Sumpfgrün 19
Elijah POV
Am nähsten Morgen, nachdem der Bauer nach seinen Tieren sah, schlichen wir uns unbemerkt aus der Scheune. Wir entfernten jeden Halm von uns, um auch ja keine Spuren an uns zu haben und beschlossen, uns etwas im Dorf umzusehen. Unser Ziel war es Arbeit zu finden womit wir uns vielleicht eine Unterkunft leisten konnten. Für Noah vielleicht kein Problem, doch ich war in nichts gut. Es wird schwer für mich was zu finden, was ich machen kann. Wahrscheinlich werde ich sowieso wieder als nutzlos abgestempelt.
"Ich werde mal bei der Schmiede oder beim Tischler nachfragen, ob sie eventuell Hilfe benötigen. Du könntest ja mal nach den Leuten sehen. Vielleicht gibt es Kinder auf die du aufpassen kannst." schlug der Braunhaarige mir vor und lächelte heiter. Ich richtete ein letztes mal meine Augenklappe und fuhr mir durch mein blondes Haar. Kinder? Ich war noch nie eine Person die gut mit Kindern klar kam. Sie waren oft laut und aufgedreht, wollten Spiele mit mir spielen oder spielten mir Streiche - aber es ist besser als nichts.
Mit einem stummen Nicken stimmte ich ihm zu und ging dann auch schon mit ihm zurück Richtung Dorfplatz, auf dem wahrscheinlich das meiste um diese Zeit los sein sollte. Ziemlich schnell trennten wir uns, und während ich ihn bereits in der Ferne dabei beobachten konnten, wie er sich munter mit den ersten kräftig aussehenden Männern unterhielt, schlenderte ich noch immer ziellos umher. Es waren deutlich mehr Menschen hier, und dennoch wussten sie, dass ich ein Fremder war. Naja.. ihnen wäre ein Junge mit Augenklappe und roten Umhang wahrscheinlich schon eher aufgefallen.
Ein plötzlicher halblauter dumpfer Schrei ließ mich meine Aufmerksamkeit nach vorne richten. Leute versperrten mir die Sicht und ich konnte nur ein paar Rosenkohl Pflanzen auf dem Boden verteilt ausmachen. Hat jemand sie fallen gelassen? Warum stehen dann da alle rum?
Neugierig näherte ich mich der kleinen Traube an Menschen und huschte geschickt zwischen ihnen hindurch um auch mal was zu sehen. Tatsächlich hatte jemand einen Korb voller Rosenkohl fallen gelassen, wahrscheinlich die ältere Frau die selber auf dem Boden lag. Ob sie gestürzt ist? Lebt sie überhaupt noch? Sie regt sich gar nicht mehr.
Warum half ihr denn keiner? Prüfend ging mein Blick in die Runde. Jeder schien irgendwie wie versteinert auf die alte zu blicken. Feige Nichtsnutze. Ich trat aus dem Kreis heraus und kniete mich zu ihr hinunter. Vorsichtig griff ich nach ihrer noch warmen Hand und legte zwei Finger auf ihr Handgelenk. Ein leichtes Pochen war spürbar und auch hörte ich sie Atem, als ich mein Ohr nah an ihren Mund brachte. "Sie lebt noch." teilte ich den unbeholfenen Idioten um mich herum mit. Als ich hoch sah, sah ich, dass die Blicke alle auf mir lagen, skeptisch und teils bewundernd. "Ich brauche Hilfe um sie zurück in ihr Haus zu bringen." erklärte ich und meine Augen streiften durch die Menge. "Du und du!"ich deutete auf zwei kräftig aussehende Männer, die kurz darauf ein paar Blicke austauschen. "Worauf wartet ihr denn noch?" schnaufte ich ungeduldig und holte sie nun endlich aus der Starre. Sie traten zu mir heran und hoben die alte Dame jeder über einer Schulter hoch.
