Chapter 4 ☆ Zum alten Janx-Geist

Sein Blick ließ ein warmes Kribbeln in meinen Bauch schießen, dessen Wärme sich in meinem gesamten Körper verbreitete. Eris blinzelte ein paar Mal, bevor er sich wieder in seinem Sessel zurücklehnte und fragte: "Da bist du ja endlich."
"Hättet Ihr womöglich einen neuen Verband für mich?", fragte ich Eris und versuchte, mich wieder zu sammeln. Was war das gerade gewesen? Wir kannten uns doch kaum eine halbe Stunde, weshalb löste er solche Gefühle in mir aus? Wahrscheinlich war es einfach noch der Schock des Angriffes und der Entführung. Wenn ich Din Djarin ansah, wie er lässig die Beine gespreizt auf der alten Ledercouch saß, kam er mir viel weniger wie ein Kopfgeldjäger vor und mehr wie ein ganz normaler Mann.

"Ja setze dich einfach. Und lass diese Höflichkeitsformel Rhea", bestimmte Eris und zwinkerte mir auch noch frech zu. Vollkommen verblüfft und überfordert von diesem Mann setzte ich mich gegenüber des Mandalorianers auf den zweiten Sessel, dessen Leder sich kühl an meinen Körper schmiegte.
"Eris wird noch heute jemanden mit uns in Kontakt bringen, der uns die nötigen Ersatzteile besorgen kann. Danach muss ich dich an meinen Auftraggeber ausliefern", sprach Din Djarin zum ersten Mal seit längerer Zeit wieder zu mir. Er hatte sie mit seinen Armen auf seine Knie gelehnt und mir zugewandt. Aus irgeneinem Grund heraus hatte ich das Gefühl, dass er mehr gezwungen war, mich an denjenigen auszuliefern, als dass er es wirklich wollte.
"Wollt Ihr mich ausliefern oder müsst Ihr es?", fragte ich. Vielleicht würde ich ihn irgendwie noch umstimmen können.
"Ihr stellt zu viele Fragen", entgegnete Din Djarin, das Licht spiegelte sich in seinem silbernen Helm, als er den Kopf nach unten neigte, "Und Eure Gesellschaft -so reizend sie auch sein mag- ist es mir nicht wert, auf 90.000 Credits zu verzichten."

Ich musste ein paar mal blinzeln, um den Inhalt seiner Worte begriffen zu haben. Wer bezahlte ihn und noch viel wichtiger: fand er meine Gesellschaft wirklich angenehm? Din Djarin wurde immer mysteriöser für mich.
Unser kleines Gespräch wurde von Eris unterbrochen, der sich auf dem Sessel neben mir niederließ. In der Hand hielt er ein rundes Fläschchen, ein sauberes Leinentüchlein und Verbandsmaterial.
Er beugte sich zu mir, die Materialien griffbereit auf dem rostigen Metalltisch neben sich.
"Komm her Rhea", forderte er mich auf. Etwas an der Weise wie er es sagte, wie seine geraden, dunklen Augenbrauen sich leicht hoben und wie sich seine schönen Lippen zu einem unterdrückten Lächeln verformten ließen mich vermuten, dass er heimlich mit mir flirtete.

Seine Art erfrischte und erleichterte mich so sehr, dass ich selber wieder zaghaft lächeln konnte. Eris legte seine große, warme Hand unter mein Kinn, was mich ungemein beruhigte und gleichzeitig Stromstöße in meinen Körper sandte. Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass eine Berührung jemals solche Reaktionen in mir verursacht hatte. Es war etwas vollkommen neues für mich und es gefiel mir.
"Ich mach gleich das Pflaster ab aber vorher-", fing Eris an und ich war so abgelenkt, dass ich nur noch an dem brennenden Schmerz bemerkte, dass er schon mein Pflaster abgezogen hatte.
"Ah", zischte ich und wollte mich seinem Griff entreißen, doch schon legte er seine andere Hand auf meinen Hinterkopf und hielt mich an Ort und Stelle.
"Ich muss dir gleich nochmal wehtun", warnte mich Eris vor. Als seine himmelblauen Augen meinen Blick einfingen, sah ich eine leise Entschuldigung in ihnen liegen.
"Din, wie haben wir uns nochmal kennengelernt?", fragte er und nahm dabei das Leinentüchlein, um es mit der blauen Flüssigkeit aus dem Fläschchen zu beträufeln.

