26 - Okklusion

*Als Okklusion wird die Vereinigung einer Kaltfront mit einer Warmfront in einem dynamischen Tief verstanden. Das geschieht in dynamischen Tiefs regelmäßig, weil Kaltfronten mit Kaltluft schneller vorankommen als die Warmfronten, hinter denen sich der Warmsektor des Tiefs befindet.

Song zum Kapitel: Fool's Gold von One Direction (Niall Horan Solo Version)

N I A L L

Ein Schniefen. Ein verdammtes Schniefen, war alles, was es brauchte, um mich aus dem Studio zu bekommen. Die Band und die Tontechniker sahen mich allesamt verdutzt an, als ich meinte, sofort weg zu müssen.

Ein Schniefen auf meiner Mailbox zwang mich in die Knie. Wie dumm konnte man sein?

Ich hatte Capaldi versprechen müssen mindestens zwei Wochen zu warten, bis ich das Gespräch mit Julia suchen würde. Doch als ich ihren Anruf sah und das Schniefen gehört hatte, dass sicherlich nicht für mein Ohr bestimmt war, war mein eiserner Wille, wie weggefegt.

An der Türschwelle klingelte ich bei ihr Sturm, doch niemand öffnete mir. Eine ältere Frau, die ins Wohnhaus wollte, ließ mich hinein. Da ich von der Klingel wusste, welche Türnummer Julia hatte, beschloss ich, vor der Tür zu warten. Denn ich hatte mehrmals geklopft und an der Tür gelauscht, aber nichts gehört.

Während ich auf den Treppen saß und wartete, fragte ich mich, was ich hier eigentlich wollte. Was wollte ich ihr sagen? Wie sollte ich mich verhalten? Doch alle meine Fragen, waren vergessen, als sie völlig durchnässt vor mir stand. Blaue Farbe haftete an ihrer Kleidung. Sie schien aufgewühlt zu sein.

Da sie nichts sagte, folgte ich ihr in die Wohnung. Im Flur ging kein Licht. Die Birne musste getauscht werden.

Julia schenkte mir keine weitere Beachtung, verschwand in einem Zimmer, kam heraus und ging ins nächste. Wobei die Tür mit einem lauten Knall ins Schloss fiel.

Ich stand planlos herum und sah mich um. Schließlich hörte ich das Prasseln von Wasser. Da Julia eine Dusche nahm, zog ich mir meine Schuhe aus und begab mich ins Wohnzimmer. Es war nicht groß. Eine Couch mit Zierkissen stand vor einem Fernseher. Weiter hinten befand sich ein Regal mit einigen Büchern. Um ehrlich zu sein, schien der Raum ziemlich kahl. Keine Fotos, keine Bilder. Nichts. Es schien, als würde sie nicht viel Zeit hier verbringen. Was wiederum mit ihrer Aussage übereinstimmte nur zu arbeiten.

Beim Daily Star.

Ich ließ mich auf die Couch sinken, die unter meinem Gewicht knatschte. Anschließend zog ich meine Jacke aus und legte sie über die Rückenlehne. Zeit verstrich, in der ich dem Ticken einer Uhr lauschte.

Die Badezimmertür öffnete sich. Ein herrlicher Duft von Vanille lag in der Luft, als Julia den Raum betrat, gekleidet in Jogginghose und langem Pullover. Ihr Haar war in ein Handtuch gewickelt.

„Du bist noch da", merkte sie an, ohne mich anzusehen. Sie sah alles an, nur nicht mich. Ich stand auf und ging auf sie zu. Julia lehnte sich an den Türrahmen, der in den Flur führte und verschränkte die Arme vor der Brut. Unsere Blicke trafen sich.

„Du hast nicht gesagt, dass ich gehen soll", erwiderte ich schlicht und schob die Hände in meine Hosentaschen.

Sie murmelte ein leises „Stimmt", und stieß sich vom Rahmen ab. Schweigend folgte ich ihr in die Küche, wo sie zum Kühlschrank ging und sich darin bediente. Ich sah nicht, was sie tat, da mir die Kühlschranktür die Sicht versperrte.

Mit etwas in der Hand drehte sie mir den Rücken zu und stieß dabei mit der Schulter die Tür des Kühlschranks zu. Auf den Esstisch legte sie eine Packung Käse und Schinken ab. Von einem anderen Schrank holte sie Toastbrot. Sie belegte sich zwei Stück davon und biss ab.

„Hast du mich angerufen, weil du mir etwas sagen wolltest?", fragte ich, als mir die Szene zwischen uns unangenehm wurde.

