Dunkelgrün 33

Luxus POV 

Kraftlos lag ich auf meiner Seite und folgte mit meinen Blicken Ibis in seinen Bewegungen. Wer weiß wohin meine Kraft plötzlich verschwand und woher diese beklemmende Gefühl in meiner Brust kam. Meine Sicht wurde unklar und mir fiel es schwer, meine Augen offen zu halten. 

Wohin will er? Lässt er mich hier so liegen? Er wendete sich ab und marschierte auf den Ausgang zu. 

Bleib Ibis! Ich will nicht allein sterben! 

Schwach streckte ich eine Hand zu ihm auf, und als er kurz stoppte, hatte ich wirklich gehofft, er hätte meinen Hilferuf vernommen, doch dann ging er schon weiter und war verschwunden. 

Panik kam in mir auf. Ließ er mich wirklich hier? Musste ich allein sterben? "Ibis.." fiepte ich auf und Bilder aus der Vergangenheit flackerten vor meinen Augen auf. Der dunkle Glockenturm in dem ich lag veränderte sich kurzzeitig und nahm die Form des Baus meiner Kindheit an. Ich kann mich noch genau an das Gesicht meines Bruders erinnern. 

~ Flashback ~

"Luxus du bist der Erstgeborene, doch das heißt nicht, dass du der stärkste bist. Deine Geschwister sind auch sehr talentiert und machen dir bestimmt irgendwann deine Position im Rudel streitig. Es mag sein, dass du ein geborener Alpha bist, doch allein bist du genauso schwach wie ein Kitz. (*Reh junges)" trichterte mir mein Vater erneut ein und sah mich aus seinen braunen Augen an. Ergeben nickte und stellte aufmerksam die Ohren auf. Er würde nur wieder wütend werden, wenn er  bemerkt, dass ich mich langweilte. "Du musst vorsichtig sein wen du zu deinem Rudel machst. Als Alpha musst du dein Rudel um jeden Preis beschützen und sicher sein, dass sie dir niemals in den Rücken fallen." fügte er hinzu und setzte sich wieder erneut in Bewegung. Eilig trottete ich neben ihm her und wich einzelnen tieferen Ästen aus. Zwar war ich noch ein Welpe, doch bereits viel größer als meine Geschwister. Es lag wohl daran, dass ich ein Alpha war. Was auch sonst würde meine weiße Fellfarbe erklären, wobei mein ganzes Rudel jedoch schwarzes Fell hatte. Außerdem waren meine Augen dunkelrot, und das soll bekanntlich auch ein Kennzeichen eines Alphas sein. 

"Kann ich nicht der Alpha vom jetzigen Rudel werden?" erkundigte ich mich und sah zu meinem Vater hoch. Seine Ohren zuckten kurz nach hinten, als ob ihm ein ärgerlicher Gedanke durch den Kopf blitzte. "Nein. Es wird die Zeit kommen, da musst du das Rudel verlassen. Noch mag es dein größter Schutzschild sein, doch schon sehr bald wird es zu einem giftigen Dolch, welcher dir in den Rücken gerammt werden kann, wenn du gerade nicht hinsiehst." antwortete er mit einem bitteren Klang. Ich verstand nicht was er damit meinte, doch mein Vater war gewiss nicht dumm oder naiv, sondern eher das Gegenteil. Ich musste also unbedingt diese Worte in meinen Erinnerung behalten. Plötzlich blieb er  stehen und drehte sich zu mir um.  "Und egal was ist Luxus, lass sie niemals deine Schwäche sehen. Ein verwundetes Raubtier ist genauso gut ein totes Raubtier." intensiv sah er mich an und ging sicher, dass ich ihm zuhörte. Hastig nickte ich und sah ihn aus großen Augen an. 