Noch schnell sammelte ich etwas vom verstreuten Rosenkohl ein und tat die Sachen in meinen eigenen Korb, ehe ich den Männern nach eilte. Wir ließen die restlichen Menschen verdutzt hinter uns stehen und mussten erstmal durch das halbe Dorf um an ihr Haus zu kommen. Sie wohnte recht weit abseits vom Dorf, hatte eine Ziege vor diesem angebunden, welche uns mit Meckern begrüßte.
Im Inneren brannte noch Feuer im Kamin und ein Topf mit Wasser stand dicht daran, worin der Inhalt vor sich hin blubberte. Wahrscheinlich wollte sie sich was zu Essen zubereiten. Die Männer legten sie auf das Bett ab, welches in einem Nebenraum stand. Groß war die Hütte nicht. Ein Hauptraum mit Kamin und Kochecke und dann noch zwei weitere Räume. Eines wahr wahrscheinlich das Klo und das andere das Schlafzimmer der Alten. Eine Luke an der Decke verriet mir auch, dass es noch einen Dachboden geben müsste, doch um drüber nachzudenken hatte ich nicht die Zeit.
Ich musterte die Dame, welche immer noch bewegungslos da lag und so schien als würde sie schlafen. Sie hatte wie meine Großmutter weißes krausiges Haar und ein verschrumpeltes Gesicht mit spröden Lippen.
Weswegen sie wohl umgefallen ist? Könnte es einfach ein Schwächeanfall sein oder ist sie krank? Verletzungen hat sie jedenfalls keine. Sollte ich einfach erstmal abwarten oder nach einem Heiler suchen?
Ich kenne sie zwar nicht, doch Menschen einfach liegen lassen wenn es ihnen schlecht geht? Auf keinen Fall, erst recht nicht die älteren und weiseren. Man soll seine Alten mit Respekt behandeln und ihnen helfen, immerhin werden wir - wenn wir Glück haben - auch mal so alt und erfahren sein. Ich bezweifel dass es in diesem Dorf anders ist, aber wenn doch, dann konnte sich diese Dame glücklich schätzen, dass ich da war.
Gerade als ich mich abwenden wollte, damit sie sich ausruhen konnte, legten sich knochige Finger zart um mein Handgelenk. Ich verharrte in meiner Drehung und blickte etwas erschrocken zurück zu der Alten. Sie sah mich aus schmalen Schlitzen an und hielt mein Handgelenk fest. Ihre Lippen spalteten sich und ihre andere Hand hob sich zittrig. Sie deutete auf den Schrank am Bettende. "Tr-..Trank." krächzte sie schwach und entließ mich dann aus ihrem Griff. Eilig folgte ich ihrer Anweisung und öffnete den Schrank. Klamotten und Decken lagen in diesem. Wo soll denn hier ein Trank sein? "Unter den Decken.." hörte ich ihre schwache Stimme erneut von hinten. Ich kniete mich hinunter und hob die Decken an. Tatsächlich befand sich eine Schatulle darunter, und als ich diese öffnete fand ich auch ein paar Phiolen mit dem selben hellgrünen Inhalt. Ich schnappte mir eine und huschte zurück zu ihr. Mit den Zähnen entfernte ich den kleinen Korken und half ihr dabei, den Inhalt des Glasfläschchen zu sich zu nehmen. Was das wohl war?
Sie sah schon viel besser aus, kaum hatte sie den Inhalt geschluckt. Langsam stellte ich die Phiole zu Boden und setzte mich vorsichtig an den Bettrand. "Vielen Dank, Junge." bedankte sie sich, wobei sie schon wesentlich munterer und entspannter wirkte. Ihre sumpfgrünen Augen lagen auf mir und zeigten die Dankbarkeit deutlich. Ich fühlte mich gleich schon viel besser und etwas beruhigter. "Wie ist dein Name? Ich kenne dich gar nicht." fragte sie mich und griff nach meiner Hand um diese zu halten. Die Geste kannte ich von meiner Großmutter. Sie machte das auch, wenn es ihr schlecht ging und ich für sie da war. Vielleicht half ich ihr ja deswegen? Vielleicht sah ich meine Großmutter in ihr wieder?
