4. Liar

,, Ich stelle die Lautstärke des Hintergrunds noch etwas leiser, dann könnt ihr loslegen".
Die Drums standen, wie es Roger bevorzugte, der John's Bass war angeschlossen und gestimmt, ebenfalls wie Brian's E-Gitarre.
Die drei standen da, wie Rennpferde in der Startbox, nur angespannt auf den Startschuss wartend.
,, Oke die Instrumentalsession beginnt..... jetzt !"
Die letzte Elektronik einschaltend, gab ich ihnen den Startschuss und sie begannen zu spielen. Gebannt saß ich bloß da und genoss die Session in vollen Zügen. Es war magisch.

,, Die ist unglaublich  !"

Fasziniert von den Geschicklichkeiten der Musiker, blickte ich Freddie, der auf einem kleiner Hocker an meiner Seite saß, staunend entgegen.
,, Das sind sie immer". Er lobte sie in den höchsten Tönen. In seiner Stimme tanzte die pure Begeisterung und Stolz, was er in seinen Kollegen erkannte. Ein breites Grinsen, ließ er sich ebenfalls nicht nehmen.
,, Das Stück schimpft sich Liar. Falls du sie jemals im Radio hören wirst, kannst du sagen.
- Als das aufgenommen wurde, war ich dabei !"
Er klang überzeugt und von seinem Ziel nicht abzubringen.
Für mich war Freddie schon fast zu zielstrebig, denn was wäre gewesen, hätten sie es nie geschafft ?
Brian hätte seine Ersatzkarten auf den Tisch gelegt und wäre wohlmöglich ein angesehener Doktor geworden, Roger, ein Zahnarzt unter vielen, John, einer der die Nase zwischen Plänen und Elektronik gesteckt hätte und Freddie ?
Was Freddie aus sich gemacht hätte, das wollte und will ich mir gar nicht vorstellen, denn er währe nie glücklich geworden.
Ob er gegen Ende seines Lebens glücklich gewesen war, ist eine andere Geschichte, doch wäre es kein great Pretender geworden, das wäre nicht der Freddie Mercury.

,, Ist Roger eigentlich jemals von seinem Hocker gestürzt ? Wenn man sich sein Tanz an dem Drumkit ansieht, könnte man ja glatt behaupten, es wäre ihm schon passiert.
Täusche ich mich ?"
Freddie blickte mich fragend an, dann unverzüglich zu Roger, darauffolgenden wieder zurück zu mir.
,, Gute Frage, denn ich.... ich habe keine Ahnung. Solange ich ihn kenne, ist er immer sitzen geblieben".
Wir begannen genüsslich zu lachen, denn solche Einfälle meiner Seits, war Freddie nicht ansatzweise gewohnt. So konnte er sich nun kaum auf seiner Sitzgelegenheit halten.
,, Ich behalte ihn in Zukunft im Auge" lachte er und wusch sich alle gelachten Tränen aus den Augen, daraufhin reichte ich ihm zügig ein Taschentuch.
,, Danke dir".
Meine Wangen mussten noch immer rot vor Lachen gewesen sein, denn er strich mir leicht über das Rot, als er sich bedankte.
,, Sag mal, was sucht ein Mädchen, wie du eigentlich, in so einem Loch, wie diesem ?
Hier stimmt doch was nicht".
Er musste gut in Menschen lesen gekonnt haben, denn er hatte recht.
,, Ich... ich liebe das Zeichnen, das Malen, das Illustrieren und ich weiß, das hat mit alle dem hier wenig am Hut, aber woher das Geld, wenn nicht stehlen".
In seinen Augen erkannte ich völliges Verständnis, denn er wusste ja selbst, wie es einem in dieser Situation ergeht.

Nach dem Studium ist man, wie von Fesseln befreit und kann seine Fähigkeiten endlich zeigen und einsetzten. Doch die Versprechungen für eine Zukunft, die sich fast nie ergeben wird, diese zerplatzen nach kurzer Zeit in Freiheit.
Man hat sich dann schneller in einem Laden, wie diesem wieder gefunden, wie gedacht.

,, Ich brauchte Geld und da ich einige Kurse, über Soundtechnik und Musik belegt hatte, beschloss ich den Job hier, vorübergehend zu übernehmen".
Als ich an die Studienzeit zurück dachte, fand ich wieder einzelne Erinnerungen an alte Freunde und das, was wir uns für das Weitere vorstellten.
Gott, waren wir so verblendet.

