Kapitel 71

Hermine sah aus, als bereue sie zutiefst, etwas gesagt zu haben. Sie schlang die Arme um ihren Körper und wiegelte hastig ab.

„Nichts! Es war ein absolut dummer Gedanke und daher nicht wert, geäußert zu werden."

„Als wenn du jemals dumme Gedanken hättest, Hermine", erwiderte Harry mit freundschaftlichem Spott.

„Dieses Mal schon", kam jedoch lediglich Hermines verdrießliche Reaktion auf das kaum verhüllte Lob.

Und das, fand Ginny, war durchaus bemerkenswert und machte sie nun erst recht neugierig.

„Harry hat Recht. Deine Überlegungen haben uns bisher immer weitergebracht", ließ sich nun auch Ron vernehmen und stützte sich engagiert auf die Tischplatte. „Und du kannst nicht erst anfangen und uns dann hängen lassen. Wir können jede schlaue Idee gebrauchen."

Hermine lehnte sich so hart gegen ihre Stuhllehne, als wolle sie darin versinken, und sie schien entschlossen, nicht nur die Fixierung der anderen auf ihre erste Worte, sondern deren Lob generell abwehren zu wollen.

„Die Idee, in Ambers Praxis einzudringen, war nicht so schlau", bekannte sie ungewohnter Demütigkeit.

„Auch wenn es offiziell nicht verwendet werden kann – es war wichtig, dass wir von Ambers Verbindungen zu Muggelmördern erfahren haben", widersprach Ron heftig und starrte Hermine mit einer Mischung aus Erstaunen und Unverständnis an. „Also stell deine Kerze nicht unter einen Kessel und sag schon!"

Auch Ginny unterzog ihre Freundin einer kritischen Musterung und wünschte sich zum allerersten Mal, die Gedanken lesen zu können, die hinter Hermines Stirn vor sich gingen.

„Spuck's aus, Hermine, und lass uns beurteilen, ob man etwas damit anfangen kann!", forderte nun auch Harry.

Angesichts der geballten Aufforderung ihrer Freunde seufzte Hermine und richtete den Blick in einer Art und Weise auf Ginny, als könne diese ihr Halt geben.

„Mir ist der Gedanke durch den Kopf gegangen, dass...", sie suchte sichtlich nach Worten, „...man jemanden bräuchte, der Ambers Vertrauen gewinnen könnte, aber der in der Lage wäre, eigene Gedanken vor ihr abzuschirmen."

„Ginny kann Okklumentik. Aber Vertrauen gewinnen – keine Chance", konstatierte Ron und brachte ein schiefes Grinsen in Ginnys Richtung zustande. Sie wusste, dass er an das Quidditchspiel dachte, an dem sie ihre Antipathie Amber gegenüber mehr als deutlich gemacht hatte, und auch ihre Mundwinkel begannen sich bei der Erinnerung daran leicht zu heben.

Doch kurz danach begriff Ginny, was ihr bereits vorhin an Hermine aufgefallen war.

„Du hast doch nicht etwa Malfoy gemeint?!", brach es schockiert aus ihr hervor, ohne dass sie sich zurückhalten konnte. Hermines ertappter Gesichtsausdruck verriet, dass Ginny mit ihrer Vermutung ins Schwarze getroffen hatte.

Ron fuhr herum und starrte Hermine fassungslos an.

„Wieso Malfoy?"

In defensiver Geste hob Hermine ihre Handflächen und erwiderte mühsam lächelnd:

„Beruhige dich, Ron. Ich habe doch bereits gesagt, dass es ein blöder Gedanke war."

„Ja, aber wie bitte kommst du ausgerechnet auf ihn?", wollte nun auch Harry wissen, die Augen misstrauisch zusammengekniffen.

„Weil... Bei Merlin, ihr seid alle so festgefahren in eurem Hass auf ihn! Ich habe euch erzählt, dass er anders als früher ist", verteidigte Hermine nun vehement ihren Gedankengang. Verärgert funkelte sie ihre Freunde an.

„Merkt ihr nicht, dass man mit solch ständigem Misstrauen die Leute nur wieder zurück in die Ecke der dunklen Magie treibt? Man muss Zauberern, die bereuen, auch eine Chance einräumen."

„Ach, und Malfoy bereut, was er getan hat, oder wie?!", reagierte Ron bissig. „Was denn – dass er Todesser geworden ist? Dass er im Endkampf noch versucht hat, uns das Diadem wegzunehmen? Dass er uns als Vertrauensschüler ständig Punkte abgezogen hat? Dass er dich beleidigt hat? Ich könnte diese Liste noch endlos fortsetzen..."

„Schon gut, Ron, ich kenne deine Meinung", gab Hermine schmallippig zurück, bemühte sich aber offensichtlich darum, das Thema nicht zu eskalieren. „Ich hatte nur kurz gedacht, dass er ja vielleicht Zugang zu Amber kriegen könnte – mit seiner Herkunft. Aber wie gesagt, ich hatte den Gedanken ja schon längst wieder verworfen."

