18 ☾ SIE
Fließende Bewegungen. Ein Rauschen. Der Mond scheint hell hoch oben. Neben ihm die unzähligen Leuchtkörper. Die Sterne. Eine solche Macht. Sie sind nicht alles, doch ein großer Teil des Ganzen. Wie das Wasser, auf das ich blicke. Als könnte ich in der schimmernden Oberfläche meine Antworten finden. Geborgenheit. Es sprießt durch meinen Körper und erwärmt mich. Mein Blick geht tiefer, dringt durch das Getose, in der sich das Himmelszelt spiegelt, durch. Doch sehe ich nicht mein Abbild. Ein Grinsen. Ihr Gesicht, was durch die leichten Bewegungen der Wellen verzerrt wird. Hilde.
Rasch reiße ich meine Augen auf. Ich liege in einem Bett. Mir wird bewusst, dass ich geträumt habe. Von zu Hause? Zu Hause ... Die Geborgenheit, die ich eben noch spürte, macht einer Leere Platz. Mein Inneres fühlt sich hohl an. Krampfhaft versuche ich sie aufzuhalten, doch sie sind zu stark. Und nun laufen sie an meinen Wangen hinunter. Warum hat sie das getan? Was hat sie mit mir gemacht?
Ich muss hier weg. Weg von ihr. Schnell schlage ich die Decke von mir weg. Doch etwas hindert mich am Aufstehen. Wieso nur? Sie hat mich mit dem Fuß ans Bett gefesselt ... Ich schaue mich um. Das fahle Licht, was der Mond durch die Fensterfront zu mir bringt, beleuchtet den Raum, in dem ich mich befinde. Ja, es ist der gleiche Raum wie ... gestern? Es ist Nacht. Aber eventuell schon nächster Tag? Oder sind mehrere Tage an mir vorbeigezogen? Wie viel Zeit ist wohl nun schon vergangen, seitdem ich von Frederik losgegangen war? Wäre ich doch nie gegangen. Aber wer weiß schon, ob er nicht genauso wie die anderen hier ist. Wie sie ist. Sie! Hilde. Ich kann keine Geräusche ausmachen. Ist sie vielleicht gar nicht anwesend?
Fokussieren. Das ist wichtig! Hauptaugenmerk auf jetzt. Deine Hinderung. Fußfessel. Etwas unbeholfen versuche ich mit der Hand die Fessel zu lösen. Ich zerre mit meinen Fingern daran, doch es lässt sich nicht ein bisschen bewegen. Nun hektischer – woher weiß ich schon, wie viel Zeit ich habe?! – probiere ich mein Bein, dann meinen gesamten Körper von dem Bettende wegzuziehen. Aber auch das bringt nichts. Das Teil ist echt stabil. Das einzige Knacken, was zu hören ist, kommt von mir. Meinem Fuß, denke ich.
Langsam realisiere ich, dass ich nichts machen kann. Dass ich gefangen bin. Wie eine Maus in einer Falle sitze, die darauf warten muss, bis sie abtransportiert wird ...
»Hallöchen«, erschreckt mich Hilde in einer unangemessenen sowie unpassenden Stimmlage und so freundlich, als wäre nichts geschehen wie aufs Kommando der Falle.
Vielleicht ist es ja ein Traum in einem Traum? Daher bleibe ich stumm, verschließe meine Augen wieder und bete zum Universum, dass es mich aufwachen lässt.
»Hast du bereits schlafen können, Fia?«
Sie spricht nicht mit mir. Ich schlafe. Bestimmt. Ganz sicher.
»Siehst du mich bitte wenigstens an? Das gebietet dir doch noch dein Anstand oder?«
Ich kann nicht anders. Mein rechtes Auge öffne ich, das linke halte ich zugekniffen geschlossen. Erschrocken stelle ich fest, dass sie plötzlich ganz dicht vor mir steht. Als nun meine beiden Augen zu ihr aufsehen, höre ich als Nächstes ihre Hand auf meiner Wange aufklatschen und daraufhin spüre ich ein Brennen durch mein Gesicht ziehen.
»So in Zukunft nicht mehr! Das kannst du dir schon mal merken«, sagt sie aufbrausend und verschwindet aus dem Raum.
Ich lege meine Hand auf die rechte Wange, auf dem ihre zuvor noch aufprallte und merke, wie warm sie geworden ist. Kurz darauf füllen sich meine Augen wieder mit Tränen, die ich dieses Mal nicht mehr aufzuhalten versuche. Was ist hier nur los? Und was soll das werden? Ist das die gleiche Frau von gestern?
Traue niemanden ... Papis Worte. Ist es meine Schuld? War ich zu leichtsinnig?
Es scheppert irgendwo im Haus. Den Tönen nach klingt es nach Utensilien bei der Kochstelle. Nichts werde ich mehr von ihren Getränken oder Essen annehmen! So enden will ich nicht noch einmal!
Ich brauche einen Plan. Doch erst einmal muss ich von dieser Fessel loskommen. Wie eine Maus in der Falle ... Bis sie abgeholt wird ... Aber ... Was soll ich sonst machen?! Welche andere Möglichkeit bleibt mir?
Das Psycho-Spiel mitspielen oder ...
»Fia. Tut mir leid wegen eben.« Schon wieder steht sie aus dem Nichts in der Tür.
Kurz verharre ich stocksteif in der Position, in der ich mich gerade befinde, überlege schnell, was das Klügste ist und entscheide mich dann für ein Nicken. Das scheint sie zu besänftigen. Mit einem fröhlicheren Lächeln schaut sie mich an.
»Ich wünsche dir noch ein paar gute Nachtstunden«, sagt sie mir mit ihrer Stimme, die ich nicht mehr hören möchte und geht wieder.
Ein Beginn. Wovon auch immer.
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