20 - Bora
*Bei der Bora (griech. von Boréas "der Nördliche") handelt es sich um einen kalten Nordostwind, der vorwiegend an den Küsten Sloweniens und Kroatiens auftritt. Bekannte Einfallstore für die Bora stellen die Bucht bei Triest, die Kvarner Bucht oder der Velebit-Kanal (bei Senj) dar. Während das Wetterphänomen in der warmen Jahreszeit oft nur wenige Stunden andauert, kann es im Winter über Tage oder sogar Wochen sehr ungemütlich sein.
Song zum Kapitel: Wrong Direction von Hailee Steinfeld
N I A L L
Man hatte mich heute schick gemacht. Der dunkelblaue Anzug, war genau das, was ich mir vorgestellt hatte, als ich meiner Assistentin Jane, sagte, was ich tragen wollte. Sie kümmerte sich immer um alles, wenn ich darum bat. Im Moment wartete sie darauf, dass ich endlich wieder Live-Auftritte plante, was aber in Verbindung mit neuer Musik war. Solange ich nicht fertig mit dem Aufnehmen und Schreiben war, hatte sie nicht viel um die Ohren, weshalb sie sich gefreut hatte, als ihr vor zwei Wochen den Auftrag gab, passende Kleidung zu finden und dafür zu sorgen, dass eine Visagistin mich für heute zurecht machte.
Lewis Capaldi kam vorbei und zusammen glühten wir für die heutige Nacht vor. Als es soweit war, holte uns ein arrangierter Fahrer ab und brachte uns zu den Brits. Jane hatte sich außerdem um die Buchung des Hotels gesorgt, in dem die Aftershow-Party stattfand. Sie hatte angeboten unser Gepäck hinzubringen.
Wir kamen als eine der wenigen letzten Promis an der Arena an. Capaldi wurde von seinem Manager über den roten Teppich gescheucht, während ich hinten vorbeiging und unsere Plätze in der Arena suchte. Ein junger Mann wies mich an einen runden gedeckten Tisch in der Mitte des abgesperrten Bereichs, der nur für Stargäste war.
Die Zuschauer brüllen, johlten und schrien, dass ich meine eigenen Gedanken nicht mehr hören konnte. Es war ohrenbetäubend.
Ein Kellner kam und fragte mich nach meiner Getränkeauswahl, die aus einem Guinness und einer Karaffe Wasser bestand - für den Schein natürlich, falls man auf meinen und Capaldis Tisch schaltete. Die Brits waren in diesen Sachen wirklich Next Level. Es gab nur wenige Award Shows, die derart aufdeckten. Bei den meisten saß man im Publikum und wartete, dass die Show begann, während man hier einen Tisch, wie im Restaurant hatte und auch während der Show versorgt wurde. Ein aus Seide bestehendes Tischtuch lag über den Tisch. Echte wunderschöne bunte Blumen, deren Namen ich nicht kannte, standen in einer Vase in der Mitte und gaben dem Ganzen einen schönen farbigen Touch. Um die Vase schlängelte sich eine Lichterkette, die den Tisch im Dunkeln Licht schenkte.
Während ich auf meine Getränke wartete, ließ ich die Augen über die anderen Tische schweifen. Ich sah bekannte Gesichter. Rita Ora hob eine Hand zum Gruß und ich grüßte zurück. Etwas weiter entfernt von ihr, sah ich sie. Hailee. Sie war so vertieft in ein Gespräch mit dem jungen Mann an ihrer Seite, dass sie mich nicht sah. Ein großes Lächeln lag auf ihren Lippen. Sie strahlte regelrecht. Sie war glücklich und leider schien auch dieser Mann auf dieselbe Art, wie sie zu reagieren. Jetzt lachte sie, wegen etwas das er gesagt hatte. Er gab ihr einen Kuss auf die Wange und ich sah, wie sich eine leichte Röte auf ihr Gesicht stahl.
Früher hatte sie so auf mich reagiert.
Ich wusste, dass ich mich mit meinen Blicken auf sie und ihn nur selbst quälte, aber ich konnte den Blick nicht abwenden. Sie sah so gut aus in ihrem weißen Kleid und das gelockte Haar. Und erst ihr Lächeln ..., ich hatte es schon lange nicht mehr gesehen. Nicht in diese Art und Weise. Nicht voller Zuneigung und Liebe.
