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Er hatte sie nicht vollkommen betäubt, sondern nur beruhigt, sodass sie nur dort sitzen konnte und krampfhaft versuchte nicht zu weinen.
Sie sollte sich einen Fluchtplan ausdenken! Währenddessen verdrängte sie die Gedanken und Hoffnungen auf Rettung. Sie war Fabiano schon einmal entkommen! Zugegeben, war es eigentlich auch ein bisschen seine eigene Schuld... er wollte sie ihm vorenthalten...
Aber damals hatte sie ja noch keine Ahnung gehabt, dass er der Sohn ihres Entführers war! Das sie schon sein Interesse geweckt hatte, bevor sie wusste, dass er existierte!
Mit einem tiefen Seufzen hob sie ihren Fuß. Das Mittel war verdammt schwach und somit schaffte sie es in wenigen Minuten sich ordentlich hinzusetzen. Das hatte er sicher so geplant, denn wenn sie eines wusste, dann das dieser Mann nichts dem Zufall überlassen würde. Wenn man seit seiner Geburt in der Mafia lebte, vermutlich auch ein kluger Schachzug.
„Schon wach?", fragte er und sah in den Rückspiegel, aber bekam nur einen erhobenen Mittelfinger.
„Oh Darling, du wirst noch schwach werden, keine Sorge...", antwortete er. Die Angst schnürte ihr die Kehle zu und es war sicher auch ihr zu schulden, dass ihr Unterleib kribbelte. Alles andere durfte sie nicht in ihrem Kopf lassen. Sie kannte Fabianos Methoden und das ihr Körper allein auf diese Worte reagierte war... krank.
Schnell wand sie sich andere Dingen zu. Zum Beispiel, wie sie aus diesem verdammten Wagen kam, um unendlicher Scham zu entgehen!
Sie könnte das Rückfenster einschlagen und hoffen, dass sie einen Sprung überlebte. Da sie sich allerdings auf einer gut befahrenen Hauptstraße befanden, war es vermutlich keine gute Idee.
Zwar hatte sie kaum etwas zu verlieren, aber ihr Leben war ihr dann doch etwas mehr Wert.
„Was hast du die letzten Jahre getrieben?", unterbrach er ihre Fluchtgedanken. Sie rieb sich die Handgelenke, als sie die Fesseln endlich gelöst hatte.
„Ach, dies und das.", nuschelte sie und fokussierte das kleine Geheimfach. Ob er dort eine Waffe versteckt hatte? Dann war er entweder dümmer, als sie gedacht hatte, oder er hatte es zuerst geräumt. Vielleicht war darin auch irgendein Gas, dass sie bewusstlos machte. Einfach nur, damit er später keine Probleme hatte, sie rauszuholen.
„Gesprächig wie immer. Hattest du nich mal blonde Haare?"
„Lange her."
Sein Blick fiel in den Rückspiegel und traf ihren. Er hatte abgenommen, dass musste sie zugeben. Die Wangen waren eingefallen und zeigten sein schon höheres Alter.
„Hm, aber steht dir. Schwarz macht dich weniger unschuldig... zieht Kunden an."
Sie zog unbeeindruckt eine Augenbraue hoch.
Klar, er war sicher den ganzen Weg gekommen, sie Tagelang zu bespitzeln, um sie dann in einen der Kundenräume zu sperren.
Nein. Alice kannte ihn besser. Er würde sie eher in seine Privatschlampenauswahl packen. Und was die größere Hölle war, lag auf der Hand.
„Wie hast du mich gefunden? Du hättest mich doch gar nicht erkannt."
Er grunzte belustigt und bog in die nächste Straße ab.
Ablenken konnte sie schon immer gut. Mit etwas Glück verfiel er in Geschichten und sie könnte sich wieder auf das Wesentliche konzentrieren. Hier rauszukommen.
„Einer meiner Männer hat dich gesehen. Auf diesen Fahndungsplakaten. Da wusste ich, dass ich dich finden würde." Er lachte ein dreckiges Lachen, dass ihr die Haare zu Berge standen.
