Kapitel 53

Sein Einwand war nicht von der Hand zu weisen. Hermine war sich ebenfalls nicht sicher, doch sie kannte niemand anderen, der diesen Schwur durchführen konnte. Sie drehte sich ein wenig von Draco weg und beschwor mit leisen Worten ihren Patronus herauf, um ihrer Freundin eine Nachricht zu schicken.

Während sie darauf warteten, dass Ginny sich zu ihnen gesellte, war Draco ungewohnt ruhig geworden und sein Blick die Straße entlang wirkte in Gedanken versunken. Hermine vermisste seine irritierenden und bisweilen sarkastischen Kommentare nicht im Geringsten, aber sie fragte sich dennoch, was gerade in ihm vorging.

Schließlich schob sie entschlossen ihre Gedanken über Draco zu Seite und konzentrierte sich auf das, was sie Ginny zu sagen beabsichtigte. Sie hatte sich gegenüber dem Patronus nur vage ausgedrückt, hoffte aber, dass ihre Mitteilung ausreichte, um Ginnys Neugier zu wecken.

„Bist du sicher, dass es sich noch lohnt zu warten?", äußerte Draco eine Viertelstunde später und machte keinen Hehl aus seiner Ungeduld. Abwechselnd versetzte er die Mauer vor ihnen in verschiedene Farben oder Strukturen; nicht ohne sich jedoch vorher vergewissert zu haben, dass sich kein Muggel in der Gasse aufhielt. Hermine zog es vor, seine Frage zu überhören und beschäftigte sich intensiv mit dem Inhalt ihrer Handtasche, bis ein leises Ploppen sie hochschauen ließ.

Ginny hatte sich kaum vor ihr materialisiert, als ihr ablehnender Blick auch schon auf Draco fiel, der ihn nicht minder schroff erwiderte. Ginny wandte sich an Hermine und zischte ihr ungehalten zu:

"Das ist jetzt nicht dein Ernst! Was hast du mit dem jüngsten Todesser aller Zeiten zu schaffen?!"

„Sprich dich ruhig aus!", versetzte Draco kühl und spottete: „Am besten noch lauter."

Ginny warf ihm einen aggressiven Blick zu und zog Hermine zur Seite. Mit einem Muffliato-Zauber sorgte sie dafür, dass Draco ihrer Unterhaltung nicht folgen konnte.

„Hermine, was wird das?! Dass er hier ist, kann ja wohl nur eines bedeuten. Wie kommt er dazu, das zu verlangen?! Du willst dich doch nicht etwa mit einen unbrechbaren Schwur an einen Malfoy binden?! Du bist doch sonst nicht so leichtsinnig."

Sie hielt in ihrem Redefluss inne, um Luft zu holen. Die Empörung ließ ihr die Röte in die Wangen steigen. Hermine versuchte ihre Freundin zu beschwichtigen.

„Alles gut, Ginny, es war meine Idee."

„Wie, deine Idee?" Jetzt wirkte Ginny völlig konsterniert. „Warum, bitte, möchtest du einen unbrechbaren Schwur leisten? Oder warum willst du, dass Malfoy einen leistet?"

Hermine seufzte und erklärte:

„Hör zu, es gibt eine Möglichkeit herauszufinden, ob die Verdächtigten die Morde an den Muggeln begangen haben. Man kann den Vergessenszauber rückgängig machen. Und dann wissen wir Bescheid."

„Das kann nur der Zauberstab, der ihn ausgesprochen hat", widersprach Ginny „Wenn überhaupt. Und erzähl mir jetzt nicht, dass du weißt, wer das war."

Hermine schüttelte den Kopf und sah zu Draco hinüber, der sie mit verschränkten Armen und einer steilen Falte über der Nase beobachtete.

„Und wenn ich dir nun sage, dass man das auch mit einem anderen Zauberstab bewerkstelligen kann?"

Ginny machte ihrem Ruf, eine Schnelldenkerin zu sein, alle Ehre und begriff sofort, was Hermines Blick enthüllt hatte.

„Du willst mir jetzt nicht sagen, dass ausgerechnet Malfoy so einen Zauberspruch kennt? Einen Zauber, den nicht mal das Ministerium weiß? Bist du sicher, dass das nicht dunkle Magie ist?"

