Kapitel 3- Hanna

Wir kommen zuhause an und sobald wir durch die Tür treten, rieche ich den starken Alkohol Geruch.
Jetzt bemerkt Lily mein blaues Auge.
"Was-" setzt sie an. Aber dann richtet unser Vater sich auf.
"Wo ist eure Mutter, ihr Drecksbälger, wo ist sie?"
"Wir wissen es nicht. Sie hat uns genauso verlassen wie dich." murmele ich zögerlich.
Er nickt einen kurzen Moment rhythmisch, dann brüllt er so urplötzlich: "Lüg mir nicht ins Gesicht!", dass Lily verschreckt zusammen zuckt.
"Geh ins Zimmer, Lily." sage ich leise.
"Ich mache dir gleich ein Brot zum Abendessen, ok?"
"Oho, oho! Ich teile meine Wohnung doch nicht mit Lügnern und Höllenpack! Raus hier, sofort!"
"Aber-"
Mein Kopf wurde von der starken Ohrfeige aprubt zur Seite gerissen.
Meine Wange brannte. Ich packte Lilys Hand und zog sie aus der Wohnung.
Sie hatte immer noch ihren Rucksack auf dem Rücken und sah mich ängstlich an.
"Geh die Treppen runter, komm; schnell!"
Sie läuft die Treppen runter und ich folge ihr sofort.
Sobald wir die Tür hinter uns schließen und draußen stehen, beginnt Lily zu weinen.
"Hey, hey, Kleine!"
Ich ziehe sie an mich.
Sie schnieft.
"Warum können wir nicht zu Mama?"
murmelt sie.
Ich seufze.
"Weil ich nicht weiß, wo unsere Mama sich momentan aufhält, okay? Sonst hätte ich ihr schon längst einen Besuch abgestattet, Kleine, versprochen!"
Sie zieht die Nase hoch.
"Und wo sollen wir jetzt schlafen?"
Ich stellte mir eigentlich die selbe Frage, aber sagte, um sie zu beruhigen: "Ich lass mir schon was einfallen, mach dir darum keine Sorgen, okay?"
Sie nickt langsam und lässt mich dann los.
Ich greife nach ihrer Hand.

Ich habe mich nach einer kurzen Weile für einen Park entschieden.
Ich bemerke, dass sie zittert und lege ihr meine Jacke um die Schultern.
Jetzt ist mir kalt, aber das ist mir egal.
Ich ziehe sie hinter einen großen Busch und lege mich hin.
"Ich habe Angst, Hanna", murmelt Lily leise.
"Brauchst du nicht, ich bin da und ich lasse nicht zu, dass dir irgendwas passiert, versprochen!"
Sie scheint das zu beruhigen, denn schon nach wenigen Momenten ist sie eingeschlafen.
Ich liege noch lange wach und schlafe erst in den frühen Morgenstunden ein.

Ich wache von der Sonne auf, die mein Gesicht kitzelt.
Schnell rüttele ich Lily wach.
"Komm, wir müssen in die Schule."
Ich bringe sie zur Schule und mache mich dann selbst auf den Weg.

"Süße, du siehst schrecklich aus." murmelt Alyssa mir zu.
"Ich habe die Nacht im freien verbracht, wie würdest du wohl aussehen!" zische ich wütend zurück.
"Beruhig dich!" sagt sie.
Ich kann kaum die Augen aufhalten und diesmal lässt sogar Jake es das erste Mal, einen blöden Spruch abzugeben.
Im Unterricht bin ich sehr unkonzentriert und antworte immer wenn ich aufgerufen werde, falsch.

"Hört mal, können wir bei einem von euch bleiben? Nur bis wir wissen, wo unsere Mutter ist?" frage ich meine Freundinnen in der Pause.
"Hör mal, ich würde euch gerne zu mir nehmen, aber du kennst ja meinen Stiefvater: er hasst es, wenn Freunde bei mir schlafen. Sorry!" sagt Alyssa mit einem entschuldigenden Blick.
"Wenn du damit klar kommst, dass Ryan, mein Zwillingsbruder Jake da hat.." erwiedert Claire  schulterzuckend.
Ich schaue rüber zu Ryan und Jake und deren Freundesgruppe und versuche abzuwiegen, wie wichtig es mir ist, nicht draußen zu bleiben.
Ich seufze.
"Gut, solange ich mich nicht mit ihm abgeben muss, bleiben wir bei dir."
Claire  nickt.
"Okay, lass dir nur noch eine Ausrede einfallen, warum Lily mit dabei ist,ja?"
Ich nicke. Aber es wird mir leicht gemacht.

