Kapitel 77
Mit diesen Worten streckte sie Harry seinen Zauberstab entgegen, der sich bemühte, ihn genau an der richtigen Stelle zu packen, um Amber dann einen Schockzauber entgegen zu schleudern. Doch die ausgesprochenen Worte waren nicht schnell genug, um zu verhindern, dass sein Zauberstab ihm aus der Hand glitt und ein paar Kapriolen in der Luft machte, währenddessen ihm ein unbekannter Zauber die Beine weghaute, so dass Harry unsanft auf dem Boden landete.
Ambers schadenfrohes Lachen floss um ihn herum und entfachte unbändige Wut in Harry, so dass er hastig nach dem vor ihm auf dem Boden liegenden Zauberstab griff und schon Sekunden später wieder auf den Beinen war. Ohne nachzudenken brüllte er mit gezücktem Zauberstab „Impedimenta!", was Amber mit einem rasch gezischten „Protego" von sich abhielt, so dass Harry hastig dem Rückschlag ausweichen musste.
Während sich Harrys Brust keuchend hob und senkte, lauerte er mit nun straff gespannten Nerven auf jede von Ambers Bewegungen, statt sie wie vorher anzugreifen. Es gelang ihm, ihr „Crucio" mit einem Schutzzauber zu parieren, aber der nächste wieder lautlos ausgesprochene Fluch traf ihn mit voller Härte und zu seinem Entsetzen befand er sich erneut in der Situation, sich nicht mehr bewegen zu können.
Ein diabolisches Lächeln glitt über Ambers Gesicht, als sie ganz nah an ihn heran trat und ihre Finger sanft, fast zärtlich über sein Gesicht und dann unter seinen Pullover gleiten ließ. Ihn durchfuhr brennende Abscheu angesichts Ambers unwillkommenen Berührungen, die er hilflos über sich ergehen lassen musste.
„Oh ja, Harry, ich weiß genau, wie du es jetzt hasst, von mir auf eine Art berührt zu werden, von der du sonst nie genug bekommen konntest", amüsierte sich Amber über sein Unbehagen und drückte ihm dann noch einen Kuss auf die starren Lippen, so dass unweigerlich Übelkeit in ihm aufwallte. Es musste doch verflucht nochmal einen Lösungszauber geben, es musste einfach! Krampfhaft versuchte Harry sich an all die Zaubersprüche zu erinnern, die er einst von Hermine gehört hatte.
Aus der Tiefe seines Gedächtnisses tauchte Piertotum Locomotor auf; er brüllte es förmlich, ohne dass sich das kleinste Wispern seinen Lippen entrang und ohne dass es irgendeinen Effekt auf die Lähmung hatte, die ihn gefangen hielt. Amber hatte sich inzwischen so dicht an ihn geschmiegt, dass er das Beben ihres Körpers spürte, als sie lachte. Sie war sich des Widerwillens, den sie ihm mit ihren Berührungen verursachte, nur zu bewusst und genoss es sichtlich. Unerbittlich glitt ihre Hand nun unter seinen Hosenbund, und setzte ihren Weg fort.
In Harry wuchs die Frustration ins Unermessliche, trotz des richtigen Spruches und einem Zauberstab, der sich noch immer in seiner Hand befand, nichts bewirken zu können. Mühsam ignorierte er die taktilen Eindrücke, die kontinuierlich auf ihn einprasselten, und versuchte sich trotz der gezwungenermaßen geöffneten Augen mit seinem Geist ganz auf den Zauberspruch zu konzentrieren. Piertotum Locomotor!
Mit einem Ruck spürte er die Erstarrung um ihn herum zerbrechen und wie automatisch formten seine Lippen das Wort Expelliarmus. Der Zauberstab flog Amber aus der Hand und landete ein paar Meter weiter auf dem Boden. Für einen Augenblick weidete sich Harry an Ambers schreckensgeweiteten Augen, für die seine Reaktion anscheinend völlig unvorhersehbar gekommen war.
Doch ihre Irritation währte nicht lang genug, als dass Harry seinen Vorteil ausnutzen konnte. Ein schneidender Schmerz durchfuhr seinen Kopf und er riss die Hand hoch und presste die Handfläche gegen seine Stirn. Amber hatte nun jegliche Zurückhaltung abgelegt, ihre dunklen Augen bohrten sich in seine mit dem Ziel, jeglichen Widerstand zu vernichten, und in seinem Kopf dröhnte ihre Aufforderung: Lass deinen Zauberstab fallen!