Ginny kniff die Augen ein wenig zusammen und starrte Hermine unverwandt an. Da diese jedoch lediglich schwieg, weil sie nicht vor hatte, Dracos Beteiligung zu offenbaren, setzte Ginny sofort nach:

„Hast du ihn dir beweisen lassen? Hast du es mit eigenen Augen gesehen?"

„Ja, das habe ich", gestand Hermine ruhig.

Ginny ließ sich dadurch jedoch nicht beruhigen.

„Dann war das ein Trick!", empörte sie sich und warf den Kopf zurück, so dass ihre langen Haare durch die Luft flogen. Nachdrücklich fuhr sie fort:

„Hermine, ich verstehe deine Gutgläubigkeit nicht. Woher soll Malfoy denn so einen Zauberspruch kennen, wenn nicht durch seine Familie oder Todesser oder was weiß ich... Du hast keine Ahnung, ob er vielleicht Folgewirkungen hat. Und woher willst du wissen, dass er bei den Verdächtigen überhaupt so funktioniert, wie du dir das denkst? He... oder ist es das, was Malfoy dir schwören soll?"

Hermine seufzte ein weiteres Mal. Ihr war klar gewesen, dass es nicht leicht sein würde, ihre Freundin zu überzeugen, und Ginnys Argumente waren nicht ganz von der Hand zu weisen... doch sie hatte sich jetzt fest dazu entschlossen, die Sache mit dem Schwur durchzuziehen und Ron damit zu zeigen, wie sehr er sie unterschätzt hatte.

Draco ungeduldige Frage unterbrach ihre Gedanken.

„Haben sich die Damen inzwischen geeinigt?"

Hermine ignorierte seine Äußerung und beeilte sich nun stattdessen, Ginny zu antworten.

„Nein, nicht das. Er hat sich einverstanden erklärt, einen Verdächtigen aufzusuchen und ihn... ähm... zu befragen. Allerdings ohne dass ich dabei bin. Ich will daher vermeiden, dass er dessen Aussage anschließend ändert." Nicht auszudenken, wenn sie mit unrichtigen Aussagen auf eine falsche Fährte gelockt werden würde.

Ginnys Blick blieb überaus kritisch, daher setzte Hermine nach.

„Überleg doch mal, Gin, was es bedeuten würde, wenn wir dadurch die Wahrheit ans Licht bringen würden. Was wir für Menschenleben retten könnten! Was es auch für dich bedeuten würde, wenn du wieder etwas Neues enthüllen könntest. Was ich für einen Artikel schreiben könnte..." Sie zog es vor, an dieser Stelle nicht auch noch auf Ron einzugehen.

Eindringlich sah Hermine ihre Freundin an und legte ihr die Hand auf den Arm. Sie musste einfach helfen! Ginny zog jedoch die Stirn kraus und bemerkte spitz:

„Ich bin mir nicht einmal sicher, ob die Anwendung eines solchen Zaubers ohne Einwilligung des Betroffenen überhaupt legal ist. Und davon mal abgesehen: etwas auf unklare Weise zu erfahren, kann sowieso vor Gericht nicht verwendet werden. Es würden ja alle denken, das Geständnis sei mit Hilfe des Crucio-Zaubers hervorgebracht worden."

„Das weiß ich!", bestätigte Hermine und sah ihre Freundin beschwörend an. „Aber es würde dir einen Ansatz geben zu ermitteln und bestimmt erfährst du dann dadurch irgendwelche Beweise, die du später verwenden kannst."

Noch bevor Ginny darauf reagieren konnte, hatte Draco in verärgertem Ton „Finite!" geschnaubt.

„Geht's noch, Malfoy?!", fuhr Ginny ihn mit blitzenden Augen an.

„Nur die Ruhe, Rotschopf!", gab Draco in einer Gelassenheit zurück, die Ginnys Aufgebrachtheit diametral entgegenstand. „Entweder duelliert ihr euch mit Blicken oder ihr setzt euren Streit eben hörbar für alle fort. Mir reicht's mit Summgeräuschen!"

