Kapitel 18 - Das Quidditch-Finale

[Zoe]


Gemeinsam mit Fred, Ava, ihrem ältesten Bruder Alfred und Mrs. St. James schlenderte Zoe über das Gelände. Sie sahen sich an, was die Zauberer aus aller Welt zu zeigen hatten. Es gab Straßenkünstler, die inmitten der Menge drachenförmiges Feuer spuckten oder farbprächtige Vögel aus ihren Zauberstäben zogen. Zoe erschrak beinahe zu Tode, als plötzlich zwei ausgewachsene Pumas an ihr vorbeigaloppierten, nur um sich kurz darauf in zwei hochgewachsene, afrikanische Zauberer zu verwandeln. Es war großartig. Während sie durch die Mengen liefen, trafen sie auf allerhand bekannte Gesichter. So begegneten sie Aaron Leavold und Darren Westlake, ihren Mitschülern aus Freds Schlafsaal, und Elliot Duke, dem Vertrauensschüler aus Ravenclaw, der nach den Ferien sein sechstes Schuljahr beginnen würde.

Von ihrem Taschengeld kaufte Zoe sich eine Tüte Lakritzschnapper und ein sogenanntes Omniglas; ein Fernglas, mit dem sie Spielzüge wiederholen und in Zeitlupe abspielen konnte und das hilfreiche Erklärungen dazu einblendete. Das kam ihr besonders nützlich vor, hatte sie doch nicht sonderlich viel Ahnung vom Quidditch.

Gegen Nachmittag machten sie sich schließlich auf den Weg in Richtung des riesigen Quidditchstadions, das argentinische Zauberer in filigraner Feinarbeit und im Verlauf mehrerer Monate errichtet hatten. Hier trafen sie wieder auf Freds Familie und nun mussten sich die Freunde trennen, da die Weasleys durch ihre Tante Ginny Plätze in einer der VIP-Boxen ergattert hatten. Zoe war ganz aufgeregt, als sie sah, dass neben Freds Eltern nun auch andere Mitglieder seiner Familie da waren. Allen voran war es natürlich Harry Potter, der ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Sie hatte so viel über ihn und seinen Kampf gegen Ihn-dessen-Name-nicht-genannt-werden-darf gehört und gelesen, dass sie sich arg zusammenreißen musste, nicht nach einem Autogramm zu fragen. Harry Potter war mit seinen drei Kindern zum Finale gekommen. Albus, sein jüngerer Sohn, hatte sich im Gegensatz zu dem Rest seiner Familie in das leuchtende Grün der brasilianischen Nationalmannschaft gekleidet.

»Er ist ein großer Fan von ihrem Jäger Gonçalo Flores«, erklärte sein Vater und Albus lächelte strahlend.

Auch Dominique Weasley, ihre Klassenkameradin aus Hogwarts war mit ihren Eltern und Geschwistern dort. Ihr jüngerer Bruder Louis war ihr wie aus dem Gesicht geschnitten.

»Stimmt es, dass Sie genauso wie Viktor Krum und Harry Potter im Trimagischen Turnier gekämpft haben?«, fragte Zoe Dominiques Mutter, Fleur, neugierig. »Und dass Sie auf die Beauxbatons Akademie gegangen sind und nicht nach Hogwarts?«

Fleur Weasley nickte, kam jedoch nicht zu Wort, da sich Ava an Charlie Weasley, Freds anderen Onkel wandte: »Sie arbeiten in einem Drachenreservat, oder? Fred hat davon erzählt! Wie ist es dort? Mit was für Drachen arbeiten Sie?«

Doch ehe auch nur eine Person etwas sagen konnte, gesellten sich plötzlich die nächsten Weasleys zu ihnen: Freds Onkel Ron und seine Tante Hermine mit ihren Kindern Rose und Hugo. Zoe musste sich sehr anstrengen, um nicht allzu begeistert davon zu sein, all diese Helden im Kampf gegen das Böse persönlich zu treffen. Allerdings hatte sie auch gar nicht mehr genügend Zeit dafür, schließlich mussten sie sich jetzt auf ihre Plätze begeben, wenn sie rechtzeitig zum Spiel oben auf den Tribünen sein wollten.

Obwohl die St. James'-Familie keine VIP-Karten hatte, waren auch ihre Plätze alles andere als schlecht. Sie saßen nun hoch oben in einem der höchsten Ränge, wo sie eine grandiose Aussicht über das Stadion hatten. Ein Stück höher und rechts von ihnen konnte Zoe die Box sehen, in der die Weasley-Großfamilie Platz genommen hatte. Sie winkte Fred zu und der winkte zurück, während er über das ganze Gesicht strahlte und sein eigenes Omniglas in der Luft schwenkte.

