5 - Staubteufel
*Ein Staubteufel ist ein kleiner, eng begrenzter Wirbelwind. Man kennt dieses Phänomen auch unter den Begriffen Staubwirbel, Sandwirbel oder Kleintrombe. Im Unterschied zu Tornados entstehen Staubteufel nicht im Bereich von Schlechtwetterzonen, sondern sie bilden sich stets bei klarem Wetter, wenn die Sonneneinstrahlung unterschiedliche Teile der Oberfläche unterschiedlich erwärmt. Dies geschieht vor allem dann, wenn der Boden überhitzt ist. Das rasche Aufsteigen der Warmluft kann dazu führen, dass sie zu rotieren beginnt.
Song zum Kapitel: I Love Me von Demi Lovato
J U L I A
Ich blies mir eine lose Haarsträhne aus dem Gesicht. Mein Haar hatte wohl gerade nerven! Gerade so noch, konnte ich die vier Cafe-to-go Bechern in meinen Händen halten. Der Barista von Starbucks konnte nichts dafür, dass ihnen die Becherhalter ausgegangenen waren, doch trotzdem war ich gerade dezent sauer. Immerhin hatte ich nur zwei Hände.
Vorsichtig balancierte ich den Weg bis ins Büro zurück, wo ich die Becher mit einem Seufzen auf den ersten Tisch abstellte.
"Schwarzer Kaffee ohne Zucker!", rief ich. Ein Mann, von einem der rechten Schreibtische, deutete mir. "Vanilla Bean", rief ich weiter, während ich den Mann seinen Kaffee brachte. Wieder meldete sich jemand, den ich sein warmes Getränk brachte. Auch der große Cappuccino fand seinen Weg zu seinem Besitzer. Und der letzte Becher, eine heiße Schokolade, war für mich. Nach dreimaligen hin und her laufen, durfte auch ich mir etwas gönnen. Die Security am Eingang hatte mich bereits nach dem zweiten Mal Café holen, ohne meinen Ausweis zu scannen, in das Gebäude zu lassen. Inzwischen mussten sie mich wohl kennen, denn auch gestern an meinem zweiten Tag, war ich nur hin und her gelaufen.
Ich setzte mich an meinen Platz und biss von dem Cookie ab, den ich mir gekauft hatte. Georgina hatte mich heute noch kein einziges Mal gebraucht. Schon seit über eine Stunde hing sie an ihrem Telefon. Insgeheim fragte ich mich, warum sie eine Assistentin brauchte. Das Einzige, was ich tat, war Café holen. Etwas Geld in eine gute Kaffeemaschine zu investieren schien mir da die bessere Lösung zu sein. In der Personalküche gab es zwar eine, aber deren Kaffee schmeckt einfach nur schrecklich.
Nach einer weiteren Stunde, in der ich die neuste Ausgabe vom Daily Star las, wurde es Zeit zum Mittagessen. Die Belegschaft, ging immer in eines der umliegenden Restaurants. Mich hatte man dorthin noch nicht eingeladen, weshalb ich mir am Morgen etwas beim Bäcker gekauft hatte: ein Gebäckstück, das mit Käse überbacken war.
Das Büro leerte sich, auch Georgina stöckelte nach draußen. Das Telefonat war beendet. Ich sah ihr nach, während sie mich zu ignorieren schien.
Aus meinen kleinen Lederrucksack, nahm ich mir mein Mittagessen und eine kleine Flasche Mineralwasser. Da Essen im Büro verboten war, ging ich hinüber in die Personalküche. Sie war schlicht. Es gab einen Kühlschrank, eine Herdplatte mit zwei Feldern und eine Mikrowelle. Es gab zwei eckige Tischen, die Platz boten für etwas zwanzig Personen.
Bis auf mich, war der Raum leer. Ich machte es mir gemütlich, biss von meiner Jause ab und scrollte durch meinen Instagram Feed. Doch dann hörte ich Schritte. Und wirklich im selben Moment, in dem ich aufsah, betrat jemand den Raum.
"Hey", sagte sie und setzte sich nieder. Auf den Tisch stellte sie eine Dose Red Bull und eine Tüte von Subway.
