45.Kapitel
Vier Jahre später
Der Saal ist komplett voll und das aufgeregte Raunen der Absolventen und deren Angehörigen erfüllt den Raum. Ich rücke mir die Krawatte zurecht und grinse Mr Tomlinson an, der mindestens genauso stolz und nervös ist, wie ich. Meine Mum sitzt zwischen uns und ist leicht angespannt, scheint sich aber zu freuen. Wir haben einen Platz in der Mitte des Saals und wenn ich den Hals ein bisschen recke, kann ich Louis sehen, der vorn bei den anderen Studenten sitzt. Er hat seinen Abschluss in der Tasche und heute bekommt er die Urkunde verliehen.
In den letzten Monaten hat er viel gearbeitet und jetzt bekommt er endlich die Auszeichnung dafür. Kaum zu glauben, dass er schon drei Jahre Studium hinter sich hat und jetzt offiziell in der Firma seines Onkels einsteigen darf.
Lange war Louis nicht sicher, was er machen soll und musste sich nach dem Aufenthalt in der Rehaklinik erst mal sortieren. Er hatte sogar mal eine Weile überlegt, Physiotherapeut zu werden, doch die Gehaltsaussichten waren dann doch nicht seines und er interessierte sich nach und nach auch für das Familienunternehmen, weshalb es dann BWL geworden ist. Mit Psychologie konnte er nichts mehr anfangen und hat es abgebrochen, worüber ich ganz froh bin. Womöglich hätte er mir dann all meine Gedanken an der Nasenspitze angesehen und sowas stelle ich mir enorm unangenehm vor.
Jetzt ist er also fertig, offiziell kein Student mehr und ich klatsche genauso laut, wie Mr Tomlinson, als Louis auf die Bühne kommt, um sein Abschlusszeugnis entgegen zu nehmen. Als er im Licht des Scheinwerfers zu seinen Kommilitonen geht und sich bei ihnen einreiht, huschen seine Augen über das Publikum. Zwar glaube ich nicht, dass er mich wirklich finden kann, immerhin sitzen hier fast 700 Leute im Publikum, trotzdem lächele ich ihn an.
Man bin ich stolz auf ihn.
„Er ist so erwachsen geworden, oder?", raunt mir Mr Tomlinson zu und ich nicke langsam. „Ja, das ist er. Aber mit 22 kann man das auch erwarten oder?"
„Für mich wird er immer der kleine Junge bleiben", seufzt sein Onkel und blinzelt die Tränen der Rührung weg. Auf seiner anderen Seite schnieft Emilia in ihr Taschentuch, während Titus, der mittlerweile neun Jahre alt ist, auf dem Handy ein Spiel spielt. Für ihn ist das alles hier total langweilig und er hat sich nur dazu bereit erklärt, mitzukommen, wenn er nebenbei was spielen darf. Tröstend lege ich den Arm um Emilia und sie lehnt sich glücklich lächelnd an meine Schulter. Ihr Stolz ist mindestens genauso groß, wie meiner.
Nach der Veranstaltung warten wir auf Louis in der Eingangshalle und er kommt strahlend auf uns zu. Der Anzug, den er trägt, ist ganz neu und steht ihm hervorragend. Seine Haare sind kürzer und er sieht viel erwachsener aus. „Herzlichen Glückwunsch, mein Schatz", sagt Emilia und umarmt ihren Sohn. „Danke Mum."
„Titus, willst du ihm nicht auch gratulieren?", fragt sie und der Kleine sieht Louis an: „Alles Gute", nuschelt er und widmet sich dann wieder seinem Handy. Louis ist das egal, er weiß dass der mit seinen neun Jahren noch zu jung ist, um die Wichtigkeit eines Uniabschlusses zu verstehen. Nachdem Louis auch meine Mum und dann seinen Onkel umarmt hat, bleibt er vor mir stehen und sieht zu mir hoch: „Dir ist klar, dass ich bald dein Chef bin, oder?", fragt er frech und sieht mich herausfordernd an.
Damit zieht er mich seit Wochen auf, aber ich lasse mich nicht aus der Ruhe bringen. Nach meiner Anfangszeit im ersten Job habe ich nochmal den Mut gefasst, und mich bei Biddles beworben – und den Job natürlich bekommen. Die Arbeit in der Druckerei machte mir Spaß und mal abgesehen davon, dass das Unternehmen dem Onkel meines Freundes gehört, sind die Konditionen dort auch viel besser. Nach einiger Zeit habe ich mich vom Band hochgearbeitet. Mittlerweile bin ich für einen Teil des Einkaufs zuständig. In meiner Abteilung habe ich noch einen Vorgesetzten, der mit Louis direkt zu tun haben wird, daher werde ich mit ihm nicht wirklich in Kontakt stehen, sobald er in die Firma einsteigt. Privates und Berufliches ist also gut trennbar.
„Wenn du nur wüsstest, wie egal mir das ist, Baby", raune ich ihm zu, schließe ihn dann in die Arme und drehe mich einmal mit ihm im Kreis. Er lacht ausgelassen und küsst mich. „Ich bin so stolz auf dich, weißt du das?"
„Ich bin auch stolz auf dich, du hast mindestens genauso viel erreicht in den letzten Jahren", sagt Louis und wird mit einem Moment nachdenklich. Ich weiß genau, was ihm im Kopf herumgeht, denn auch an meinem inneren Auge sind die letzten Jahre im Zeitraffer vorbeigezogen.