Im Stadion war es laut und voll. Hunderttausende Hexen und Zauberer aller Länder hatten sich inzwischen auf ihren Plätzen eingefunden und warteten aufgeregt auf den Beginn des Spiels. Auf einer riesigen schwarzen Tafel in der Mitte des Stadions blitzten in kurzen Abständen Werbesprüche auf und verschwanden wieder.


Ellerby und Spudmore präsentieren: den Feuerblitz Supreme – von null auf 480 km/h in zehn Sekunden ... Señor Molinas extrem mobile Reisezelte – fühlen Sie sich überall auf der Welt zu Hause ... Weasleys Zauberhafte Zauberscherze – verlier bloß nicht den Kopf über unsere kopflosen Hüte! ... Gonzales' Zauberstabreinigungsservice – verlassen Sie Patagonien nicht mit einem schmutzigen Zauberstab ...


Avas Mutter, die am Rand der Kinder saß, hatte ihren Zauberstab gezückt und wartete nun gespannt auf den Auftritt der Nationalmaskottchen. Zoe wusste, dass sie alles ganz genau beobachtete, für den Fall, dass sie eingreifen musste.

Oben in der Ministerloge erhob sich nun ein stämmiger Zauberer mittleren Alters, der einen Zauberstab an seine Kehle richtete und kurz darauf mit laut durchs ganze Stadion hallender Stimme sagte: »Herzlich Willkommen zur vierhundertsiebenundzwanzigsten Quidditch-Weltmeisterschaft!«

Die Menge johlte. Tausende Zuschauer klatschten in die Hände und trampelten auf den Boden vor ihren Füßen, Fahnen wurden hoch in die Luft gestreckt und aus etlichen Ecken ertönten einige schiefe Gesänge der jeweiligen Nationalhymnen.

Auf der großen Werbetafel verschwand mit einem Aufflackern der letzte Werbespruch (Hexeninstitut von Salem – Hexen dieser Welt, stattet uns einen Besuch ab!) und nun stand dort in heller, die Augen blendender Schrift: BRASILIEN: NULL, BULGARIEN: NULL.

»Darf ich Ihnen nun die bulgarischen Maskottchen vorstellen«, fuhr der argentinische Zauberer fort und einen Augenblick später schwebte eine Gruppe zartgliedriger, feengleicher Frauen auf das Spielfeld. Sie hatten weißgoldenes Haar, das sanft um ihre Schultern waberte und trugen durchscheinende Gewänder, die ihnen den Anblick von Geistern verliehen. Unfassbar schönen Geistern.

»Das sind Veela«, erklärte Ava wissend, doch Zoe hörte gar nicht richtig hin. Es war, als würde ein gewaltiger Magnet ihre Augen auf die ebenmäßigen Gesichter der Frauen lenken, ihre sanften Bewegungen, mit denen sie zu der Musik von Harfen tanzten, ihre Haare, die wie feine Silberfäden in der Luft schwebten. Plötzlich war sie sich sicher, noch nie in ihrem Leben etwas derart Schönes gesehen zu haben. Sie bemerkte erst, dass sie aufgestanden war, als Ava sie sanft an der Hand fasste und wieder auf ihren Sitz zog. »Vorsicht«, sagte sie, »sonst verlierst du noch dein Omniglas.«

Zoe schüttelte ihren Kopf und strich sich über die Schläfen, dann zwang sie sich, den Blick abzuwenden, gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie Brasiliens Maskottchen, die Curupiras, aufs Spielfeld kamen, mit ihrer zwergenähnlichen Gestalt, den flammendroten Haaren und Füßen, die in die verkehrte Richtung zeigten. Sie stolperten durcheinander, führten Turnkunststücke vor, sprangen übereinander und stahlen den Zuschauern aus den unteren Reihen die Hüte. Das Publikum kreischte vor überschwänglicher Begeisterung.

Zoe warf einen Blick hinüber zu Fred und seiner Familie, die aufgesprungen waren und begeistert in die Hände klatschten, während die Curupiras gemeinsam mit den Veela eine hohe Pyramide bildeten. Nur Victoire Weasley und Teddy Lupin schienen viel mehr aneinander als am Geschehen auf dem Spielfeld interessiert zu sein.