Eine starke Hand an meiner Schulter erschreckte mich. "Ist das ihr Neuer? Das ist nicht gerade ein Upgrade zu dir, eher ein Downgrade", scherzte Capaldi, der sich auf den Stuhl neben mich setzte. Ich schmunzelte leicht, weil ich genau wusste, was er versuchte. Es war ein versuch von ihm, mich es nicht zu ernst nehmen zu lassen.
Als ich auf den Tisch sah, bemerkte ich erst, dass meine Getränke schon hier standen. Capaldi griff nach meinem Guinness und leerte das Glas beinahe bis zur Hälfte. "Boah, wie geil. Das habe ich jetzt gebraucht", sagte er, als er das Glas abstellte. Dann runzelte mein Freund die Stirn. "Du trinkst heute nur Wasser? Da hinten sitzt deine Ex- Verlobte mit ihrem neuen Lover. Ich würde sagen, das ist genug Grund, um es heute krachen zu lassen."
"Nur für das Protokoll. DAS war eigentlich mein Guinness", stellte ich klar, da hob ich schon die Hand, damit der Kellner wieder an den Tisch kam und wir eine neue Runde bestellten.
"Ups", war alles was Capaldi darauf sagte. Er hatte genau gewusst, dass es meines war.
Später erzählte er mir von seinem Auftritt am roten Teppich. Er hatte es tatsächlich geschafft Georgina Lewis nicht in die Arme zu laufen, die ihm sogar am Arm gepackt hatte und schließlich von den Securitys verscheucht wurde. Diese Frau was so ziemlich das Schlimmste, was jemandem am roten Teppich passieren konnte.
Mit One Direction waren wir ein paar Mal mit ihr aneinander geraten. Wir hatten immer versucht ihren Fragen mit Humor auszuweichen, was aber meistens in einer Katastrophe endete.
Die Show ging los und wurde von einer Performance von Billie Eilish eröffnet. Awards wurden vergeben und weitere Live-Auftritte folgten, auch der von Hailee. Sie sang ihren Song Wrong Direction. Ich wusste, dass der Song nicht über mich war. Sie hatte es mir auch gesagt, aber ich musste es mir dennoch jedes Mal wieder einreden. Denn ich spürte die Blicke auf mir, von denen, die davon überzeugt waren, dass er doch über mich handelte - über unsere Beziehung.
Ich hörte den Schmerz in ihrer Stimme und sank unwillkürlich in meinen Stuhl zusammen.
'Der Song handelt nicht über dich', ich redete mir die Worte ein wie ein Mantra. Es half, aber ich war trotzdem froh, als der Song endete und sie die Bühne verließ.
Wenig später war ich an der Reihe die Bühne zu betreten und den British Breakthrough Act auszuzeichnen. Es war mir eine Ehre, dass der Preis an meinen Kumpel Lewis Capaldi ging.
Als die Show um 10 pm ihr Ende nahm, blieben wir noch sitzen und tranken unsere Getränke aus. Anschließend machten wir uns auf den Weg durch das Getümmel und zu unserem Wagen, der schon im Backstage Bereich des Parkplatzes auf uns wartete. Es hatte sich ein kleiner Stau gebildet, weswegen es etwas dauerte, bis wir das St. Martins Lane Hotel, im Stadtteil Covent Garden, erreichten.
Ich hatte mit der Band in diesem Luxushotel schon einige Male übernachtet, darum erstaunte mich der imposante Lobbybereich mit seinen riesigen Glastüren, verwinkelten Nischen, den großen Pfeilern und den Kalksteinwänden, die in ein stimmungsvolles Gelb getaucht sind, nicht mehr. Auch Capaldi ging es so.
Der Mann an der Rezeption war die Ruhe selbst, als wir nach unseren Schlüsselkarten verlangen. Aber solche Art von Professionalität war in derartigen Hotels die Tagesordnung. In der Lobby tummelten sich ziemlich viele Gäste, die allesamt von der Award Show abstammten. Lewis und ich gingen zum Fahrstuhl und drückten den Knopf. Es dauerte nur Sekunden bis das Pling zu hören war und sich die schweren Türen öffneten. Beide mussten wir in das siebte Stockwerk hoch.
