24 - Funnel
*Als Funnel wird ein trichterförmiger Auswuchs aus einer Schauer- oder bezeichnet, der im Aufwindbereich entsteht. Meist ist auch eine Rotation dieses Wolkenrüssels oder -schlauchs zu beobachten. Solche Funnel Clouds gelten in der Regel als Vorstufe eines Tornados. Der sichtbare Teil des Wolkenschlauchs berührt dabei nicht den Boden. Der Wirbel setzt sich jedoch auch nach unten fort. Dort kann der nicht komplett auskondensierte Teil dann trotzdem Bodenkontakt haben. Denn als wird nur der Luftwirbel bezeichnet.
Song zum Kapitel: Someone You Loved von Lewis Capaldi
N I A L L
"Du liebeskranker Narr!"
Das waren die ersten Worte, die Capaldi an mich gerichtet hatte. Völlig durcheinander, vergrub ich mein Gesicht in meinen Hände. Meine Ellbogen stemmte ich gegen den Tisch, auf dem sich Berge von Köstlichkeiten stapelten. Es war das Frühstück, das ich mit Julia genießen wollte. Doch nun saß einer meiner engsten Freunde an dem Stuhl, der eigentlich für sie gedacht war.
Capaldi belud sich, nach dem Scheppern von Besteck nach, gerade seinen Teller.
Ich schnaufte in meine Handflächen und nahm die Hände wieder von meinem Gesicht. Der Hunger war mir vergangen. Ich hatte es probiert, hatte mir ein Brot geschmiert und etwas Lachs mit Dille darauf portioniert, doch nach einem Bissen war Schluss. Mein Magen machte das nicht mit.
Ich schob meinen Teller von mir und sah verzweifelt zu Capaldi, der sich gerade Weintrauben in den Mund schob. Ich hörte wie er auf die Traube biss und die frische Frucht knackte.
"Was soll ich deiner Meinung nach nun machen?", richtete ich die Frage an Capaldi.
Dieser Schlucke und wog den Kopf hin und her. "Wie wäre es mit dem, was zu zuvor vor hattest?"
Ich holte Luft und ließ mich zurück an die Rückenlehne des Stuhls fallen. "Nochmals in der Lobby fragen, ob mir jemand ihre Zimmernummer verrät?" Bereits gestern Nacht, war ich auf die selten dämliche Idee gekommen, das zu tun. Nicht mal mit etwas Geld, ließ sich die Frau an der Rezeption bestehen. Anschließend bin ich betrunken durch den ersten Stock getorkelt und habe nach meiner Cinderella gerufen.
"Nein, du Trottel!", tadelte Capaldi von der anderen Seite des Tisches. Er nahm ein Messer und schnitt sich eine Scheibe Brot von einem Laib. Er achtete darauf, sich keinen Finger abzutrennen. Als das scharfe Messer durch das Brot, wie durch Butter geglitten war, sprach er weiter: "Du wolltest es doch gut sein lassen und nicht mehr an dein Herzschmerz Mädchen denken. An sie und den Sturm, den sie mit sich bringt."
"Kannst du mal aufhören sie Herzschmerz Mädchen zu nennen? Ihr Name ist Julia."
Capaldi hob fragend die Hände. "Was? Du hast sie doch so genannt, als du mir von ihr erzählt hast. Beschwere dich also nicht." Mit dem Messer schnitt er sein - nun mit Käse, Paprika und Tomaten belegtes Brot in Streifen. "Was weißt du eigentlich über sie? Warum kann sich eine normale Frau, wie sie, eine Nacht in diesem Luxushotel leisten? Ausgerechnet in der Nacht, wo wir hier sind und noch unzählige andere Berühmtheiten."
Jetzt wo er es erwähnte runzelte ich die Stirn. Ich hatte mir noch überhaupt keine Gedanken darüber gemacht. Capaldi hatte recht. Was tat Julia hier? Ich wusste, wo sie wohnte und die Gegend sprach nicht davon Geld wie Heu zu besitzen. Doch andererseits konnte sie genauso beruflich hier sein. Sie hatte doch erwähnt vierundzwanzig Stunden am Tag zu arbeiten.
"Was weißt du über Julia?", hackte mein Freund mit Nachdruck nach. Sein Kopf lag nun leicht schief. Er musterte mich neugierig und etwas skeptisch.
"Ihr voller Name ist Julia Cornwell", sagte ich schließlich. Den Nachnamen hatte ich mir gemerkt, als wir über Instagram, während meines Live-Streams, miteinander gesprochen hatten. "Sie arbeitet als Assistentin für irgendjemand, der sie nicht gut zu behandeln scheint. Und ich weiß auch, wo sie wohnt."
Capaldis Augen verengten sich. "Das ist ... alles?"
Ein unwohler Schauer von Scham überkam mich. Es war wirklich nicht viel. Ich lachte ertappt auf, in dem ich versuchte die Sache mit Witz zu nehmen: "Ich könnte dir noch sagen, wie sie nackt aussieht."
Mein Freund fand das alles andere als witzig. Lewis stopfte sich eine weitere Spalte seines geschnittenen Brotes in den Mund, wischte sich die Finger an einer Serviette an und erhob sich. Auf einen Stuhl neben mir setzte er sich wieder. Keine zwei Sekunden später hielt er sein iPhone in der Hand und klickte die Google-App an. Ich sah ihm zu, wie er ihren Namen in die Suchleiste tippte.
