25 - Orkan
* Als Orkan werden im weiteren Sinn Winde mit der Stärke 12 auf der Beaufortskala bezeichnet, im engeren Sinn werden darunter Nordatlantiktiefs verstanden, in denen solche Winde mit der Stärke 12 auftreten. Früher wurden alle Winde mit Orkanstärke als Orkane bezeichnet. Winde mit Orkanstärke können zum Beispiel in tropischen Wirbelstürmen, in kräftigen außertropischen Tiefdruckgebieten, in Tornados und in Downbursts auftreten. Heute werden nur noch nordatlantische Tiefdruckgebiete mit Winden in Orkanstärke als „Orkan" bezeichnet.
Song zum Kapitel: Real Friends von Camila Cabello
J U L I A
In mir tobte ein Orkan. Was sich diese Frau traute, war einfach nur unerhört! Ich konnte es einfach nicht fassen, zu was für Straftaten sie ihre eigene Tochter zwang. Und das ausgerechnet Pam mir das antat ... Wie konnte sie nur? Ich hatte wirklich geglaubt, eine neue Freundin gefunden zu haben.
Mein Kopf drehte sich. Ich fühlte mich so schlapp und fertig. Richtig ausgelaugt. Und zudem hatte ich Hunger. Mein Körper verlangte nach richtiger Nahrung und nicht diesem ekligen Zeugs, dass mir Georgina vorsetzte. Zum Teufel! Ich konnte essen, was ich wollte! Sie hatte mir überhaupt nicht zu sagen!
Ja, ich hatte in den letzten Wochen etwas zugenommen, doch es war nicht ihre Aufgabe mich aushungern zu lassen, nur damit ich ihr dünn genug war.
Für eine verlogene Frau, wie sie, hungerte ich nicht.
Ich stopfte mir gefühlt alles zwischen die Zähne, was darin Platz fand. Vorbei war die Grünkohl-Diät. Vorbei war die Absicht Georginas Bild der Schönheit wieder herzustellen.
Mehrere Tage waren nun vergangen, in denen ich zwischen Kühlschrank und Toilette hin und her wanderte. Ich aß nur noch aus Frust und Kummer. Frust darüber, dass ich dachte, Georgina und ihr Spiel überstehen zu können. Kummer, weil ich nicht wusste, was nun folgte.
Pam war, nachdem sie aus der Suite verschwunden war, unauffindbar gewesen. Genau wie ihre Mutter, die wohl schon sehr früh, das Hotel verlassen hatte. Vermutlich, weil sie wusste, dass ich in ihr Zimmer stürmen würde, um ihr die Hölle heiß zu machen.
Danach hatte ich ebenfalls eilig das Hotel verlassen. Natürlich hatte, ohne Georgina an meiner Seite, kein Taxi auf mich gewartet. Ich musste mich mit all meinem Zorn und meinem Koffer zur nächsten Subway-Station schleppen. Es war wohl die längste Fahrt meines Lebens. Denn in mir, direkt unter der Haut, hatte es gebrodelt wie in einem Vulkan. Dabei half es auch nicht, dass keine der Lewis Frauen meine Nachrichten oder meine verzweifelten Anrufe beantwortete.
Zu Hause war ich in mich zusammengesunken und hatte geweint und geweint und geweint. Wie ein Baby, das nach Aufmerksamkeit verlangte. Ein erneuter Stimmungswechsel hatte mich aus dem Haus getrieben. Rasend vor Zorn befand ich mich kurze Zeit später vor Georginas Haus. Ein Regen aus wüsten Beschimpfungen prasselte aus mir hinaus. Dabei hatte ich es aus ausgelassen, die Höflichkeitsform zu verwenden. Kein Ms Lewis, ich schrie ihren verdammten Vornamen.
Doch im Haus rührte sich niemand. Man ignorierte mich. So blieb es auch am darauffolgenden Sonntag.
Montags hatte sich mein Gemütszustand wieder etwas beruhigt, aber auch nur, weil ich noch kein Foto von Niall und mir im Netz finden konnte. Nachts hatte ich trotzdem kein Auge zubekommen, denn ich hatte mir eine Rede zurechtgelegt, die ich vorhatte an Georgina zu richten. Sie sollte ihr endlich mal die Augen öffnen und ihr zeigen, was für ein abscheulicher Mensch sie war. Jedoch sollte es nicht so weit kommen. Bereits am Eingang hatte man mich abgefangen und mir gesagt, dass Georgina mich beurlaubt hatte. Mir wurde der Zutritt verwehrt, bis man mich aus meinem wohlverdienten Urlaub zurückholte.
