Kapitel 43
Ginnys Mutter strahlte Hermine mit einer Begeisterung an, die schwer zu toppen war. Ginny grinste in sich hinein, während sie sich mit angewinkelten Beinen in die Sofaecke kuschelte. Ihre Mutter war immer so überschwänglich, aber auf eine nette, einnehmende Art. Sie hatte Hermine bereits in ihr Herz geschlossen, seitdem diese sich in der ersten Klasse mit Ron angefreundet hatte. Wie auch Harry ... - aber diesen Gedanken schob Ginny rasch wieder von sich und konzentrierte sich stattdessen auf die Unterhaltung zwischen ihrer Mutter und ihrer Freundin.
„...so stolz auf dich, meine Liebe!", betonte Molly Weasley gerade, und brachte daher Hermine dazu, verlegen in ihren Schoß zu blicken, wenngleich ein erfreutes Lächeln ihrem Gesicht eine gewisse Weichheit verlieh. Molly Weasleys Augen ruhten einen Moment liebevoll auf Hermine, bevor sie aus den Augenwinkeln wahrnahm, dass Ron Anstalten machte, sich eines der Törtchen zu greifen, die vor ihnen auf dem niedrigen Tischchen standen.
„Ronald Weasley!", donnerte sie und fuhr herum, „Wir warten gefälligst, bis euer Vater sich zu uns gesellt!"
Aus der Diele war die gedämpfte Stimmte Mr. Weasleys zu vernehmen, der offenbar der Hauseule ein paar letzte Anweisungen erteilte, um sie mit einer Nachricht auf den Weg zu schicken. Ron grinste ertappt und zog seine Hand hastig zurück. Gesegnet mit einer schier unerschütterlichen Energie – kaum sah man ihre Mutter einmal ruhig auf einem Stuhl oder Sofa sitzen – wandte sie sich sogleich wieder zu Hermine um.
„Wie hast du das bloß alles herausgefunden?"
Sie hatte dieses Glänzen in den Augen, dass Ginny gut kannte und das verhieß, dass sie nicht eher aufhören würde, bis sie einer Sache auf den Grund gegangen war. Hermines Lächeln hatte sich inzwischen in eines verwandelt, dass Zufriedenheit und Stolz ausdrückte, dennoch spielte sie ihren Erfolg herunter.
„Es war eigentlich keine große Sache."
Mit der Hand strich Hermine über die Serviette, die neben ihrem Teller lag. Aus dem Flur war noch immer Mr. Weasley zu hören, eine Spur entrüsteter. Offenbar war zeitgleich eine Eule mit einer Nachricht für ihn gekommen, und so, wie sich der Ton seiner Stimme anhörte, handelte es sich vermutlich um etwas aus dem Ministerium. Ginny seufzte leise und sah sehnsuchtsvoll auf die Törtchen. Das wird wohl jetzt noch länger dauern...
„...einfach die Familien aufgesucht und gesagt, dass ich helfen will herauszufinden, wer für die Morde verantwortlich ist, da die Polizei ja keine Anhaltspunkte mehr hat. Die meisten waren froh darüber und teilweise auch sehr verärgert, dass die Polizei nicht weiter ermittelt", setzte Hermine die Schilderung ihres Vorgehens fort, das Ginny bereits kannte. Ihre Gedanken schweiften daher erneut ab. War es die fehlende Magie, die diese Muggelpolizisten so unfähig machte, Mordfälle zu lösen? Oder lag es nur daran, dass der Mörder in diesen Fällen unter den Magiern zu suchen war?
Hermine fuhr fort, von ihren Interviews und denen sich daraus ergebenden Parallelen zu berichten, die zwar der Polizei aufgefallen waren, ihnen jedoch keine Rückschlüsse geboten hatten. Währenddessen hörte Mrs. Weasley gebannt zu und schien dabei völlig vergessen zu haben, dass ihr Mann sich noch immer nicht zu ihnen gesellt hatte.
„Und bei der Polizei selbst hatte ich mich als Journalistin einer Universitätszeitung ausgegeben und konnte dadurch ein paar Einzelheiten aus deren Akten in Erfahrung bringen. Zum Beispiel wurden einige Fasern von einem Besen gefunden, obwohl der Haushalt überhaupt keinen Besen dieser Art besaß."
Hermines Schilderung kamen nun flüssig und ohne zu zögern. Vor dem Hintergrund des erfolgreichen Artikels strahlte sie das Selbstbewusstsein aus, das vorher von ihrer bescheidenen Art überdeckt gewesen war.
„Oder ein Kaninchen, das augenscheinlich bei bester Gesundheit ohne jegliche Anzeichen von Verletzungen plötzlich tot in seinem Käfig gelegen hatte."