,, Ich dachte schon du bist sein Liebchen... Verzeih mir den Gedanken, doch er tanzt dir auf der Nase herum, wie das Letzte.
Aber ich weiß, wie du dich fühlst".
Er nahm meine Hand und begann zu erzählen. Es musste ihm wohl schon lange, wie ganze Felsen, auf dem Herzen gelegen haben.
Nun konnte er sich endlich mitteilen.
,, Bevor ich die Jungs kannte und der Gedanke, den Gesang zum Beruf zu machen, noch Meilen entfernt war, studierte ich, wie du, Kunst". Er lächelte, anscheinend machte ihn der Gedanke glücklich, konnte man ihm ja auch nicht verübeln.
,, Der erst beste Platz, den ich bekam, war der des Ealing College of Arts. Doch nach und nach, da verlor ich die Lust.... Alles wurde schwerer und schwerer und drohte mich zu erdrücken. Nachdem ich mein Diplom halbwegs in der Tasche hatte, machte ich mich schleunigst vom Acker. Nicht mit mir, verstehst du ?".
Er lachte, doch die Sorge in seiner Stimme vergaß er glatt zu verstecken.
,, Ja natürlich... ich wünschte, ich hätte es wie du gemacht, doch ... nun sitzen wir beide hier, war also doch nicht all zu die schlechteste Entscheidung".

,, Habt ihr euch jetzt ausgeplaudert ?".
Erschrocken von John's Stimme, welche sich durch die Sprechanlage des Studios beschwerte, zuckte ich zusammen.
,, Ja, Ja.... entschuldige".
Ich schien das Konzept etwas verloren zu haben, denn all die Tasten vor meinen Augen, sie bedeutete auf einmal nichts mehr als Hieroglyphen.
,, Alles in Ordnung, Liebes ?"
,, Ja... ich brauche nur. Aha, oke. Wie weit waren den Aufnahmen ?".
Stotterte ich, doch der Nebel verflog und so richteten sich auch wieder meine Gedanken.
,, Wir waren fertig..."
Brian stelle seine Gitarre zurück in die Halterung und kam aus dem Aufnahmeraum heraus.
,, Wie waren wir ? Seid ehrlich"
Fragend gesellte er sich zu uns, doch wollte er seine Frage auch zügig beantwortet haben.
,, Ihr wart klasse, man kann die Aufnahme auch völlig nehmen. Keine Fehler."
Schwindelte ich.
,, Hast du das gehört Rog ! Da hat sich das Üben bezahlt gemacht"
Rief Brian in das Studio seinem Kollegen zu.
Freddie blickte mich an und wir verhielten uns still, denn die andern hatten unser gesamtes Gespräche, beinahe völlig überhört oder nicht wahrgenommen.

,, So jetzt hängt es an dir Fred".
Er bekam noch auf die Schulter geklopft und wurde bejubelnd angefeuert.
,, Fred, Fred, Fred !"
Riefen seine ausgepowerten Freunde, als nun auch der letzte der drei, aus dem Raum kam und sich eine Sitzgelegenheit suchte.
Es musste großen Kino gewesen sein, Freddie, bejubelt von seinen Freunden, ein neues Lied zum ersten mal singen zu hören.
Er lachte und machte sich auf.
,,Mach und gib dem Mädchen deine Nummer, du weißt nicht was du alles an ihr verlierst"
Seine und Rogers Schultern streiften sich, als sie aneinander vorbei schritten. Ich konnte mir nicht zusammenreimen, was Freddie in diesem Augenblick Roger ins Ohr flüsterte. Im Nachhinein, Jahre später, schienen die zwei es für anständig, mich endgültig aufzuklären.
Doch dort, war das Geflüster für mich bloß Luft.

,, Er hat uns die Lyric bis heute geheim gehalten. Wir wissen, wie er singt, aber jetzt bin ich mehr als gespannt".
Ich erschrak, als sich aus dem Nichts Rogers Hände, unerwartet auf meinen Schultern wiederfanden.
,, Echt ?" Ich wandte mich um, nachdem ich seine Worte an meinem rechten Ohr vernahm.
,, Ich lüg dich doch nicht an !"
,, Das habe ich doch nicht gemeint"
Beschwichtigend die Hände hebend, blickte ich ihn an.
,, Ihr wisst nicht einmal was von dem Inhalt seines Songs ? Aber komponiert das Instrumentale, als wäre es etwas gewöhnliches, ohne Sinn zu arbeiten ?"
Unverhofft, blickten mich abrupt drei paar Augen an, löchernd mit ihren Augen.
,, Das sind alles seine Geheimnisse, welche er wahrscheinlich auch mit ins Grab nehmen wird"
,, Ihm zuzutrauen ist es weit über die 86%"
John stimmte Brians Aussage zu und all ihre Blicke wanderten zurück zu dem Geheimnisträger, in der Aufnahmekabine.
Er schien seine Stimme zuvor noch kurz den letzten Schliff zu verpassen, danach begann das Spektakel.
,, Bin bereit !"
Knackte und rauschte es durch die Sprechanlage, hinüber zu uns vier Zuschauern.
Alle saßen oder standen, gespannt Freddie zuschauend, welcher die Stirn runzelte und nun auf sein Startsignal wartete.
,, Okey ! Dann los"
Ich schaltete das Aufnahmegerät ein und die Spule, samt Tonband, begann sich im Gang zu setzten.
So tat Freddie der Elektrik gleich und ließ seiner Stimme freien Lauf.
Dass sein Gesang nicht in Worte, selbst in Gesten, nicht zu beschreiben war, machte es noch unbeschreiblicher, seinem komponierten Liedtext zu lauschen.
Liar
Ein Lügner.
Das waren die vier Jungs und allen voran Fred, ganz und gar nicht.
Er versprach keinen Hauch zu viel.