Wir haben wirklich viel geschafft. Beide kamen wir mit nur einer Woche Abstand aus der Reha. Ich habe kurz danach angefangen zu arbeiten, zwar in einem simplen und recht schlecht bezahlten Job, aber ich habe gearbeitet.
Mr Tomlinson kaufte, wie ich im Nachhinein erfahren habe, kurzerhand das Nachbarhaus, in das Louis und ich dann eingezogen sind. Noch immer rechne ich ihm hoch an, uns ein solches Geschenk gemacht zu haben und bestehe darauf, ihm meine Miete zu bezahlen.
Weder Louis noch sein Onkel wussten anfangs, dass ich für Biddles arbeite und ich habe es ihnen erst gesagt, als ich nach einem Jahr die Abteilung gewechselt habe und bei Mr Tomlinson einen Termin hatte. Sein Gesicht werde ich nie vergessen, aber er hat sich sehr darüber gefreut, dass ich es ohne seine Hilfe versucht habe. Auch meiner Mum habe ich mich wieder angenähert und mittlerweile haben wir ein recht gutes Verhältnis zueinander. Sie hat sich gefreut, dass ich einen Job habe und kommt uns sogar zweimal im Jahr in London besuchen.
Louis hat sich in sein Studium gekniet, war viel an der Uni und hat das Leben mit neuen Freunden genossen, die häufig auch bei uns zu Besuch waren und mittlerweile auch zu meinen Freunden zählen. An unser Erlebnis in Glenapp Castle und meine Arbeit mit dem MI5, denken wir kaum noch. Nur Nachts kann es mal passieren, dass einer von uns hochschreckt, weil im Traum doch wieder eine Erinnerung zu stark war. Aber dann sind da sofort zwei schützende Arme, die einem Nähe und Geborgenheit geben.
Wir sind beide in einem Leben angekommen, das uns erfüllt und glücklich macht und ich muss sagen, dass ich es mir in meinen kühnsten Träumen so nicht besser hätte ausmalen können. Ich liebe es, so wie es gerade ist und würde nichts daran ändern wollen.
Ja, wir haben schlimme Zeiten durchgemacht und sicherlich werden auch Zeiten kommen, in denen das Vergangene uns in gewisser Weise einholt. Aber ich bin sicher, dass wir das gut hinbekommen werden. Ich weiß, wie ich mit bösen Träumen und negativen Gedanken umzugehen habe und auch Louis kann das mittlerweile gut – und im Zweifel haben wir immer noch einander, können miteinander sprechen und das Geschehene verarbeiten.
Ich kann nur von Glück sprechen, dass ich Louis habe. Er gibt mir Halt und Sicherheit, hat mich angespornt, mich hochzuarbeiten und auch wenn ich einmal gesagt habe, ich wünschte, ich hätte ihn nie mitgenommen – mittlerweile bin ich froh, dass es so war.
Mir wäre so viel entgangen, worauf ich jetzt nicht mehr verzichten möchte und so halte ich Louis in der Eingangshalle immernoch fest in meinen Armen, küsse ihn und flüstere ihm ein: „Danke für alles, ich liebe dich", ins Ohr.
-ENDE
.-.-.-.
Liebe Leute,
Heal Me ist beendet! Ende des Jahres - Ende der Geschichte.
Ich kann es nicht glauben. Ich schreibe das hier am 11.12.2018 (Ich habe also einiges an Vorsprung) und ich sitze hier vollkommen baff auf dem Sofa, weil ich nicht glauben kann, dass ich wirklich fertig bin.
Das war mein erster Dreiteiler und ich muss sagen, dass es wirklich anstrengend war. Ich hab während der Schreibezeit eine Serie und einen Kinofilm gedreht und dieses Buch hat mir einiges abverlangt, was den ganzen Storyverlauf angeht.
Wer bis hierher gelesen und nicht gevotet hat: bitte holt es nach!
Votes sind ein herzliches Dankeschön an den Autoren und würden mich wirklich sehr freuen.
Auch hier gibt es wieder einige, denen ich Danke sagen möchte, weil sie zu diesem Buch beigetragen haben:
Danke, an meine liebe Beta, die hier ganz viel Arbeit reingesteckt und mir enorm geholfen hat. Danke Merliwa
Danke, für den Anstoß xxvessaliusxx
Danke, für die Idee für einen Dritten Band Teddybaer79
Danke, für das tolle Cover hundehimmel
Danke für dein Fachwissen, was Harrys Beinprothese anging Geistermxdchen
Und natürlich nochmal ein fettes Dankeschön für die treuen Leser, die mir Rückmeldung, Feedback gegeben und mich angespornt haben! Schön, dass ihr euch bei mir meldet und euch bemerkbar macht. Es macht so viel mehr Spaß für eine aktive Leserschaft zu schreiben, als für eine stumme Masse.
Danke für eure Unterstützung, Danke für eure lieben Kommentare, eure Vorfreude auf jedes Kapitel und natürlich die Sternchen, die ihr geklickt habt. Ich kann mich wirklich sehr glücklich schätzen, euch als Publikum zu haben, ihr seid eine Bereicherung für jeden Autoren.
Ihr motiviert mich unglaublich, hier weiter zu machen und seid ein tolles Publikum.
Wie immer freue ich mich auf euren Abschlusskommi und wir sehen uns hoffentlich bei meinem neuen Buch "Save the Sea" Ihr findet es hier auf meinem Profil, wo es Dienstag weiter geht.
Liebste Grüße und einen guten Rutsch!
Headlong90
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