Ginny schickte Hermine ein Lächeln, das diese jedoch nicht bemerkte. Es war wirklich beachtlich, was Hermine alles herauszufinden geschafft hatte! Journalismus war definitiv die richtige Berufswahl für ihre Freundin. Sie warf einen Blick zu Ron hinüber, der zu ihrer Überraschung jedoch die Stirn gerunzelt hatte und nicht nur Langeweile angesichts von Fakten, die er bereits kannte, ausstrahlte, sondern geradezu Unwilligkeit vermittelte.
Es wirkte fast, als wäre er nicht besonders glücklich mit dem Resultat von Hermine Nachforschungen – natürlich nicht, wer war das schon!, beeilte sich Ginny still hinzuzufügen. Ein Magier, der es sich offenbar zum Ziel gesetzt hatte, Muggel zu töten. Aber in Rons Blick, der in die Leere des Raumes hinein gerichtet war, schien mehr zu liegen: Ärger oder Frust darüber, dass seine Freundin für ihren Zeitungsartikel nun so viel Aufmerksamkeit erhielt.
Ginny seufzte leise. Das war das Problem ihres Bruders. Immer strebte er danach, zu glänzen, hervorzustechen. Nicht immer, korrigierte sie sich dann jedoch rasch. Bei dem Kampf gegen Voldemort war es Ron allein um die Vernichtung des Bösen, um die Rettung des Kontinents vor einer Terrorherrschaft gegangen. Aber nach Kriegsende hatte er deutlich die Aufmerksamkeit genossen, die ihm als einer der siegreichen Helden zuteilwurde. Das Interesse der Öffentlichkeit an seinen Erlebnissen war allerdings mittlerweile längst schwächer geworden.
Ginny war sich bewusst, dass Ron stets im Schatten seiner Geschwister gestanden hatte. Er war nicht so perfekt wie Percy (obwohl dieser eine Zeitlang mit familiärer Missachtung bestraft worden war, als er sich den Reihen derer angeschlossen hatte, die Voldemorts Rückkehr geleugnet hatten) und nicht so einfalls- und letzten Endes erfolgreich wie ihre Zwillingsbrüder, selbst wenn diese ihrer Mutter das ein oder andere graue Haar beschert hatten (das Mrs. Weasley aus Eitelkeit ständig überfärbte).
Sogar sie selbst hatte mehr Anerkennung erhalten, als Nesthäkchen und einziges Mädchen in der Familie. Es war Rons Pech, dass er immer von Leuten umgeben war, die in der einen oder anderen Weise Aufmerksamkeit auf sich zogen. Damals in Hogwarts war es Harry gewesen. Und jetzt Hermine.
Unwirsch lehnte sich Ron nach hinten in seinen Sessel und presste die Lippen zusammen, bis er Ginnys Blick auffing und sich sofort um einen neutralen Gesichtsausdruck bemühte. Ungeduldig sah er in Richtung Diele, aber man hörte nur die schweren Schritte ihres Vaters, der offenbar die Treppenstufen empor stieg.
„...aber das ausschlaggebendste Indiz...", sagte Hermine gerade und holte damit Ginny mit in die Unterhaltung, „...war eine Videoaufnahme des Täters."
Sie zwinkerte Ginny zu. Dies war ein Beweis, den Hermine in ihrem Artikel zwar nicht erwähnt hatte, über den sie jedoch Ginny informiert hatte, die ihn den nun ermittelnden Auroren hatte zukommen lassen. Dank dieses wertvollen Hinweises war Ginny nun am Rande in die Ermittlungen eingebunden, jedenfalls soweit es für eine sich noch in der Ausbildung befindende Aurorin möglich war.
„Und darauf hatte die Polizei nicht reagiert?", wollte Mrs. Weasley verblüfft wissen und machte sich gleichzeitig mit der Teekanne zu schaffen, da sich ihr Zauberstab in einer Schale in der Küche befand. Misslaunig hielt Ron ihr seine Tasse hin und ließ sich nachschenken.
„Na ja, sie kennen die Aufnahme nicht", erklärte Hermine. „Der Junge aus der Nachbarschaft, der sie gemacht hat, war drei Wochen lang nicht in London gewesen. Und die Familie des... des Getöteten ist nicht gut auf die Polizei zu sprechen, weil das Verschwinden des Mannes lange nicht ernst genommen wurde. Er war ein Krimineller."
Hermine hatte Ginny ausführlich davon erzählt. Man hatte es bei der Muggelpolizei so interpretiert, dass der Mann lediglich seine Frau verlassen hatte und dadurch kostbare Zeit verloren.
„Und was sieht man auf der Aufnahme?"
Mrs. Weasley beugte sich gespannt nach vorne, so dass ihr die lockigen, roten Haare ein wenig ins Gesicht fielen; nachlässig strich sie sich diese zurück.
