14 - Zuhause

Schweigend fuhren wir nach Hause. Die Umgebung war mir so vertraut und doch regte sich in mir nichts als Abscheu. Ich merkte, dass es mich nicht beruhigte durch die bekannten Straßen zu fahren, sondern mich bloß an mein eigentliches Leben erinnerte. Plötzlich musste ich an die ganzen Leute denken, die ich hier zurückgelassen hatte.
Schulkameraden, Lehrer, wenige Freunde und Bekannte.
Mein Verschwinden war überall in den Nachrichten gewesen. Ich verstand immer noch nicht warum, meine Eltern mussten doch gewusst haben, dass ich bloß wieder Reiß aus genommen hatte. Und beim letzten Mal war ich sogar freiwillig zurückgekehrt.
Hatte mich jemand vermisst? Hatte sich jemand Sorgen um mich gemacht? Plötzlich war mir der Gedanke mehr als unangenehm. Es war nicht meine Absicht gewesen irgendwen damit leiden zu lassen.Auch wenn es mich bei meinen Eltern mit Genugtuung erfüllt hätte, war es auch nicht mein Ziel ihnen etwas aufzubürden. Unbehagen stieg in mir auf, als ich daran dachte wieder zur Schule zu gehen. Denen in die Augen zu blicken,die nun mehr ahnten als ich jemals preisgeben wollte.

"Was sollte das Ella?", hörte ich meinen Vater von vorne fragen. "Er ist nüchtern.", sagte ich mir immer wieder, um mich zu beruhigen. Ich wollte ihn mit Schweigen bestrafen. So, wie sie es damals getan hatten und wie es sich jetzt gerade auch wieder anfühlte. Aber der Trotz stieg in mir hoch. Ich würde mich nicht mehr kommentarlos fügen.

"Was genau meinst du denn?", fragte ich provokant und blickte nach vorne in den Rückspiegel, so dass sich unsere Blicke trafen. "Oh, war das zu unhöflich von mir?" Ich lächelte gespielt entschuldigend. "Macht ja nichts, wenn ihr mich einfach wieder in mein Zimmer sperrt. Da kann ich dann keinem etwas sagen,richtig?" Ich sah die Zornesfalte meines Vaters im Spiegel, wie er mich mit seinem Blick fixierte und niederstarrte. Er hasste mich. Aber ich sah den Unglauben in seinen Augen, wie er verarbeiten musste, wie ich mit ihm redete. "Pass auf was du sagst.", knurrte er, während er unruhig mit seinen Fingern auf der Tür herumtrommelte. Ich versuchte den Blick meiner Mutter aufzufangen. Suchte nach einer Regung in ihr, einer Emotion die zeigte, dass sie sich um mich scherte. Aber sie starrte steif und angespannt nach vorne. Kein Wort kam über ihre zusammengepressten Lippen.
Enttäuschung überrollte mich. Erneut. Und das ärgerte mich mehr denn je. Warum konnte es mir nicht einfach egal sein?!

