25.Kapitel

Happy Birthday mighty-warrior

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Stolz wie Oscar gehe ich wenig später den Flur entlang zurück zu meinem Zimmer.

Ich hab's geschafft und mich durchgesetzt, damit Louis bald besser schlafen kann!

Dann wird sich auch seine Laune bessern, da bin ich sicher. Schlimmer, wie sie heute war, kann sie nicht werden.

Aus diesem Grund beschließe ich, ihm die Briefe von Emilia heute zu geben. Er hat einen schlechten Tag, der durch die Briefe – sollte er sie nicht gut auffassen – nicht mehr sonderlich viel schlechter werden kann. Kaputt machen kann ich daher heute nichts und wer weiß, vielleicht rette ich ihm damit ja heute auch noch den Tag. Immerhin weiß ich ja nicht, was in den Briefen alles drinsteht und bin daher nicht vorbereitet auf das, was kommen kann.

In meinem Zimmer ist die Leselampe eingeschaltet und Louis liegt auf dem Sofa vor dem Fernseher. Er hebt den Blick, als ich hereinkomme und ich wundere mich, dass er überhaupt noch die Augen aufbekommt, so müde sieht er aus. Ich greife nach der Fernbedienung und schalte das Gerät aus, dann setze ich mich neben ihn auf die Couch und nehme die Prothese ab. Es wird Zeit, dass ich da heute rauskomme, ich war lange genug drin.

„Brauchst du Hilfe?", fragt Louis und gähnt, doch ich schüttele den Kopf. Ich muss das auch mal alleine hinkriegen und tatsächlich gelingt es mir relativ schnell. Währenddessen erzähle ich Louis vom Ablauf meines Gesprächs.

„...und dann haben sie zugestimmt, dich zwei Nächte lang zu überwachen und ich bin sicher, dass wir danach gemeinsam ein Zimmer bekommen, ist das nicht großartig?" Mein Freund wirkt zufrieden, lächelt und gibt mir einen Kuss. Schön, dass ich ihm eine kleine Freude machen kann. Es wäre einfach zu schön, endlich jede Nacht neben ihm einschlafen zu dürfen. „Louis, ich hab noch was für dich", raune ich ihm leise zu und streichele ihm übers Gesicht. „Danke, dass du das alles für mich tust", sagt er ganz leise, geht nicht auf das ein, was ich gesagt habe und klingt fast so, als sei er wieder den Tränen nahe. Er ist heute wirklich zart besaitet, allerdings ist es kein Wunder, wenn man bedenkt, wie wenig er in den letzten Tagen und Wochen geschlafen hat. Dass das an die Substanz geht, ist vollkommen logisch. In Gedanken an die Briefe, küsse ich ihn liebevoll und nicke zu meinem Schrank hinüber. „Ich hab da was für dich, Kleiner."

„Im Schrank?", fragt Louis ungläubig und folgt meinem Blick.

Jetzt ist es an der Zeit, es ihm zu sagen und ich hole tief Luft, um mich darauf vorzubereiten und eigentlich habe ich keine Ahnung, was ich genau sagen soll. Louis' Blick wird fragend und ängstlich, in seinen Augen lese ich, dass er befürchtet, es könnte sich um etwas Schlimmes handeln. Schnell schüttele ich den Kopf, um ihm die Bedenken zu nehmen und sage ziemlich direkt: „Ich habe deine Mum kennengelernt, Louis."

„Was?", haucht er und starrt mich ungläubig an. „Ja. Sie ist die Tochter des Mannes, für den ich in den letzten Wochen gearbeitet habe."

„Die Tochter des Geheimagenten?", fragt Louis und seine Augen werden rund vor Staunen. „Nein, die Tochter von Mr Forster."

„Was? Der Typ, der diese Schläger in deine Wohnung geschickt hat? Seine Tochter ist meine...Moment mal, dann ist der Kerl ja mein Großvater!" Louis ist ganz blass geworden und sieht furchtbar verwirrt aus. „Ich will nicht mit jemandem wie dem verwandt sein!" Er springt auf und schüttelt sich, als könnte er so die Verbindung zu Forster loswerden.

Ohje, was hab ich da nur angestellt? Aber ich wusste gerade einfach nicht, wie ich es besser verpacken kann. Vielleicht hätte ich doch nochmal darüber nachdenken sollen.

„Ja, das ist dein Großvater, da hast du recht, aber darum geht es jetzt überhaupt nicht. Deine Mum ist wirklich nett und sie hat mir einiges erzählt. Sie hat dich nie freiwillig weggegeben, wollte Kontakt zu dir haben, aber Mr Forster hat es verboten."