Er mochte kein unansehnlicher Typ sein, aber er war dennoch absolut ekelhaft.
„Aber Ally, sag mal."
Sie schloss die Augen, hasste diesen Spitznamen und könnte ihm dafür bereits jeden Zahn einzeln ziehen.
„Wie bist du weggekommen? Murillo ist ein irrer Typ. Wie hast du das geschafft?"
Sie hielt ihren Atem ruhig und starrte auf ihre Hände.
Ja, wie hatte sie es geschafft? Mit etwas, dass sie selbst mehr hasste als alles andere auf dieser Welt. Etwas, dass sie trotz ihrer Angst und ihrem Hass, bereute.
Ein Vertrauensbruch.
„Unwichtig. Ich kam raus. Also solltest du vorsichtig sein.", schnurrte sie und als sie diesmal seinen Blick im Rückspiegel einfing, sah sie, wie sich seine Mimik veränderte. Sein Lächeln fiel und seine Augenbrauen zogen sich ein Stück zusammen.
„Ich bin vorsichtig, Kleine. Ich weiß, wozu du fähig bist..." Er seufzte. „In dem Fall unterscheidet ihr beide euch kaum..."
Er hatte es nur gemurmelt, aber sie hatte es trotzdem verstanden. Ja, was Folter und Brutalität anging gaben sie sich die Klinge in die Hand. Schließlich hatte sie es von ihm gelernt. Hatte sich teilweise von ihm bewundert und geliebt gefühlt. Heute war es nicht mehr wichtig. Heute zählte nur noch, so weit wie möglich von ihm weg zu kommen.
Unerwartet zog Fabiano den Wagen zur Seite. „Das ist unnötig...", knurrte er und stieg aus.
Verwirrt machte sie sich bereit ihm die Nase zu brechen, doch dazu kam sie gar nicht. Kaum öffnete sich der Kofferraum, landete eine Faust in ihrem Gesicht.
„Ah, fuck! Hurensohn!", entkam es ihr fluchend.
„Weißt du, ich dachte du wärst noch immer so süß, wie damals. Bist du nicht. Du hast keine Angst vor mir... das hat er wohl unterschätzt."
Kälte umhüllte sie, als er das sagte.
„Was...?", hauchte sie und fühlte, wie ihre Glieder sich versteiften.
„Murillo wollte das ich dich entführe, damit du zu ihm rennst und um Hilfe bettelst."
„Hurensohn.", entkam es ihr ein zweites Mal.
Seine Mundwinkel hoben sich.
„Wahre Worte. Ich habe mir was Besseres überlegt." Sie schluckte und lehnte sich instinktiv etwas zurück.
„Wenn er dich so sehr haben will... soll er dich doch holen kommen. Bis dahin..."
Er musste den Satz nicht ausführen. Sie wusste, was er damit meinte.
„Du könntest mich auch einfach gehen lassen...", schlug sie vor, was ihn zum Lachen brachte.
„Süße kleine Ally... ich brauche dich doch. Als Druckmittel. Und alles andere wird mir verdammt viel Freude bereiten, versprochen!"
Als er nach dem Geheimfach griff, wusste sie bereits, was auf sie zukam, aber konnte nicht reagieren. Ihre Gedanken rasten wie verrückt, aber kamen zu keinem Entschluss. Dort war dieser Schock, dass er ihn beauftragt hatte und die Erkenntnis, dass er wirklich glaubte, sie käme zu ihm zurück!
Die Angst, dass er Recht haben könnte, flutete sie, machte sie bewegungsunfähig und... schwach. So erschreckend schwach, dass sie nur wimmerte, als Fabiano ihr ein Beruhigungsmittel spritzte. Es überraschte ihn mehr als sie selbst, aber was zählte das jetzt noch?
Er hatte damit den Auftrag hintergangen. Und Verrat wurde hart bestraft...
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