Als ich aus der Schule rauskomme, steht meine Mutter mit meiner kleinen Schwester vor dem Tor.
Lily winkt mir fröhlich zu.
Aber ich bemerke, dass das Lächeln meiner Mutter merkwürdig steif ist und sie Lily umklammert, als könnte sie jeden Moment von ihr weg gerissen werden könnte.
Dann bemerke ich die Frau hinter ihr und mir wird alles klar.
Das Jugendamt, natürlich.

"Also. Wie man offensichtlich sieht, hält es sich hier um Kindesmisshandlung." sagt die Frau, dessen Namen ich immer noch nicht weiß.
"Ich werde sie sofort zu mir nehmen!" sagt meine Mutter augenblicklich.
"Frau Mason, haben Sie denn überhaupt einen Job und eine Wohnung?"
"Mometan nicht, nein, aber..." Sie klingt gehetzt und schaut immer wieder zu mir, als könnte ich irgendetwas daran tun.
"Dann können Sie sie nicht zu sich nehmen. Wie alt sind die beiden noch? 16 und 10, richtig?"
Meine Mutter nickt mit zusammen gepressten Lippen.
Sie sieht aus, also ob sie kurz vor einem Zusammenbruch stände.
"Gut, für die kleine sollte eine Pflegefamilie gefunden werden, die Ältere kommt erstmal in eine Auffangstelle, bis wir etwas besseres gefunden haben. Frau Müller, sie sind ab sofort für den Fall zuständig. Bitte suchen sie sofort nach einer Pflegefamilie, immerhin kann die Kleine ja nicht nochmal auf der Straße schlafen. Und bringen sie das große Mädchen zu der Auffangstelle, ja? Dankeschön. Die Unterlagen werden natürlich an den Richter zugesandt, der dann über das Sorgenrecht entscheiden wird.
Gut, noch Fragen? Nein? Sehr schön.
Auf Wiedersehen."
Lily sieht mich ängstlich an.
"Warum werden wir getrennt?"
Ich umarme sie und schlucke.
"Wir sehen uns bestimmt bald wieder, glaub mir!"
Meine Mutter legt Lily die Hand auf die Schulter.
"Es wird nicht lange dauern, ich werde mich um einen Job und eine Wohnung kümmern, dann werde ich sicher das Sorgerecht bekommen, keine Sorge!"
Frau Müller nimmt Lily an die Hand und sagt:
"So, Lily, komm bitte mit, ich werde jetzt eine nette Familie für dich aussuchen, ja?"
Sie lächelt freundlich.
"Und was ist mit meiner Schwester? Warum kommt sie nicht mit?"
"Um sie wird sich anders gekümmert, okay? Sehr gut!
Frau Mason, warten Sie hier. Die Kollegen werden gleich zu ihnen kommen."
Und so wird Lily mitgenommen und ich muss mich bemühen nicht sofort zusammen zu brechen.
"Das wird schon, Hanna. Du wirst nicht lange in der Auffangstelle sein, okay? Das verspreche ich dir!"
Meine Mutter legt die Hand auf meine Schulter.
Ich schüttele den Kopf und gehe immer wieder im Kreis.
Ich bin komplett am Ende; ich habe kaum geschlafen und jetzt habe ich auch noch Lily verloren und habe keine Ahnung, wann ich sie wiedersehen werde.
Ich muss in irgendeiner Auffangstelle bleiben und ich habe keine Ahnung, wie das alles weitergehen soll.
Nach einer kurzen Zeit kommt Frau Müller zu mir.
"Lily wurde eben von einem netten Pärchen abgeholt. Ihr geht es gut, keine Sorge, okay? Ich bringe dich jetzt weg! Komm bitte mit."
Ich werde mitgezogen und schaue zu meiner Mutter.
Sie schenkt mir ein halbherziges Lächeln und winkt mir zu.

Ich werde einer jungen Frau übergeben die sich mir als "Amy, ich bin eine Praktikantin!" vorstellt.
Sie sieht nett aus, aber ich achte nicht auf das, was sie sagt, da meine Gedanken gerade woanders sind.