„Das sagst du doch jetzt nur, um das alles schön darzustellen", sagt Louis und sieht mich ungläubig an. „Was ist, wenn ich genauso böse werde wie er, wenn ich mal alt bin? Oh Gott, ich will das nicht." Er geht unruhig hin und her, kann sich nicht hinsetzen und sieht aus, als bräche er gleich in Tränen aus. „Harry, ich will das alles nicht wissen..."

„Louis, ich verspreche dir, dass es nicht mehr schlimmer kommen wird. Deine Mum ist wirklich eine tolle Frau und ganz und gar nicht, wie ihr Vater. Sie hat mich immer freundlich behandelt und sie wusste auch nichts von seinen Machenschaften. Vor einigen Tagen hat sie mich hier besucht und mir Briefe für dich mitgegeben."

Auf die Briefe geht Louis nicht ein, stattdessen sagt er: „Woher wusste sie, dass du hier bist?"

„Anscheinend von deinem Onkel", antworte ich knapp, stehe auf und hopse auf einem Bein zum Schrank.

Die Briefe wiegen schwer in meiner Hand, als ich sie greife und mich zu Louis umdrehe. 17 Geburtstage halte ich fest und will sie Louis reichen, doch er zögert: „Mein Onkel kennt sie auch? Kennt jeder sie, nur ich nicht? Weiß ich eigentlich überhaupt irgendwas, was in den letzten Wochen passiert ist oder hat man alles vor mir verheimlicht?" Ungläubig schüttelt er den Kopf und sieht mich an, als hätte ich ihn verraten. „Louis...wir wussten alle nicht, wie du damit umgehst..."

„Jaja und sicher wolltet ihr mich nur beschützen. Halt die Klappe, Harry, davon will ich nichts mehr hören. Dieses scheiß Beschützen hat mich fast das Leben gekostet!"

Ich kann ihm nicht mal widersprechen, denn ich weiß genau, dass er Recht hat. Ich senke den Blick auf die Briefe in meiner Hand. Der oberste Brief ist mit „Louis 1992" beschriftet und ich drücke ihn ihm in die Hand. Die Jahreszahl sieht schon alt aus, der Name ist noch recht frisch. Ich vermute, Emilia hat ihn hinzugefügt, als sie Louis' Namen endlich erfahren hat. „Hier, vielleicht fängst du einfach mit dem Ersten an, was meinst du?" Vorsichtig nimmt er den Umschlag in die Hand. Er ist schon ziemlich abgeschabt und der Kleber hält kaum noch, sodass er ihn leicht öffnen kann. Seine Finger zittern und er hält Inne.

„Was ist?", frage ich leise und sehe ihn an. Will er die Briefe vielleicht gar nicht lesen? Womöglich hat er sich all die Jahre so gar nicht mit dem Gedanken, eine Mutter zu haben, beschäftigt, dass er jetzt gar nicht weiß, wie man damit umgehen soll, wenn man dann plötzlich eine hat.

Da fällt mir ein, dass ich mich bei meiner Mum gar nicht gemeldet habe. Sie weiß gar nicht genau, was mit mir passiert ist. Das sollte ich dringend ändern.

„Harry, kannst du den ersten Brief vorlesen?", fragt er und seine Stimme zittert plötzlich. Er zögert, nicht, weil er seine Mutter nicht kennenlernen will – er hat Angst. Vielleicht auch, weil er nicht weiß, was genau sie ihm mitteilen wird.

„Gut, wenn du willst..." Schnell reicht er mir den Brief und ich öffne den Umschlag endgültig. Sein kurzer Zorn auf mich und seinen Onkel scheint schnell verraucht zu sein. Vielleicht hat er es auch gar nicht so gemeint und wollte sich nur selbst schützen.

Das Papier ist dünn und fest gefaltet. Vorsichtig schüttele ich es auseinander, setze mich auf die Couch und Louis kuschelt sich schnell in meinen Schoß. „Willst du nicht mitlesen?", frage ich mit einem Seitenblick auf ihn und er schüttelt den Kopf: „Nein, ich will erst mal zuhören. Liest du bitte vor?"

„Wenn du magst, aber ich glaube, es wäre besser, wenn du den Brief erst mal alleine liest. Er ist an dich gerichtet und etwas sehr Persönliches." Mir wäre es wirklich lieber. Ich will ihm den Moment nicht kaputtmachen, wenn ich mich verhaspeln sollte. „Bitte Harry...", sagt Louis leise und sieht mich so lieb aus seinen blauen, müden Augen an, dass ich schließlich doch das Papier glätte, um es lesen zu können.