„Nein", antwortete sie schlicht. Ihr Blick hing irgendwo im Raum.

Ich ließ mich davon nicht beirren und bohrte weiter nach: „Vielleicht mal die Wahrheit?"

Julia hielt mitten im Kauen inne. Sie hob den Kopf, sah mich an und schluckte. „W-was meinst du damit?"

Ich holte tief Luft und zuckte mit einer Schulter. „Vielleicht, dass du für die Presse arbeitest?"

„Woher-", sie sah mich fragend an und legte das Toastbrot auf den Tisch. Schweigend starrte sie mich an. In diesem Moment hatte ich auf eine Entschuldigung und vor allem eine Erklärung gehofft. Aber sie kam nicht. Nichts von beidem.

„Capaldi dachte, es wäre eine gute Idee, sich etwas über dich zu informieren."

Julia nickte benommen und ganz plötzlich begann sie zu weinen. Sie versteckte ihr Gesicht in ihren Handflächen und heulte, wie ich es noch nie gehört hatte.

Zwiegespalten stand ich vor ihr und war mir nicht sicher, was ich machen sollte. Umarmen? Nicht umarmen? Was war denn nun richtig? In was hatte ich mich selbst nur gebracht? Mein Herz war einfach zu groß, denn ich nahm sie in die Arme und rieb ihr beruhigend über den Rücken.

„I-ich w-wollte das alles nicht", schluchzte sie gegen meinen Pullover. Julia hob de Kopf und ich legte meine Hände um ihre Wangen. „Es tut mir leid, Niall." Ihr Anblick brach mir abermals das Herz.

„Du hast mich mit diesem Geheimnis sehr verletzt", gab ich zu. Ich spürte, wie sie den Kopf senken wollte, aber ich hielt ihn sachte fest. Ich wollte, dass sie mich ansah. Dass sie verstand, was sie getan hatte. „Ich weiß nicht mehr, wer du bist, oder was überhaupt echt war. Ich kann dir einfach nicht mehr vertrauen." Als hätte das dem Damm gebrochen, den sie versuchte festzuhalten, sackte sie in sich zusammen. Sie zitterte regelrecht.

Ich ließ sie los.

Julia kniete sich auf den Boden, hielt eine Hand vor ihren Mund und weinte jämmerlich. Augenblicklich bereute ich meine Worte, aber es war die Wahrheit. Sie musste sie hören. Auch, wenn sie mir nun leidtat.

„Julia?" Ich versuchte durch die Mauer, die sich um sie gebildet hatte, durch zu kommen. „Hey", versuchte ich es nochmals. Achtsam rüttelte ich an ihrer Schulter. Dann sah sie mich an. Sie schüttelte den Kopf und wischte sich mit ihrem Ärmel die Tränen von den Wangen.

„Warum gehst du nicht endlich? Lass mich doch auch endlich allein!"

Ich runzelte die Stirn. „Du bist völlig aufgelöst und ich möchte dich nur ungern alleine lassen. Ganz egal, was zwischen uns ist. Irgendwo zwischen all den Lügen, haben wir uns immerhin verstanden, oder?"

Ich konnte mir das alles doch nicht eingebildet haben? Nein ... oder doch? Da war doch etwas gewesen ...

Julias Augen füllten sich wieder mit Tränen. Sie holte ächzend Luft und nickte. „I-ich w-war i-immer ich selbst, wenn wir zusammen w-waren. I-ich sch-schwöre, Niall!" Wieder bracht sie in Tränen aus. Ich konnte es nicht mehr mit ansehen.

Ich ging in die Knie, schob einen Arm unter ihre Beine und hob sie vom Boden auf. Sie brauchte dringend Schlaf. Mit meinen Ellbogen öffnete ich die einzige Tür im Flur, von der ich nicht wusste, was sich dahinter befand. Somit konnte es nur ihr Schlafzimmer sein.

Das wenige Licht, das durch die Fenster kam, reichte um ihr Bett zu finden. Behutsam legte ich Julia darauf ab. Sie verschwendete keine Minute, um sich in ihre Decke zu hüllen. Ob beabsichtigt oder nicht, war mir aufgefallen, wie Julia an den Rand gerutscht war. Sie bot genügend Platz, damit ich mich an sie schmiegen konnte, wenn ich denn wollte. Ich dachte daran, wie sie eine Nacht bei mir im Hotelzimmer verbracht hatte, weil ich nicht ohne sie sein wollte.

Die Entscheidung viel mir leicht.

