"Was du, Rotkäppchen?", lachte Derik neben mir spottend auf und die kräftigen Männer um uns herum stimmten mit ein. "Siehst du hier etwa noch jemanden stehen?", warf Elijah, dem größeren ironisch entgegen und verdrehte seine Augen. Er kam auf mich zu. "Ich besuche meine Großmutter, da lässt sich eine kleine Rettungsaktion auf dem Hinweg einrichten.",, erklärte er mir und deutete auf seinen Bastkorb. Sein Blick ging zu Derik hoch, und wurde kalt. "Und da sich sonst nur Feiglinge im Dorf herum treiben, lässt sich wohl kein anderer finden.", setzte er gezielt provokativ nach. "Wie hast du mich gerade genannt, du Zwerg?!" knurrte Derik wütend und baute sich vor dem deutlich kleineren auf.
"Warte Derik!", ich warf mich zwischen die beiden und blickte zu meinem Freund hinauf. "Er ist der einzige der mich begleitet.. wenn du ihn verletzt kann ich den Jungen nicht retten.", verteidigte ich den Blonden. Derik könnte mich ja auch begleiten, doch er will anscheinend nicht, obwohl er gemeinsam mit Shawn, als die mutigste Person des Dorfes galt. .
"Gut.. da wir das geklärt haben, lass uns bitte gehen. Ich möchte noch vor Anbruch der Dunkelheit zurückkehren.", unterbrach Elijah das Blickduell,welches Derik und ich uns lieferten und setzte sich in Bewegung. "Bitte teile Shawn mit, dass Elijah mich begleitet.", bat ich Derik noch hastig, während ich mich bereits abwendete und dem etwas kleineren nachlief.
Zum Glück konnte man ihn dank seines roten Umhanges ziemlich leicht im Wald erkennen. Allerdings würden ihn doch so auch Tiere schneller sehen können und uns angreifen. Ich frage mich wirklich, wie er jedes mal unbeschadet zum Haus der Alten kommt. Vielleicht kennt er ja ein paar gute Tricks. "Sag mal Elijah.. warum trägst du eigentlich diesen Umhang?", erkundigte ich mich bei ihm um die Stille zu durchbrechen. "Er schützt mich vor Bären und Wölfen.",erklärte er simpel und ich erhaschte nur einen knappen Blick in sein Gesicht, bevor er die Kapuze tiefer in dieses zog. "Wie meinst du das? Sie sehen dich doch so erst recht.", ich verstand nicht im geringsten wie das funktionieren sollte. "Oh man.. und ich dachte ihr Jägersleute wärt schlau.", seufze er einmal tief. "Bären und Wölfe greifen selten Menschen an. Sie gehören nicht zu ihrer Beute. Rot ist eine Warnfarbe,auch im Tierreich. Giftige Tiere haben meist bunte Farben, wie manche Frösche." erklärte er mir. Fasziniert von seinem Wissen sah ich ihn an. Das wusste ich noch alles gar nicht. Frösche sollen bunt sein? Allerdings konnte ich ihm das nicht alles so anstandslos glauben. "Aber wir werden trotzdem angegriffen.", wendete ich ein. "Ja, allerdings. Ihr schmiert euch ja auch mit Rehdung und Schlamm ein ,um von den Wölfen nicht als Gefahr gewittert zu werden. Für Wölfe riecht ihr also wie ein saftiges Reh. Bären hingegen greifen euch nur an, weil ihr euch immer wieder in deren Territorien schleicht und euch nicht korrekt verhaltet. Sollte dir das nächste mal wirklich ein Bär gegenüber stehen, rede einfach. Er weiß dann, dass du ein Mensch bist und kein bedrohlicher Feind. Geh langsam zurück bis du das Gefühl hast er verfolgt dich nicht mehr. Solltest du wirklich mal mit einem Bär kämpfen, wo Flucht unmöglich ist, stell dich tot. Selbst wenn der Bär dich anstupst bleib einfach ruhig liegen, auch wenn er schon weg ist. Bären beobachten oftmals nur aus der Ferne. Um eine Konfrontation mit einem Bären zu vermeiden, empfiehlt es sich laut redend durch den Wald zu gehen. Bären sind eigentlich recht scheu.", erzählte er mir und ich ihm hörte gespannt zu. "Wow..", meinte ich ziemlich baff. Das wusste ich noch nicht. "Woher weißt du das alles?", fragte ich begeistert. "Meine Großmutter hat ein paar Bücher über Tiere.", antwortete er so, als sei es gar nichts besonderes. "Die muss ich mal lesen!", teilte ich ihm mit und strahlte über das ganze Gesicht. Vielleicht halfen diese Tricks ja wirklich? Wir könnten also einen Bärenangriff überleben.. Viel wichtiger wäre es jedoch einen Wolfsangriff zu überleben.