Emilia hat eine sehr schöne Handschrift. Wer weiß, wie oft sie diesen Brief verfasst hat, denn so ordentlich, wie er aussieht, hat sie eine ganze Menge Arbeit hineingesteckt und nicht einfach alles herunter geschrieben, was ihr gerade in den Sinn kam. Meine Kehle ist trocken und ich räuspere mich mehrfach, bevor ich anfange, Louis den Brief vorzulesen.

Mein liebster Schatz,

heute feierst du deinen ersten Geburtstag und ich kann es kaum glauben, dass es schon ein Jahr her ist, dass ich dich auf die Welt gebracht habe. Es war der glücklichste Tag meines Lebens und ich denke heute noch jeden Tag an dich.

Wie gerne wüsste ich, wie du jetzt aussiehst. Gerade im ersten Lebensjahr verändern sich Kinder ja so enorm. Und ich bekomme es nicht mit. Aber ich bin sicher, dass du ein wunderhübsches Kind geblieben bist – leider habe ich kein Bild von dir.

Und auch deinen Namen weiß ich nicht, denn dein Vater hat ihn dir gegeben und ich hatte bisher nicht die Möglichkeit bekommen, zu ihm Kontakt aufzunehmen, um nach dir zu fragen.

Ich vermisse dich sehr, mein Schatz – wenn du nur wüsstest wie sehr. Es ist schlimm zu wissen, dass ich nicht für dich da sein kann, wie es eine Mutter für ihr Kind tun sollte. Momentan bin ich bei einem Arzt, der mir hilft, damit umzugehen, doch es wird nur langsam besser. Manchmal frage ich mich, ob er möchte, dass ich dich vergesse.

Wie soll man sein Kind denn vergessen?

Ich bin mir sicher, dass ich das niemals könnte, mein Kleiner. Alles was ich tun kann, ist hoffen, dass wir uns eines Tages kennenlernen. Du wirst bestimmt ein gut erzogener, junger Mann werden, da bin ich sicher. Dein Vater tut alles, damit es dir gut geht. Du kannst stolz sein, einen so tollen Dad zu haben.

Heute ist Heiligabend und wenn ich später in den Weihnachtsgottesdienst gehe, dann werden meine Gedanken bei meinem ganz persönlichen Christkind sein.

Ich liebe dich sehr.

Es küsst dich,

deine Mum."

Die letzten Zeilen kriege ich gerade noch so ausgesprochen, dann bricht mir die Stimme. Die Arme. Sie war zu dem Zeitpunkt etwa 18 Jahre alt und klang so reif und erwachsen in dem Brief. Ich frage mich, wieso sie sich damals nicht gegen ihren Vater durchgesetzt und zu Louis Kontakt aufgenommen hat. Immerhin war sie volljährig.

Allerdings war Louis das auch und hat sich nicht gegen seinen Onkel gewehrt. Vielleicht war Emilia einfach zu unsicher, oder finanziell so abhängig von ihrem Vater, dass sie es sich einfach nicht getraut hat, zu gehen.

Mir vorzustellen, wie sehr diese Frau gelitten haben muss und es vermutlich immer noch tut, ist grauenvoll und alles was ich tun kann, ist hoffen, dass Louis vielleicht Kontakt zu ihr aufnehmen möchte, weil er sie kennenlernen will.

Leises Schniefen ist von Louis zu hören und er blinzelt mich an. Tränen laufen ihm übers Gesicht und er zittert. „Hat sie das wirklich alles so geschrieben?", fragt er leise und ich reiche ihm den Brief. Es verletzt mich nicht, dass er nachkontrollieren will, ob ich auch nichts beschönigt habe.

Vermutlich würde ich an seiner Stelle genau dasselbe tun.

Seine Augen huschen über die Worte, die seine Mum aufs Papier gebracht hat und langsam streicht er mit dem Finger über ihr letztes Wort. „Mum", formen seine Lippen und er sieht zu mir hoch.

„Wieso konnte sie nicht für mich da sein?", fragt er leise und obwohl ich es weiß, halte ich es für besser, dass sie es ihm selbst sagt und halte ihm auffordernd den nächsten Brief hin, auf dem „Louis – 1993" steht. „Was hältst du davon, wenn wir deiner Mum die Möglichkeit geben, es dir selbst zu sagen?"

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So da haben wir den ersten Brief von Emilia... und Hazza durfte ihn sogar vorlesen:)

:-*

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