"Hey", grüßte ich ebenfalls zurück. Bei genauerem betrachten fiel mir auf, dass ich sie bereits im Büro gesehen hatte. Sie arbeitete auch für Georgina. "Warst du nicht die, die gesagt hatte: Willkommen in der Hölle?", fragte ich vorsichtig.
Ein amüsiertes Grinsen machte sich in ihrem Gesicht breit, als sie ihr Sandwich auspackte. "Ja, das war ich. Aber ich darf das sagen."
Fragen schob ich die Augenbrauen zusammen. "Warum?"
Die Dunkelblonde bis von ihrem Sandwich ab und kaute. Ich biss ebenfalls ab und sah sie abwartend an. Mit einer Serviette wischte sie sich über die Lippen. "Wie heißt du?", fragte sie stattdessen.
"Julia Cornwell und du?"
"Pamela Lewis, aber alle nennen mich Pam." Erneut biss sie ab.
"Lewis?", wiederholte ich. "Bist du mit Georgina verwandt?"
Pam nickte und schluckte wieder. "Ja, sie ist meine Mum."
"Deine Mum?", entfuhr es mir einen Tick zu laut. Doch Pam lachte es weg. "Ja, keine Sorge, Julia. So reagieren die Meisten."
"Ich weiß gar nicht, was ich darauf antworten soll", meinte ich ehrlich. Diese Frau als Mutter zu haben, musste ein Albtraum sein. Aber jetzt wo sie es erwähnt hatte, sah ich doch wirklich einen rötlichen Stich an ihren Haaransätzen.
Pam öffnete ihre Red Bull Dose und trank davon, was mich daran erinnerte, dass ich noch eine ungeöffnete Wasserflasche vor mir hatte. Langsam drehte ich den Stöpsel auf, damit die Kohlensäure entweichen konnte, und mir das Wasser nicht überging.
"Wie ich so mitbekommen habe, bist du die neue Assistentin. Warum hast du dir das angetan? Hast du noch nie von meiner Mutter gehört?", hackte Pam nach.
"Doch, doch", erwiderte ich, nachdem ich das Wasser geschluckt hatte. "Georgina Lewis ist der Promischreck, die Klatschtante. Das wusste ich alles. Mir ging es hauptsächlich um den Job, weil ich irgendwann mal selbst für eine Zeitung schreiben möchte. Ich dachte mir, es wäre eine gute Gelegenheit und das jeder mal klein anfängt."
"Da hast du natürlich recht", stimmte mir Pam zu. Wieder biss sie von ihrem Sandwich ab. Ich brach mir daraufhin ebenfalls ein Stück von meinem Gebäck ab und aß.
"Sag mal, Pam. Wie alt bist du eigentlich? Wie ich gesehen habe, darfst du schon bei den Ausgaben mitarbeiten."
Pam nickte: "Ich bin einundzwanzig. Ja, ich bearbeite Fotos und beziehungsweise suche ich die besseren aus. Manchmal bekommt man gefühlt einhundert Fotos zugesendet, die alle von einem Moment aufgenommen sind. Und da muss ich dann das Beste auswählen."
"Das heißt du bist rein nur für die Fotos verantwortlich?", hackte ich nach. Mir war das alles neu und nun endlich mit jemanden über die Arbeit reden zu können, was äußerst interessant.
Georginas Tochter stand auf und war die Verpackung ihres nun aufgegessenen Sandwichs in den Mülleimer. Sie schnappte sich ihre Dose und setzt sich an einen Stuhl direkt neben mir. "Ja, hauptsächlich wähle ich die Fotos aus. Ich habe auch schon kleinere Artikel verfasst."
Ich beneidete sie. Wie gerne würde auch ich das auch mal von mir sagen können. "Das klingt großartig. Ich hoffe, ich schaffe das auch mal."
Pamela lächelte. "Du brauchst nur die richtige Story. In Moment magst du nur die Assistentin sein, aber gib dir einfach Mühe und lass die Sprüche meiner Mum nicht zu sehr an dich ran. Sie hat euch einen weichen Kern, nur merkt man davon nicht oft etwas."
