Kapitel 93

Mit einer automatischen Bewegung streifte Hermine die Decke von ihrer Schulter, bis sie eine leichte, angenehme Kühle auf der Haut spürte. Ihre Augenlieder waren jedoch schwer wie Blei und sie fühlte sich vollkommen gerädert. Vergeblich bemühte sie sich wieder einzuschlafen, doch die in ihrem Kopf umherkreisenden Gedanken machten dieses Unterfangen zu einem Ding der Unmöglichkeit. Aufgewühlt von den Ereignissen der letzten Nacht und voller Unsicherheit über ihre Zukunft mit Ron hatte es lange gedauert, bis Hermine eingeschlafen war. Auch jetzt stand sofort wieder Rons Gesicht vor ihren Augen, so voller Verwirrung und Schmerz, nachdem er Dracos giftige Worte vernommen hatte. Dass sich Rons verletzte Gefühle später in Zorn verwandelt hatten, war Hermine fast lieber gewesen.

Denn Ron hatte ja Recht. Sie hatte mit dem Kuss auf Malfoy Manor, der zwar ungeplant, aber nicht passiv gewesen war, eine Grenze überschritten. Nicht nur seine Existenz an sich, sondern vor allem auch die Tatsache, dass er ihr gefallen hatte, machte Hermine zu schaffen. Ron hatte daher jeden Grund, sauer auf sie zu sein. Denn wie sie es auch drehte und wendete – er hätte niemals passieren dürfen! Was war bloß in sie gefahren?!

Unruhig drehte sich Hermine auf die andere Seite und vergrub ihr Gesicht in den Kissen, so dass sie die Helligkeit, die sie hinter ihren Augenlidern spürte, ausblenden konnte. Tatsächlich wusste sie sehr genau, was ihr passiert war. Die Situation auf Malfoy Manor war einfach zu verführerisch gewesen. Ein perfekter, unterhaltsamer Austausch über all das, was ihr im Leben so wichtig war und dazu noch mit jemanden, der eine erstaunlich tiefsinnige Seite an den Tag gelegt hatte und außerdem objektiv nicht als unattraktiv beschrieben werden konnte.

Alles, was Hermine mehrere Tage lang scheinbar erfolgreich verdrängt hatte, strömte nun wieder ungehindert auf sie ein. Es war einfach nicht zu fassen, dass sie sich plötzlich zu jemandem hingezogen fühlte, der einen verhängnisvollen Hang zur Provokation besaß, wie Draco gestern Abend wieder einmal unzweifelhaft unter Beweis gestellt hatte. Zu jemanden, der außerdem noch unzählige weitere kritikwürdige Verhaltensweisen an den Tag legte...

Unvermittelt schien der Stoff des Kissens Hermine beinahe zu ersticken und hastig drehte sie ihren Kopf zur Seite. Doch sie konnte nicht verhindern, dass Dracos einnehmendes Lächeln plötzlich vor ihrem inneren Auge erschien. Gleichzeitig kamen ihr Dracos andere Seiten in den Sinn, mit denen er sie auf Malfoy Manor so überrascht hatte. Sie vermutete, dass er diese Teile seiner Persönlichkeit nur wenigen Menschen offenbarte und sie absichtsvoll hinter seiner Arroganz und seinem Spott verbarg. Durchaus irgendwie begreiflich, wenn man bedachte, mit wie viel Ablehnung jeder Magier sofort auf den Namen Malfoy reagierte. Und es war mit Sicherheit nicht leicht, Lucius Malfoy zum Vater zu haben...

Der Geruch von etwas Blumigen zog an ihrer Nase vorbei und die Luft, die dabei kühl an ihrem bloßen Arm vorbeistrich, ließ Hermine ein wenig frösteln. Ohne sich die Mühe zu machen, die Augen zu öffnen, zog sie hastig die Decke wieder über sich. Auf einen Blick auf die Uhr verzichtete sie wohlweislich, denn obwohl es ihre letzte Woche beim Flügelschlag war, verspürte sie heute keinerlei Neigung, sich auf den Weg dorthin zu machen.