"Die anderen Mädchen sind gerade draußen mit den Jungs aus den Wohngruppen, möchtest du, dass ich sie dir vorstelle?"
Ich schüttelte den Kopf.
"Ich bin sehr müde."
Sie sieht mich mitfühlend an.
"Das kann ich verstehen. Dein Zimmer ist das letzte. Du hast das einzige Einzelzimmer bekommen, also benimm dich."
Sie zwinkert mir zu und ich lächele matt.

Sobald ich ins Bett falle, gleite ich in einen erschöpfenden, traumlosen Schlaf.
Am nächsten Morgen weckt mich eine alte, schlecht gelaunte Frau, die mich anherscht, ich sollte mich gefälligst beeilen.
Ich schaute mich um.
Auf dem Schreibtisch standen meine Schulsachen und einige Klamotten.
Daneben lag ein Zettel.
"Ich war bei dir zuhause. Lily geht es gut. Mach dir keinen Kopf!
Frau Müller."
Ich seufzte und packe meine Schultasche.
Dann zog ich die ersten Klamotten an, die ich zu fassen kriegte.

Am Frühstückstisch kriegte ich keinen Bissen runter.
Die anderen Mädchen (es waren ungefähr 5) warfen mir die ganze Zeit verstohlene Blicke zu.
Beim Zähne putzen sprach mich das erste Mädchen an.
"Hey, du bist gestern gekommen oder? Keine Sorge, jetzt wo du hier bist, wird alles wieder gut. Ich bin Melanie. Du kannst mich aber auch Melli nennen."
Ich spuckte meine Zahnpasta aus und wusch mir das Gesicht.
Dann schüttelte ich kurz ihre Hand.
"Hi. Ich bin Hanna."
Dann stellte sich ein anderes Mädchen mit schwarzen Haaren vor.
"Ich bin Veronika. Wenn es ein Problem gibt, kannst du dich immer an mich wenden."
Das kleinste Mädchen trat nach vorne.
"Ich bin Josie. Du kannst mich gerne alles fragen, was du willst."
Ich nicke.
Ein Mädchen mit roten Haaren und Sommersprossen stellte sich ebenfalls vor.
"Ich bin Leila, halt dich von Josh fern, falls du keine Probleme haben willst."
Und sie ging.
Die dunkelhäutige (und letzte) verdrehte die Augen.
"Mach dir keine Gedanken darüber: Leila steht auf Drama und auf Josh. Daran wirst du dich gewöhnen müssen. Ich bin übrigens Malaika und am längsten hier.
Ich bin 17 und bin hier seit ich 15 bin."
Ich schluckte.
"Keine Sorge. Bei den wenigsten ist das so lange. Mach dich am besten auf den Weg zur Schule. Sonst wird Frau Arrow seeehr wütend.
Glaub mir; das willst du nicht erleben!"
Auch sie ging.
Melanie lächelte und folgte ihr, genau wie Josie.
Veronika zögerte, dann sagte sie:
"Wir können bis zur Ecke gemeinsam gehen."
Ich lächelte dankbar.
"Danke. Das wäre toll."

"Heyy! Veronika, wer ist das?"
Veronika verdrehte die Augen.
"Da kommt Jake. Mach dich auf viel Testosteron gefasst."
Aber... das war doch Jake! Jake aus der Schule!
Wir starrten uns an.
"Äh.. alles gut? Jake, das ist Hanna. Sie ist seit gestern hier. Hanna, das ist Jake. Er wohnt in der Wohngruppe gegenüber und ist der beste Freund von Josh, Leilas Schwarm."
Ich schluckte.
"Aber.. Ich kenne ihn, Veronika! Er geht in meine Klasse."
Veronika starrte von mir, zu ihm.
"Tja... da kann man nicht viel machen.
Ich muss nach links. Bis später!"
Und sie ließ mich einfach neben Jake stehen.
"Hi... Ich hätte nicht erwartet, dich je hier zu treffen." meint Jake und mustert mich von oben bis unten.
"Was ist passiert? Ich wusste nie, dass du Familienprobleme hast!" brachte ich mit der größten Mühe hervor.
"Das hätte ich dir, meiner Erzfeindin, doch auch nicht auf die Nase gebunden." erwiederte er.
"Tut mir leid. Solange ich hier bin, möchte ich einen Vorschlag machen: Waffenstillstand?"
Ich streckte die Hand aus.
Jake zögerte.
Dann schlug er ein.
"Hört sich gut an."
Und wir machten uns auf den Weg zur Schule.

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