Zaghaft legte ich mich neben sie, legte einen Arm um ihre schmalen Hüften und drückte eine ihrer Hände. Dabei glaubte ich sie ein leises Danke flüstern gehört zu haben.

Ich drückte ihre kalte Hand fester.

Wie lange wir schlussendlich hier zusammen lagen, wusste ich nicht mehr. Draußen war es bereits Nacht geworden. Auch der Verkehrslärm hatte nachgelassen, wie auch Julias Schluchzen. Ich hörte nur noch, wie sie regelmäßig atmete. Vorhin hatte ich meine Hand von ihrer genommen und mich auf den Rücken gelegt, weil mir von dieser Position alles weh tat. Lag wohl auch an dem ungemütlichen kleinen Bett, das ich nicht gewohnt war.

In Gedanken versunken starrte ich die Decke über mir an.

Ich sollte nicht hier sein. Das sollte ich wirklich nicht. Aber jetzt einfach zu gehen ... das ging nicht. Das konnte ich auch nicht mit meinen Gewissen vereinbaren.

Die Matratze bewegte sich. Ich sah zu meiner linken Seite, wo Julia die Decke beiseite warf und aus dem Bett stieg. Eilig lief sie durch den Raum und hinaus auf den Flur. Ich hörte, wie eine Tür gegen eine Wand knallte. Dann folgten Würg-Geräusche.

Ich eilte Julia nach und hielt ihre Haare fest, als sie sich übergab. Sie wedelte mit einer Hand in meine Richtung. Klare Geste, dass sie mich nicht hier haben wollte. Doch ich blieb.

„Niall!", stöhnte sie. „Bitte geh!" Sie schnappte nach Luft und übergab sich wieder.

„Ich bleibe, bis du fertig bist." Und das meinte ich ernst. Ich musste zwar nicht unbedingt sehen, wie sie sich erbrach. Aber ich sah kein Problem, das mich zum Gehen zwang. Ich blieb an ihrer Seite.

Julia riss sich ein paar Blätter Toilettenpapier von der Rolle und wischte sich den Mund ab. Das Papier wurde mit ihrem Mageninhalt weggespült. Ich half ihr auf die Beine und hinüber zum Waschbecken, wo sie sich die Zähne putzte und ihr Gesicht mit kaltem Wasser wusch.

Mit wackeligen Beinen schaffte sie es alleine wieder zurück in ihr Bett. Nicht wissend, was ich nun tun sollte, setzte ich mich neben sie. Die Matratze sank kaum, so hart war diese.

Im fahlen Licht musterte ich ihre Silhouette. Sie hatte mir den Rücken zugewandt und sah Richtung Fenster.

„Ich bin davon ausgegangen, dass du nicht mehr hier sein wirst, wenn ich aufwache", sagte sie leise. Julia fügte noch hinzu: „Eigentlich ... hatte ich es gehofft."

„Oh", war alles, was ich sagte. Ich stand auf, da drehte sie den Kopf in meine Richtung. Ihr Fingerspitzen streiften meine Hand.

„Ich habe nicht gesagt, dass ich es schlecht finde, dass du noch hier bist. Es ist schon spät, wenn du möchtest, kannst du auf der Couch übernachten."

Mit großen Augen sah ich Julia im Dunkeln an. Dieses Angebot kam so unerwartet, dass ich am liebsten nachgefragt hätte, ob das ein Scherz war. Doch Julia zeigte mit dem Finger hinter mich auf ihren Kleiderschrank.

„In der letzten Reihe befindet sich eine Decke. Kissen liegen auf der Couch."

Blinzelnd folgte ich der Richtung, auf die sie zeigte. Ich dachte erst gar nicht darüber nach und nahm mir eine der kuscheligen Tagesdecken aus ihrem Kleiderschrank. Bevor ich aus dem Zimmer ging, hörte ich sie noch ein „Gute Nacht", murmeln, welches ich leise erwiderte, ehe ich mich auf der Couch wiederfand. Einer Couch, die viel zu klein für meine ausgestreckten Körper war.

Irgendwann musste ich wohl eingeschlafen sein, denn als ich die Augen öffnete, schob Julia gerade meine Beine von der Couch, um für sich selbst Platz zu machen. Sie sah mich kaum merklich an, knabberte stattdessen heiter auf einer Salatgurke herum. „Falls du Hunger hast, kannst du dir was nehmen. Der Kühlschrank ist recht bedienungsfreundlich", sagte sie.

Schlaftrunken rieb ich mir die Augen und setze mich auf. Gähnend streckte ich meine Arme aus und ließ die Gelenke kreisen. Mein ganzer Körper fühlte sich verspannt an.