Trotz schlechten Gewissens hatte Hermine längst entschlossen, sich für heute einmal krank zu melden. Denn zu ihrem großen Frust entzog sich der Schlaf unverändert ihren Bemühungen, ihn wieder einzufangen – der außergewöhnlich deutlich zu spürende Herzschlag ließ ihren Körper im Moment nicht zur Ruhe kommen. Hermines Hand glitt über den rauen Stoff ihres Kissens, bis ihre Finger ins Leere griffen und über dem Rand ihrer Matratze hingen. Achtsam zog sie diese zurück und schob sie dann unter ihre Bettdecke.

Das Gespräch an der Zaubertrankfakultät kürzlich kam ihr wieder in den Sinn. Nach seinen eigenen Worten wandelte Draco auf einem schmalen Grad: zwischen der dunklen Seite der Magie, wie sie sein Elternhaus und die Todesser verkörperten, und der hellen Seite derer, die sich gegen Voldemort gestellt hatten. Hatte sie mit ihrem Verhalten bewiesen, dass es mehr als nur Magier gab, die entweder ihre Finger nach der dunklen Macht ausstreckten oder in moralischer Überheblichkeit das Verhalten anderer verurteilten? Jedenfalls hatte sich Draco doch schließlich für ihre bestehende freiheitliche und rechtsstaatliche Gesellschaft entschieden, oder? Oder war er weiterhin entschlossen, sich wieder denen anzuschließen, die einer repressiven Gesellschaft den Vorzug gaben?

Hermine entschlüpfte ein Seufzer und ohne es zu bemerken kaute sie auf ihrer Unterlippe herum. Bei Merlin, wieso kreisten ihre Gedanken um Draco? Sie sollte lieber an Ron denken! Schuldbewusst riss sie daher ihre Augen auf und starrte zur anderen Bettseite hinüber. Das Laken lag zerwühlt und verwaist da, die Bettdecke war zu einem unordentlichen Haufen aufgetürmt. Anscheinend hatte Ron genauso unruhig geschlafen wie sie.

Müde zog sich Hermine in eine sitzende Position und gewahrte aus den Augenwinkeln, wie sich Krummbein mit erhobenem Schwanz ins Zimmer schlängelte. Er blickte mit um Mitleid heischenden Augen zu ihr hoch und maunzte leise. Hermine ließ sich nicht lange bitten, beugte sich hinunter und hob den alten, orangeroten Kater auf ihr Bett, wo er es sich in ihrem Schoß bequem machte und zufrieden zu schnurren begann. Über Hermines Züge huschte ein Lächeln, als sie Krummbein den Kopf zu kraulen begann, und wie automatisch glitten ihre Gedanken nun hinüber zu Ron.

Er war gestern Abend zwar verhältnismäßig gefasst aussehend zurück in Harrys Haus gekommen und hatte kein Wort mehr darüber verloren, was sich vor Harrys Garten abgespielt hatte. Doch Hermines Erleichterung darüber, dass er nicht auf der Stelle mit ihr Schluss gemacht hatte, war bald darauf einer großen Traurigkeit gewichen.

Denn auch wenn sie mit ihrer Erklärung anscheinend in der Lage gewesen war, Ron davon zu überzeugen, dass nichts zwischen Draco und ihr gewesen war, so war dennoch auf einmal eine gewisse Distanziertheit zwischen ihnen entstanden. Diese hatte Hermine schmerzlich bewusst gemacht, dass etwas Kostbares zwischen Ron und ihr zerbrochen war. Und sie hatte erkannt, warum sie das Gespräch mit Ron die ganze Zeit aufgeschoben hatte.

Es war die Angst gewesen, dass das Eingeständnis, dass Ron und sie sich auseinandergelebt hatten, nicht nur den Bruch ihrer Paarbeziehung bedeuten würde. Sondern dass es auch Folgen für ihre langjährige Freundschaft zu Ron haben könnte – und der zu Harry. Erst recht, wenn sie jedes Detail ihres Besuches auf Malfoy Manor erwähnen würde. Allein Harrys Reaktion auf ihre offeneren Worte ihm gegenüber hatte Bände gesprochen. Sie waren zu dritt so oft durch dick und dünn gegangen... ein Leben ohne die beiden an ihrer Seite war schlichtweg nicht vorstellbar.