Sobald der hässliche Wagen in unserer hässlich perfekten Einfahrt hielt, stieß ich die Tür auf und stürmte hinaus. Ich wollte nicht. Fühlte mich jetzt schon gefangen und ungewollt, aber konnte nicht weg.
An der Tür trat ich unruhig von einem Fuß auf den anderen. Es dauerte viel zu lange, wie meine Mutter den Schlüssel aus ihrer Tasche kramte und ihn wie in Zeitlupe ins Schloss schob. "Ella.", flüsterte sie plötzlich und hielt in der Bewegung inne. Sie hauchte es fast und eine unangenehme Gänsehaut breitete sich auf meinen Armen aus. Sie wirkte schwächer denn je. Ihr Blick huschte kurz nach hinten, um meinen Vater in Augenschein zu nehmen, der sich aus dem Kühlschrank unserer Garange eine Bierflasche holte. "Es tut mir leid.", wisperte sie. Ich war wie erstarrt, konnte nicht atmen. Wie bitte? In mir keimte etwas auf. Verständnislosigkeit, Trauer, Wut und Schmerz. "Was?", fragte ich harscher als ich wollte. Der Blick meiner Mutter sprang unruhig zu mir und zurück zu meinem Vater. "Was tut dir leid.", formulierte ich meine Frage präziser und ich erschrak mich selbst vor dem Hass, den ich darin hören konnte. Sie zuckte zusammen. Was sollte das? Hatte sie Angst, dass mein Vater gleich kam und wieder einen seiner Wutausbrüche hatte? Sie war doch eh nicht die jenige, die die Schläge abbekam!
Als sie nicht antwortete schnaufte ich verachtend. "Was soll das?", fragte ich. "Glaubst du ein einfaches 'tut mir Leid' macht all das wieder gut, was ich durchmachen musste?! Du weißt genau was für ein Monster du bist."

Ich selbst erschrak vor dem, was ich da gesagt hatte. Das war hart gewesen. Auch meine Mutter sah erschrocken hoch. Blickte mir das erste mal in diesem Moment richtig in die Augen. Dann wandte sie sich ruckartig ab, drehte den Schlüssel um und stieß die Türe auf. "Ach, vergiss es.", sagte sie verbittert und verschwand in ihrem Zimmer.

Mein Mund stand offen vor Fassungslosigkeit und ich wusste einfach nicht, was ich davon halten sollte. War meine Mutter gerade verletzt, dass ich ihr erbärmliches 'tut mir Leid' nicht einfach angenommen hatte?! Sie hatte es nicht mal geschafft mich anzusehen, redete mit unterdrückter Stimme und fürchtete sich vor der Reaktion ihres Mannes. Ich hätte am liebsten aufgeschrien vor Fassungslosigkeit und Wut.
Ich atmete einmal tief ein und aus, schloss die Augen und beschloss dann sie einfach zu ignorieren. Das Desinteresse war nun auch ganz meinerseits.
Eine Stimme in mir protestierte leise, während ich die Treppen zu meinem Zimmer hoch lief. Immer wieder hallten Kjetills Worte in mir nach, dass meine Eltern vielleicht gar nicht so schlimm waren. Auch, dass er mir geraten hatte Versöhnung auszusprechen. Aber ich konnte und wollte nicht. Ich war nicht diejenige die etwas verbrochen hatte und es war ganz sicher nicht meine Aufgabe dafür zu sorgen, dass meine Mutter ihren Mund aufbekam!

Also stieß ich wütend die Tür zu meinem Zimmer auf. Es war alles noch so wie vorher. Das komplette Gegenteil zu Tess' Zimmer. Aufgeräumt, ordentlich, sauber. Es schien, als würde das Zimmer gar nicht mehr mir gehören. Ich konnte mich plötzlich nicht mehr mit dem identifizieren was ich sah und musste erneut feststellen, wie sehr ich mich verändert hatte. Ob das eine gute oder schlechte Veränderung war wusste ich noch nicht so genau. Aber plötzlich bekam ich richtig Lust die weiße Blümchendecke von meinem Bett zu reißen, die ordentlich gefalteten Klamotten im Wäschekorb auszukippen und meinen zerstörten Klavierhocker in seinem elendigen Anblick einfach aus dem Fenster zu schmeißen.

Ich riss mein Fenster auf. In einem plötzlichen Wutanfall hievte ich meinen zuvor geliebten Klavierhocker über die Fensterbank und schmetterte ihn mit aller Wucht in das Gebüsch unseres Vorgartens. Ich konnte den kaputten Anblick nicht ertragen und am liebsten hätte ich auch das eingetretene Klavier mit hinaus geschmissen. Ich wurde an die Situation in Kjetills Wohnung erinnert, als ich meinen Koffer aus dem Fenster schmiss. Irgendwie endeten alle Kurzschlüsse bei mir damit, etwas aus dem Fenster zu schmeißen. Im Gegensatz zu dem nun gänzlich zerstörten Klavierhocker, würde ich meinen Koffer aber in Kürze wieder zurückbekommen.

