde."
Ich wollte ihm gerade den Rücken zudrehen, als ich sah, wie er in das Mikrofon an seinem Handgelenk sprach.
„Hier ist ein schwarzhaariges Mädchen mit Leggings, goldschwarzen Sneakers und einer roten Lederjacke mit einem blonden jüngeren Mädchen. Sie bekommt Hausverbot. Niemand darf sie reinlassen, kapiert."
Er legte den Kopf schief, ließ die Hand wieder nach unten sinken und sah mich herausfordernd an.
Das war wohl nicht sein Ernst?!? Er hatte gerade nicht ernsthaft allen anderen Securities durch ihre Headsets gesagt, dass sie Jana und mich nicht reinlassen sollten?!
„Wollen Sie mich eigentlich verarschen?!", platzte ich jetzt heraus und ging einen Schritt auf ihn zu. Zwischen uns war immer noch dieses hüfthohe eiserne Gitter, sonst hätte ich ihm wahrscheinlich eine geklebt oder hätte ihm die Augen ausgekratzt.
Der Kerl lachte nur und meinte wohl, Wunder wie geil er war.
Mir kam die Galle hoch und ich sah rot.
„Sie sind einfach nur lächerlich", spuckte ich ihm entgegen und meine hellgrünen Augen funkelten ihn bitterböse an, „und Sie wollen ein erwachsener Mensch sein? Hah, dass ich nicht lache! Sie benehmen sich wie ein pubertierender Junge, einfach nur ekelhaft und bemitleidenswert!"
Das Lachen war ihm jetzt plötzlich wie aus dem Gesicht gewischt und sein Blick wurde gefährlich.
Jana hinter mir schluckte hörbar. Sie hatte bisher nichts gesagt. Sie hatte zwar eine große Klappe bei ihrer Familie und ihren Freunden, aber bei fremden Menschen und in der Öffentlichkeit war sie eigentlich immer sehr schüchtern.
Was man von mir eher weniger sagen konnte.
Mein Temperament ging zu oft mit mir durch. Besonders wenn so bescheuerte Menschen meinten, sie könnten ihre nicht vorhandene Macht ausspielen. Dieser Vollpfosten hier hatte mir gar nichts zu sagen. Absolut. GAR. NICHTS.
„Wie hast du mich gerade genannt?!", fragte er jetzt knurrend.
„Sie haben mich schon gehört", sagte ich mit aalglatter Stimme und reckte das Kinn in die Höhe.
Ich wusste, dass es das Dämlichste überhaupt war, ihn immer weiter zu provozieren. Ich sah schon, wie wir am Ende wirklich auf der Polizeistation landeten anstatt im Inneren des Gebäudes. Aber ich konnte das so nicht auf mir sitzen lassen.
Ich sah ihn an und er mich. Während unseres Streits waren alle im Umkreis von zehn Metern verstummt. Sie starrten uns allesamt an und warteten darauf, dass etwas passierte. Sie gafften uns an und hofften so sehr, dass etwas geschah. Egal ob etwas Spannendes oder einfach nur irgendetwas, Hauptsache etwas passierte.
Und das tat es dann auch.
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