Verzweifelt vergrub Hermine ihr Gesicht in Krummbeins flauschiges Fell. Dessen Ohr zuckte einen Moment lang aufmerksam, bevor es sich wieder entspannte, als von seiner Besitzerin nichts weiter zu hören war.

Nun war jedoch etwas ins Rollen gekommen, was sich nicht mehr zurückdrehen ließ... Neben ihrer Nervosität, wie sich jetzt die Zukunft entwickeln würde, konnte Hermine jedoch auch ein kleines bisschen Erleichterung nicht verhehlen. Denn sie war ein wahrheitsliebender Mensch und das Verbergen der Erkenntnis, zu der sie gelangt war, machte ihr zu schaffen. Denn ihr war längst klargeworden, dass ein gemeinsames Leben mit Ron auf Dauer keine Zukunft mehr hatte.

Hermine hob ihren Kopf und entwirrte mit der Hand gedankenverloren einen Knoten in Krummbeins Haaren. Ron und sie waren einfach zu verschieden, als dass eine Fortführung ihrer Beziehung Sinn machte. Diese ganzen gereizten Untertöne und Streitereien in letzter Zeit... bestimmt hatte Ron dies auch schon bemerkt... Für einen Moment verlor sich Hermines Blick in dem rostroten Fell unter ihren Fingern.

Sie musste unverzüglich mit Ron reden! Nur das bot die Chance, zumindest ihre Freundschaft zu erhalten... Hoffentlich!

Mit einem Ruck richtete Hermine sich auf. Angesichts der Störung hob Krummbein in vorwurfsvoller Manier seinen Kopf, doch Hermine beachtete sein Missfallen nicht weiter, sie wollte nun keine Zeit mehr verlieren. Zügig setzte sie den alten Kater neben sich auf die Decke und beeilte sich dann, in Jeans und Bluse zu schlüpfen. Nur kurze Zeit später verließ sie das Haus und apparierte nach London, wo sie das Ministerium durch einen der offiziellen Eingänge betrat. Von mehreren Besuchen bei Ron war sie dort längst keine Unbekannte mehr, der Zauberer im Empfangsbereich wünschte ihr leutselig einen schönen Tag und entließ sie dann ihres Weges in die Sportabteilung.

Dort traf sie jedoch nur auf zwei Kollegen von Ron, die an ihren Schreibtischen saßen und ihr freundlich mitteilten, dass sie el jefe soeben verpasst hatte.

„Wieso, wo ist er hin?", wollte Hermine überrascht wissen und knetete ihre Finger. Ron hatte ihr von keinem Termin heute berichtet. Der Kleinere von beiden, in die himmelblaue Robe der Sky warriors gekleidet, zuckte nur mit den Schultern, bevor er sich wieder den Papieren vor sich zuwandte. Sein Kollege war auskunftsfreudiger. Er lehnte sich im Stuhl zurück, verschränkte die Arme hinter den Kopf und erwiderte:

„Er meinte, er müsse noch dringend etwas erledigen. Wollte irgendwohin fliegen."

Seine dunklen Augen hinter einer funkelnden Brille musterten Hermine neugierig, als er ergänzte:

„Er sah ziemlich grimmig und entschlossen aus."

Hermine biss sich auf die Lippen. Bei Merlin, hatte sich Ron etwa auf den Weg zu Draco gemacht? Zuzutrauen wäre es ihm... Sie dankte dem Magier rasch und duckte sich einen Moment später, als der verzauberte Schnatz dicht über sie hinwegflog. Mit raumgreifenden Schritten verließ sie anschließend die Abteilung und strebte dem Ausgang zu, während die Gedanken durch ihren Kopf rasten.

Falls Ron wirklich vor hatte, sich mit Draco auf eine Konfrontation einzulassen, musste sie sich beeilen, wenn sie ihn aufhalten wollte. Wohin würde er wohl fliegen, um Draco aufzusuchen? Malfoy Manor? Unwahrscheinlich. Twinkle? Schon eher. Sie hatte ihm schließlich mal erzählt, dass Draco Zaubertränke studierte.