"Da kannst du dich nicht mehr dran erinnern? Ich hab dir in die Fresse geschlagen", kam es von hinter mir. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie Din Djarin aufgestanden war. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie er uns langsam umrundete. Insgeheim musste ich mir eingestehen, dass es ziemlich gut aussah, wenn er in seiner Rüstung umherstolzierte. Was hatte ich nur für Gedanken? Das musste die Erschöpfung sein!
Ein scharfes Brennen an meiner Stirn verriet mir, dass Eris mit dem Säubern meiner Wunde angefangen hatte. Ich musste fest die Zähne aufeinanderbeißen, um nicht vor Schmerz aufzustöhnen und doch trieb er mir die Tränen in die Augen. Innerlich verfluchte ich den Mandalorianer dafür und erinnerte mich daran, dass er ein Kopfgeldjäger und kein netter Bekannter war, den ich vor einigen Stunden getroffen hatte.

"Du hast aber vergessen zu erwähnen, dass ich zuerst deine Nase gebrochen habe", lachte Eris und tupfte dabei meine Wunde ab.
"Da erinnere ich mich aber anders dran", erwiderte Din Djarin ebenso belustigt. Ihre kleine Kabbelei half mir, den brennenden Schmerz zu ertragen.
"Und wer hat nun angefangen?", bekam ich unter zusammengebissenen Zähnen und schmerzverzerrtem Gesicht hervor.
Eris lächelte und hörte endlich auf, meine Stirn zu malträtieren. Trotzdem vermisste ich die Wärme und Geborgenheit, die von seinen Händen ausgegangen war.

"Es fing alles damit an, dass wir uns als Jugendliche zufällig in einer Bar getroffen haben. Ich provozierte ihn, betrunken wie ich war und Din war es, der mich als erster schlug. Es endete damit, dass wir auf einer Zelle der Galaktischen Republik ausnüchtern mussten und uns dabei anfreundeten."
Der Blonde klebte ein großes Wundpflaster auf meine Stirn und ich hatte meinen Schmerz aufgrund seiner Geschichte fast wieder vergessen. Mir gelang es sogar, etwas zu schmunzeln.
"Danke Eris", sagte ich und betastete vorsichtig das dicke Pflaster an meiner Stirn. Er setzte sich in seinem Sessel zurück.

"Es wird Zeit, dass wir Molanus einen Besuch abstatten", meinte Din Djarin in einem bestimmerischen Ton. Man sah ihm an, dass er keine Lust hatte, noch länger zu warten. Eris nickte. "Dann brechen wir jetzt auf. Es wird bald dunkel."

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Mit schnellen Schritten liefen wir durch die dunkler werdenden Straßen von Coronet. Das orange-gelbliche Licht der schlanken, hohen Straßenlaternen erleuchtete den Weg gerade genug, dass man nicht stolperte. Es waren immer noch einige Menschen und andere Arten auf den Straßen zu sehen, von denen die Meisten vor hell erleuchteten Bars standen, aus denen lautes Stimmengewirr und fremdartige Musik zu hören war.

Der Mandalorianer ließ mich neben Eris laufen, doch ich wusste dass sein wachsames Auge die gesamte Strecke über auf mir ruhte. Ich genoss die aufgeladene, lebhafte Stimmung hier in Coronet. Eris erzählte mir, dass man abends in diesem Viertel, nach dem Zentrum, am besten ausgehen konnte und tagsüber an einigen Wochentagen Händler ihre Marktstände auf den Straßen eröffneten, sodass das gesamte Viertel zu einem riesigen Markt wurde.
"Was machst du eigentlich beruflich?", fragte ich neugierig und sah zu Eris auf, der mindestens genauso groß wie Din Djarin sein musste. Seine braune Lederjacke mit den roten Ärmeln und den schwarzen Nähten betonte seine himmelblauen Augen, die freudig aufblitzten, als er mir von seinem Beruf erzählte.
"Ich bin Pilot und arbeite für die Galaktische Republik auf Corellia. Normalerweise zumindest, gerade bin ich für ein paar Tage freigestellt. Was machst du, wenn du nicht gerade mit unserem zuckersüßen Din rumläufst?"