"Elijah." antwortete ich ihr ruhig und behielt sie im Auge, nicht dass sie einen Rückfall erlitt. "Ein schöner Name. Ich bin Ann." stellte sie sich mit einem sanften Lächeln vor. Sie schien es gar nicht beunruhigend zu finden, dass ich in ihrem Haus saß - ein Fremder, der offensichtlich nicht aus diesem Dorf kam. Ich könnte sie jeden Moment töten und das Haus für mich beanspruchen. Dachte sie gar nicht daran? "Mach nicht so ein Gesicht, junger Mann.. ich denke nicht, dass du böse Absichten hast. Du siehst mir nach einem sehr lieben und fürsorglichen Jungen aus." ihr Lächeln wurde breiter und der Druck um meine Hand kurzzeitig fester. Sie und Noah würden gut zusammen passen, beide waren recht naiv. Ich konnte mir ein belustigtes Lächeln nicht verkneifen. "Was ist denn passiert, Ann?" wollte ich dann wissen. Wenn sie wirklich krank war, sollte ich Abstand halten. "Das Alter, Jungchen." lachte sie schwach auf und sah mich an. "Manchmal habe ich einfach keine Kraft mehr in den Beinen und falle um." erklärte sie mir dann das, was passiert ist. "Dir wird es bestimmt auch mal so gehen und dann hoffe ich, dass auch ein netter Mensch in deiner Nähe ist um dir zu helfen." lächelte sie sacht und ließ meine Hand los.
"Du bist nicht aus diesem Dorf, oder Elijah?" - "Nein, ich musste aus meinem alten fliehen, da wir angegriffen wurden von Banditen." klärte ich sie auf, wobei ich versuchte traurig zu klingen. "Das hört sich schrecklich an. Wo schläfst du denn?" hackte sie besorgt nach. Ich wusste nicht worauf sie hinaus wollte, doch keines falls wollte ich, dass sie mich bei ihr wohnen ließ. Sie hat es wahrscheinlich so schon schwer genug essen aufzutreiben und hatte auch nur ein Bett, dazu käme dann ja auch noch Noah. Das konnte ich ihr nicht aufbürden, auch wenn sie sich revanchieren wollte. "Ich komme bei einem bekannten der Familie unter." log ich deshalb, wobei ich den Blick aufrecht erhielt. "Na dann, aber ich möchte mich bei dir bedanken, immerhin hast du mein Leben gerettet. Komm doch einfach immer vorbei und hilf mir ein wenig beim Haushalt. Du wirst natürlich entlohnt und bekommst auch was zu essen bei mir." schlug sie mir vor und merkte wohl auch gleich mein unbehagen. "Keine Sorge, ich bin schon alt und muss nicht mehr so viel essen." setzte sie deswegen gleich hinterher.
Naja.. immerhin konnte ich mich so nützlich machen. "Sehr gerne Ann." stimmte ich deswegen mit einem kleinen Lächeln zu.
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Awww Elijah hat Ersatz gefunden für seine Großmutter :') Der Abschied wird wohl schwer fallen, wenn sie das Dorf wieder verlassen müssen :/
Oder nehmen sie sie vielleicht mit? ;D Naja.. wie auch immer. Was haltet ihr denn so von Ann?
Findet ihr es gut, dass Elijah sich um sie kümmern will?
Und was ist eigentlich eure Lieblings-Märchen-Geschichte? :)
Meine ist Rotkäppchen ^^ Ich weiß ehrlich gesagt nicht warum aber irgendwas hat diese Geschichte, was mich reizt :3
Glg Keks ;*
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