Die Türen schoben sich zu und leise Fahrstuhlmusik erklang aus den Lautsprechern. Ich machte in der Zwischenzeit einen kurzen Blick in den Spiegel an der Rückwand des Aufzugs, da hielt er plötzlich im dritten Stockwerk an. Im Spiegelbild sah ich, wie eine Frau mit gesenktem Kopf und schwarzen Kleid zu uns einstieg. Sie schien gedankenverloren. Capaldi rückte dichter an mich heran und ich drehte mich wieder um.
Die Taste des ersten Stockwerks leuchtet, was hieß, dass sie nach unten wollte. Der Aufzug fuhr jedoch weiter hoch zu sieben.
Ich sah auf das halb hochgesteckte dunkelbraune Haar hinab, das mit kleinen Perlen verziert war. Das schwarze Kleid lag eng an ihrem schmalen Körper und ließ somit keinen Raum für Fantasien.
Capaldi stieß mich mit seinen Ellbogen an und ich verzog fragend das Gesicht. Er hob beide Augenbrauen spöttisch hoch und ich verdrehte die Augen. Nein, ich verschlang sie nicht mit meinen Augen, aber ich hätte gerne einen Blick in ihr Gesicht geworfen.
Lewis lehnte den Oberkörper etwas nach vorne, um einen Blick zu erhaschen. Dann stellte er sich wieder aufrecht hin und nickte leicht, was so viel bedeutet wie: "Sieht nicht schlecht aus."
Doch bevor wir noch reagieren konnten ertönte das Ping des Aufzugs wieder und die Türen schob sich auf. Die Frau machte einen Schritt zur Seite, als sie merkte, dass wir aussteigen wollten. Capaldi ging aus erstes auf den Flur hinaus, ich folgte ihm. Neugierig warf ich einen letzten Blick zurück. Die Türen schoben sich bereits zu.
Sie starrte mich so entsetzt an, wie ich sie. Ich streckte die Hand aus, damit der Sensor die Tür nochmals öffnete, aber zu spät. Julia fuhr bereits nach unten. Ohne nachzudenken preschte ich zum anderen Fahrstuhl, drückte ununterbrochen auf die Taste.
Stockwerk eins, sie wollte in das erste Stockwerk.
Was zur Hölle machte sie hier? Warum war sie in diesem Hotel? Sie konnte sich das dich unmöglich leisten, oder?
"Alter, was ist los?", fragte Capaldi unwissend hinter mir.
"D-das war Julia! Die Frau von der ich dir erzählt habe!"
"Julia?", fragte Lewis nach. "Dein Herzschmerzmädchen?"
Wann kam denn endlich dieser verdammte Fahrstuhl?!
"Ja, genau die!" Weiterhin hämmerte ich auf die Taste ein, als würde es einen Unterschied machen, wie schnell der Fahrstuhl ankam.
Capaldi lehnte sie an die Wand neben mich und verschränkte die Arme vor der Brust. "Denkst du, es ist klug ihr hinterherzulaufen? Denn, das ist, was du tun willst, oder?"
"Ich laufe ihr nicht hinterher", gab ich etwas schroffer als beabsichtigt zurück.
Capaldi schüttelte den Kopf. "Ach nein?"
Endlich war der Aufzug da. Ich schob mich schon durch die Türen, als sie sich erst auseinanderschoben. Capaldi quetschte sich ebenfalls durch.
"Erster Stock!", befahl ich den Aufzug, während ich die Taste drückte und zappelig wurde. Es war mir ein Rätsel weshalb ich plötzlich so aufgedreht war. Es war, als würde alles von dieser Begegnung abhängen. Drei Monate und ein bisschen mehr waren vergangen seitdem ich sie das letzte Mal gesehen hatte.
Im ersten Stock traf mich die Erkenntnis wie ein Schlag in die Magengegend. Ich wollte zwar mit Julia reden, aber sie nicht mit mir, denn sie war nicht in Sichtweite.
Capaldi klopfte mir aufmunternd auf den Rücken. "Vielleicht beim nächsten Mal, Kumpel."
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