Schwer atmend stütze ich mich mit meinen Armen auf die Fensterbank. Mein Blick schweifte über die Straße und fiel direkt auf den Jungen mit der mir so bekannten roten Sporttasche. Unsere Blicke trafen sich. Es war ein Moment, indem ich mir plötzlich wünschte unsichtbar zu sein, oder einfach ganz schnell im Erdboden zu versinken. "Scheiße.",flüsterte ich, während mir die Schamesröte ins Gesicht stieg. Unten stand jemand, den ich seit Wochen nicht mehr gesehen hatte. Sein Anblick regte etwas in mir was ich nicht so ganz zuordnen konnte, aber eines verspürte ich ganz klar:
Scham.

Ich schämte mich dafür ihm hier zu begegnen, in seine Augen zu blicken und zu wissen, dass ich einfach gegangen war. Ich hatte ihn unaufgeklärt zurückgelassen, ihn einfach vergessen. Und das, obwohl er immer da gewesen war, wenn ich Luft zum Atmen gebraucht hatte. Ihn jetzt so unerwartet wieder zu sehen, in dieser peinlichen Situation ließ mich unwohl von einem Fuß auf den anderen treten. Am liebsten hätte ich das Fenster einfach geschlossen.

"Ella?!", rief er aufgebracht, nachdem er mich erst einmal mit offenem Mund und großen Augen angestarrt hatte. Es war ein Moment der Stille, nur er und ich, getrennt durch unsere Positionen. Die Welt lag still und regungslos vor meinen Füßen, während er im Laternenschein der unbefahrenen Straße zu mir hoch starrte. Unglaube zeichnete sich in seinem Gesicht ab und ich konnte sehen, wie schwer es ihm fiel mein plötzliches Auftreten zu verarbeiten. Sein Blick sprang verstört zwischen mir und den Überresten meines Klavierhockers hin und her, nicht sicher wie er das deuten sollte. Er wusste, dass Klavier spielen alles für mich war. "War das dein Klavierhocker?!", fragte er sichtlich entsetzt und mir wurde bewusst, wie absurd das ausgesehen haben musste. Nein, wie absurd diese ganze Situation gerade sein musste.

Verwirrt schüttelte er den Kopf. "Was machst du hi-..Nein wo warst du? seit wann bist du wieder da?!", rief er gleich daraufhin und rieb sich fassungslos die Hände übers Gesicht.Er wirkte total aufgelöst.

"Hi, Noah!..", rief ich schief lächelnd zurück und winkte ihm unsicher. Oh Mann. Wie peinlich! "Warte ich komm runter!", rief ich, bevor er noch weitere Fragen stellen konnte. Ich lief leise nach unten, huschte zur Tür hinaus und stampfte durch die Überreste von dem pampigen Schnee auf ihn zu.
Bevor ich etwas sagen konnte, kam er in eiligen Schritten auf mich zugelaufen, breitete seine Arme aus und zog mich mit einer bestimmten Bewegung an sich. Erschrocken weiteten sich meine Augen. Wir hatten uns noch nie umarmt.
Er drückte mich so fest an sich, dass ich kurz nach Luft japsen musste. In seiner Schraubstock Umarmung, eingelullt in die Ärmel seiner dicken Winterjacke hatte ich gar keine Möglichkeit diese zu erwiedern. Als er mich los ließ starrte er mich mit einem so ernsten und zugleich besorgten Blick an, dass ich verlegen einen Schritt zurücktrat, um etwas Luft zwischen uns zu schaffen.

