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„Alice!! Komm her!" Fabianos Stimme hallte durch den Flur, aber wurde zum Großteil von ihrem rauschenden Herzen übertönt.
„Ganz ruhig... du kannst das...", flüsterte sie und umklammerte das Messer. Atmete tief ein und aus.
„Atmen... Alice... atmen."
Es war schwierig zu atmen, wenn man das Gefühl hatte es wurde einem die Kehle zugeschnürt. In Gedanken stellte sie sich vor, wie er vor ihr stand und sie ihm die Kehle aufschnitt. Oder ihm das Messer in andere Körperteile rammte. Wie damals, nur dass sie jetzt älter und stärker war. Diesmal würde er es nicht überleben!
„Mach es uns beiden nicht so schwer, Kleines!"
Seine Schritte kam näher und näher.
„Du kannst das."
Dann kam er um dich Ecke.
„Hab ich- Grghmm!"
Sie sah in seine vor Schreck geweiteten Augen, die das Messer in seinem Bauch, wohl nicht erwartet hatten.
Er gurgelte, als sie es wieder herauszog, sich umdrehte und rannte. Wie eine Irre stürzte sie den Flur in die Freiheit entlang. Kein Sicherheitsmann näherte sich ihr, mit dem blutigen Messer in der Hand. Vermutlich wollten sie ihre Genitalien behalten!
Der rettende Ausgang war nur noch Momente entfernt!
Sie würde es schaffen! Sie könnte hier raus, könnte ihren Schicksal entgehen und niemand würde sie aufhalten!
Sie schnappte wild nach Luft und rannte noch schneller, obwohl ihre Lungen hart rebellierten.
„Nicht... mehr weit!"
3...
Sie hörte Fabiano etwas hinter ihr brüllen, aber ignorierte es.
2...
Ein Mann stürzte auf sie zu, doch sie wich ihm flink aus. Gleich war sie da!
1...
„Hab dich!"
Sie kreischte erschrocken auf, als sich zwei starke Arme um ihre Brust legten. Es konnte unmöglich Fabiano sein! Einer der Sicherheitsmänner hatte wohl doch mehr Mut als Verstand! Nur das Glück fehlte ihm in seiner Rechnung.
„Mistkerl!", knurrte sie und rammte ihm das Messer in dem erstbesten Körperteil. Oberschenkel. Dann in den Arm, sodass er sie losließ und wie ein verwundeter Hund aufjaulte.
„Selber... Schuld...", keuchte sie und rammte es ihm dann in die Kehle.
Sie fühlte wie einige Blutspritzer auf ihrem Gesicht landete, doch es interessierte sie nicht.
Sie musste weg.
Raus.
Jetzt-!
„YESS!"
Sie warf sich praktisch gegen die Türen, dass sie gegen die Wand krachten. Glas splitterte, als sie in die Freiheit sprang. Ihr Herz wirbelte in ihrer Brust und sie bekam kaum noch Luft. Ihre nackten Füße schlitterten über den Steinboden, in Richtung einer Gasse, ehe sie dort um die Ecke sauste und sich gegen die Wand presste. Als könnten sie eins werden.
Sie spähte noch einmal herum, aber sah niemanden.
„Oh... oh shit...", keuchte sie und griff sich an die Brust. Sie glaubte vor Adrenalin einfach gleich zusammen zu brechen. Ihre Knie zitterten wie Espenlaub.
Sie hatte es geschafft!
Sie holte so tief Luft wie möglich.
Hatte es wirklich... wirklich...
Vermutlich war es ihre geschärften Sinne, die es ihr in so einer Situation erlaubten, den feinen Geruch eines Cologne wahrzunehmen. Es war herb, weich und zart auf der Zunge. Roch fast ein bisschen nach Sandelholz.
Sie kannte diesen Geruch.
Es gab nur eine einzige Person auf der Erde, die dieses Parfüm trug.
... wirklich geschafft...
Die Zeit schien plötzlich in Zeitlupe zu verlaufen, als sie langsam nach rechts in die Gasse sah. Sie begann zu zittern, konnte keinen klaren Gedanken fassen.
„Nein..." Ihre Stimme bebte, ob vor Angst, Wut oder Enttäuschung, konnte sie nicht sagen.
Sie hatte alles überlebt! Sie war überall weggekommen, hatte alles geplant... aber nicht das.
Nicht ihn.
„Nein...nein...nein...nein...nein..."
Sie sollte rennen, sollte lossprinten, aber sie konnte nicht. Es war zu viel. Zu viel Rennen, zu viel Angst, zu viel Panik.
„Nein...nein...nein...nein..." Sie kniff die Augen zusammen und rutschte einfach an der Wand hinunter. Vielleicht war es nur ein böser Traum? Die Schlaftabletten ließen sie Träumen... und... „nein...nein...nein...nein..."
Seine Figur bewegte sich langsam in ihre Richtung und kniete sich vor sie.
„Hello, Love."
Er sprach so leise, aber sie hörte es trotzdem. Gemischt mit dem Rauschen in ihren Ohren, ihrem schnellen Herzschlag und dem Schluchzen.
Obwohl sie nichts sagte, sich nicht bewegte, blieb er ruhig dort hocken.
Er lächelte und strich ihr eine Strähne von der schweißnassen Stirn. Sie wollte seine Hand wegschlagen, aber war wie gelähmt.
Sie kam sich so verdammt dumm vor, als sie ihn so ansah. Die letzten Jahre hatte sie sich ausgemalt, wie es sein würde, ihn wieder zu sehen. Wie sie ihn hasserfüllt anschreien würde, schlagen, beschimpfen.
Irgendetwas.
„Ist lange her, mh?", schmunzelte er und sie blinzelte kurz. Seine Stimme hatte sich verändert. War tiefer geworden und er sah älter aus als der damals noch Achtzehnjährige.
„Mistkerl...", murrte sie, aber brachte ihn lediglich zum Lachen. Sie hatte keine Kraft mehr sich gegen ihn zu wehren.
„Ich habe dich auch vermisst, Alice."
Er griff fest um ihren Körper, hob sie in seine Arme. Sie war ihm so nah, dass sein Parfüm ihr um die Nase wehte, wie der vertraute Geruch, wenn man nach Hause kam. Ihr Körper reagierte wie automatisch auf seine Nähe. Erschöpft ließ sie ihren Kopf an seine Schulter fallen. Ihre innere Kämpferin schrie und tobte, doch sie konnte nichts davon. Ihre Gedanken waren wie weggeblasen.
Als sie über den Hof gingen, wunderte es sie nicht, dass keiner der Männer mehr lebte. Sie wusste nicht, ob Fabiano noch lebte, oder ob ihre Stichwunde ihn niedergestreckt hatte. Sie hoffte es.
Caitán seufzte und flüsterte: „Keine Angst, mein Engel. Niemand wird dir jemals wieder weh tun..."
Das glaubte sie ihm sofort. Nur schloss das Niemand ihn mit ein?
Wohl kaum.
Jetzt galt es also noch eine Frage zu beantworten:
Was zum Fick sollte sie jetzt machen?!
Ende.
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