"Hier ist die Eiche.", kam es wieder aus dem Mund des Blonden. Ich vertrieb meinen Wissensdurst erst einmal, um mich auf meine Umgebung zu konzentrieren. "Er war also auch schon hier.", stellte ich fest, als ich die Kerben in der Eiche sah. An einer Stelle war der Schnee eingedrückt, als wäre er dort hingefallen und weggezogen worden. "Seine Axt liegt nicht hier.", stellte Elijah fest, woraufhin dies auch mir auffiel. "Vielleicht hatte er sie noch in der Hand, als er überfallen wurde und konnte sich damit verteidigen? ", spekulierte ich hoffnungsvoll. "Finden wir es heraus.",stimmte Elijah mir zu und ging voraus, den Schleifspuren im Schnee hinterher.
Hinter dem dichten Gebüsch befand ein kleiner steiniger Abhang. "Dort!", der Blonde neben mir deutete auf einen roten Fleck im Schnee. Blut, ganz klar. "Wir müssen näher dran.", entschied ich und begann auch gleich geschickt den etwas steilen Abhang hinunter zu klettern. Bäume halfen mir ein wenig dabei. Unten angekommen sah ich zu Elijah hoch, der sich anscheinend nicht ganz sicher war. "Vertrau mir, das ist nicht so steil wie du vielleicht denkst ... zur Not fange ich dich auf." versicherte ich ihm, und schien ihn damit ebenfalls überredet zu haben. Langsam fing er an mir zu folgen, wobei er etwas hilflos und unsicher aussah. Ein leichtes Lächeln bildete sich auf meinem Gesicht, als ich ihn so beobachtete. Es schien, als wäre er ein wenig tollpatschig.
Ich behielt Recht, denn kaum war er fast am Ende angekommen, stolperte er über einen Stein und fiel mir in die bereits ausgestreckten Arme. Von der Wucht getroffen, stolperte ich nach hinten und verlor den Halt. Mein Rücken landete im Schnee und Elijah halb auf mir. Die leichten Schmerzen ausblenden, stützte ich mich auf meine Ellbogen und beobachtete wie der Schönling etwas unbeholfen von mir herunter krabbelte. Ich hörte ihn sogar leise fluchen. Kaum stand er wieder, vermisste ich auch gleich seine Nähe. Er hätte meiner Meinung nach gerne noch etwas länger auf mir liegen bleiben können. Argh.. nicht schon wieder! Ich rieb mir mit meiner - durch den Schnee - nassen Hand über mein Gesicht um meine Gedanken abzukühlen. Es half sogar relativ gut. Mit klaren Gedanken erhob mich wieder, klopfte mir den Schnee von der Kleidung und sah mich um.
"Elijah! schau mal!", rief ich den Blonden her, als ich einen interessanten Fund machte. "Eine Wolfsleiche.", erklang seine Stimme wenige Sekunden neben mir. "Hm.. die Wunde stammt eindeutig von einer Axt.", ich deutete auf die tiefe blutige Verletzung an der Seite. "Vielleicht lebt der Junge ja wirklich noch.", murmelte ich glücklich und sah mich nach Spuren um. Ein wenig weiter weg erkannte ich diese auch im Schnee. Der Umhangträger folgte mir still.
Neben den Fußspuren des Jungen, gab es jedoch auch noch Blutstropfen - ob diese von ihm oder der Axt stammen konnte keiner sagen. Ich hoffte, dass er nicht zu stark verletzt war.
Eine Hand schloss sich plötzlich um meinen Arm und etwas erschrocken drehte ich mich zu Elijah um, welcher mich festhielt. Sein Blick ging starr an mir vorbei, und allgemein wirkte er ein wenig angespannt. Ich wollte gerade fragen, was los sei, als ich ein Knacken rechts von uns hörte.. Sofort schoss mein Blick suchend ins Innere des verschneiten Waldes. Meine linke Hand griff derweil langsam zu meinem Rücken um mein Messer zu ziehen. Wir sollten die einzigen Menschen hier draußen sein, und alles andere würde uns nicht so nah kommen. Eigentlich.
Ein erneutes Rascheln verriet die Nähe des Wesens. Diesmal etwas weiter vor uns und schon viel näher. Rennen war eine schlechte Idee. Oft animierte dies nur zum Jagen und Angreifen, außerdem waren die meisten Tiere sowieso schneller als wir.
