Der allererste Tag
Als meine Schwester ins Gymnasium kam, wechselten auch wir die Schule, da sie in den Augen meiner Mutter nicht gut für uns war.
Und das stimmte auch zum Teil. Natürlich will ich an dieser Schule nicht alles schlecht reden, denn ich erinnere mich auch an schöne Momente in diesen zwei Jahren.
Genauso gut erinnere ich mich aber auch an schlechte Momente. Die Schule umfasste vielleicht 40 Schüler, in unserer Klasse gab es gerade einmal acht Schüler. Diese Schule war der Inbegriff eines Dorftratsches. Jeder der sich nicht fügen wollte, wurde ausgegrenzt.
Natürlich hatte ich als siebenjähriges Kind nicht die Fähigkeit, darüber zu urteilen, aber wenn ich heute so darüber nachdenke, kann ich mir gut vorstellen, warum unsere Mutter so gehandelt hat.
Unsere Klassenlehrerin hatte mir im Abschlusszeugnis der zweiten Klasse eine 2 in Mathe gegeben, wofür ich sie lange verflucht habe.
Zu dieser Zeit waren Nintendos sehr modern und unsere Eltern versprachen uns, sie würden uns einen kaufen wenn wir das Jahreszeugnis ausschließlich mit Einsen bestehen würden.
So habe ich damals also Rotz und Wasser geheult, als mir klar wurde, dass ich keinen haben durfte. Mir war auch klar, dass die Schule nicht einfacher werden würde und verstrickte mich bereits in Szenarien, in denen ich es nie mehr schaffen würde einen Notendurchschnitt von 1,0 zu erhalten.
Genau deshalb war ich aber auch froh, endlich von dieser Schule wegzukommen. Ich musste all die Lehrer, wobei es sowieso nur drei gab, nie wieder sehen und auch die Schüler, würde ich endlich loswerden.
Zu meinem Glück waren wir 24 Schüler in meiner neuen Klasse und meine Hoffnungen stiegen, dass mich mein Bruder endlich nicht mehr so bemerken würde. Im ersten Halbjahr strengte ich mich mächtig an, um endlich diesen bescheuerten Nintendo zu bekommen und als ich ihn dann fünf Monate später glücklich in meinen Händen hielt, ließen meine Noten auch schon wieder nach.
Für den ersten Moment war alles erreicht, was ich wollte. Ich erinnere mich noch ganz gut, als mir immer wieder vorgehalten wurde, ich hätte nur wegen so einem blöden Ding mehr gelernt.
Jedes Mal, wenn ich heute meine Zeugnisse durchblättere, schwappen diese Erinnerungen auf, welche mir ziemlich egal geworden sind.
Als Kind fand ich sie jedoch schrecklich.
In der neuen Schule wurde es auch nicht besser. Im Gegenteil, mein Bruder begann mich immer mehr wegen meinen Noten aufzuziehen und allgemein fühlte ich mich immer gehänselt. Mich plagte daraufhin immer mehr der Gedanke, wie es nach dieser Schule weitergehen sollte. Ich wusste, dass ich auf keinen Fall weiter auf ein Gymnasium gehen wollte, da ich erstens zu schlecht dafür war.
Zweitens, und das war der größte und für mich einzige Grund, ich wollte unter keinen Umständen mehr mit meinem Bruder in eine Klasse.
Ich wusste genau, dass das ein Ding der Unmöglichkeit war, es würde mich noch mehr ins Abseits drängen, da meine Eltern sehr fürs Gymnasium waren. Meine Schwester habe es immerhin auch dorthin geschafft.
Als ich meine Gedanken dann das erste Mal laut mit meiner Familie geteilt habe, erntete ich zu Beginn Verständnislosigkeit. Es ist damals verdammt schwer für mich gewesen, mich mit meinen nicht einmal zehn Jahren in einer solchen Familie durchzusetzten. Mein Bruder verurteilte mich, dass ich ihm nicht die Schuld geben konnte, er wollte es einfach nicht wahrhaben. Er sei doch der brave und unschuldige Sohn. Ich würde mir das alles nur einbilden.
Als meine Klassenlehrerin sie aber dann auch überzeugte, dass die Hauptschule einfach eine bessere Schule für mich wäre, willigten sie dann doch ein und meldeten mich schließlich dort an.
Heute weiß ich mit ziemlicher Sicherheit, warum meine Mutter sich so dagegen gesträubt hatte. Sie selbst war damals auf der selben Schule und es war für sie schlimm gewesen. Sie hasste diese Schule und irgendwie war ich der Meinung, dass sie dieses Gefühl auch etwas auf mich abwälzte.
Es passte ihr nicht in den Kragen, wenn ich anders frei hatte, als meine Geschwister, wann die Elternsprechtage statt fanden, oder sonstige Veranstaltungen. Sie musste für meine Schule und mich immer mehr Geld ausgeben, als für die Anderen und dafür verabscheute sie mich noch mehr.
Schlicht und einfach lag ich ihnen auf der Tasche.
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