Chapter 6 ☆ Untergang in Coronet
Ich hatte keine Zeit zu reagieren, doch Din Djarin tat es für mich. Ehe ich es kommen sehen konnte, riss er mich an meinem Oberarm hinter sich. Gleichzeitig feuerte er mit seiner anderen Hand Schüsse aus einem Blaster in Richtung der Angreifer.
Ich hörte nur noch das Blut in meinen Ohren pulsieren, die staccatoartigen Schüsse und den Mandalorianer, der Eris und Niesken anbrüllte.
"Sofort hinter mich!"
Er selbst zog mich und sich selber in die schützende Ecke der Kneipentür. Die blecherne Musik dieser kam mir vor wie eine Parodie unserer Situation. Im Schutz des Mandalorianers konnte ich nur sehen, wie dunkel gekleidete Personen von der einen Hausecke zur nächsten rannten. Din Djarin traf den einen am Rücken. Er fiel mit einem Schrei zu Boden.
"Neben der Kneipe ist eine breite Gasse, in der große Müllcontainer stehen. Auf mein Kommando werden wir uns dahinter verstecken", zischte der Mandalorianer. Er lugte vorsichtig aus dem Türeingang hervor. Dann gab er uns mit einem versteckten Handwink zu Verstehen, dass wir jetzt losrennen sollten. Ich zögerte einen Moment und lugte hinter Din Djarin hervor, sah jedoch nur einen leeren Platz und dunkle Fenster in den Häusern.
"Los geh jetzt", ermahnte der Krieger mich. Ich sah gerade noch, wie Eris und Niesken hinter der Hausecke verschwanden. Dann kratzte ich all meinen Mut zusammen und betete zur großen Göttin Cassiopeia, dass ich nicht erschossen werden würde.
Ich rannte so schnell ich konnte aus dem Hauseingang um die Ecke. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals. Adrenalin durchflutete jede Faser meines Körpers und ich war vollkommen auf meine Flucht konzentriert. Wieder ertönten Schüsse, die mir das Blut in den Adern gefrieren ließen. Ich bog um den hohen, breiten Müllcontainer und sah Eris und Niesken eng dahinter gebeugt stehen. Sie beide hatten ihre Blaster gezückt. Warum hatten sie Waffen bei sich?
Ich hatte mich soeben neben Niesken geduckt, als auch schon Din Djarin um die Ecke gerannt kam.
"Eris, wer sind diese Angreifer?"
"Ich habe keine Ahnung. Sucht man nach dir?", entgegnete Eris schnell, sein Stimme war immer noch betont lässig. Zu betont lässig. Er richtete sich etwas auf, den Blaster immer noch in seiner Hand und stellte sich neben Din Djarin.
"Als Kopfgeldjäger wird man manchmal selber gejagt. Vielleicht sind es Späher von Rheas Vater. Aber wie können sie uns nur gefunden haben?", überlegte er laut. Doch es blieb keine Zeit mehr für weitere Worte. Wieder trafen Schüsse mit einem lauten Klonk Klonk gegen den Müllcontainer. Ich konnte gerade noch verhindern, dass ich vor Schreck nicht aufschrie.
"Scheiße", entfuhr es Eris. Seine himmelblauen Augen zuckten hektisch zwischen dem Mandalorianern und der Richtung unserer Angreifer hin und her.
"Wir können hier nicht länger bleiben."
"Teilen wir uns auf", schlug Niesken vor und hob ihren Blaster. Sie kam mir in diesem Moment wie eine furchtlose Kriegsheldin vor, die für schwierige Situationen wie diese geboren worden war. Keine Spur von Furcht ließ sich in ihrer Stimme ausmachen.
Ich sah den Mandalorianer nicken. "Ich nehme Rhea mit, geht ihr beiden in diese Richtung", er deutete hinter uns, "Ich werde mit ihr von hier wegfliegen. Wir treffen uns in deiner Straße Eris, wenn wir wirklich nicht mehr verfolgt werden."
