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Wofür gab es über zehn verschiedene Milchsorten? Mandelmilch, Pflanzenmilch? Hafermilch und fettarme Milch.
Den Kopf schüttelnd wanderte Alice an den Regalen vorbei. Leider war sie nicht hier, um Milch zu kaufen. Oder etwas anderes.
Sie hatte seit Tagen dieses beklemmende Gefühl, beobachtet zu werden. Hatte teilweise schon panisch reiß ausgenommen, weil sie dachte, er käme im nächsten Moment um die Ecke.
Ihr Herz raste auch jetzt, aber mittlerweile war sie sich sicher, dass es nicht er war. Jemand anderes klebte an ihr, wie Kaugummi und sie wusste nicht warum. Dieses Nichtwissen, machte ihr sogar mehr Angst.
Sie ging an einem vollgepackten Einkaufswagen vorbei und beobachtete die dreifache Mutter, die mit den kleinen Haudegen zu kämpfen hatte.
Als sie sich dabei erwischte, ganz verträumt zu lächeln, wand sie sich kopfschüttelnd ab und bog in die Süßwarenabteilung ein.
So viele verschiedene Süßigkeiten. Verschiedenste Farben und Formen kämpften um die Aufmerksamkeit der Käufer, aber es blieb nur hin und wieder jemand stehen und griff nach einer Tafel Schokolade.
Ihre Finger strichen langsam über die Verpackungen. Es war wie ein Alarmsystem in ihrem Kopf, dass wie von selbst anschlug, wenn etwas nicht stimmte. Ihr Atem wurde langsamer, Gänsehaut krabbelte über ihren Körper und in dem Moment, wo jeder andere in Panik ausbrechen würde, wurde sie ruhig. So ruhig, dass sie die Schritte hinter sich hören konnte. Das sie glaubte den Atem ihres Verfolgers im Nacken zu spüren.
Alice fuhr herum, bereit jedem Mistkerl in die Fresse zu schlagen, aber kaum hatte sie ihre Umdrehung vollführt, gefror ihr das Blut in den Adern.
Ihre Hände zu Fäusten geballt starrte sie nach oben. Vergessen war ihr Mut. Sein Gesicht allein reichte, ihre Knie zum Wackeln zu bringen und ihr den Schweiß auf die Stirn zu treiben.
Als hätte man einen Hebel umgelegt, fluteten Erinnerungen ihren Kopf. Die Schreie, das Blut, die Angst, die Schmerzen.
Seine Mundwinkel hoben sich zu einem spöttischen Grinsen. Sie hatte geglaubt es nie wieder sehen zu müssen. War sich sicher gewesen, ihn nicht mehr zu sehen!
„Du bist tot...", murmelte sie leise und wiederholte die Worte wie ein Mantra in ihrem Kopf. Er war tot. Sie hatte ihn getötet! Sie hatte ihn verdammt nochmal sterben sehen! Und trotzdem stand er jetzt hier, die Haare nach hinten gegelt und mit einem schmieren Lächeln auf den Lippen.
Fabiano Valenzuela.
„Es braucht ein bisschen mehr als ein kleines Messer, um mich zu töten, Prinzessin.", antwortete er mit tiefer Stimme.
Er hatte sich kaum verändert. Immer noch derselbe, ekelhaft Mann.
„Also hast du mich verfolgt..."
Die Erkenntnis ließ sie stolpern. Innerlich, nicht äußerlich. Sie konnte nicht mal den kleinen Finger heben, selbst wenn sie wollte. Die Angst lähmte sie wortwörtlich. Auch wenn sie es niemals zeigen würde.
„Ich hatte mir schon gedacht, dass du zu einer schönen Frau heranwachsen würdest... aber ich dachte nicht, dass ich dich wieder sehen würde. Dachte du wärst noch bei ihm."
Sie konnte diesen Mann nicht leiden, aber eines hatten sie dennoch gemeinsam. Den Hass auf diesen einen Mann. Wobei Alice nie ganz zugeben wollte, ihn zu hassen. Sie hatte nur Angst vor ihm und solange er nicht vor ihr stand, konnte sie sich auch einreden, dass das alles war. Das da kein Ziehen in ihrer Brust und kein Kribbeln in ihrem Bauch war.
„Bist du anscheinend nicht mehr.", nuschelte er.
„Gut beobachtet."
Sie biss sich auf die Zunge. Dumme Aussage! Wenn er wusste, dass sie nicht mehr bei ihm war, war sie sowas wie Freiwild. Das würde bedeuten, jeder der eine offene Rechnung mit ihr hatte...
Der Kloß in ihrem Hals krachte in ihrem Magen.
Sie musste hier so schnell wie möglich weg!
„Mach dir keine Mühe, Kleines.", lachte er, als sie endlich losrennen wollte. „Meine Männer stehen draußen und können es kaum erwarten dich wieder zu sehen."
Der anzügliche Unterton in seiner Stimme sprach Bände. Pure Panik floss durch ihre Adern, als sie einen spitzen Schrei ausstieß. Seine Hand schloss sich um ihren Oberarm und zog sie einfach, durch all die Menschen hinter sich her. Es hatte keine zehn Minuten gebraucht, um sie wieder in ein schreiendes, kleines Mädchen zu verwandelt und wenn sie es nicht besser wüsste, war sie nie etwas anderes gewesen. Was sollte man auch erwarten? Aber das hieß nicht, dass sie keine Kämpferin war. Dass sie zulassen würde, dass er sie wieder in die Hölle zog. Lieber würde sie mit dem Teufel persönlich arbeiten, als das durchzumachen.
Und der Teufel würde kommen, denn er suchte nach ihr. In dem Moment, als er ihr ein Taschentuch auf den Mund drückte und sie in den Kofferraum setzte, wünschte sie sich nichts sehnlicher, als das seine Flammen die Welt um sie in Brand setzten.
Wie er es damals getan hatte. Seine Flammen hatten alles zerstört, nur sie nicht. Und sie war gerannt. Seit Jahren und das nur für den kläglich kleinen Preis ihrer Freiheit.
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