"Ich weiß nicht, ob ich das möchte", gab ich schließlich zu. Das fühlte sich an, als würde ich in ihren Privaten Räumen durch ihre Schubladen wühlen. Wenn es etwas gab, dass ich wissen müsste, hätte sie es doch erwähnt.
"Weil du ein Narr bist", erwiderte Capaldi. Vor unseren Augen würden Suchergebnisse ausgespuckt. Vorne weg ein Link zu dem Instagram Profil von @juliacornwell. Ohne zu zögern klickte er auf den Link.
Bisher hatte ich noch nie einen Blick auf ihr Profil geworfen. Nicht, weil ich es nicht wollte, einfach nur aus Respekt. Außerdem wollte ich ihr nicht ewig hinterhertrauern, immerhin hatte sie damals die Entscheidung getroffen das Weite zu suchen.
Lewis klickte auf das erste Foto, das nur zwei Wochen alt war. Julia und eine andere Frau im vermutlich selben Alter nippten an zwei Kaffeetassen. Ihre Freundin war im Gegensatz zu Julias dunklem Haar, ein heller Typ. Honig-blondes Haar umrahmte ihr schmales Gesicht. Eine Personenmarkierung brachte uns weiter auf das Profil einer sogenannten Pamela Lewis. Ihr Feed bestand aus einer Reihe von Selfies und glamourösen Einrichtungen. Weitere Fotos zeigten sie an einem Schreibtisch, wie sie gerade einen Bericht schrieb oder was auch immer. Doch es war ein Foto von ihr und einer Frau, die mir nur allzu bekannt vorkam, das mich stocken ließ.
»Happy Birthday Mama! 🎉«
Die Bildunterschrift versetzte mich in Schockzustand.
Die Tochter von Georgina Lewis und Julia, meine Julia, sind befreundet.
Capaldi sah mich entschuldigen und mitfühlend von der Seite an. Er klopfte mir aufmunternd an die Schulter. "Ich sag es dir doch. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser."
"Das ... das kann nicht sein!" Ich wollte es nicht wahrhaben. Es musste einen verdammt guten Grund für diesen Zufall geben. "Nein", hauchte ich verzweifelt. Als würde es etwas ändern, suchte ich nun Julias Profil. Tippte ihren Namen so schnell in die Leiste, dass ich mich zweimal vertippte. Aber Julias Profil öffnete sich schließlich.
Inzwischen war ich aufgestanden und lief auf und ab. Starrte das verdammte Foto an, mit der Betitelung: »Kaffee ist der perfekte Ausgleich für einen stressigen Tag in der Arbeit.«
Meine Finger schwebten über den Tasten. Wie gerne hätte ich ein einfaches »Warum?« in die »Kommentarzeile geschrieben. »Warum hast du mir das verheimlicht? Hast du nur mit mir gespielt?«
Ein plötzlicher Zorn überkam mich. Solche Wut, dass ich mein iPhone gegen die nächste Wand schoss und auf Ort und Stelle zusammen sackte. Warum passierter solcher Mist immer nur mir? Was hatte ich in meinen letzten Leben verbrochen, um vom Glück so bestraft zu werden? Erst verlor ich meine Verlobte und nun die Frau, die mir wieder etwas Sonnenstrahlen in mein kahles Leben gebracht hatte.
"Hey." Ich nahm Capaldi neben mir war. Er war in die Knie gegangen und rieb mir den Rücken. "Das wird schon wieder. Ich möchte dir nicht zuviele Hoffnungen machen, aber wir wissen nicht, was sie genau mit Georgina und ihrer Tochter zu tun hat. Wenn es dir noch immer soviel bedeutet, sollten wir deiner verlogenen Julia einen Besuch abstatten."
Frustriert rieb mich mir meine Augen. Sie brannten leicht. Ein Zeichen des Körpers, dass man zutiefst verletzt war. Verächtend mir gegenüber schnaubte ich: "Wäre dann wohl gut, wenn ich Idiot mich noch erinnern könnte, was für eine Zimmernummer sie hatte. Ich war hacke dicht gestern Nach!"
Capaldi setzte sich neben mich auf den Boden und streckte die Beine aus. "Diese Aussprache muss nicht sofort sein. Beruhige dich erst mals und dann sehen wir weiter."
"Was ist, wenn sie irgendetwas gegen mich in der Hand hat und es an die Presse verkauft, was wenn-", ich stoppte mich selbst mitten im Satz. Wir hatten Sex. In meinem Pool, bei mir zu Hause. An dem Ort, an dem ich mein Leben lebte. An dem ich einfach nur ich war und alles von mir aufbewahrte. Es war ein Ort, den ich von der Öffentlichkeit fern hielt. Mein zu Hause.
Doch musste ich zugeben, bis jetzt eigentlich nichts von mir in der Presse gelesen zu haben. Nichts, das wohl von Julia stammen konnte. Keine Dinge, die uns miteinander verbanden.
Wäre sie nicht dumm unsere Geschichte für sich zu behalten, wenn es alles nur Show war?
Was war die Wahrheit?
Was konnte ich ihr noch glauben?
Was sollte ich nun tun?
Was, wenn das der größte Fehler meines Lebens war?
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