„Vergiss es!", keuchte Harry, während die Anstrengung, Ambers Gedanken von seinen eigenen zu trennen, ihm Schweißperlen auf die Stirn trieb.
LASS...IHN...FALLEN!
Harry konzentrierte sich allein auf seinen eigenen Willen, auf seine Weigerung, Ambers Befehl Folge zu leisten. Sein Körper begann zu zittern und sein Atem ging stoßweise. Er war außerstande, irgendetwas anderes zu denken, geschweige denn einen Zauberspruch gegen Amber zu verwenden. Fast unterhalb der Schwelle seines Bewusstseins spürte er einen kräftigen Ruck in Brusthöhe... doch er durfte nicht nachlassen in seiner Konzentration...
Ein erneuter, noch kräftigerer Ruck... Dann spürte Harry seine Arme nach vorne schießen... etwas strich an seinen Fingern entlang, die sich vergeblich krümmten...
Die Belagerung seines Kopfs verschwand so rasch, dass man hätte denken können, er hätte sich alles nur eingebildet. Doch das plötzliche Gefühl der Erleichterung begann jähem Entsetzen zu weichen, als er erkannte, dass Amber ihm soeben seinen Zauberstab entrissen hatte. Harry sah, wie sie mehrere Schritte nach hinten trat und hörte ihre Worte Accio Zauberstab. Beobachtete, wie in Folge Ambers eigener Stab unverzüglich zurück in ihre offene Hand flog. Und dann durchfuhr ihn ein so unglaublicher tiefer Hass, wie er ihn noch nie im Leben gespürt hatte.
Ohne nachzudenken stürzte er sich auf Amber, die ihm im letzten Moment zur Seite auswich, so dass er heftig auf den Boden knallte.
„Nicht so hastig, Harry", äußerte Amber mokant, nun wieder die Ruhe selbst, und sah voller Verachtung auf ihn herunter, die zauberstabtragenden Hände locker zu ihren Seiten.
„Verflucht sollst du sein, Amber!", entfuhr es Harry, der das Gefühl hatte, an seinem Zorn zu ersticken. Trotz schmerzender Glieder kam er rasch wieder auf die Beine. „Gedanken zu manipulieren ist verachtenswert und ein Regelbruch obendrein!"
„Ich kämpfe nicht nach Regeln", erwiderte Amber ungerührt. „Wenn ich mich recht erinnere, hast du sie übrigens zuerst gebrochen. Wollen wir fortfahren?"
Sie wartete die Antwort auf ihre rhetorische Frage nicht ab, sondern warf Harry einen unbekannten Fluch entgegen, der ihn direkt in die Brust traf. Schwindel erfasste ihn und dann hatte er das Gefühl, jeglichen Halt zu verlieren, seine Beine sackten unter ihm zusammen und seine Arme fühlten sich an, als wären sie nicht mehr mit seinem Körper verbunden. Sein Oberkörper schwankte unkontrolliert, trotz Harrys Bemühungen ihn aufrechtzuhalten, und um sich herum vernahm er Ambers höhnisches Lachen in den Ohren. Erst als sein Kopf als letztes mit einem polternden Geräusch schwer auf den Boden fiel, löste sich der Zauber.
Harry verdrängte das Gefühl der Demütigung und rollte sich blitzschnell herum auf die Knie. Ihm war klar, dass er ohne Zauberstab keine Chance gegen Amber hatte, doch es musste einen Ausweg geben. Hatte es etwas zu bedeuten, dass Amber davon absah, ihn mit gravierenderen Zaubern zu traktieren?
„Das, Harry...", sagte sie leise und schenkte ihm ein zauberhaftes Lächeln, das angesichts der nachfolgenden Worte geradezu grotesk wirkte, „...können wir leicht ändern."
Ihre Worte waren Harry Warnung genug und kaum war er aufgesprungen, als der Schockzauber die Stelle traf, an der er noch bis eben gekniet hatte. Amber lachte unbekümmert und schien sich nicht daran zu stören, ihn verfehlt zu haben. Erneut richtete sie ihren Zauberstab auf Harry und in Erwartung dessen, was gleich kommen würde, harrte Harry angestrengt auf ihre Worte. Ambers spöttisches Lächeln schien sich vor seinen Augen in eine Fratze zu verwandeln, dann öffnete sie ihren Mund:
„Crucio!"
Harry wich dem Folterfluch rechtzeitig zur Seite aus, doch ohne ihm eine Pause zu gönnen, zischte Amber gleich darauf „Imperio!" Eine sanfte Hülle schien sich um Harry zu legen, die alles außerhalb davon mit einem abschirmenden Schleier versah. Nur der Satz „Setz dich auf den Boden" drang klar und deutlich an Harrys Ohren. Ihm wurde unglaublich leicht ums Herz, er musste nur die Anweisung befolgen, dann würde alles gut werden, es war so einfach...