Der argentinische Kommentator kündigte nun die beiden Nationalmannschaften an. Wie Kanonenkugeln schossen die ganz in rot und grün gekleideten Spieler auf das Quidditchfeld, allesamt mit glänzend polierten Besen, bei denen es sich, wie Ava Zoe zuraunte, um das Modell Feuerblitz Supreme handelte.

Der deutsche Schiedsrichter Herman Junker wurde vorgestellt, der bereits kurz darauf das Spiel anpfiff: Die vierzehn Spieler rasten in einer atemberaubenden Geschwindigkeit durch die Lüfte, passten einander die Bälle zu, wichen sich gegenseitig aus oder schnellten aufeinander zu. Sie waren so schnell, dass Zoe ganz schwindelig vom Zuschauen wurde. Dies war noch einmal eine ganz andere Art von Quidditch als die der Hausmannschaften in Hogwarts.

Die brasilianischen Jäger Alonso, Diaz und Flores duckten sich um die Bulgaren herum und versuchten zu den Torringen zu gelangen, verloren den Ball, gewannen ihn wieder, mussten ihn wieder abgeben – alles geschah so rasch, dass Zoe kaum folgen konnte. Ein besonders lauter Aufschrei ging durchs ganze Stadion, als die bulgarische Jägerin Nikola Vassileva, die gerade im Ballbesitz war, von einem Klatscher in die Kehle getroffen wurde. Sie ließ den Quaffel fallen, der von Gonçalo Flores aufgefangen wurde, während die Bulgarin keuchend in die Tiefe taumelte.

Flores machte sich mit dem Tempo eines herannahenden Hochgeschwindigkeitszuges auf den Weg zu den Torringen der gegnerischen Seite, wich dem Klatscher aus, der, nun von Vassileva abgelassen, auf ihn zuschoss, flog um die bulgarischen Jäger herum und warf mit einem gewagt hohen Abstand auf einen der bulgarischen Torringe.

Die brasilianische Fankurve brüllte laut: »TOOOOOR!« Fahnen flogen durch die Lüfte, und die Curupiras stellten sich zu einem johlenden Turm auf. Zoe warf einen Blick hinüber zu VIP-Box Nummer 2, wo Freds Cousin Albus Potter beinahe von der Tribüne stürzte, so begeistert jubelte er seinem Idol zu. Sie sah, dass Bill Weasley den Platz mit seiner Tochter Victoire getauscht hatte und nun zwischen ihr und Teddy saß, was Zoe ein Grinsen entlockte. Victoire hingegen schien davon überhaupt nicht begeistert.

Auf der großen Anzeigetafel in der Mitte des Spielfelds stand nun: BRASILIEN: 10, BULGARIEN: 0.

Erst eine Stunde nach Spielbeginn gelang dem bulgarischen Jäger Bogomil Levski ein Ausgleich. Nun stand es zehn zu zehn.

Doch das schien die Brasilianer nur noch mehr anzustacheln. Flores gelang es, Stoyanka Grozda den Quaffel abzuluchsen, er raste über das Spielfeld, passte den Ball zu Alejandro Alonso, der gab ihn ab an Fernando Diaz, wieder zurück zu Flores und - »TOOOR!«, brüllte das begeisterte Publikum.

Es geschah in diesem Augenblick, dass ein leiser Knall, gefolgt von einem Windhauch Zoes Aufmerksamkeit ablenkte. Sie sah zur Seite, wo Mrs. St. James saß, und vor ihr, wie aus dem Nichts, war ein Wesen aufgetaucht, das nur ein Hauself sein konnte: Es hatte große, flatternde Ohren, die ein wenig an Kohlblätter erinnerten, riesige gelbe Augen und eine Nase, die einer verschrumpelten Karotte glich. Es trug nichts als einen verschlissenen Kissenbezug mit Karomuster und zitterte ein wenig, ob vor Angst oder vor Aufregung, ließ sich nicht recht erkennen.

Sein ganzes Auftreten erinnerte Zoe ein wenig an den chinesischen Schopfhund ihrer Nachbarn, der trotz seinem Hundepullover in der immer gleichen Farbe ständig bibberte.

Mrs. St. James beugte sich nun vor und der Hauself flüsterte ihr etwas ins Ohr, was die Gesichtszüge der Hexe versteinern ließ. Sie nickte, sprach ein paar kurze Sätze, die Zoe nicht verstehen konnte, und warf dann einen Seitenblick auf die Kinder und das Quidditchfeld. Dann schaute sie sich im Stadion um, scheinbar, um zu überprüfen, ob ihre Kollegen die magischen Geschöpfe auf dem Feld im Blick hatten, schließlich wandte sie sich zu Zoe, Ava und den anderen.