Ich musste lachen, obgleich mir seine Frage Bauchschmerzen bereitete, weshalb ich nur mit der halben Wahrheit rausrückte: "Ich war mein ganzes Leben auf meinem Heimatplaneten Asteridea und habe meinen Job gehasst, wenn ich ehrlich bin. Ich habe für meinen Vater gearbeitet." Mehr wollte ich ihm nicht verraten. Es würde sich für ihn komisch anhören und ein falsches Licht auf mich werfen, wenn ich ihm von meiner richtigen Tätigkeit erzählen würde. Geschäftspartner meines Vaters aushören und mit meinen Verführungstricks umstimmen.
"Also bist du froh, nicht mehr auf Asteridea zu sein?", fragte mich Eris unvermittelt.

Verblüfft sah ich ihn an. Damit hatte ich nicht gerechnet. Aber war ich froh?
"Ich weiß es nicht. Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Ich hatte gar keine Zeit dafür, seit...", brach ich meinen Satz ab. Ich wollte mich nicht an den Schrecken meiner Entführung erinnern. Wieder stieg diese Unsicherheit in mir hoch und ich schlang meinen Umhang enger um meinen Körper. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, dass Eris mich noch immer ansah.

"Wir sind da", meinte er schließlich leise und erst jetzt bemerkte ich, dass wir vor einer Kneipe stehen geblieben war. Von Außen sah sie ziemlich alt und heruntergekommen aus. Die einst rote Farbe des Schriftzugs "Zum alten Janx-Geist" war schon verblasst und überall auf den Wänden klebten Aufkleber oder prangerten bunte, angesprühte Wörter, die nur von umkachelten, kleinen Fenstern unterbrochen wurden.
Eris drückte die Schwingtür zu der Kneipe auf und als ich ihm folgen wollte, merkte ich, wie sich die Hand des Mandalorianers auf meinen Rücken legte. Glaubte er etwa, dass ich ihm hier entwischen könnte? Am liebsten hätte ich ihm einen genervten Blick zugeworfen, doch ich wurde im nächsten Moment mit Eindrücken aus dem Inneren der Kneipe überflutet.

Laute, blecherne Musik konnte nicht die vielen Stimmen in vielen Sprachen übertönen, die von den zahlreichen Gästen ausging. Mir stieg ein starker Alkoholgeruch in die Nase und die blinkenden Lichter an den Decken ließen mich kurz stehen bleiben. Die Kneipe sah von Innen tatsächlich nicht so schäbig aus wie von Außen. Wäre da nicht diese blecherne Musik gewesen, hätte ich mich schon fast hier wohlfühlen können. Din Djarin gab mir mit einem leichten Druck seiner Hand zu verstehen, weiterzugehen. Ich verstand weshalb: einige Gäste hatten sich schon nach uns umgesehen und starrten uns mit misstrauischen Minen an. Wahrscheinlich hatten sie noch nie einen Mandalorianer gesehen.

Mit schnellen Schritten folgte ich Eris den schmalen Gang entlang, der seitlich von langen Bänken und Tischen begrenzt wurde. Er setzte sich an einen hohen Tisch in einer Ecke, die von einer kleinen Stehlampe erhellt wurde. Neben ihm saß eine Togruta mit einer schönen, violetten Hautfarbe und einem ärmellosen Oberteil, das ihre trainierten Oberarme offenbarte. Ich versuchte, die Togruta nicht zu sehr anzustarren. Als ihre gelben Augen mich fixierten, sah ich schnell weg.

"Niesken, das ist Rhea de Steur und daneben Din Djarin, ein alter Freund", stellte Eris uns vor. Die Togruta nickte uns beiden zu. Ihre Stimme war fest und tief für eine Frauenstimme, als sie antwortete: "Ich bin Nisken Molanus. Nennt mich einfach Niesken. Ich habe gehört ihr habt ein kleines Problem."
Din Djarin setzte sich neben die Togruta auf den hohen Barstuhl, sodass ich mich gegenüber von ihr wiederfand.
"Mein Raumschiff vom Typ ST-70 ist am Hyperantrieb beschädigt worden. Eris meinte, du könntest uns dabei helfen", erklärte Din Djarin, wobei er eine Bedienung zu uns winkte.
"Zwei Membrosia", bestellte er bei dem Sullustaner und sah dann zu mir.
"Ähm...und einen Mek-Sha-Mix bitte." Der Sullustaner sah mich einmal zweifelnd an, bevor er ohne ein Wort wieder ging. Was war denn bei ihm los?

