5 ☾ ER

Schnell zu ihr ist gut. Was macht sie denn da? Und warum um SEINET Willen ist sie schon wieder unterwegs? Wie lang mag es wohl her sein, dass ich an dieser Kreuzung vorbeikam und sie mir diesen giftigen Blick zugeworfen hatte?

Wo wir gerade dabei sind ... Fritzi ist ja wohl daheim ... oder nicht? So wie die Alte ausschaut ... wohl eher nicht?! 

Aber was ist dann mit Fia? Geht es ihr gut? Ist sie in Sicherheit?

Meine Augen schwirren zwischen der Grosche und dem Weg zu mir hin und her. Etwas stimmt hier nicht. Also wende ich meinen Blick von Grosche ab, setze meinen rechten Fuß in die Abzweigung hinein, um bloß eilig zu Fia zu kommen.

»Mister Hagen.« Bereits mit der ersten Silbe ihres Rufs hat sie mir ein Stich verpasst. Stich ... Aufschlitzen passt besser. Und doch fängt mein Körper mitten in der Schrittbewegung an, sich wie eine dieser alten Statuen zu versteinern. Meine Sorge, welche sich von meinen äußeren Gliedmaßen ins Zentrum rein frisst, ist nicht die, dass ich gleich in tausende Teilchen zerspringe, sondern was davor passiert. Obwohl sie mich noch nie so nannte – oder gerade deswegen? –, ... ist das alarmierend ... Mister Hagen ... 

»Mister Hagen. Wir müssen Ihnen etwas mitteilen.« Ich weiß es noch, ... als wäre es erst heute gewesen. Ich will das nicht ... Diese Bilder. Wie eine lästige Fliege will ich es vor mir wegscheuchen. Irgendwo registriere ich meine Hand, die wie wild herumfuchtelt ... Die Männer werden mir das erläutern ... Es als etwas darstellen, was in ihren Augen sinnvoll und richtig wäre. Blödsinn! Das ist es nicht. Ich will es nicht immer wieder hören! »Aufhören!« 

»Mister Hagen?«

»Aufhören!«

»Mister Hagen?!«

Keine Männerstimme. Wo bin ich? Was war eben gerade? Langsam klärt sich meine Sicht. Eine Hand ist direkt vor mir. Sie wird weggezogen. Frau Grosche! Ach du ... Ich blicke neben mich. Schon wieder liege ich auf dem Boden. Du kannst so nicht weitermachen. Mach etwas! Mich selbst schüttelnd rapple ich mich endlich auf. 

»Was soll aufhören?« Habe ich irgendetwas laut gesagt? Sie ist viel zu neugierig!

»Ähm. Nichts. Tut mir leid.« Dir tut es leid? Bist du ...? Ich gucke mich um, dann wieder zu ihr, die mich immer noch fragend ansieht. »Ich denke, ich habe etwas zu viel Sonne gestern abbekommen und sollte mich ausruhen.«

»Mmhmh. Möglich«, äußert sie.

Nun will ich mich endgültig auf den Weg machen, schließlich habe ich schon genug Zeit vergeudet. Da setzt sie noch einmal an: »Sie sollten aufpassen. Ich habe gewisse Männer bei Ihnen gesehen.« Sie blickt mir ernst in die Augen, so als wolle sie sich vergewissern, dass ich sie richtig verstanden habe und wendet sich dann zum Gehen.

»Danke«, murmle ich noch hinterher.

Ist sie gerade wirklich freundlich gewesen? Ich meine so wirklich wirklich? War das ein Hilfshinweis? Ist das möglich?! Gedacht hätte ich das nicht. Wäre nicht das erste Mal, dass du dich getäuscht hast ... Ja ja ... 

Auf den letzten Metern versuche ich mich zu beruhigen. Wenn wer da war, werden sie auch noch immer da sein. Sie dürfen mir nichts anmerken. Ich will nicht, dass noch die Grosche Schwierigkeiten bekommt ... und auch nicht Fia. Zudem bin ich selbst auch nicht so scharf darauf. Aber dem aus dem Weg gehen, werde ich nicht können. 

Alles ist normal, sage ich mir also immer wieder. Stimmt ja so gesehen sogar. Hier ist es immer kompliziert und das meiste Gute ist schon lang vergangen. So locker wie möglich schlendere ich somit nach Hause und ohne mich umzuschauen, betrete ich meine Hütte. 

Ihre Anwesenheit spüre ich jedoch jede einzelne Sekunde im Nacken. Ihre Augen, ... die mich verfolgen, ... was dieses widerliche Ziehen im Rücken verursacht. Alles ist normal. 