Ginny konnte nur stumm den Kopf schütteln. Was hatte Hermine bloß mit dieser Fixierung auf Malfoy? Wusste sie, dass er Okklumentik beherrschte? Oder war das ein Schuss ins Blaue gewesen? Sie schlug die Beine übereinander und zuckte zusammen, als sich dabei die am Wochenende malträtierten Muskeln schmerzhaft bemerkbar machten.

„Also ich würde Malfoy bestimmt nicht mein Leben anvertrauen, Rehabilitierung hin oder her", drückte sich Harry ein Stück weit weniger feindselig aus. „Ich vertraue ihm kein Stück und bin froh, wenn ich ihn nie wieder über den Weg laufen muss."

Er räusperte sich und brachte dann das Gespräch zurück zum eigentlichen Thema.

„Dann führt wohl kein Weg daran vorbei, Richards alles zu erzählen", seufzte er und blickte anschließend aus irgendeinem Grund hin zu Ginny, deren Herz sofort schneller zu schlagen begann. Ein beglückendes Gefühl stieg in ihr auf, ungebeten, nachdem sie monatelang darauf gewartet hatte, dass ihre Empfindungen gegenüber Harry allmählich nachließen. Doch sie konnte nicht verhindern, dass etwas, ähnlich einem leichten Kribbeln, ihren Körper durchfuhr, als sie in Harrys Augen die frühere Zuneigung zu erkennen glaubte.

Ein paar Strähnen seines wie üblich wirr abstehenden Haares fiel ihm in die Stirn und verdeckten seine Narbe und Ginny bemerkte ein paar Bartstoppel oberhalb von Harrys Lippen, denen sein Entfernungszauber offenbar nicht Herr geworden war. Es ließ sich nicht leugnen, dass die Anziehungskraft, die Harry für sie hatte, ungebrochen war.

Und trotz der aktuellen Bedrohung, die sich für die Muggelgesellschaft und womöglich langfristig auch für die Zauberergemeinschaft abzeichnete, verspürte Ginny einen Augenblick lang nur den Wunsch, da anknüpfen zu können, wo sie aufgehört hatten. Erneut zu genießen, was zwischen ihnen bestanden hatte, bevor Harry in seiner eigenen Dunkelheit verschwunden war. Bildete sie sich das ein oder spürte Harry das auch – jetzt wo Amber zumindest in dieser Angelegenheit offenbar Geschichte war?

„Hebt euch das für später auf, wenn wir einen Plan gefasst haben, ihr Turteltäubchen", ließ sich nun Rons deutlich amüsierte Stimme vernehmen, die Ginny mit einem Schlag in die Realität zurückkatapultierte. Harry riss den Blick von ihr los, räusperte sich und blickte auf seine Uhr.

„Jetzt ist Richards jedenfalls unterwegs und wird auch heute nicht mehr zurückerwartet. Also morgen."

Harrys Gesichtsausdruck verhehlte nicht, dass er über den Aufschub nicht unglücklich war.

„Aber vielleicht kann ich bis dahin ja selbst schon etwas in Erfahrung bringen", verkündete er und richtete sich entschlossen auf.

Hermine und Ginny begriffen gleichzeitig, was er damit deutlich machte.

„Du kannst doch jetzt nicht zurück nach Hause, als wenn nichts gewesen wäre!", entfuhr es Ginny entsetzt.

„Das ist kompletter Schwachsinn, Harry!", stimmte Hermine ihr zu.

„Im Gegenteil, es ist das einzig Richtige", widersprach Harry und zog seine Stirn in Falten, so dass sich seine Augenbrauen beinahe berührten. „Amber würde erst recht misstrauisch werden, wenn ich nicht zu Hause auftauche."

„Aber..." wandte Hermine nervös ein, „Du kannst doch nicht Okklumentik... Sie wird deine Gedanken lesen!"

„Das konnte Voldemort auch", wiegelte Harry ab. „Aber das hat nie ein Problem dargestellt, wenn wir auf aufeinandergetroffen sind. Ich weiß ja jetzt, womit ich zu rechnen habe und bin darauf eingestellt. Anders als heute Morgen."

Hermine war nicht überzeugt.

„Harry, das ist einfach kompletter Wahnsinn", befand sie mit einem entschlossenen Zug um den Mund und starrte ihren Kumpel mit einer Mischung aus Sorge und Missbilligung an.

„Sie hat Recht, Mann. Komm mit zu uns", ließ sich auch Ron vernehmen.

Doch Harry schüttelte unbeirrt den Kopf und entgegnete den beunruhigten Blicken seiner Freunde mit Zuversicht.

„Ich glaube, dass Amber nur Gedanken liest, wenn es drauf ankommt. Ich darf ihr eben einfach keinen Grund für Misstrauen bieten."