"Wo um alles in der Welt warst du!", brach es plötzlich aus ihm heraus und ich seufzte leise. Es war mir echt unangenehm darüber zu sprechen. Vor allem hier so in der Öffentlichkeit. "Wir haben uns alle so verdammte Sorgen gemacht, du warst überhaupt nicht zu erreichen! Ich hab dich bestimmt 500 mal angerufen und jedes Mal ist deine Kack Mailbox angegangen!" Nun war alle Erleichterung mich wieder zu sehen erloschen und seiner aufbrausenden, schimpfenden Art gewichen. Mir wurde etwas warm ums Herz,weil er tatsächlich Angst um mich gehabt hatte. Wie schlecht ich mich fühlte...

"Hallo, hier ist Ella Nessel, bin gerade nicht erreichbar. Versuch es später einfach nochmal.", imitierte er wütend meine Stimme von der Mailbox nach und ich musste tatsächlich ein kleines wenig schmunzeln. "Ich hatte mein Handy nicht dabei.", sagte ich und sah in Noahs entgeistertes Gesicht. " Es tut mir wahnsinnig Leid dich nicht informiert zu haben, aber in dem Moment hab ich überhaupt nicht nachgedacht. Ich wollte einfach nur weg..", flüsterte ich und Noah zog besorgt seine Augenbrauen zusammen. Die Wut trat sofort aus seinen Augen zurück.

Wir kannten uns als ewige Nachbarskinder. Hatten uns ab und an zum reden getroffen und ich hatte ihm immer vor den Klausuren in Mathe geholfen. Er war eher so der Einzelgänger- Typ, so wie ich. Er hatte mich immer zum Lachen gebracht, wenn ich damals weinend vor seiner Tür stand und mir dann irgendwelche schlechten Stücke auf seiner Trompete vorgespielt. Aber so richtig nahe hatten wir uns nie gestanden, weil meine Eltern uns verboten hatten, dass wir uns trafen. Ich konnte nur noch sehr selten zu ihm und leider waren wir nicht in derselben Schule. Dass er nun so einen Auffuhr schob, überraschte mich schon etwas, aber er hatte ja recht.

"Deine Eltern?", fragte er genauso leise zurück, plötzlich überhaupt nicht mehr wütend. Ich nickte und warf verstohlen einen Blick über meine Schulter.
"Oh Ella, ich will mir gar nicht vorstellen, was du da durchmachen musst.", sagte er einfühlsam und ich schüttelte den Kopf. "Sollst du auch nicht." Ich musste an Kjetill denken, der mehr wusste als Noah. Und ich vermisste ihn schrecklich. Wie automatisch wanderten meine Finger in die Jackentasche, um den glatten Schlüssel zu fühlen. "Lass uns nicht hier darüber reden.", sagte ich an ihn gewandt, den Schlüssel fest umschlossen. Er nickte und so schlenderten wir die Straße entlang. Wir wussten beide, dass wir zu ihm gehen würden. Bei mir war er noch nie drin gewesen.