»Kinder«, sagte sie mit einer so ernsten Stimme, wie Zoe sie in den letzten Tagen noch nicht von ihr gehört hatte, »ich muss zurück nach England. Dringende Angelegenheit wegen der Arbeit, kann nicht warten.«

Ava riss die Augen auf. »Aber Mum, du kannst doch jetzt nicht einfach gehen!«

»Ich muss«, erwiderte Mrs. St. James und strich ihrer Tochter über die Haare.

»Du verpasst das Finale!«, rief Adam entsetzt.

»Kommst du zurück?«, hakte Alfred nach. »Was ist denn passiert?«

»Das erkläre ich euch alles später.« Mrs. St. James war bereits aufgestanden. »Falls ich bis zum Spielende nicht wieder zurück bin, kommt Peeky und geht mit euch zum Zelt.« Sie deutete auf das kleine Wesen vor sich, bei dem es sich, wie Zoe jetzt klar wurde, um eine weibliche Hauselfe handeln musste. Peeky machte einen kleinen Knicks und streckte dann die Hand nach Mrs. St. James aus. »Passt aufeinander auf, ich hab euch lieb!«, sagte diese noch, bevor sie die knochige Hand der Hauselfe ergriff und mit einem leisen »Plop« verschwand.

Zoe blinzelte irritiert. Sie war so verblüfft, dass sie einen Moment brauchte, um zu realisieren, dass es jetzt fünfzig zu zwanzig für Brasilien stand. Beim Zurückspulen zeigte ihr ihr Omniglas, dass Vassileva nur knapp nach Alonso ein Tor geschossen hatte.

Kurz darauf ging ein Raunen durch die Menge – der Schnatz war gesichtet worden. Mit angehaltenem Atem beobachtete Zoe durchs Omniglas, wie Viktor Krum und Tony Silva sich ein haarscharfes Rennen hoch in der Luft lieferten, bis der Schnatz in die Höhe schoss und die beiden Sucher – scheinbar geblendet von der grellen, argentinischen Sonne – ihn aus den Augen verloren.

Nur wenige Minuten später erwischte der Treiber Rafael Santos Krum mit seinem Schläger am Kopf. Krum taumelte benommen in die Tiefe und das Spiel wurde pausiert, um darüber zu entscheiden, ob es sich um ein Foul handelte.

Diese Zeit nutzte Zoe, um sich Ava und ihren Brüdern zuzuwenden. »Was glaubt ihr, wo eure Mutter hin ist?«

»Ich weiß nicht«, meinte Ava, »vielleicht sind sie im Ministerium überfordert ohne sie. Terry Boot beschwert sich doch auch immer, wenn sie Urlaub hat und nicht auf der Arbeit ist.«

»Oder es gibt wieder irgendein Notfalltierwesen, das wir aufnehmen müssen«, mutmaßte Alfred.

Adam überlegte. »Glaubt ihr, es könnte wieder etwas Ähnliches sein wie in den Weihnachtsferien? Wo diese Muggelhasser die fünfzig Wichtel in Bedford losgelassen haben?«

Avas Gesicht verfinsterte sich. »Das wäre ja grausig. Gerade während der Quidditch-Weltmeisterschaft!«

Alfred zog die Stirn in Falten. »Es wäre auf jeden Fall denkbar.«

»Dann würde es mich nicht wundern, wenn die Todesser da mit drinstecken würden«, meinte Adam, doch Alfred schüttelte den Kopf.

»Es gibt keine Todesser mehr, Adam.«

Plötzlich fühlte sich Zoe unweigerlich an Fred erinnert. Sie warf einen Blick hinüber zu der Tribüne, auf der ihr Freund saß und gerade mit seinem jüngeren Cousin James in einer hitzigen Diskussion über das Spiel vertieft schien. Teddy und Victoire schienen unterdessen die Gunst der Stunde genutzt zu haben, um sich wieder nebeneinander zu setzen und auf die Lippen des jeweils anderen zu konzentrieren.

Der Schiedsrichter Herman Junker hatte inzwischen beschlossen, dass es sich bei dem Angriff auf Krum um ein Versehen und kein Foul handelte und das Spiel wurde fortgesetzt.

