6. Jer
Nun sackte mir das Herz endgültig in den Abgrund, als eine liebliche Frauenstimme, mit leichtem Akzent, mich von der anderen Leitung her begrüßte.
,, Äh... Hallo, hier ist Ophal Watson.
Ich sollte mich hier melden, bei einem Roger Taylor. Entschuldigen sie, falls ich mich verwählt habe."
Kurze Stille.
Es schien, als würde die weibliche Stimme ihre nächsten Worte bedacht auswählen, bevor sie weitere Sätze von ihren Lippen ließ.
Nervös knetete ich meine Finger, begutachte meine verschmutze Hose, welche unter den letzten Gemälden zu leiden hatte und begann mit dem Bein zu wippen, welches ich zuvor über das Andere legte.
Beruhigt ging ich einer meiner Lieblings Aktivitäten nach, das Beinwippen, oder Wackeln. Diese, schon fast als Tick zu bezeichnende Angewohnheit, begleitet mich schon unzählige Jahre. Auf Schritt und Tritt.
,,Ophal ? Das Mädchen, von dem unser Roger so oft spricht ?", wieder endete die Konversation in Stille, doch diesmal blieben die Worte meiner Seits aus.
,, Ähm... ich vermute, ja".
Es brauchte einige Zeit, bis sich meine Stimmbänder wieder in Schwingung befanden.
Mir wurde es mulmig, da ich mir einfach nicht sicher sein konnte.
Meinte die Dame wirklich mich, oder ist das Alles in einen See voller Missverständnisse geplumpst ?
,, Hach, das wird ihn aber mehr als beglücken, zu hören, dass du dich endlich nach so langer Zeit meldest".
,, beglücken ?", sprach ich überrumpelt und bemerkte, wie sich ein Klos in meinem Hals festsetzte. Die Frau, mit dem anderen Hörer am Ohr, schien genau zu wissen, um wen es sich bei mir in Person handelte. Sie schien zu wissen, in welchem Verhältnis ich zu ihrem Roger stand, allerdings hantierte sie wissender, als ich selbst.
Bemerkenswert.
Dem ganzen das völlige Vertrauen schenkend, ließ ich mich einfach auf Alles ein.
,, Unser Farrokh erzählte uns schon beinahe so begeistert von dir, als der Roger. Warte ich hol Freddie mal kurz ans Telefon.
Einen Augenblick bitte".
Ich konnte dem nichts mehr entgegenzusetzen.
Zu Beginn ihrer Aussage, da wusste ich erst nicht, um wen es sich exakt handelte.
Rogers Namen, das war mir ja so klar, wie Kloßbrühe, doch bei Farrokh war ich am Ende meines Latein.
,, Freddie, ja ! Das wäre hilfreich".
Ein Glück enthüllte sie schnell, von wem die Rede war und ersparte mir so einiges an Grübeleien. Sie ließ mich nun ein wenig allein, nur Schritte und entfernte Rufe, welche Inhalte ich nicht heraushören konnte.
Frau Bulsara wirkte freundlich, sehr mütterlich, als würde ihre Herzlichkeit von nichts zerrüttet werden können.
Ihr nicht zu verkennender Akzent, welcher sich allerdings bloß auf wenige Silben, in Mitten ihrer Sätze zeigte, rundete das freundliche und liebenswürdige, wie ich in naher Zukunft noch herausfinden würde, vollkommen ab. Eine gute Seele, so konnte man sie auch beschrieben.
Einige weitere Momente vergingen, bis das Trampeln von Füßen auf altem Holz aus dem Hintergrund, in den Vordergrund und das dort platzierte Telefon polterte, durch welches ich nichts der folgenden Geschehnisse verpassen konnte.
,, Freddie ! Da ist jemand für dich am Telefon!
Das Mädchen, von dem du und Roger so oft sprechen", ertönte es von einiger Entfernung.
Ein einziges ,, Was !" ertönte als Antwort.
In nicht einmal Sekunden, flitzte Freddie alle Stufen hinab, Mutter Bulsara direkt entgegen.
Später erfuhr ich aus Zufall, dass Jer ihren Sohn, Farrokh, nicht jemals wieder derart schnell, die Treppen herabflitzen gesehen hatte.
Zuvor und danach geschah solches im Hause Bulsara nie mehr.