"Ich bin abgehauen, weil es zu viel wurde Noah.", sagte ich leise und schluckte gegen den Kloß in meinem Hals an. "Ich hab wie gesagt nicht viel darüber nachgedacht. Ich wollte einfach weg und Abstand zwischen mich und dieses Leben hier bringen. So leid es mir tut, dass ich Leute in Sorge versetzt habe, es ging in diesem Moment allein um mein Leben. Und ich bereue es auch nicht.", sagte ich und sah zu ihm auf. Er hörte aufmerksam zu, seine Nase war leicht gerötet von der Kälte und sein Atem bildete kleine Wölkchen in der Luft. Ich bemerkte wie jungenhaft seine Gestalt noch war, im Gegensatz zu Kjetills. Und in seinem Gesicht tanzten überall Sommersprossen, während Kjetills Haut rein wie Schnee gewesen war. "Ich hab so viel erlebt.", sagte ich mit einem Lächeln und ich bemerkte, wie froh es mich tatsächlich gemacht hatte, auch wenn ich nicht nur schöne Momente gehabt hatte.Die schlechten hatten sogar überwiegt. "Erzähl mir davon.", sagte Noah schmunzelnd, jedoch nahm ich einen leichten beleg seiner Stimme wahr.Ich bewunderte ihn, wie aufmerksam er war. Der ganze Vorwurf war aus seiner Stimme verschwunden. "Ein anderes Mal, okay?", sagte ich vorsichtig. Ich war mit einem Mal ziemlich erschöpft und sah mich nicht in der Lage über die Dinge hier und jetzt mit Noah zu sprechen. Ich vertraute ihm, ja. Aber im Moment wurde ich so oft enttäuscht, dass ich es mir nicht leisten konnte es mir auch noch mit Noah zu versauen.
Er wirkte enttäuscht, aber versuchte sich nichts anmerken zu lassen. "Okay.", sagte er nur. "Aber erklär mir das mit dem Klavierhocker!"
Ich lachte etwas verhalten. "Mein Vater hat einige Wochen bevor ich abgehauen bin mein Klavier zerstört." Natürlich erstarb bei dieser Geschichte mein Lachen und die Wut trat wieder in mir hervor. Ich erzählte ihm von dem Moment wo ich in mein Zimmer getreten war und mich selbst nicht mehr damit vereinbaren konnte. Ich sah, wie er versuchte sich mein Zimmer vorzustellen, während ich davon berichtete, wie ich es aus einem Wutanfall heraus ins Chaos versetzt hatte.

"Deinem Zimmer zufolge herrscht in deinem zuvor so Schein perfekten Leben also gerade das Chaos.", fasste er zusammen wie er es verstanden hatte und ich schüttelte den Kopf. "Chaos war schon immer. Ich wusste bloß wie ich mich ihm entziehen konnte. Aber jetzt bin ich mitten drin, weil ich dabei bin mich dagegen aufzulehnen.", sagte ich und während ich es aussprach wusste ich, was anders an mir war. Ich hatte angefangen mich mit dem Gedanken anzufreunden mutig zu sein. Meine Flucht hatte mich zwar im ersten Moment von meinen eigentlichen Problemen weggetrieben, aber mich gleichzeitig herausgefordert eine Veränderung anzutreten.
Der abscheuliche Lkw-Fahrer hatte mich an meine Grenzen gebracht, aber er hatte dafür gesorgt, dass ich mein höfliches, naives und fügendes Verhalten aufgab. Ich hatte meinen Mut und meine Ellebogen gebraucht, aber es hatte mich stärker gemacht, als ich im ersten Moment geglaubt hatte. Kjetill hatte mein zerbrochenes Ich aufgefangen, mir Rückrat gegeben und dazu beflügelt an mich zu glauben. Er hatte mir den Wert zugesprochen, den ich gebraucht hatte und mich dann alleine losziehen lassen. Er hatte mich stärker weiterziehen lassen, als ich kam und dann hatte ich das Selbstvertrauen mich mit einer wie Tess anzufreunden, mich erneut auf Menschen einzulassen. Ich hatte gelernt ehrlich zu sein und auch wenn ich enttäuscht wurde,es hatte mir gezeigt, dass man von jedem Menschen enttäuscht werden konnte.

Ich war überwältigt. Was, wenn hinter jedem Leid was mir wiederfuhr etwas steckte, dass mich in meinem Charakter stärken sollte? Was, wenn manche Dinge einfach geschehen mussten, damit sie mir zum besten dienten? Auch wenn ich jetzt noch vieles nicht verstand, rückblickend verstand man dann manchmal doch, dass die Dinge nicht aus zusammenhanglosen Zufällen geschahen. Und wenn man es genau betrachtete, war ich ja immer noch unversehrt.