"Bleib ruhig.", hörte ich Elijah flüstern, und sah dann auch nach vorne, wo ich endlich sah, was sich an uns heran geschlichen hatte.
Ein Wolf..nein.. bei der Größe schon fast ein Pferd. Seine Fellfarbe ging nahtlos mit der Farbe des Schnees zu seinen Füßen über. Ich hatte noch nie so ein klares, sauberes weiß gesehen. Selbst seltene Hasen waren im Gegensatz zu diesem weiß gräulich. Und dann erst das Fell an sich. Es war etwas länger und schien ziemlich gepflegt. Es sah weich aus, weckte in einem das Verlangen die Finger hindurch gleiten zu lassen. Nur an einer Stelle war das Fell verdreckt. Um sein Maul war es getränkt mit Blut, welches die selbe Farbe hatte, wie seine Augen. Diese dämonisch roten Augen.. Man hatte also nicht gelogen. Es gab den weißen Tod also doch, und wir, wir standen ihm gerade gegenüber. Nicht einmal fünf Meter trennten uns von ihm.
Ich zog mein Messer und hielt es kampfbereit vor mich. Meine Hand zitterte leicht vor Angst, doch meine Miene blieb unerschütterlich. Ich muss Elijah und mich beschützen, mit allem was ich hatte. Ich konnte nicht zulassen, dass er stirbt.
Der Wolf, welcher bis eben noch seitlich zu uns stand, da er wohl den Pfad überqueren wollte, drehte sich beim Anblick meiner Klinge frontal zu uns. Sein Nackenfell stellte sich auf und seine Lefzen zogen sich nach hinten. Mit aufgestellter Rute und angelegten Ohren drang ein dunkles Knurren aus seiner Kehle. Es lief mir kalt den Rücken runter. Es war so dunkel, so blutrünstig. "Pack das Messer weg, du Idiot.", eine plötzliche Bewegung zu meiner Rechten ließ mich leicht zusammen zucken. Elijah schoss vor mich, schlug mir das Messer aus der Hand und drehte sich dann dominant dem Wolf entgegen. Entsetzt starrte ich auf den roten Umhang, welcher den Körper des Jungen bedeckte.
Ich fand es mutig, dass er sich mir anschloss, doch das war kein Mut mehr. Er war lebensmüde! Gerade als ich ihn zurück ziehen wollte, beobachtete ich ein eigenartiges Verhalten bei dem Wolf. Er hatte sich aus seiner Angriffsstellung gelöst. Seine Ohren waren wieder aufgestellt und sein Kopf gehoben. Wir beide verstanden wohl das Verhalten von Elijah nicht so wirklich.
Ich beobachtete wie der kleinere in seinen Korb griff, und ebenso der Wolf. Misstrauisch legten sich seine Ohren wieder an und seine Augen verengten sich. Langsam zog der Blonde ein Stück Brot aus dem Inneren. Er stellte den Korb ebenso langsam ab und zog sich seine Kapuze vom Kopf.
"Wir tuen dir nichts, wenn du uns nichts tust." sprach er ruhig, doch mit wem? Etwa mit dem Wolf? Verhielt es sich so wie bei den Bären? Fasziniert beobachtete ich ihn, wie er in die Hocke ging. Es war ehrlich gesagt eigentlich nicht nötig, da der Wolf sowieso fast größer war, als wir im Stehen. "Geh.", vernahm ich erneut seine Stimme, doch diesmal strenger und lauter. Ich sah wie er seinen Kopf in meine Richtung gedreht hatte, sah nur sein blaues Auge, welches mich auffordernd ansah. "Ich kann doch ni-.." - "Geh Noah! Er vertraut dir nicht!", wiederholte sich Elijah diesmal zischend. Nun sah ich wieder zum Wolf, der mich mit seinen Blicken zu fixieren schien und den Kopf leicht gesenkt hatte.
Ich blickte wieder zu Elijah, der wohl immer noch davon überzeugt war, dass es besser war, wenn ich ginge. Na schön.. ich vertraute ihm. Langsam rückwärts gehend, da ich diesem Biest ebenso nicht vertraute, entfernte ich mich - so lange bis ich sie zwischen den Bäumen und Büschen nicht mehr sehen konnte.
Ich blieb stehen, denn sollte Elijah auch nur einmal Schreien, brach ich dem Wolf das Genick und zog ihm sein Fell über die Ohren. Ich bin sicher, dass sein Fell eine gute Decke abgäbe.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top