Doch Zoe konnte dem Verlauf nicht so richtig folgen. Sie dachte an die zitternde Hauselfe Peeky und den Gesichtsausdruck, den sowohl sie als auch Mrs. St. James gehabt hatten. Dann erinnerte sie sich mit einem Mal an etwas, das sie in einem Buch über den zweiten großen Zaubererkrieg gelesen hatte: 1994 war zum ersten Mal seit der ersten Schreckensherrschaft von Ihm-dessen-Name-nicht-genannt-werden-darf das Dunkle Mal am Himmel erschienen, sein Zeichen. 1994. Während der 422. Quidditch-Weltmeisterschaft. Zoes Herz schien einen Moment auszusetzen, ihr wurde furchtbar kalt. Sie erinnerte sich außerdem an die Beschreibungen von Todessern, welche damals auf dem Gelände der Weltmeisterschaft Unruhe gestiftet und Muggel angegriffen hatten.

Konnte Adam vielleicht recht haben? War wohlmöglich wirklich etwas in Gange, das von den ehemaligen Todessern ausging?

Zoe erschauderte. Sie war so sehr mit ihren Gedanken beschäftigt, dass sie erschrocken zusammenzuckte, als zwanzig Minuten später ein ohrenbetäubender Lärm das Stadion erfüllte.

Menschen sprangen von ihren Sitzen und hüpften auf und ab, Fahnen wurden durch die Lüfte geschwungen, lautstarke Gesänge und Rufe trugen durch die Reihen.

»Was ist passiert?«, fragte Zoe überrascht und wandte den Kopf von rechts nach links.

Ava, die ebenfalls von ihrem Sitz aufgesprungen war, riss ihre Freundin an der Hand und zog sie nach oben. »Krum hat den Schnatz gefangen! Bulgarien hat gewonnen!« Aufgeregt deutete sie nach vorn, wo auf der riesigen Anzeigetafel die Werte BRASILIEN: 60, BULGARIEN: 170 leuchteten.

Zoe suchte mit dem Omniglas das Stadion ab und fand Viktor Krum, der zwischen seinen Teammitgliedern auf dem Besen zu taumeln schien, Tränen strömten sein Gesicht herab, während er die Faust in die Höhe reckte, aus der zarte, metallene Flügel hervorbrachen. Rote Feuerwerksfunken sprühten überall im Stadion und tauchten die ganze Szenerie in ein unwirkliches, pulsierendes Licht.

Mrs. St. James unterdessen war noch nicht zurück, weshalb einige Minuten später die hagere Hauselfe Peeky wieder auftauchte, nun gar nicht mehr so zittrig. Ihre gelben Augen blickten ernst und bestimmt, als sie die Kinder anwies, ihre Hand zu nehmen. Während das ganze Stadion noch sang und feierte, griffen Zoe und die anderen nach Peekys Arm und drehten sich im selben Augenblick mit der Hauselfe auf der Stelle.

Es war, als würde man Zoes Körper durch einen engen Schlauch quetschen. Ein ungeheurer Druck presste gegen ihre Schläfen und Rippen und sie schnappte nach Luft, ohne welche holen zu können. Ihr Magen schien wie an einem langen Gummiband in die Höhe gezogen und sie glaubte, jeden Augenblick zu ersticken oder zerquetscht zu werden.

Dann, so schnell wie es begonnen hatte, war es wieder vorbei. Peeky, Zoe, Ava und ihre Brüder standen plötzlich wieder vor dem beigefarbenen Zelt der Familie St. James. Kaum ließ die Hauselfe die Kinder los, sank Zoe auf die Knie, die sich wie Wackelpudding anfühlten. Sie musste würgen.

»Apparieren ist echt scheiße«, bestätigte Ava und hielt ihrer Freundin die Hand hin, um sie wieder auf die Beine zu ziehen. »Ich hab mich bei meinem ersten Mal wirklich übergeben müssen.« Sie machte eine kurze Pause. »Ehrlich gesagt auch beim zweiten, dritten und vierten Mal.«

Diese Information war genug, damit die Lakritzschnapper, die Zoe erst vor wenigen Stunden gegessen hatte, ihren Weg auf den Boden fanden. Zwei von ihnen schnappten, immer noch ganz, wie müde Kaulquappen nach ein paar Sandkörnern.

Schwankend kam Zoe wieder zum Stehen, hielt sich jedoch noch eine Weile an Avas Schulter fest, bis ihr Gesicht wieder eine gesündere Farbe angenommen hatte. Ein freudig bellender Archibald stürmte nun aus dem Zelt und hätte Zoe beinahe umgerissen, hätte diese sich nicht an ihre Freundin geklammert. Die Hauselfe brachte derweil, völlig unbeeindruckt, Zoes Erbrochenes mit einem Fingerschnippen zum Verschwinden.