Spielerisch ließ er seinen Zauberstab von einer in die andere Hand gleiten und machte keine Anstalten wegzuhören, als Hermine nun fortfuhr:

„Bitte, Ginny! Draco soll schwören, dass er das, was er erfährt, unverändert an mich weitergibt und es niemandem anderen verrät."

„Und was verlangst du dafür, Blassgesicht?!", fauchte Ginny, mit dem Versuch, sich für Dracos Verunglimpfung zu revanchieren.

Dessen Gesicht verzog sich zu einem befriedigten Grinsen.

„Vorausschickend, dass es nicht meine Idee war - sag du es ihr, Hermine!"

Auffordernd nickte er zu Hermine hinüber, die fühlte, dass ihr vor Verlegenheit warm im Gesicht wurde. Und obwohl es kalt draußen war, spürte sie, wie ihr der Schweiß den Rücken herunterran. Dieser Teil war der schwierigste Part.

„Ich verspreche ihm, dass ich ihm mitteile, was bei der Untersuchung zum Tod seiner Tante herausgekommen ist", brachte sie so gelassen und beherrscht wie möglich heraus.

Sie hatte Empörung, ja sogar Zorn von Ginny erwartet, doch nicht mit diesem schockierten Schweigen gerechnet, das Ginny nun an den Tag legte. Erst Sekunden später fasste sich ihre Freundin und gab tonlos zurück:

„Das hast du nicht gesagt!"

Auf Hermines Nicken hin begann Ginny den Kopf zu schütteln, als könnte sie nicht glauben, was sie soeben aus Hermines Mund vernommen hatte. Dann beugte sie sich zu Hermine hinüber und flüsterte ihr so leise ins Ohr, dass Draco es nicht mitbekam:

„Ich weiß nicht, was es mit dieser geheimgehaltenen Todesursache auf sich hat. Aber wenn man den nächsten Angehörigen nichts mitteilt, dann wird das wohl seinen Grund haben."

Sie trat einen Schritt zurück und fuhr mit normaler Lautstärke hart fort:

„Ich werde jedenfalls nicht das Vertrauen der Aurorenzentrale missbrauchen, indem ich dir etwas mitteile in dem vollen Wissen, dass du gezwungen sein wirst, es an den da weiter zu geben."

Ein Blick voller Verachtung flog zu Draco hinüber, der nicht erkennen ließ, ob er sich daran störte. Mit einer energischen Bewegung warf Ginny ihr Haar über die Schulter.

„Es tut mir leid, Hermine, aber unter diesen Voraussetzungen werde ich dir nicht helfen. Und auch du solltest von diesem Teufelspakt die Finger lassen! Kein noch so guter Grund und kein Ehrgeiz der Welt sind das wert."

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, machte sie eine rasche Drehung und löste sich in Luft auf.

Ausnahmsweise fehlten Hermine die Worte, stumm starrte sie auf die Stelle, an der Ginny noch soeben gestanden hatte. Sie wusste es besser, als darauf zu hoffen, Ginny zurückholen und überreden zu können. Doch was nun?

Sie legte wenig Wert darauf, sich der Gefahr auszusetzen, belogen zu werden. Doch leider kannte Hermine niemand anderen, der diesen komplexen Zauber ausführen konnte. Ärger begann in ihr zu brodeln. Warum waren die Weasleys heute nur so eigensinnig? Erst Ron und nun Ginny!

„Sieht nicht so aus, als könnten wir von Miss Weasley Unterstützung erwarten", kommentierte Draco trocken das Offensichtliche, was ihm einen zornigen Blick von Hermine bescherte. Seine Kommentare konnte er sich sparen!

„Aber ich wüsste jemanden anderen, der uns hier helfen könnte."

Ein Fünkchen Hoffnung begann sich in Hermine zu regen. Sollte es doch noch eine Möglichkeit geben?

„Und wer?", fragte sie rasch.

Draco sah sie einen Moment lang wortlos an, bevor er der Spannung ein Ende setzte.

„Meine Mutter."

Er streckte Hermine auffordernd die Hand entgegen:

„Komm mit mir nach Malfoy Manor."

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Na, ob das so eine gute Idee ist... Was glaubt ihr, wie wird sich Hermine entscheiden?

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