Nun hing ich mit dem Kopf über der Toilette und übergab mich. Mir war das gerade alles zuviel geworden. Ich konnte nicht mehr. Die letzten drei Monate waren so stressig und hart gewesen. Dazu noch das Dilemma mit Niall und nun ... das.
Nachdem ich mir die Zähne geputzt hatte und mein Schicksal angenommen hatte, machte ich es mir mit einer Tasse Kamillentee auf meinem Sofa gemütlich. Dazu hatte ich mir ein Buch geschnappt, auf das ich schon lange Lust hatte, aber nie die Zeit. Mein Kopf pulsierte, aber so stark, dass er es mir unmöglich machte weder das Geschriebene zu genießen, noch bildlich vorzustellen. Ich klappte das Buch zusammen und massierte mir meine Schläfen.
Mir war, als würde die Last der letzten Monate mit einem Schlag auf mich fallen. Mein Körper streikte. Mein Kopf streikte. Nichts war, wie es noch vor Tagen der Fall war. Vielleicht war dieser Zwangsurlaub, genau das, was ich gebraucht hatte. Es war die perfekte Gelegenheit, wieder Kraft zu tanken und mir zu überlegen, wie ich weiter vorgehen wollte. Dass ich mir wohl nun klar werden musste, wie ich mit der Situation umgehen würde, lag nahe. Konnte ich denn noch für Georgina und dem Daily Star arbeiten? Sie hatte mich schließlich hintergangen. Jedoch war es eine einmalige Chance, die nicht jedem geboten wurde. Was sollte ich denn nun machen?
Ich hätte mich gerne an eine Freundin gewandt, aber ... ich hatte keine. Pam hatte mich an der Nase herumgeführt, wie auch Chloe es gemacht hatte. Leider musste ich der Tatsache ins Auge sehen: Ich hatte keine Freunde. Wirklich niemanden an den ich mich wenden konnte. Die einzige, die mir ein offenes Ohr schenken würde, war in diesem Moment meine Mutter. Aber sie wollte ich nicht mit meinen Problemen nerven. Sie würde sich nur unnötig Sorgen um mich machen und das wollte ich nicht.
In meinem Kummer tat ich dann etwas, dass ich nicht hätte tun sollen. Ich wählte Nialls Nummer. Es klingelte und zum Schluss ging die Mailbox ran. Erst hier wurde mir bewusst, was ich da gerade im Begriff war zu tun. Ich nahm das Telefon vom Ohr und wischte über den roten Balken.
Frustriert warf ich mein Telefon neben mich in die Kissen und schnappte mir meine Teetasse. Meine kalten Finger erwärmten sich langsam. Dabei starrte ich die farblosen weißen Wände meiner Wohnung an. Inzwischen hatte ich etwas Geld gespart. Georgina war zwar eine Hexe, aber sie bezahlte gut, wodurch ich mich leicht über Wasser halten konnte. Farbe, ich könnte Farbe kaufen und die Wände streichen. Es würde mich vielleicht etwas ablenken.
Plötzlich entschlossen stand ich auf, zog mir eine Jacke über, tauschte Hausschuhe gegen Sneakers und verließ die Wohnung. Mit dem Bus fuhr ich zum nächsten Baumarkt. Erst dort, als ich an der Sanitär-Abteilung vorbei ging und einen Blick in einen Spiegel warf, sah ich, wie schrecklich ich aussah. Als käme ich direkt von einer Party, auf der ich die Nacht über nur geweint hatte. Ich sagte mir, dass es egal war. Wenn mein Aussehen jemanden nicht passte, sollte er mich eben nicht anschauen. Aus. Schluss. Egal.
Seelenruhig schob ich den Einkaufswagen vor mich hin. Bevor ich überhaupt zu der Abteilung mit den Farben kam, blieb ich vor einem Regal mit Handtüchern stehen. Ich brauchte zwar keine neuen, aber die Neonfarben der flauschigen Handtücher hatten es mir angetan. Am Ende landeten drei davon in meinen Wagen, sowie eine fünfer Packung Glühbirnen, damit ich endlich die kaputte Birne im Flur auswechseln konnte. Schon seit drei Wochen schob ich das vor mich her.
Bei den Farben ließ ich mir Zeit. Ich hatte mir keine Gedanken darüber gemacht, was ich eigentlich wollte. Etwas Helles oder doch dunkel? Grell oder dezent?
Von einer Palette hievte ich zwei große Kübel weiße Farbe in meinen Wagen. Dann sah ich mir die Farben an. Mir stach eine Flasche mit baby-blauer Farbe in die Augen. Sie erinnerte mich an ein gewisses Augenpaar.
Baby. Blau.
Ein Schauer durchzuckte mich.