„Wie spät ist es?" Meine Stimme klang, als hätte ich gerade zwei Konzerte hintereinander gegeben.

Julia leckte sich einen Finger ab, nachdem sie den letzten Rest der Gurke gegessen hatte. „Kurz nach neun. Ich wollte dich nicht wecken, aber ich muss gleich los."

Das war wohl ihre nette Bitte, dass ich mich endlich verzog. „Wohin musst du? Ich kann dich fahren."

„Nicht notwendig", sie winkte ab. „Ich gehe nur zum Arzt. Ich fühle mich nicht gut." Julia sah mich wieder nicht an. Es schien mir, als würde sie meinen Blick meiden. Es lag mir auf der Zungenspitze, nach ihrer Arbeit für die Presse zu fragen, aber wenn sie sich nicht wohl fühlte, wollte ich sie lieber in Ruhe lassen.

„Wenn du dich nicht wohlfühlst, liegt es nur nahe, dass ich dich fahren soll. Und ähm ... ich akzeptiere kein Nein." Mit diesen Worten erhob ich mich und ging ins Badezimmer.

Nachdem ich mich erleichtert hatte und mir eine Zahnbürste borgen durfte, stand ich vor dem Spiegel im Bad und kämmte mir mit den Fingern durch mein Haar.

„Das ist unnötig", sagte Julia plötzlich, die wie aus Geisterhand im Türrahmen stand. In ihrer Hand hielt sie eine Pudelmütze in Regenbogenfarben. In der anderen eine schwarze Sonnenbrille. „Hier." Sie drückte mir beides in die Hände.

„Was soll ich damit?"

„Aufsetzen, was denn sonst? Ich werde bestimmt nicht mit Niall Horan durch die Stadt laufen! Ich habe schon genug Probleme!"

„Ja, schon gut. Ich hab's kapiert. Kein Grund mich an zu motzen." Den letzten Teil sagte ich etwas leiser, doch Julias tödlicher Blick, sagte mir, dass sie es gehört hatte. Ergeben setzte ich das bunte Teil , dazu die Sonnenbrille auf und schon ging es los.

Während der Fahrt in meinen Wagen, den ich eine Straße weiter geparkt hatte, schwiegen wir. Einzig alleine das Radio machte die Fahrt erträglich. In der Nähe der Oxford Street parkte ich den Wagen in einem Parkhaus ab. Den restlichen Weg ging es zu Fuß durch die Fußgängerzone.

Während Julia sich an der Information des Ärztezentrums anmeldete, sah ich mich immer wieder um. Ich hatte das Gefühl verfolgt zu werden, aber das war nichts neues. Leider. Doch ich sah niemanden.

Julia bedeutete mir, ihr zu folgen. Ihr Arzt befand sich im dritten Stockwerk des Gebäudes, das wir mit dem Aufzug erreichten. Das Weinen eines Kindes dröhnte mir in den Ohren. Wir nahmen auf einer Bank gegenüber des schreienden Kindes platz, dessen Mutter mich komisch ansah. Lag sicher daran, dass ich mit Mütze und Sonnenbrille im Wartezimmer saß. Überhaupt nicht auffällig. Kein bisschen.

Während wir warteten, nahm ich mir eine Zeitschrift, die neben mir auf einen Tisch lag. Es war die heutige Ausgabe des Daily Star Magazins. Gerade wollte ich die erste Seite aufschlagen, da riss Julia mir die Zeitung aus der Hand und zerknüllte sie. Ich sah ihr nach, als sie aufstand und die Tageszeitung in einen Mülleimer stopfte. Und als wäre nichts gewesen, setzte sie sich wieder schweigend neben mich.

„Julia Cornwell!" Eine noch ziemlich junge Ärztin stand im Spalt einer geöffneten Tür. Julia stand auf und folgte der Frau. Dann war ich alleine im Wartezimmer.

Gelangweilt beobachtete ich die Mutter mit ihrem Kind. Sie hatte es nun endlich unter Kontrolle gebracht. Jetzt, wo es nicht mehr schrie, fand ich das kleine Mädchen ganz niedlich. Augenblicklich musste ich an meinen kleinen und halbstarken Neffen denken. Wann ich ihn wohl das nächste Mal sehe?

Müde gähnte ich in meine Handfläche und senkte den Blick auf meinen Schoß. Ich war erleichtert, als endlich die Tür aufging und Julia heraus trat. Doch anstatt auf mich zu warten, stürmte sie direkt zum Ausgang. 

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