Langsam gaben seine Beine nach, doch aus dem entfernten Winkel seines Gehirns drang der Gedanke, dass hier etwas nicht stimmte, dass es nicht wirklich sein Wunsch war, sich auf den Boden zu setzen, da war etwas Anderes gewesen... Etwas, das sich wie Nebelschwaden immer wieder seinem Versuch, es zu fassen entzog. Etwas, dass sich dennoch nicht ignorieren ließ, beständig auf sich aufmerksam machte wie Wellen, die kontinuierlich an seine Füße brandeten...
Aus Harrys schemenhaften Erinnerungen kristallisierte sich der Gedanke heraus, dass er stehen bleiben musste, um gegen Amber anzukämpfen und mit einer großen mentalen Kraftanstrengung hielt er an dieser Überlegung fest. Durch den Konflikt der verschiedenen Muskelgruppen gegeneinander durchfuhr seine Knie ein unangenehmes Reißen, das ihn schließlich zu Besinnung brachte.
Er fand sich zu seiner Erleichterung noch immer stehend wieder und blickte direkt in Ambers überraschtes Gesicht. Zu Harrys Verwunderung begann Amber ihm jedoch wenig später ironisch lächelnd zu applaudieren.
„Bravo, Harry, es gibt nicht viele, die sich von einem Imperius-Fluch lösen können. Ich vergaß, was du mir einst erzähltest. Aber es geht doch nichts über einen würdigen Gegner."
Ohne weitere Zeit zu verschwenden, feuerte Amber in rascher Folge einen Zauberspruch nach dem anderen auf Harry ab, so dass ihm nichts anderes übrig blieb, als ihnen jedes Mal auszuweichen. Ihm war klar, dass Amber mit ihm spielte wie die Katze mit einer Maus, denn längst schon hätte sie ihn treffen können, wenn sie es gewollt hätte.
Doch Harry hoffte, sich hiermit Zeit zu verschaffen, bis Unterstützung eintraf. Allerdings brachten ihn seine ständigen Ausweichmanöver langsam aber sicher an den Rand der Erschöpfung, was, wie er vermutete, Ambers Ziel war.
Gib auf, Harry, du weißt, dass du keine Kraft mehr für Widerstand hast, dröhnte es plötzlich so heftig in seinem Schädel, dass Harry aufkeuchte, bevor er mit letzter Kraft widersprach:
„Niemals! Verschwinde aus meinem Kopf!"
Als Antwort war nur boshaftes Lachen zu hören, und in dem vergeblichen Versuch, ihre Stimme auszuschalten, riss er sich unwillkürlich die Hände vor die Ohren. Wie lange würden seine Freunde darauf warten, dass er sich meldete? Wann würden sie bemerken, dass etwas nicht stimmte?
Die Lücke in seiner Konzentration sofort bemerkend, bedachte Amber ihn erneut mit einem Cruciatus-Fluch, der effektiv dafür sorgte, dass der Schmerz in seinem ganzen Körper jeglichen Gedanken an Widerstand sofort überlagerte.
Harry konnte nicht sagen, wie viel Zeit vergangen war, als Amber ihn schließlich von der Folter erlöste, nur um ihn sofort mit dem Imperius-Fluch zu belegen, dessen Befehl, sich in die Küche zu begeben, er dieses Mal überaus erschöpft sofort nachkam. Er fühlte sich heiter und unbeschwert und keine Gedanken störten die Friedlichkeit des Augenblicks, als er sich der weiteren Anweisung folgend auf einen Stuhl setzte und mit einem entrückten Lächeln beobachtete, wie sich Seile aus der Luft materialisierten und seine Hand- und Fußgelenke an den Stuhl fesselten.
„So! Und nun erzähl mir, wer noch alles von meinem Geheimnis weiß und was es mit der von dir herbeigesehnten Hilfe auf sich hat!", verlangte Amber herrisch und hielt Harry drohend mit ihrem Zauberstab in Schach. Doch Harry leistete ihrer Aufforderung nur zu gerne Folge, denn es fühlte sich wunderbar und richtig an, Amber alles von dem Treffen mit seinen Freunden und dem gefassten Plan zu berichten. Er schloss mit seiner Absicht, jeden Abend etwas von sich hören zu lassen und verfiel dann in ein wohliges Schweigen.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top