Ich wog den Kopf hin und her. "Na im Moment scheint sie mich eher zu ignorieren. Ich habe mich schon gefragt, ob ich nur zum Kaffee holen eingestellt wurde."
"Ach, das wird sich schon noch ändern. Gerade ist es nur sehr still auf den Straßen. Warte nur ab, bis sie dich das erste Mal auf Außendienst mitnimmt."
"Außendienst?", wiederholte ich Pam fragend. In welchem Sinn sollte ich das denn verstehen?
Kichernd legte sie sich eine Hand vor dem Mund. "Jap, besorgt dir schon mal gutes Schuhwerk."
Von ihrer Reaktion her, beschloss ich erst gar nicht nach zu hacken. Es würde irgendetwas verrücktes sein, ganz sicher sogar, weshalb ich das Thema wechselte: "Ich habe mir gedacht, da ich am Samstag Geburtstag habe, dass ich tanzen gehen will. Hast du vielleicht einen Tipp für mich? Ich nämlich erst vor noch nicht so langer Zeit nach London gezogen."
"Dein Geburtstag!", ihre Augen strahlen. "Den müssen wir feiern! Ja, klar kenne ich da einen Club und weißt du was, wir werden zusammen hingehen! Es kann sicher nicht schaden, wenn wir uns näher kennenlernen. Was meinst du, Julia?"
Vom plötzlichen Angebot freudig überrascht lächelte ich. "Das wäre toll!" Bis jetzt hatte ich leider noch keine Freunde in London gemacht, weshalb es mich noch mehr freute.
Wie ein Staubteufel sprang sie vom Stuhl auf. "Los komm mit!" Sie schnappte mich an der Hand und riss mich mit sich. Gerade noch konnte ich meine Sachen vom Tisch nehmen.
An ihrem Schreibtisch hämmerte sie in die Tastatur. Pam öffnete im Webbrowser die Homepage eines Clubs.
"Hier könnten wir feiern! Der Club hat am Freitag Neueröffnung. Im Coco Bella treiben sich immer eine Handvoll Promis herum", sie grinste mich schief von der Seite an. "Vielleicht findest du dort deinen Artikel, die perfekte Story. Es muss nur eine Peinlichkeit von einer bekannten Person sein und schon wird dich meine Mum lieben."
Nachdenklich beäugte ich den Bildschirm. Das was sich mir bot, sah sehr edel aus. "Und du denkst, wir kommen in diesen Club. Sieht doch etwas exklusiv aus."
"Ach", sie machte eine wegwischende Handbewegung. "Mit meinen Nachnamen und zwei kurzen Kleidern, kommen wir überall rein. Du wirst schon sehen, Julia. Das wird eine tolle Nacht werden!"
Grübelnd stieg ich von einem Bein auf das Andere. Ich hatte es an meinem Geburtstag definitiv nicht vor, mich auf die Suche nach einer Story zu begeben. Eigentlich wollte ich nur vergessen, dass Chloe und ich ausgemacht hatten, als wir noch Freunde waren, in London feiern zu gehen. Nun ja, da sie und Brandon nun ein Paar waren, war die Sache natürlich gegessen.
"Klingt nach einem Plan, Pam", meinte ich und versuchte dabei so ehrlich zu wirken wie mir nur möglich war. Ja, ich freute mich wirklich darauf endlich etwas zu erleben. Die vergangenen Monate hatte ich nämlich immer griesgrämig zu Hause verbracht. Jetzt musste ich mir nach der Arbeit nur noch ein passendes Kleid besorgen und schon könnte die Party steigen. Dass ich mich außerdem ausgerechnet mit Georginas Tochter anfreundete, war der größte Zufall überhaupt.
Zwar kannte ich sie gerade Mal eine halbe Stunde, aber ich hatte ein gutes Gefühl bei der Sache. Es war wie im Kindergarten, wo man der anderen Person einen Ball zuwarf und schon tobte man zusammen über den Rasen.
Pam war definitiv ein kleiner Wirbelwind und sie würde mich mit sich in ein Abenteuer reißen.
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