"Halloo, noch da?"
Ich bemerkte erst, dass ich absolut in meinen Gedanken versunken gewesen war, als Noah mir verwirrt mit einer Hand vor dem Gesicht herumfuchtelte. Irritiert blinzelte ich und sah zu ihm auf. "Ich glaube ich habe gerade einen Faden von Gottes Plan erkannt.", sprach ich meine Gedanken kopflos aus und an Noahs überraschtem Blick fiel mir siedend heiß ein, dass er ja nicht Kjetill war. Ich wollte gerade zu einer Erkläung ansetzten, da trat er plötzlich vor mich, dass ich stehen bleiben musste. Er fixierte meinen Blick ungläubig und lächelte seltsam hoffnungsvoll. "Seit wann glaubst du an Gott?", fragte er komplett irritiert und ich sah ihm an, dass er anfing zu hinterfragen, ob er mich wirklich kannte. Ich schmunzelte verlegen. "Bin meinem Schutzengel begegnet.", sagte ich scherzend. Er hob fragend seine Augenbrauen. "Wie jetzt?"
Ich seufzte einmal und zu meinem beschämen klang es wehmütiger, als es sollte. Noah warf mir einen schnellen Seitenblick zu, als wir uns wieder in Bewegung setzten. "Er heißt Kjetill. Das bedeutet Helm. Und er hat mich einfach so bei sich aufgenommen und mir von Gott erzählt. Er..-" "Wie?!", fuhr mir Noah dazwischen und ich stöhnte genervt. "Du bist einfach so bei dem eingezogen, ohne zu bedenken dass..-"
Jetzt war ich diejenige die ihm das Wort abschnitt: "Hör zu, du verstehst das nicht. Du weißt nicht was davor passiert ist und wozu er mir alles verholfen hat. Er war wirklich mein Helm in der Not und ich bin mir sicher,dass Gott ihn mir geschickt hat."
Noah nickte, aber er war skeptisch. "Ich bin Christ.", sagte er und jetzt war ich dran die Augenbrauen überrascht zu heben. Das hatte ich nicht gewusst.
"Wirklich?", fragte ich überflüssigerweise. Noah lachte. "Ja, schon seit ich denken kann. Was glaubst du warum ich Trompete spiele? Meine Mum hat mich mit 7 in dieses Orchester meiner Gemeinde gesteckt, damit ich mich mehr intrigiere. Da haben wir immer christliche Lieder gespielt und so hab ich zu Gott gefunden."
"Krass", sagte ich und musste plötzlich kichern. "Sonderlich gut spielst du aber nicht." Noah gab ein empörtes Geräusch von sich. "Was soll das denn heißen?Achso, stimmt, du und dein Klaviertalent." Ich zog fragend die Augenbrauen nach oben. "Mit dir muss man sich nicht vergleichen, du bist viel zu Perfektionistisch."

Ich wusste was er meinte. Früher hatte ich jeden Tag mindestens vier Stunden Klavier geübt. Es gab Tage, da hatte ich ihn durch mein Fenster gesehen, wir er mit den anderen Nachbarskindern gespielt hatte und rief ich solle auch rauskommen. Aber alles was ich von mir gegeben hatte waren die Klaviertöne.

"Was machst du an Silvester?", fragte mich Noah, als wir an seiner Haustür zum stehen kamen. Ich runzelte die Stirn. Darüber hatte ich mir noch gar keine Gedanken gemacht. "Ich weiß es nicht. Vermutlich nichts.", sprach ich meine Gedanken aus. Er grinste. "Hast du Lust mit mir und meiner Family in die Church zu gehen, es gibt ein Silvesterprogramm und 'ne Afterparty." Er kratzte sich fast schon verlegen am Kopf und ich lächelte dankbar.