„Einen Mann mit erhobenen Zauberstab, der den späteren Toten dazu zwingt, das Grundstück zu verlassen. Woraufhin er bis zu seinem Tod in einem nahen Park nie mehr gesehen wurde", berichtete Hermine leise. Die Betroffenheit in ihrem Gesicht wurde von Mrs. Weasley eigener Empfindung gespiegelt.
Auch Ginny spürte erneut ein flaues Gefühl im Magen angesichts dieser Tat gegenüber einem wehrlosen Muggel. Es war schon ein wenig beängstigend, wie viele Morde dieser Zauberer offenbar durchgeführt hatte und sie hoffte inständig, dass sie es nicht erneut mit einem Magier zu tun hatten, der mehr als nur tote Muggel im Sinn hatte. Was schlimm genug war. Sie nahm eines der Kissen, das so nach zu Hause roch, wie es nur ein Gegenstand vermochte, der sich seit ihrer Kindheit im Fuchsbau befunden hatte, und drückte es an sich.
Allerdings rechnete Ginny damit, dass der Täter bald identifiziert werden würde. Die Aufnahme, von der Hermine ein Foto hatte machen können, war deutlich genug, um einen Verdächtigen überführen zu können und soweit sie erfahren hatte, standen bereits mehrere Zauberer im Fokus der Auroren.
„Haben die Auroren denn schon Verdächtige?", ließ sich nun unvermittelt Ron vernehmen, als hätte er geahnt, was ihr durch den Kopf ging, und auch die Köpfe der anderen beiden wanden sich neugierig Ginny zu.
„Schon ein paar", gab Ginny zu und trank einen Schluck von ihrem Tee.
„Irgendwelche Namen, die man kennt?", forschte Hermine nach und dachte vermutlich an die Blacks, deren Rassismus sie durch Sirius' alte Wohnung am Grimmauldplatz Nummer Zwölf zur Genüge kennengelernt hatten. Ginny schüttelte den Kopf.
„Ziemlich unauffällige Magier, deren einzig hervorstechende Merkmale sind, dass sie reinblütig sind und sich irgendwie verdächtig gemacht haben. Aber fragt mich nicht, wodurch."
Sie warf die Hände in die Luft, frustriert darüber, dass man ihr nicht mehr verraten hatte.
„Diese Handydinger von den Muggel, die hinterlassen Spuren. Also, man kann herausfinden, wo die Geräte gewesen sind, und damit auch ihre Besitzer", warf Ron ein. Ginny wusste, dass sich ihr Bruder ein wenig mit dieser Muggeltechnologie beschäftigt hatte, weil er einige Eigenschaften von diesen Geräten durchaus als sinnvoll auch für die Zaubererwelt erachtete. Wenn auch seine Begeisterung nicht so weit ging wie die ihres Vaters, der ganz aus dem Häuschen gewesen war, als er zum ersten Mal von den Eigenschaftes dieses Handys hörte.
Hatte Ron nicht davon erzählt, dass es im Ministerium eine Sonderarbeitsgruppe gab, die die Anwendungsmöglichkeit von Muggeltechnik in der Zaubererwelt prüfte, in der sowohl Ron als auch Harry mitarbeiteten?
„Also, wenn es das auch für Zauberstäbe gäbe...", begann Ron, brachte seinen Satz aber nicht zu Ende, da Hermine ihn unterbrach.
„Das hatten wir schon, Ron! Dann wäre man ja unter totaler Kontrolle", fauchte sie und funkelte ihn zornig an. Offenbar waren sie und Ron schon einmal bei diesem Thema aneinandergeraten. Mrs. Weasley zog für einen Moment verblüfft die Augenbrauen hoch, enthielt sich aber jeglichen Kommentars.
Nicht weniger verärgert gab Ron zurück: „Du kannst nicht abstreiten, dass es hier hilfreich wäre!"
Hermine schüttelte sich und erwiderte hitzig, ohne auf den konkreten Fallbezug einzugehen: „Mich gruselt es, darüber nachzudenken, was das Ministerium mit solch einer Information anfangen könnte!"
„Was ist denn das für eine Generalunterstellung! Ich arbeite dort, schon vergessen?", kam es bissig zurück.
Rons vorige schlechte Laune hatte sich durch diese Diskussion nicht im Geringsten verbessert, und Hermine sah aus, als würde sie mit sich kämpfen, ob sie diese Auseinandersetzung fortzuführen gedachte oder es vorzog zu schweigen. Sie warf einen raschen Blick hin zu Mrs. Weasley und formulierte dann ein wenig ruhiger:
„Ich vertraue natürlich dem von Richards geführten Ministerium. Aber haben wir nicht erlebt, wie schnell es gehen kann, dass dieses unterwandert wird? Und solch eine Möglichkeit der Kontrolle möchte ich dann nicht in den Händen von dunklen Magiern wissen..."
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