"Die Kellner hier sind nur überrascht, wenn jemand mal kein stark-alkoholisches Getränk bestellt", kam es von Niesken. Als ich zu ihr sah, meinte ich Belustigung in ihren goldgelben Augen glitzern zu sehen.
"Sag mir, was macht die Tochter von Gerard de Steur auf Corellia im Janx-Geist?", wollte Niesken plötzlich wissen. Ihr bohrender Blick ließ mich leicht unwohl fühlen.
"Das musst du ihn fragen", antwortete ich nur und deutete auf Din Djarin neben mir. Ich hatte keine Lust zu erklären, wie ich hierhin gekommen war.
"Ich verstehe", sagte Niesken und kniff leicht die Augen zusammen, als sie zu Din Djarin rübersah, "Dein Kopfgeld also, ha?"
"Das hat dich nicht zu interessieren", entgegnete er und ich konnte spüren, wie die Luft um uns kälter wurde. Zu meiner Überraschung lachte die Togruta kurz auf und schüttelte ihre Lekku. "Rhea zu entführen war ziemlich mutig, oder sollte ich lieber sagen übermütig?"
"Was willst du damit sagen?"
"Ich sage damit nur, dass Rheas Vater einer der mächtigsten Männer des Planeten Asteridea ist und er dir noch Schwierigkeiten bereiten könnte, Mando."
"Ich bin schon mit anderen fertig geworden", erwiderte dieser und ich konnte Überheblichkeit aus seinem Stimme heraushören. Ich wusste nicht ganz, was ich von ihrer kleinen Auseinandersetzung halten sollte. Es war nicht unwahrscheinlich, dass die Männer meines Vaters Din Djarin jagen würden, bis er tot und ich wieder auf Asteridea war. Doch wollte ich überhaupt zurück? Ich wusste nur, dass ich nicht an Djarins Auftraggeber ausgeliefert werden wollte.

"Jetzt hört mal auf ihr zwei Idioten", unterbrach Eris sie, "Wir sind hier nicht zum streiten, sondern zum trinken!" Just in diesem Moment kam der kleine Sullustaner wieder und stellte die Getränke vor uns auf den Tisch. Ich beäugte misstrauisch mein großes Glas, welches mit einer aufgeschnittenen, giftgrünen Frucht verziert war und worin sich eine knallpinke Flüssigkeit befand.
"Das würde ich an deiner Stelle nicht anrühren", flüsterte mir Eris zu. Dabei streifte sein warmer Atem meinen nackten Hals, was eine kleine Gänsehaut auf meinem Rücken verursachte. Ich sah ihn mit hoch gezogener Augenbraue an. Der Pilot konnte seinen Gesichtsausdruck nur für ein paar Sekunden ernst halten, bevor ein Grinsen unaufhaltsam an seinen Mundwinkeln zupfte.
"Eris!", schimpfte ich spielerisch mit ihm und nahm bedeutungsvoll einen großen Schluck aus dem Glas. Ein süßer, fruchtiger Geschmack breitete sich auf meiner Zunge aus und übertünchte fast den Alkohol. Genießerisch nahm ich noch einen Schluck und fühlte mich in meine Teenagerjahre zurückversetzt, in denen ich mir heimlich den ein oder anderen Mek-Sha-Mix gegönnt hatte.

Dem Gespräch der drei über die Reparatur hörte ich nur halb zu. Ich schaute mich viel lieber in der Bar um und hatte zum ersten Mal das Gefühl, frei zu sein. Und das obwohl ich von Din Djarin quasi gefangen gehalten wurde. Es war doch alles viel zu paradox.

Bei meinem zweiten Cocktail meldete sich meine Blase und ich gab Eris zu verstehen, dass ich kurz für kleine Mädchen musste. Din Djarin beäugte mich misstrauisch, als ich zur Toilette ging und ich wusste, dass er nicht ruhig auf seinem Platz sitzen würde, ehe ich wieder aufgetaucht war.
Ich ging gerade aus der Damentoilette heraus in einen Flur mit weiteren Waschbecken, als mich eine lallende Männerstimme von der Seite ansprach: "Naaaa meine Hübsche, willst du nicht zu mir kommen?" Ich konnte mich nicht mal umdrehen, da hatten sich schon seine krallenähnlichen Fingern um meinen Unterarm gebohrt...

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