Etwas Kaltes spritze mir ins Gesicht. Ich schreckte auf und rieb mir mit der Hand über mein feuchtes Gesicht. Ein Blick auf meine Handfläche und ich sah die blaue Farbe. Beim zweiten Blick war mir aufgefallen, dass ich die Flasche zu Boden fallen gelassen hatte. Ich war bedeckt in baby-blau.
Ein Verkäufer eilte auf mich zu, doch ich war zu sehr in Gedanken, um zu verstehen, was er mir sagte. Lippen bewegten sich, Worte wurden gesagt, doch ich verstand nicht.
Ein zweiter Verkäufer kam und drückte mir eine Rolle Küchenpapier in die Hand. Nur geistesgegenwärtig, riss ich mir ein paar Blätter ab und wischte ein wenig Farbe aus meinem Gesicht und von meiner Jacke.
Langsam taumelte ich rückwärts, ließ den Wagen mit den Handtüchern und den Glühbirnen stehen und stürzte zum Ausgang. Hastig, eilig. Ich stieß Leute zur Seite, vernahm irgendwo hinter mir Gebrüll. Und mir wurde bewusst, dass sogar der Himmel gegen mich war, als ich in ein Regenschauer lief.
Starkregen preschte gehen mich. Durchnässte mich, als hätte ich das hier verdient. Als wäre es die Strafe dafür, dass ich mit Georgina in den Wagen von Joe und Sophie Jonas eingebrochen war. Bestrafte mich dafür, dass ich Niall an den Daily Star verkauft hatte. Bestrafte mich dafür, dass ich einmal nach Brandon mit jemanden Spaß hatte.
Ich nahm die Bestrafung auf mich und lief den ganzen Weg nach Hause durch den Regen. Erkältung, Lungenentzündung - ganz egal. Alles hatte ich verdient.
Vereinzelt spürte ich die Blicke von Passanten auf mir, die sich unter etwas gestellt hatten oder zu ihrem Glück einen Regenschirm bei sich trugen. Ich vermied es einen Blick in Schaufenster zu werfen, um mein Spiegelbild zu sehen. Klatschnass und mit blauer Farbe vollgespritzt, so lief ich herum und das wusste ich, ohne es zu sehen. Mein Haar klebte mir wild im Gesicht, ließen mich das Haargummi verfluchen, dass ich zu Hause liegen gelassen hatte.
Eines jedoch hatte der Regen auf sich. Er war beruhigend. Das Plätschern von Regentropfen auf den Asphalt hatte etwas an sich, das ich gerne hörte. Ich möchte auch den Duft von Regen, vor allem im Sommer.
Nach dem längsten Heimweg meines Lebens stolperte ich hustend in den Hausflur des Gebäudes, in dem ich wohnte. Wasser perlte von mir ab und tropfte auf dem Boden.
Babyblau.
Es ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Völlig erledigt hielt ich mich am Treppengeländer an und stieg die Stufen hoch in mein Stockwerk. Mein Hals brannte. Halsschmerzen, wie sehr ich es hasste. Meine Lippen bibberten. Ich freute mich schon darauf, aus den Klamotten zu kommen und mich aufzuwärmen.
Nur noch neun Stufen und ich kam endlich zu Hause an. Doch ich blieb abrupt stehen, als ich jemanden an den letzten Stufen bemerkte. Er starrte mich mit offenen Mund an und stand auf, als er mich erkannte.
„Was machst du hier?", zischte ich schroff. Ich sah mich um, es waren keine Nachbarn in Sicht.
Niall stieg einige Stufen zu mir hinab. „Die besserer Frage ist wohl, warum bist du so nass? Du holst dir noch den Tod!"
Ich wollte etwas sagen, da begann mein Hals zu kratzen. Ich begann wild zu husten. Mit einer Hand vor dem Mund ging ich an Niall vorbei und hinauf zu meiner Wohnungstür. Den Schlüssel hatte ich bereits aus meiner Hosentasche gefischt. Nachdem ich mich geräuspert hatte, war der Husten verschwunden.
Es war mir egal, was Niall nun machte. Ober er wieder ging oder hereinkam. Ich schaute auch nicht zurück, ob er mir in die Wohnung gefolgt war. Das einzige, was ich gerade wollte, war eine warme Dusche.
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Hey,
ich melde mich mal kurz, um Danke zu sagen. Es freut mich sehr, dass ich soviel Spaß zu haben scheint. Deswegen werde ich gar nicht lange um den heißen Brei herumreden und euch mitteilen, dass Heartbreak Weather einen zweiten Teil bekommt. Falls ihr wollt, könnte ihr ihn schon in eure Leselisten speichern. Doch keine Angst, wir sind hier mit Band 1 Stürmische Zeiten, noch nicht am Ende.
Ich wünsche euch ein wunderschönes Wochenende.
Liebe Grüße, Sabrina.
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