Dieser Satz, den ich so oft von ihm hörte, brannte sich in mein Gehirn wie heißes Eisen. Es war der wichtigste Rat den mir mein Vater  mit gab. Mindestens drei mal in der Woche hörte ich ihn das zu mir sagen und jedes mal machte es den Eindruck, als würde er mit so viel Erfahrung sprechen, dass ich nicht anders konnte als ihm zuzuhören. 

Meine Ohren zuckten plötzlich nach hinten als sie etwas wahrnahmen. Ich spannte meinen Körper an und konzentrierte mich angestrengt auf die leisen doch vernehmbaren Geräusche. Es waren Pfoten im weichen Laub, welche mit bedacht gesetzt wurden. Versuchte sich jemand an mich anzuschleichen? 

Die Schritte wurden lauter und schneller. Ein Schleichangriff. Noch in letzter Sekunde sprang ich zur Seite, weswegen mein deutlich kleinerer Bruder ins Nichts sprang. Knurrend fuhr er zu mir herum und sah mich aus seinen dunkleren braunen Augen an. Es war kein verspieltes Knurren wie es üblich in unserem Alter wäre, sondern ein wirklich aggressives. 

Mir war der Neid meiner Geschwister bewusst. Ich war schon immer der Stolz unserer Eltern. Ich bekam das meiste Futter, die meiste Milch und die meiste Zuwendung. Ich stand im Mittelpunkt des Rudels. Solche Attentate waren keine Seltenheit, und dennoch konnte ich sie nie wirklich verletzen oder sie zum stoppen zwingen. Sie gehörten doch irgendwo zu meiner Familie, und ich war sicher, dass sie mich nie wirklich töten oder stark verletzen wollten. 

Es war nur oberflächlicher Neid der sie blendete. Wenn sie erstmal realisieren, wie sehr ich das Rudel beschützen kann, werden sie mich schon noch mögen. 

Auf einmal spürte ich ein schweres Gewicht auf meinem Rücken und kleine spitze Zähne, welche sich in mein Nackenfell gruben. Ich quiekte erschrocken auf und versuchte nach dem weiteren Angreifer zu schnappen. Meine Schwester, wie ich es aus dem Augenwinkel sah. Nur sie allein hatte ein braun schwarzes Fell und war etwas heller als meine anderen Geschwister. 

"Haha, diesmal haben wir dich Luxus!" hörte ich mein Brüderchen jubeln und sah ihn auf mich zu springen. Er wollte an meine Kehle, doch da würde ich ihn nicht ran lassen. Den stechenden Schmerz im Nacken ignorierend warf ich mich auf meinen Rücken, entging somit den Angriff von meinem Bruder und begrub ebenso meine Schwester. Ich war deutlich größer und somit auch schwerer. Mit einem schmerzhaften Fiepen ließ sie von mir ab und ich stellte mich gleich wieder hin. Meine Rute richtete sich dominant auf und meine Sinne schärften sich. Es war selten, dass sie nur zu zwei angriffen. Wo waren die anderen? Zu Zweit bekommen sie mich doch niemals klein. 

Die braunen Augen von Noctis, meinem jüngeren Bruder fixierten mich und er knurrte leise. Es klang noch sehr ungeübt und hell, doch ich wusste ja, dass er sich nicht so schnell entwickelte wie ich, und für sein Alter klang es schon sehr gut. "Jetzt Tenebris!" wies mein Bruder an und ich erwartete bereits den nähsten Angriff aus dem Hinterhalt meines jüngsten Bruders. Von wo kommt er bloß? Meine Ohren vernahmen keine weiteren Schritte um mich herum.  Rascheln war hörbar, von oben. Überrascht blickte ich nach oben und sah gerade noch wie mein jüngster Bruder als Mensch von einem Ast sprang. 

Mein Herz setzte einen Schlag aus. War er komplett übergeschnappt?! Bei der Höhe wird er sich verletzen! 