Ein kleiner, aber feiner Scherz am Rande, welcher mir von der Schwester Freddies, Kash, zugetragen wurde.
,, mama, du scherzt, oder ?".
Freddie konnte es wohl nicht ganz fassen, seines Unglauben nach.
,, Sag, Ophal, bist du es ?".
Er klang außer Atem, eher abgehetzt, doch konnte man seine Freude nicht verneinen, welche er an den Tag legte.
Ich antwortete ihm lachend, da ich selbst von Glücksgefühlen überschüttet wurde.
Freddies Stimme, nach solch einer langen Zeit wieder zu hören, war schöner als Weihnachten, schon fast mit den Gedanken an Roger und unser erträumtes Wiedersehen vergleichbar.
,, Wenn Rog das bloß wüsste... Gott, wie du ihm hast zappeln lassen, Mensch Ophal".
Er befreite sich wohl belustigt etwas von seinem angestauten Frust, da Roger ihm mit dem Wiedersehen, beinahe die Ohren abkaute.
,, Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll".
Völlig ehrlich antwortete ich ihm, ertappte mich allerdings dabei ein leises Schluchzen von meinen Lippen zu lassen.
Zu viel des Guten.
,, Du brauchst doch keine Tränen zu vergießen, Liebes", munterte er mich mit seiner einfühlsamen Stimme auf.
,, Ach deswegen doch nicht. Ich weiß nur nicht, wo hin mit allem. Ich hätte nicht so mit der Zeit spielen dürfen, ich hoffe ihr alle nehmt mir das nicht zu streng".
Völlig ehrlich sprach ich zu ihm. Realisierte, es tat mehr als gut und begann zu erzählen:
von, was passierte, nachdem die drei das Studio verließen - die Zeit in der Benji mich aus der Schuhschachtel warf und ich beinahe auf der Straße landete - von Oma - bis hin zu den verregneten Abenden vor'm Kamin, mit der Schublade im Rücken, in welcher das Papier mit Rogers Nummer immer weiter zustaubte und fast in Vergessenheit geriet - bis zu dem Tag, an dem im Radio ihreHit „liar" ertönte und ich beinahe aus den Socken kippte.
,, Das ist Material, für das beste Drama unseres Jahrhunderts, sag nicht, dass ich falsch liege".
Meine Fingernägel tippte hippelig auf der Plastikverkleidung, des gelben Telefonhörers, während ich nun Freddies Erzählungen lauschte. Zuvor räusperte ich mich, um meiner Stimme mindestens eine kurze Unterbrechung zu ermöglichen.
In Freddies Bemerkung steckte mehr Wahrheit, als ich hätte jemals verneinen können. Er hatte Recht.
,, Ich könnte noch ewig so weiter klagen".
Unser Gespräch rollte, zwar nicht ganz ohne Stolperer voran, doch an Gesprächsstoff mangelte es uns keines Falls.
Von der Zukunft, hin zu Gegenwart, bis zur nicht vergessen gegangenen Vergangenheit.
,, Wir, besonders Brian, hatten schon beinahe alle Hoffnung für Roger und dich verloren", sprach er, mit einem Hauch von Scham in seiner Stimme.
Mir wurde ganz kalt bei dem Gedanken besonders Brian, wie konnte ich mir dies bloß vorstellen ?
War Roger voller Traurigkeit und Enttäuschung um mich etwas so verletzt, dass er sich betrübt nicht mehr auf die Arbeit konzentrieren wollte ?
Dies würde Brian's Handeln voll eins erklären.
,, Gibt euch bloß keinen Hauch an Schuld, besonders Roger, verstanden ?".
Ich erhob die Stimme ermahnend, doch galt der strikte Ton meiner Unfähigkeit, was kaum zu entschuldigen war.
,, Gott, das ist meine Schuld...
Ich bete, dass ihr, besonders Roger, mir verzeiht".
,, Liebes ? An diesem Punkt waren wir bereits und es gibt nichts wofür du dich rechtfertigen oder entschuldigen musst", seine Tonlage war bedacht gewählt und vermittelte den gesuchten und dringend benötigten Halt.
,, Du liegst Roger, selbst noch nach dieser ganzen langen Zeit, noch immer sehr am Herzen.
Er hat sich einfach in dich verliebt".
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