Wenige Sekunden später apparierte Hermine auf das Gelände der Hochschule in der Nähe der gewünschten Fakultät. Wind war aufgefrischt und trieb fast verspielt ein paar einsame Blütenblätter durch die Luft. Hermine warf einen prüfenden Blick auf den Himmel. Dicke, graue Wolken hatten sich vor die Sonne geschoben und schluckten das vorhin noch so helle Tageslicht. Fröstelnd schlang sie die Arme um ihren Körper und eilte auf das Gebäude zu, in dem sie gerade erst vor wenigen Tagen gewesen war.

Schon von weitem war zu erkennen, wie Rons große Gestalt vor dem Gebäude auf und ab ging. Erleichterung durchfuhr Hermine und mit der Absicht, ihren Freund von einer Dummheit abzuhalten, trat sie beherzt auf ihn zu. Das langgewordene Haar, das der Wind einen Moment lang zur Seite pustete, hing Ron bis auf die Schultern, und seinen Mund zierte ein entschlossener Zug. Während ihn seine Schritte von der einen zur anderen Seite trugen, verharrte sein Blick konzentriert auf dem Eingangsbereich. Er bemerkte Hermine daher erst, als diese ihn ansprach:

„Hallo Ron."

Hastig fuhr er herum und bedachte Hermine mit einem Blick, den man nicht anders als misstrauisch beschreiben konnte.

„Was machst du hier, Mine?"

Die Frage war wohl eher, was Ron hier machte, fuhr es Hermine durch den Kopf. Doch alles, was sie erwiderte, war:

„Ich habe dich gesucht. Du warst nicht zu Hause und nicht im Ministerium und Tom meinte..."

„Tom hat keine Ahnung, wo ich hinwollte", unterbrach Ron rüde und seine angespannten Kiefermuskeln ließen unschwer erkennen, dass er nicht in friedlicher Absicht an die Twinkle gekommen war.

„Ich habe mir eben gedacht, dass ich dich hier finde", erwiderte Hermine leise und streckte die Hand nach ihm aus. „Wir müssen reden..."

„Jetzt ist nicht die Zeit für Gespräche, Hermine!" Rons Gesichtsfarbe verdüsterte sich. „Zuerst hat dieser Mistkerl von Todesser ein für alle Mal zu begreifen, dass er dich in Ruhe lassen soll!"

Hermine verdrehte daraufhin leicht genervt die Augen. So ehrenvoll sie es auch einerseits fand, dass Ron sich als Beschützer gerierte, so anmaßend fand sie es andererseits, dass er ihr damit die Fähigkeit absprach, für sich selbst zu handeln. Doch noch bevor sie darauf hinweisen konnte, dass sie durchaus in der Lage war, mit Draco klar zu kommen, vernahm sie in ihrem Rücken eine nur zu bekannte Stimme.

„Ich gebe zu, du überraschst mich, Hermine. Hätte nicht gedacht, dass du so schnell für das Interview hier auftauchst."

Hermine fuhr herum und sah direkt in Dracos Gesicht, in dem seine grauen Augen sie mit leichtem Spott anfunkelten. Dann nahm er Ron in Augenschein und ergänzte süffisant:

„Aber warum hast du dafür deinen Leibwächter mitgebracht?"

„Halt's Maul, Malfoy!", fuhr Ron den blonden Zauber ungestüm an und zog seinen Zauberstab aus dem Hosenbund.

Dracos Augen verengten sich und er wandte sich nun frontal Ron zu. Eine Sekunde später hatte auch er seinen Zauberstab einsatzbereit in der Hand. Jegliche Lässigkeit war aus seiner Stimme gewichen, als er Ron angriffslustig herausforderte

„Nur zu, Weasley! Kann es kaum erwarten, das fortzusetzen, was wir gestern begonnen haben."

„Spinnt ihr jetzt total oder was?!", fuhr Hermine dazwischen und warf beiden Männern einen aufgebrachten Blick zu.