Ginny fluchte vernehmlich. Harry konnte doch jetzt nicht wirklich annehmen, einem erfahrenen Legilimentor etwas vormachen zu können. Das war selbst für Auroren eine Herausforderung.

„Nimm heute Abend zumindest jemanden von uns mit zu dir nach Hause", schlug sie vor, um einen Kompromiss bemüht. „Dann wird sie sich sicherlich hüten, dir etwas anzutun."

Hermine nickte zustimmend und schlug mit hörbarer Erleichterung vor:

„Geht fliegen, du und Ron, und macht euch einen Quidditchabend, oder so." Ron begleitete ihre Äußerungen ohne zu zögern mit einem Kopfnicken.

„Leute!", widersprach Harry mit Verve und funkelte sie an. „Das wird so nichts! Amber ist nicht blöd, sie wird merken, dass etwas im Busch ist. Und dann erst recht versuchen, unsere Gedanken zu lesen. Ich muss da deshalb alleine hin."

Seine Miene hatte einen harten Zug angenommen und er starrte erst Hermine, dann Ron und schließlich Ginny an, ohne seine Äußerung mit einem Lächeln zu mildern. Seine Entschlossenheit war unübersehbar und Ginny kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er sich nicht umstimmen lassen würde. Frustriert knirschte sie mit den Zähnen. Harry und seine verfluchte Sturheit.

Hermine versuchte es dennoch.

„Harry! Wir reden hier über Voldemorts Tochter! Das ist riskant hoch drei. Du kannst da nicht alleine hin! Ich will nicht, dass du dein Leben..."

„Genau, Hermine!", bestätigte Harry und verschränkte die Arme vor der Brust. „Und ich will nicht, dass ihr euer Leben riskiert. Ich werde nicht erneut Freunde in Gefahr bringen!"

Verzweifelt schloss Ginny die Augen und ließ einen Moment lang die Stirn in die Hand fallen. Harrys verfluchter Heldenkomplex. Dann richtete sie sich wieder auf.

„Lass mich wenigstens in der Nähe sein", bat sie. „Für alle Fälle. Als halbe Aurorin. Und Sorgen musst du dir um mich daher auch nicht machen."

Harrys Gesichtszüge glätteten sich, er blickte Ginny mit einer Mischung aus Bedauern und etwas schwer zu Definierendem an und noch bevor er den Mund aufmachte, wusste Ginny, dass er ablehnen würde.

„Ich halte davon nichts, Ginny. Tut mir leid. Wenn wir unseren Vorteil nutzen wollen, dann darf Amber nicht den geringsten Verdacht schöpfen."

Resigniert senkte Ginny ihren Blick und starrte auf die Pflastersteine zu ihren Füßen, um zu verbergen, dass die aufkommenden Tränen ihre Augen verdächtig glänzen ließen.

„Ron, sag du doch auch mal was dazu!", verlangte Hermine mit brüchig klingender Stimme.

Doch Ron hatte anscheinend erkannt, dass jedes Bemühen, Harry umzustimmen, fruchtlos war.

„Harry kennt Amber am Besten", kommentierte er besonnen. „Wenn er meint, er kann das riskieren, dann ist das so."

Ginny blickte auf und sah, dass ihr Bruder beruhigend den Arm um Hermine gelegt hatte.

Erneut spürte sie die Augen ihres Ex-Freundes auf sich ruhen und wandte den Kopf. Harry hatte die Miene eines Mannes aufgesetzt, der sich seiner Entscheidung sicher war. Seine Stimme klang jedoch sanft, als er erklärte:

„Ron hat Recht. Macht euch nicht so viele Sorgen. Amber hätte monatelang Gelegenheit gehabt, mir etwas anzutun. Doch das hat sie nicht. Ich glaube daher nicht, dass ich ausgerechnet heute Nacht etwas zu befürchten habe."

Ginnys eigene Unruhe ließ sich damit jedoch nicht vertreiben. Je mehr sie sich an ihre Begegnung mit Amber erinnerte, desto klarer wurde ihr, welche Macht die dunkelhaarige Hexe zu besitzen schien. Ob Amber nun von ihrem wahren Erzeuger wusste oder nicht – sie stellte eindeutig eine Gefahr dar. Und Harry war ein Narr, wenn er das nicht erkannte.

„Tu es nicht, Harry", versuchte es Ginny ein letztes Mal leise.

Doch die einzige Reaktion, die sie erhielt war eine vom Kopfschütteln untermalte Entschlossenheit:

„Ich gehe allein. Es ist besser so."

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Hallo ihr Lieben,

nun geht es langsam auf das Ende zu. Aber so einfach wird es Amber Harry und seinen Freunden gewiss nicht machen.

Ergibt es für euch Sinn, dass Harry alle Vorschläge seiner Freunde ablehnt und sich lieber alleine in Gefahr begibt?


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