"Wir fliegen?", konnte ich nur ungläubig wiederholen. Wie wollte er von hier wegfliegen?
"Das wirst du gleich sehen", konnte Eris wirklich sagen und mir dabei auch noch grinsend zuzwinkern. Dieser Mann hatte Nerven!
"Viel Erfolg beim Schießen", sagte Niesken düster, bevor sie sich ohne ein weiteres Wort umdrehte und die Straße runter lief. Eris sah erst Din Djarin und dann mir fest in die Augen, bevor auch er von uns wegrannte.
Ich drehte mich zu dem Mandalorianer um und sah ihn fragend an. Wie hatte er sich das vorgestellt?
"Halt dich gut an mir fest", bestimmte er und im nächsten Moment umschlang er mich auch schon mit seinem starken Arm und drückte mich fest an seinen Körper.
"He!", rief ich aus und konnte mich gerade noch an seinen Schulterplatten festhalten, da war er auch schon mit einem Ruck in die Höhe geschossen. Der Boden entfernte sich von Sekunde zu Sekunde weiter von uns und plötzlich befanden wir uns über den Dächern der Häuser. Ich krallte mich mit meiner gesamten Kraft an ihm fest und war sogar froh, so nah bei ihm zu sein. Im nächsten Moment hörte ich Schüsse von unter uns zu uns aufdringen. Panisch drückte ich mich noch fester an den Mandalorianer. Wie hatte er sich das alle nur vorgestellt?
Dieser presste seinen Arm noch fester um mich. Mit seiner anderen Hand zielte er zum Boden, wo ich nur noch kleine, dunkle Gestalten umherlaufen sehen konnte. Auf einmal schoss ein lautes, helles Geschoss aus dem Unterarm des Mandalorianers und kam in sekundenschnelle auf dem Steinboden des Platzes vor der Kneipe auf, wo es eine kleine, aber wuchtige Explosion verursachte.
"Das sollte genügen", sagte Din Djarin trocken. Er legte nun seine andere Hand um meinen Oberkörper, während er in einer hohen Geschwindigkeit über die Dächer von Coronet sauste. Obwohl wir in einer solchen Höhe waren und er mein Leben praktisch in seinen Händen trug, fühlte ich mich einigermaßen sicher. Die eiskalte Luft bohrte sich in meine Kleidung und ich schob meine angefrorenen Hände unter den warmen Umhang von Din. Niemals hätte ich gedacht, an einem Tag so viel zu erleben. Und noch viel weniger hätte ich gedacht, dass ich in den Armen eines Mandalorianers über Coronet fliegen würde.
"Danke", brachte ich pötzlich hervor. Ich spürte nur, wie Din mich enger an sich drückte, während er etwas Schub aus seinem Raketenrucksack nahm, damit wir gen Boden fliegen konnten. Ich glaubte schon, dass er mir gar nicht mehr antworten würde. Doch als wir auf dem Boden aufkamen entgegnete er etwas, das mir einen kleinen Stich versetzte: "Ich konnte mein Kopfgeld doch nicht einfach dort stehen lassen."
Obwohl ich wieder fest auf dem gepflasterten Boden stand, hielt er mich für einen kurzen Moment. "Nur deshalb?", fragte ich nach. Ich wollte nicht glauben, dass er mich nur wegen seines ausstehenden Kopfgeldes beschützt hatte.
"Nein, vielleicht nicht.", erwiderte er und entließ mich aus seinen Armen. Schlagartig griff die Kälte der Nacht um mich und ich schlang meinen Umhang fester um mich.
"Pass auf Din Djarin, oder du magst mich bald zu sehr", konnte ich mir nicht verkneifen zu sagen, auch wenn sich meine Wangen sofort rosa verfärbten. Bei allen Geschäftmännern auf Asteridea war mir das irgendwie leichter gefallen.
"Mach dir nicht zu viel Hoffnung, kleines Kopfgeld", erwiderte der Mandalorianer, doch ich hörte deutlich das Schmunzeln in seiner Stimme.