„Halt dich da raus, Mine", zischte Ron, ohne den Blick von Draco zu wenden. „Das ist eine Sache unter Männern. Wehe, du funkst erneut dazwischen!"

Wut wallte in Hermine auf, als sie sich wie Besitz behandelt fühlte. Sie war doch kein Siegpreis für den Gewinner! Zornig biss sie die Zähne aufeinander und warf dann Draco einen auffordernden Blick zu. Doch der junge Malfoy schien genauso wenig Wert auf Friedfertigkeit zu legen wie Ron. Er fixierte den rothaarigen Zauberer vor sich mit einem kalten Blick und fuhr provozierend fort:

„Dann hoffe ich, dass du Manns genug bist, es mit mir aufzunehmen."

„Worauf du dich verlassen kannst, Malfoy!", fuhr Ron ihn an. „Ich werde schon dafür sorgen, dass du endlich aus Hermines Leben verschwindest."

Aggressiv trat er einen Schritt auf Draco zu, der in Folge einen Schritt zur Seite trat. Hermine stieß hörbar die Luft aus ihren Lungen. Dies hier war so albern! Doch sie wagte es nicht, ein weiteres Mal einzugreifen – sowohl Ron als auch Draco schienen äußerst entschlossen, dieses Mal ein Duell auszufechten und die Gefahr, dabei zwischen die Fronten zu geraten, war groß.

„Gib's ihm, Weasley!", hörte Hermine eine auffordernde Stimme zu ihrer Rechten und stellte dann überrascht fest, dass sich inzwischen weitere Magier eingefunden hatten. Sie hatten eine Art Halbkreis gebildet und harrten neugierig auf den weiteren Verlauf der Konfrontation zwischen Ron und Draco. Dabei waren die Blicke, die sie dem weißblonden Zauberer zuwarfen, überwiegend von Abneigung geprägt.

Draco schien dies jedoch nicht zu bemerken, er blieb auf Ron fokussiert und erwiderte mit einem mokanten Grinsen:

„Wer hätte gedacht, dass ich mich einmal mit einem armen Landstreicher..." – sein Blick glitt verächtlich über Rons vernachlässigtes Erscheinungsbild – „...um die gleiche Hexe duellieren würde. Bist du sicher, dass sich dies noch für dich lohnt? Denn was hast du ihr überhaupt noch zu bieten?"

Hermine schnappt empört nach Luft und Rons Gesicht wurde innerhalb von wenigen Sekunden dunkelrot vor Zorn. Mit einer Kreativität, die Hermine überraschte, hörte sie Ron aggressiv „Langlock" hervorstoßen

Die Wirkung des Zungenklebefluchs war sofort sichtbar, Draco griff sich mit der freien Hand an die Kehle, brachte aber kein Wort mehr heraus. Ersatzweise warf er Ron einen hasserfüllten Blick zu.

„Wird Zeit, dass dieser Todesser endlich mal einen Dämpfer verpasst bekommt. Ich kann sein arrogantes Grinsen beim Zaubertrankbrauen echt nicht mehr ertragen", hörte Hermine jemanden hinter sich kommentieren. Die Stimme kam ihr vage bekannt vor, doch noch ehe sie den Sprecher identifizieren konnte, lenkte lautes Johlen ihre Aufmerksamkeit zurück auf das Geschehen vor der Fakultät.

Ron hatte von irgendwo eine Tüte Mehl herbeigezaubert und sie direkt über Dracos Kopf schweben lassen, wo sie just in diesem Moment aufriss und Draco mit einer Wolke aus weißem Staub bestäubte. Angesichts des Anblicks, den dieser mit plötzlich schneeweißen Haaren und ungewohnt staubiger Kleidung bot, konnte sich auch Hermine einen kurzen Moment lang das Lachen nicht verkneifen.

Hustend und offenbar noch immer außerstande zu sprechen fegte sich Draco wütend das Mehl aus dem Gesicht. Ungerührt nutzte Ron die prekäre Lage seines Gegners aus und verpasste ihm als nächstes einen Wabbelbeinfluch. Vergeblich kämpfte Draco unter dem dröhnenden Gelächter der Zuschauer darum, das Gleichgewicht zu halten, als seine zu Gummi gewordenen Beine ihn hin und herschwanken ließen. Am Ende stürzte er unsanft zu Boden.