"Ja klar, total gerne." Ich fand es süß von ihm mich einzuladen, vor allem weil er es tat um mich aufzumuntern. Er hatte meine Blicke gesehen, wie ich nervös und angsterfüllt zu meinem Haus zurückgeblickt hatte. Und auch wenn wir uns nicht so richtig gut kannten und eher Bekannte als Freunde waren, waren wir uns irgendwie vertraut und mir schien es, dass Noah meine Gedanken besser lesen konnte, als ich geahnt hatte.
Er schien erleichtert, was mich wunderte, aber dann wurde er wieder ernst. "Willst du noch reinkommen?"
Ich schüttelte langsam, aber nicht sehr überzeugend meinen Kopf. "Ich denke ich sollte langsam zurückgehen.. " Noah betrachtete mich grübelnd. "Bist du dir sicher, dass du das willst?" Ich antwortete nicht. Nein, natürlich wollte ich nicht. Ich musste. Wenn meine Eltern bemerkten, dass ich nicht mehr im Haus war würde es richtig Ärger geben.
"Hey.", sagte Noah leise. "Du kannst auch hier schlafen wenn du möchtest. Wir können deinen Eltern Bescheid sagen, ich wohne doch nur ein paar Straßen weiter."
Ich schmunzelte verlegen. Irgendwie hatte ich in letzter Zeit ziemlich oft die Chance bei anderen zu übernachten. Aber jetzt ging es nicht. Auch wenn ich wollte. Denn ich hatte jetzt schon extreme Angst mit mir alleine zu sein, eingesperrt in meinem viel zu fremden Zimmer.
"Nein, schon gut. Meine Eltern werden das nicht zulassen. Ich muss jetzt gehen."

Ich hob meine Hand zum Abschied und war im Begriff zu gehen, als er mich aufhielt. "Warte!" Überrascht blickte ich zu ihm. "Ich kann dich begleiten, es ist doch schon dunkel!"
Ich lachte belustigt. "Nein, schon gut Noah. Wie gesagt, du wohnst doch nur ein paar Straßen weiter." Er schien nicht damit zufrieden und setzte zum 'Aber' an, doch ich unterbrach ihn: "Ich bin über mehrere Wochen, komplett alleine durch die Straßen gezogen, da werde ich es ja wohl schaffen die paar Schritte nach Hause zu laufen." Ich lächelte matt. "Gute Nacht Noah."
Er schien mein Argument zu akzeptieren und nickte knapp. Es war nicht so dass ich ihn loswerden wollte, aber ich musste mich auf die Stille vorbereiten die gleich einkehren würde. " Ella?" Noch einmal drehte ich mich um. Ich betrachtete Noah, wie er im Türrahmen seines Hauses stand, die Mütze etwas schief und mit roter Nase. Seine Sommersprossen tanzten frech auf seiner Nase, während er mit seinen blauen Augen mein Gesicht betrachtete.
"Ich bin froh dass du zurück bist.", sagte er mit leiser Stimme und verschwand mit einem Lächeln im Inneren seines Hauses.

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Hallo an die, die das hier lesen..

Es tut mir leid! Dieses Kapitel hatte ich schon längst fertig, aber ich war mir unsicher, ob ich es so hochladen sollte..habe es etwas überarbeitet. Zum Ausgleich gibt's auch schnell das nächste!

WICHTIG: habe den Klapptext etwas umgeändert und auch den Verlauf der Story werde ich nun anders gestalten, als ursprünglich geplant. Btw zieht sich dieser Teil des Buches länger, als gewollt.
Folgende Frage: Wie wirkt der Inhalt der Story auf euch? Ist es zu heavy, dramatisch oder traurig? Ich versuche so realistisch wie möglich zu schreiben, aber hoffe niemanden mit den Themen zu erschlagen..kleiner Spoiler: es wird aber noch sonniger in Ellas Leben! ;)

UND>Hättet ihr Lust dass ich n paar Bilder von den Charakteren einbringe, die ungefähr meiner Vorstellung entsprechen, oder wollt ihr euch selbst ein Bild im Kopf davon machen? :)

Gute Nacht, danke fürs Lesen <3

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