"Lass uns von hier weg. Wir müssten bald bei Eris Wohnung sein." Er umrundete mich und lief die schmale Gasse entlang, die nur von zwei gelben Lampen spärlich erleuchtet wurde. Hätte ich Din nicht bei mir gehabt, wäre ich allein nicht in diese Gasse eingebogen. Mutter hatte mir immer eingebläut, nicht ohne männliche Begleitung allein abends durch die Straßen zu gehen. Mutter, die ohne einen Mann nicht überlebensfähig gewesen wäre und mir ihre Unfreiheit gelehrt hatte. Sie musste wahnsinnig werden vor Sorge. Ich musste einen Weg finden um ihr mitzuteilen, dass es mir momentan gut ging.
Ich lief ein paar Meter, um mit Din mithalten zu können. Seine langen Schritte trieben mich dazu an, halb zu joggen. Die Gasse teilte sich in zwei weitere auf. Din wählte den rechten Weg, der mir noch viel dreckiger und dunkler schien als die Gasse zuvor. Ich konnte nicht mal das Ende der Gasse sehen, die Dunkelheit schien uns einzuhüllen wie schwarzer Nebel. Kalte Luft pfiff um meinen nackten Hals. Es war still hier. Nur unsere hastigen Schritte waren zu hören. Es war zu still. Ein innerer Alarm in mir ging an. Irgendetwas stimmte nicht.
Da sah ich einen roten, leuchtenden Punkt eines Laiserstrahls knapp unter Dins Helm. Es war schon zu spät. Ich konnte nicht mehr schreien, ihn nicht wegstoßen. Ich konnte nur mit ansehen, wie das kleine Geschoss gegen seinen Helm prallte und den Mandalorianer umwuchtete.
"DIN!", schrie ich, kniete mich neben ihn. Als ich über die Schulter sah, konnte ich eine große Drohne in einigen Metern Entfernung von uns erkennen. Scheiße, scheiße, scheiße.
In meiner blinden Panik griff ich nach dem Blaster am Holster des Mandalorianers. Meine Hand zitterte zu sehr. Ich hatte nur eine Chance. Blitzschnell drehte ich mich um und feuerte wild auf die Drohne los, die plötzlich auf mich zugeflogen kam. Ich wusste nicht wie, doch ich traf sie. Mit einem lauten Scheppern fiel die Drohne auf den Boden, was ein gespenstisches Scheppern durch die Gasse hallen ließ. In meiner Panik feuerte ich noch einige Male auf den qualmenden Haufen Metall. Doch die Drohne regte sich nicht mehr.
Jetzt zu Din. Ich stieß einen Schrei auf, als ich das Blut unter seinem Helm hervorsickern sah, der an einer Stelle schwarz vor Ruß war. Ich konnte glücklicherweise keine weiteren Beschädigungen erkennen.
"Din", schrie ich nochmals und rollte ihn mit Mühe auf den Rücken. Ich fühlte mich nach Asteridea zu Mr. Aro zurückversetzt. Nur mit dem Unterschied, dass nun mein Entführer und Retter vor mir lag. Ich konnte nicht mehr klar denken, sondern nur noch handeln.
Hektisch riss ich einen dicken Fetzen Stoff von meinem Oberteil und rückte Dins Helm nur so weit von seinem Kopf, dass ich die blutende Wunde an seinem Hals freilegen konnte. Hoffentlich war keine Schlagader verletzt worden. Ich presste so fest ich konnte den Stoff auf die Wunde, die glücklicherweise nicht tief aussah. Din musste von dem festen Schlag ausgenockt worden sein.
"Din!", versuchte ich es nochmal und rüttelte an seinem Oberkörper. Nichts tat sich. Wenn ich wissen wollte, ob er noch atmete, musste ich seinen Helm noch ein Stückchen weiter hochdrücken. Wenn er das überlebte, würde er mich dafür umbringen. Mit zitternder, blutverschmierter Hand drückte ich den glänzenden Helm noch etwas höher und entblößte sein Kinn, das leicht von einem Drei-Tage-Bart bedeckt war und seine Lippen.