„Hör auf jetzt, Ron!", verlangte Hermine entrüstet. „Ich benötige keine Verteidigung."

Ron ignorierte ihre Bemerkung jedoch und gestand den zuschauenden Studierenden, unter denen sich auch mehrere Hogwarts-Absolventen befanden, bedauernd:

„Schade, dass ich Moodys Frettchenzauber nicht kenne. Diesen Anblick hätte ich zu gern noch einmal genossen."

Nur einen Augenblick später entwich Ron ein schmerzhafter Aufschrei und mit verzerrtem Gesicht flogen seine Hände an sein Kreuz, als hätte ihm jemand einen Schlag auf den Rücken versetzt. Er taumelte einen Schritt nach hinten, konnte sich aber gerade noch aufrechthalten. Draco hatte sich in eine sitzende Position gehievt und schien vor Zorn nahezu zu vibrieren. Die Lippen waren zu einem schmalen Strich zusammengepresst und seine Augen bohrten sich unheilvoll in sein Gegenüber. Den Zauberstab noch immer fest auf Ron gerichtet sorgte er dann mit einem weiteren, wortlosen Fluch dafür, dass Rons Haut von unzähligen Mückenstichen übersät wurde.

Zu spät fuhr Rons Zauberstabhand nach vorne und sein Schutzzauber war daher wirkungslos. Hektisch rieb er sich die juckenden Stellen, was ihn effektiv daran hinderte, Draco erneut zu verhexen. Ron fluchte lauthals und nahm Zugriff zu einer Reihe unflätiger Schimpfworte, die er Draco an den Kopf knallte, während er versuchte, dem Juckreiz an seinem Körper Herr zu werden.

Da sich sowohl Ron als auch Draco aus freien Stücken für ein Duell entschieden hatten, hielt sich Hermines Mitleid mit beiden in Grenzen. Sie kam allerdings nicht umhin, die Weisheit zu erkennen, die Ron mit der Wahl seines ersten Fluches an den Tag gelegt hatte: dieser schützte ihren Freund perfekt vor Dracos provokanten Äußerungen.

Die kräftigen Windböen waren inzwischen in ein Brausen übergegangen und aus der Ferne war dumpfes Donnergrollen zu vernehmen. Hermine spürte die ersten Regentropfen auf ihrer Haut. Wenn sie jedoch geglaubt hatte, dass das herannahende Gewitter die beiden Kontrahenten vom weiteren Kampf abhalten würde, so hatte sie sich getäuscht.

Längst hatte sich der Wabbelbeinfluch verflüchtigt und Draco stand wieder aufrecht. Ein sich ausbreitendes rotes Licht machte deutlich, dass der Malfoy-Sproß zu einem Lähmzauber gegriffen hatte, der Ron nur deshalb verfehlte, weil dieser sich glücklicherweise gerade nach unten beugte. Zornbebend fuhr Ron hoch.

„Inflatus!"

Doch dank eines erneuten Juckreizes begann sein Arm unvermittelt zu wackeln und der Aufblähzauber verfehlte Draco daher. Er traf eine in der Nähe stehende Mülltonne, die in rasanter Schnelligkeit wuchs, bis sie schließlich mit einem lauten Knall platzte und den darin befindlichen Müll in der Umgebung verteilte.

Hermine schüttelte fassungslos den Kopf. Wie lange wollten die beiden dies noch fortsetzen? Es wurde Zeit, dieser Auseinandersetzung einen Riegel vorzuschieben, bevor noch etwas Schlimmes passierte. Aber wie? Und wieso unternahm eigentlich niemand sonst etwas?

Doch das halbe Dutzend anwesender Magier war mehr damit beschäftigt, Ron euphorisch anzufeuern als für Deeskalation zu sorgen. Hermine verschränkte die Arme vor der Brust und dachte fieberhaft nach. Langsam nahm ein Plan in ihrem Kopf Gestalt an. Entschlossen drehte sie sich um ihre Achse und verschwand im Nichts.


Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top