Schnell nahm ich selber meine menschliche Gestallt an um ihn aufzufangen. Er war schwerer als gedacht, weswegen er mich mit seinem Fall mit riss. Ein heftiger Schmerz durchzog mein Bein und ich vernahm deutlich das Knacken. Ich schrie auf, und Tenebris krabbelte gleich von mir runter. Er schien unverletzt, doch mich hatte es umso schwerer getroffen. Ich umschloss mit beiden Händen mein Bein und sah voller Entsetzen auf mein Knöchel, welcher überhaupt nicht gesund aussah. Er war sicherlich gebrochen, denn eigentlich sollte er sich nicht so weit nach rechts verbiegen können. 

Die Schmerzen waren kaum auszuhalten und ich versuchte wirklich mich nicht auf diese zu konzentrieren, doch so mehr ich es versuchte, desto mehr wurden sie mir bewusst. "Gut das reicht." herrschte mein Vater, der bis eben zugesehen hatte. Er mischte sie nie in solche Angelegenheiten ein, da er meinte, solche Kämpfen würden meinen Charakter stärken. 

Ich spürte seine Hände, wie sie sich unter meinen Körper schoben. Tränen in meinen Augen ließen mich kaum was erkennen, doch ich erkannte deutlich die drei dunklen Kleckse welche meine Geschwister waren. Sie blieben zurück während mein Vater mich zum Bau trug.  


~.~.~


Unruhe ließ mich erneut meine Augen öffnen. Nur durch einen dichten Schleier erkannte ich mehrere Leute um mich herum stehen. Sie hielten Abstand zu mir, tuschelten leise und wussten nicht was sie mit mir anstellen sollten. 

Wovor fürchteten sie sich? Mühevoll richtete ich meine Ohren auf und versuchte das Gewirr an verschiedenen Stimmen zu ordnen. Es waren nur Bruchstücke wie "Riesieg" - "Weißer Hund" - "Sterben"  die ich raus hörte. 

Hund? Würde ich mich bewegen können, würde ich ihnen zeigen, dass ich gewiss kein Hund bin! Mehr als ein schwaches, kaum hörbares Knurren entkam jedoch nicht aus meiner Kehle. Sehr wahrscheinlich habe ich meine Wolfsform angenommen. Doch egal in welcher Form ich war, momentan bin ich nur ein verletzliches Tier. Es tat nichts zu Sache, wie viele ich von ihnen mit einem Schlag töten konnte, wenn ich nicht einmal Kraft aufbringen kann um zu stehen. 

Mein Bewusstsein fing schon wieder an dahin zu schwinden, egal wie sehr ich mich dagegen wehrte. Die Masse setzte sich in Bewegung, doch nicht auf mich zu, sondern sie teilte sich. Was ist denn jetzt los? 

"Luxus!" ich hörte meinen Namen wie durch eine dicke Decke, weswegen ich die Stimme auch nicht zuordnen konnte. Mit größter Mühe richtete ich meinen Blick auf die zwei Gestallten die sich mir näherten. Die Rüstung reflektierte leicht das wenige Licht. Ritter? Wollten sie mir den Gnadenstoß geben? 

Noch ehe ich jedoch weiter drüber nachdenken konnte, versank ich erneut in meinen Erinnerungen. 


~Flashback~

Dadurch, dass ich mir mein Knöchel gebrochen hatte, konnte ich mich mehrere Wochen kaum bewegen. Ich fühlte mich miserabel nicht mit jagen gehen zu können, oder durch den Wald zu streifen. Nicht einmal konnte ich mir mein eigenes Essen holen, sondern meine Mutter musste es mir in den Bau bringen.  Es war wirklich demütigend, doch ich war froh, dass mein Rudel mich unterstützte und beschützte. 

Eines Morgens wurde ich wach und bemerkte gleich die Stille. Normalerweise war unser Rudel um diese Zeit schon putzmunter, doch außerhalb des Baus in dem ich lag, schien alles wie ausgestorben. Mühsam erkämpfte ich mir meinen Weg aus dem Erdloch. Kein einziger Wolf war zu sehen. 