Wäre es gerade nicht um das Leben des Mandalorianers gegangen, hätte ich wohl die Zeit gefunden, sie zu bewundern. Ich wusste nicht wie ich ihn mir vorstellen sollte, doch anhand seiner Lippen und seiner reinen Haut konnte ich sehen, dass er nicht viel älter als Eris sein konnte. Ich schüttelte meinen Kopf und lehnte mich im nächsten Moment so nah über seinen Mund, wie es ging. Da. Ich spürte einen leichten Atemhauch auf meiner Wange und konnte von meiner Position aus erkennen, dass sich sein Brustkorb hob und wieder senkte. Der Göttin sei Dank!
"Rhea?", kam es plötzlich schwach von Din. Ich hätte weinen können vor Erleichterung und ich wusste nicht mal, wieso mich sein Tod so sehr mitgenommen hätte. Er hatte mich schließlich hier hin entführt.
"Du bist wach", konnte ich nur sagen. Die Angst fiel mit einem Mal von mir ab und ich konnte nicht verhindern, dass mir Tränen über die Wange liefen.
"Wie geht es dir?", fragte ich.
"Mein Kopf fühlt sich an, als würde er explodieren", meinte er und ich merkte, dass er mit seiner echten Stimme zu mir sprach. Mit seiner echten, dunklen Stimme, die nicht von einem Helm verzerrt wurde. Etwas in mir erweichte bei diesem Klang.
"Wir sind jetzt in Sicherheit, Din", sprach ich zum ersten Mal seinen Namen aus.
"Wer hat dir erlaubt mich bei meinem Vornamen zu nennen?", beschwerte sich der Mandalorianer und ich hätte ihn beim Wort genommen, hätte ich nicht das schöne, kleine Schmunzeln auf seinen Lippen wahrgenommen. Doch dann verschwand es wieder.
"Wer hat uns angegriffen?"
"Eine Drohne."
"Wo ist sie jetzt?"
"Ich habe sie vom Himmel geschossen", erklärte ich schlicht. Und als Din antwortete, meinte ich echten Unglauben aus seiner Stimme zu hören. "Du hast geschossen? Und uns gerettet?"
In meinem Inneren keimte etwas Stolz auf, als er es so sagte.
"Ja, ich habe uns gerettet, wenn du es so formulieren willst", meinte ich genauso ungläubig und hob das schon dunkelrote Stück Stoff ein wenig hoch, um seine Wunde zu betrachten.
"Du hast eine etwas tiefere Wunde am Hals. Ich musste deinen Helm leider etwas hochschieben. Tut mir Leid", entschuldigte ich mich. Hoffentlich hatte ich damit noch nicht gegen seinen Kodex verstoßen.
"Ich darf mich nicht beschweren", brummte Din und schon stütze er sich mit seinem Ellbogen in eine sitzende Position auf. Dabei konnte er nur mühsam einen Schmerzenslaut unterdrücken und ich konnte ihn nur ungläubig anstarren. Konnte dieser Mann nicht einmal vernünftig sein?
Er zog mit schnellen Griffen seinen Handschuh aus und tastete mit seiner großen Hand nach der Wunde an seinem Hals. Als sich seine warmen Finger über meine legten und ich seine Haut auf meiner spürte, lief ein Schauer von der Berührung aus durch meinen Körper. Ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie besonders es war, etwas menschliches von ihm zu fühlen, wo ich die ganze Zeit nur eine glänzende Rüstung gesehen hatte. Vorsichtig nahm ich meine Hand unter seiner weg und ließ ihn seine Wunde selber zudrücken.
"Danke", kam es dann plötzlich von Din und als ich das feine Lächeln auf seinen schönen Lippen sah, wusste ich, dass alles irgendwie gut ausgehen musste.
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