,, Hey, ähm... ich bin nicht der Meister der viel... warte... können wir vielleicht dort reden, wo wir etwas allein sind ?"
Mir auf die Schulter tippend und den Kragen seines Shirts ein wenig richtend, weckte mich Roger aus der Faszination von Freddies Gesang. Das Tonband lief einmal völlig durch, diesmal auch wirklich fehlerfrei, so konnte ich mich auf diese einzigartige Stimme konzentrieren.
,, Ja... kann das noch bis nach der Aufnahme warten ? Die Spule muss nämlich gleich raus. Danach hab ich zwei gesunde Ohren für dich, die dir aufmerksam zuhören".
Ihn beschwichtigend und gleichzeitig meine Arbeit schleifend abhakend, sah ich wie Freddie die Session mit einer Verneigung beendete.

,, Und das alles bei den ersten Versuchen ! Wir haben's Jungs !".
Brian sprang von seinem Stuhl auf und feierte mit Freudensprüngen und einem breiten Grinsen den Erfolg. Es schien wohl nicht all zu oft zu geschehen, das die Aufnahmen derart fehlerfrei zustatten gingen.
,, Das schreit nach einer Freirunde im nächsten Pub. John zahlt !"
,, Schminkt euch das ab ! Ich genieße bei euch dreien in nächster Zeit freie Speisen und Getränke !"
John setzte sich zu wehr, zum Schutz seines Geldbeutels, denn die anderen reizten sein Kontingent in der vergangenen Zeit, mehr als genügend aus. Mindestens ein Dutzend 0,5 l Bier gingen dort drauf.

,, Wo können wir uns dann kurz unterhalten ?"
Roger schien den ganzen Jubel und Tumult seiner Kollegen nicht zu teilen, denn er blickte mich bloß fragend an.
,, Ich habe jetzt sowieso Feierabend, lass uns doch im Pub reden ? Jetzt ist es dort noch angenehm still."
Er runzelte die Stirn und schien sich seinen nächsten Satz zusammenzusetzen.
,, Wir können auch wieder in den Hinterhof ?"
Ich schien ihm die Worte aus dem Mund geklaut zu haben, denn seine Mimik verwandelt sich in etwas strahlendes.
,, Das wäre perfekt ! Jungs ich komme später nach, geht schonmal vor"
Sich zu den anderen wendend, zwinkerte er zuvor, dem noch im Studio stehenden Freddie zu. Der schien exakt zu wissen was vorging. Ich hingegen wartete bloß ahnungslos auf Roger.
,, Oh ! Mach nichts unüberlegtes, Rog".
Brian schien besorgt, doch wusste er aus guter Erfahrung, dass Roger schwer von etwas abzubringen war.

,, Viel Spaß meine zwei Lieben. Bis dann Rog.
Ich hoffe wir sehen uns wieder, Ophal".
An der Haustür stehend und die drei, der eigentlich vier Musiker, verabschiedend, lächelte ich und wünschte ihnen noch alles Glück für ihre Aufnahmen.
,, Sind sie weg ?"
Kam es von der Hintertür des Hauses, vor der Roger, eingepackt in seine Jacke, stand.
Die Wind pfiff ihm kalt um die rot gewordene Nase und zerzauste sein blondes Haar.
,, Ich denke ja, wenn sich nicht doch einer noch wo versteckt hat. Aber ! Was hast du denn so wichtiges zu sagen, wenn du nicht mit der Sprache rausrücken kannst, wenn die anderen dabei sind ?".
Er hatte sich wieder eine Zigarette angezündet, wohlmöglich eine der, die er mir zuvor gab und sich dann wieder einer zurück schenkte.
,, Hast du vielleicht Papier und einen Stift in Reichweite ?"
,, Einen Stift und ein was ... ?".
,, Ein Blatt und ein Stift zum was draufschreiben".
Er wirkte völlig ehrlich, als währe es die alltäglichste Handlung. Ich schien ihn verständnislos anzustarren, denn er trat wieder in das Haus und befreite sich von der Zigarette und seiner warmen Jacke.

,, Darf ich dir meine Telefonnummer geben ?"

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