Panik kam in mir auf. Ich fiepte in der Hoffnung meine Mutter oder mein Vater würde mich hören. Zu meinem Bedauern erschien jedoch keiner von Beiden, sondern nur mein Bruder. Er war in den Wochen deutlich gewachsen und schien auch stärker geworden zu sein. Mit aufgerichteter Rute stand er vor meinem Bau und blickte zu mir herab. Sein schwarzes Fell glänzte im Licht der Sonne und ich roch frisches Blut an ihm. Ob er wohl jagen war? Aber mit dem ganzen Rudel?  Und wo waren die anderen? 

"Wir lassen dich zurück Luxus. Noir und ich haben das Rudel übernommen." teilte er mir kalt und emotionslos mit. Erschrocken sah ich ihn an, konnte kaum glauben, was er mir gerade gesagt hat. "Aber warum?" wollte ich perplex wissen, wahrscheinlich auch ängstlich. Ich war verletzt und sie wollten mich allein lassen?

Ich wäre gefundenes Fressen für allerlei Raubtiere. Nicht auszudenken was wäre, wenn ein Fuchs oder ein Dachs diesen Bau mit mir hier findet. Und wie soll ich ohne Nahrung oder Wasser überleben?! 

"Du bist doch ein geborener Alpha. Sieh zu wie du klar kommst, aber wag es nicht zurück zu uns zu kehren. Wir haben keinen Platz für  Wesen die sich für was besseres halten, aber so schwächlich sind wie ein Lamm." spuckte er mir förmlich entgegen und wendete sich ab. 

Entsetzt sah ich ihn an und wimmerte leise. Nein! Das durfte nicht so enden! Ich wollte sie doch beschützen! ICH war doch der vorherbestimmte Alpha. Was ist mit Vater und Mutter?! Wie konnten sie mich zurück lassen?! Ich dachte sie liebten mich?!

Ich fiepte laut und flehte schon fast meinen Bruder an mich nicht allein zu lassen, doch keines meiner Worte erreichte ihn. Ohne sich noch ein letztes mal zu mir um zu drehen verschwand er im Dickicht, und ließ nur eine Kluft in meinem Herzen zurück. 

Haben sie mich alle wirklich so sehr verabscheut?! 


~.~.~.~


Leichtes Poltern ließ mich erneut zu mir kommen. Langsam schlug ich meine Augen auf. Der Geruch von Rosen drang in meine Nase und ich sah roten Stoff unter mir. Ein Teppich? "Guten Morgen." hörte ich eine weibliche, recht aufgeweckte Stimme. Ich hob meinen Kopf und erblickte ein vertrautes Gesicht. 

Dunkles Haar, welches nur durch einen grünlichen Schimmer sich von schwarz unterschied hing ihr vom Kopf, fast bis zu ihren Hüften. Ihre roten Augen blitzten mich mit einem erfreuten Funkeln an uns das teure , ebenso dunkelgrüne Gewand aus Seide schmiegte sich um ihren Körper. 

So wie ich meine Umgebung deuten konnte, befand ich mich wohl im Inneren einer Kutsche, zusammen mit Vanni. Woher wusste sie, dass ich ihre Hilfe brauchte? Hat Ibis sie geholt? 




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Ein Einblick in die Kindheit von Luxus, der wohl nicht ganz so geliebt wurde von seinen Geschwistern, wie es vielleicht sonst der Fall wäre. Keine Sorge, seine Kindheit ist nicht nur tragisch ;D 

Damals war er ungefähr 4 - 5 Jahre, war jedoch schon so weit entwickelt wie ein 7 oder 8 Jähriger. 

Was sagt ihr zu dem Kapitel ^^ Bin sehr gespannt, ob euch was auffällt. 


Glg Keks ;* 

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