»Was ist los, Peeky?«, fragte Alfred mit ernster und besorgter Stimme. »Ist etwas mit Mum?«

Die Elfe schüttelte den Kopf, sodass ihre faltigen Ohren hin und her flatterten. »Ihrer Mutter geht es gut, Sir. Doch sie wünscht, dass Sie alle so schnell wie möglich nach Hause zurückkehren. Peeky wird Ihnen helfen, Ihre Sachen zusammen zu räumen und dann wird sie die Damen und Herren zum Knieselquartier bringen.«

»Knieselquartier?«, fragte Zoe irritiert.

»Die Auffangstation«, erklärte Ava hastig. »Unser Zuhause.«

Zoe schüttelte verwirrt den Kopf.

Alfred jedoch hinterfragte Peekys Anweisung nicht weiter und machte sich bereits auf den Weg ins Zelt. Adam allerdings ließ sich von der Aussage der Hauselfe nicht so leicht abspeisen. »Was ist passiert?«, fragte er nachdrücklich, doch die Elfe schüttelte wieder den Kopf.

»Ihre Mutter wird Ihnen alles erklären, Sir«, antwortete sie. »Bitte packen Sie jetzt Ihre Sachen, bevor die anderen Zuschauer kommen.«

Der Zeltplatz war derzeit noch vollkommen leer. Alle anderen waren noch im Stadion und feierten den Sieg Bulgariens, oder aber trauerten gemeinsam mit den anderen Fans und der Mannschaft Brasiliens. So verlassen machte das Camp den seltsamen Eindruck einer Geisterstadt, was Zoe einen kalten Schauer den Rücken hinunterjagte.

Während Adam noch mit Peeky diskutierte, huschte Zoe gemeinsam mit Ava durch den Zelteingang ins Innere. Hastig suchte sie ihre Kleidung, ihren Zauberstab, ihre Bücher und Zeichensachen beisammen, während Alfred in der Küche die Lebensmittel einpackte. Obwohl ein diffuses Gefühl der Angst in Zoes Magen rumorte, konnte die Ravenclaw doch nicht anders, als immer wieder beeindruckt von diesem magischen Zelt zu sein, das von außen alles andere als erahnen ließ, wieviel Platz sich im Innen befand.

Während sie packten, lief ein aufgeregter Archibald zwischen ihnen hin und her, zog Kreise um ihre Beine und wedelte mit der doppelten Rute.

Wenige Minuten später hatten sie alle ihre Habseligkeiten zusammengesammelt und in ihren Rucksäcken verstaut. Peeky sorgte mit einem neuerlichen Fingerschnippen dafür, dass das Zelt sich von selbst auseinanderbaute und in einer handlichen Tragetasche verschwand. Anschließend bat die Hauselfe die Kinder erneut, sie bei der Hand zu fassen und Zoe holte tief Luft und wappnete sich für die Übelkeit, die kommen würde, ehe sie unwillig den Befehl ausführte.

Mit einem Ruck drehte sich die Hauselfe auf der Stelle und wieder schien es, als würde eine Saugglocke an Zoes Körper zerren und sie durch eine enge Röhre pressen. Sie spürte Peekys knochigen Arm zwischen ihren Fingern und Avas Schulter neben ihrer und versuchte, sich nur darauf zu konzentrieren, ehe es endlich, endlich vorbei sein würde!

Dann plötzlich lichtete sich die Dunkelheit um sie herum wieder und Zoe sank mit den Knien auf borstiges Gras hinunter. Der Geruch von Erde, Salz und Heidekraut drang ihr in die Nase, während sie sich bemühte, der Übelkeit Herr zu werden. Sie würgte. Wieder war es Ava, die sie hilfsbereit auf die Beine zog und Zoe atmete ein paar Mal tief durch.

Vor ihr in der Landschaft zeichnete sich das kleine, gemütliche Häuschen der St. James' Familie ab. 










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Ich weiß, der Upload dieses nächsten Kapitels hat sehr lange gedauert. (Das lag übrigens unter anderem daran, dass ich mich einfach nicht für einen Namen für Avas Zuhause entscheiden konnte.)

Danke an alle, die der Geschichte dennoch treu geblieben sind und weitergelesen haben, das bedeutet mir sehr viel. 

Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr mir eure Meinung mit einer Bewertung oder einem Kommentar mitteilen würdet. 

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