Fritzi kommt unmittelbar an, um mich zu begrüßen. Ein Glück, ihr geht es schon mal gut. Ich streife durch die Hütte, sehe, dass die Tür zum Zimmer offensteht. Das Zimmer, in dem Fia schlief, was mein Unwohlgefühl nur verstärkt. Ob sie ...? Ich hoffe nicht. Alles ist normal. Ich muss so unauffällig wie möglich sein. Wer weiß, wie viel sie hier drinnen sehen können. Nichts riskieren! Ich gehe daran vorbei und hebe Fritzis Trinkschale auf. Leicht drehe ich mich dabei und kann in den Raum blicken. Das Zimmer ist scheinbar leer. Von mir fällt ein riesengroßer Felsbrocken ab. Aber wo ist sie? Mit der Schüssel in der Hand gehe ich zum Wasservorrat, der sich am Hintereingang befindet. 

Dabei fällt mir etwas auf. Auf dem Schränkchen in dem Flur liegt ein Stück Stoff, ... der violett ist. Es sieht nach ihrem Kleidchen aus. Darauf ist etwas geschrieben. 

Für deine ehrenvolle Hilfe danke ich dir.
Ich muss gehen.
Richte meinen Dank an die Person in dem Zimmer aus.

Wie lieb von ihr, und doch ... Die letzten Worte rammen sich direkt in mein Herz, sodass ich glaube, keine Luft mehr zu bekommen. Das würde ich gerne machen, Fia. 

Ein lautes wie auch eindringliches Klopfen reißt mich aus meiner Haltung. Und drängt mich in eine hektische Atmung rein. Mist. Sie sind da. Diese Nachricht in meiner Hand. Wo damit hin? Gerade noch kann ich sie in meinen Schuh stopfen, als die Tür aufgestoßen wird und ich mich den zwei Männern zuwende. Heute unterbesetzt? 

»Ist das Mädel bei dir?«, kommt der, der hier wohl den Ton angibt, schon direkt zur Sprache. Kurz schaue ich beide an, tue so, als würde ich sie begutachten. In Wahrheit will ich erst einmal meine Atmung flacher bringen. 

»Was? Welches Mädel?«, frage ich dann gekonnt lässig. 

»Tu nicht so!«, setzt der andere nach.

»Ich weiß nicht, wovon ihr redet!«

Ich beobachte, wie sie sich umblicken, wie sie alles genau versuchen abzuscannen, ob sich hier jemand anderes aufgehalten haben könnte. Ich hoffe, dass sie es nicht bemerken. Alles ist normal. Dann schauen sie zu Fritzi, die – wie auch ich erst jetzt feststelle – wieder an diesen Schuh herumkaut.

»Wusste ich es doch!«, ruft der Anführer dieser abgestellten Sektion aus, immer noch den Blick auf Fritzi ruhend.

»Was? Ich komme immer noch nicht mit.« Vielleicht hilft es ja, wenn ich mich doof stelle. Denken kann ich es mir leider mittlerweile, wem der Schuh gehört.

»Wir brauchen unbedingt das Mädel zu diesem Schuh.« Er nähert sich Fritzi.

»Spielt ihr hier einen auf Cinderella?«, reagiere ich – vielleicht etwas zu – flapsig.

»Ha. Ha. Ha. Du wirst schon sehen, was du von deinem Einsiedlertum haben wirst.« Er wendet sich dem anderen, der im Türrahmen stehen geblieben ist, zu. »Komm, wir gehen. Hier ist sie nicht.«

»Sicher?«

»Ja.«

Das ging ja einfach. Ich halte meine Anspannung. Nur noch, bis sie raus und weg sind. Doch dann dreht sich der Anführer noch einmal um.

Er starrt mich an. Denkt er, dass ich so ausplaudern werde? Ganz sicher nicht. Welche Warnung er mir nun aussprechen will? Keine, er haut mir eine rein. Das kam unerwartet. Na ja, ist auch eine Art Warnung. Meine Nase umklammernd bewahre ich dennoch meine Haltung. Ich knicke nicht ein. Nein.

Dann endlich fällt die Tür ins Schloss und ich atme erleichtert auf. Zumindest für den Moment.

Es ist Zeit für meinen Abflug. Mit denen ist nicht zu spaßen, nur hab ich niemals gedacht, dass ganz konkret mal mein Name auf deren Liste stehen würde.

Ich muss jetzt schnell sein. Ich sehe es an Fritzi, wie sie unruhig hin und her tapst. Wir haben nicht viel Zeit.

Das Nötigste, mehr nicht.

Und was wollen sie denn von diesem armen Mädchen? 

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