Kapitel 36

TRIGGERWARNUNG : Gewaltanwendung ( einige Absätze )
Wenn das für dich ein Thema ist, dann schreib mich gern direkt an und ich erzähle dir, worum es in diesem Kapitel geht.

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Ein lautes Knistern erfüllte den Raum mit der Verheißung von willkommener Wärme an diesem frostigen Tag. Das Feuer züngelte an den Holzscheiten entlang, umhüllte sie und ließ das trockene Material knacken. Orangegelbe Flammen drängten kraftvoll an den über ihnen liegenden Ästen vorbei nach oben,wo sie schließlich in unzählige Funken zerbarsten. An einem bislang freien Astleckten die ersten brennenden Zungen und es dauerte nicht lange, bis die Lohe ihnvoll und ganz umhüllte und er hinter einem glühenden Meer aus Gelb verschwand. 

Wenngleich es eingefasst von einem Kamin war, ging von dem Feuer dennoch eine unzähmbare Wildheit aus, die Bedrohung und Faszination zugleich war. Amber stand vor der Feuerstelle und beobachtete regungslos das Spiel der Flammen, spürte die von ihnen ausgehende Hitze. Sie war überaus zufrieden, denn bislang verlief alles so, wie sie es geplant hatte.

Es war ihr nach und nach gelungen, Harry Lebensfreude zurückzugeben und seine Schuldgefühle zu dämpfen – wenngleich sie wenig Verständnis für diese Empfindungen aufbringen konnte, die ihr selbst so fremd waren. Doch durch die Möglichkeit, die Gedanken ihres Gegenübers zu lesen, hatte sie die Kunst der Verstellung längst perfektioniert. Es gab niemanden, der ihre wahre Persönlichkeit kannte. Und schon gar nicht ihre wahre Herkunft. Amber drehte eine ihrer Strähnen um ihren Finger und lächelte maliziös. Auch wenn sie, um die Scharade aufrechtzuerhalten, Harry kurze Einblicke in ihre eigene, modifizierte Vergangenheit gewährte.

Selbstverständlich war die Behandlung einer Seelentrübnis keine Sache von wenigen Wochen. Aber Harry war imstande, den Job im Ministerium zur vollen Zufriedenheit der Zaubereiministerin auszufüllen und nicht mehr und nicht weniger hatte sie im Sinn gehabt. Der direkte Draht zur Ministerin war perfekt. Und längst hatte Amber bei den gelegentlich notwendigen Abendveranstaltungen des Ministeriums weitere Kontakte geknüpft.

Durch ihre ständige Anwesenheit in Harrys Haus – denn sie hatte das Angebot, bei ihm einzuziehen, ohne wahrnehmbares Zögern angenommen – war zudem sichergestellt, dass sie seinen Gedanken folgen konnte, so oft sie wollte. Selbst wenn sie gelegentlich wegen unterschiedlicher Meinungen, gering dosiert, aneinander gerieten, so war da doch kein Zweifel, kein Misstrauen von seiner Seite zu spüren.

Sein Vertrauen zu ihr war uneingeschränkt und machte jegliche Beeinflussung seiner Gedanken überflüssig. Es war leicht, Harry das zu geben, wonach er sich sehnte. Und mit der Zeit offenbarte sich Amber auf diese Weise auch Harrys Persönlichkeit, die geprägt war von Humor, Lässigkeit, Abenteuerlust, Loyalität und einer außergewöhnlichen Hilfs- und Opferbereitschaft. Und auch die Bedeutung seiner Freundschaft zu Ron und Hermine war unübersehbar.

Amber runzelte unweigerlich die Stirn und lockerte das Holz mit dem Schürhaken, um den Flammen mehr Nahrung zu geben. Das war ein Hindernis, das es noch aus dem Weg zu räumen galt. Das Problem Ron würde sich mit der Zeit ganz von selbst lösen, davon war Amber nach dem bisherigen Kennenlernen überzeugt.

Doch Harrys enge Beziehung zu Hermine stellte Amber vor gewisse Schwierigkeiten. Sie hatte sich mittlerweile den Treffen mit Ron und Hermine entzogen, unter dem Vorwand, sich in Hermines Gegenwart weiterhin unwohl zu fühlen. Aber natürlich war ihr nicht entgangen, dass Harry alles andere als glücklich über die fehlende Sympathie zwischen Hermine und ihr war.

Die leichte Kritik an Hermine, die sie neulich hatte anklingen lassen, hatte bei Harry Empörung ausgelöst. Zwar waren seine Worte vorsichtiger formuliert gewesen als die Gedanken, die ihm sogleich in den Kopf gekommen waren. Es war dennoch deutlich geworden, dass es sehr herausfordernd sein würde, Harrys Verbundenheit mit Hermine zuerschüttern. 

Negative Kommentare waren nun jedenfalls absolut zu vermeiden. Und wie es aussah, würde sie sich etwas Dramatisches einfallen lassen müssen, um Harrys Vertrauen in seine langjährige Freundin zu unterminieren. Oder sie musste dafür sorgen, dass ihr die kleine Schnüfflerin garantiert nicht mehr gefährlich werden konnte...

Ambers Blick war nachdenklich in den Raum hinein gerichtet, während sie automatisch Holz und Äste zur Seite schob. Angereichert mit zusätzlichem Sauerstoff begann das Feuer emporzulodern und wirbelte dabei einen brennenden Holzscheit in die Höhe, der Amber am Unterarm traf und abprallte. Mit einem Schmerzensschrei sprang Amber vom Kamin fort.

„Accio Zauberstab!"

Trotz der plötzlichen Pein im rechten Arm gelang es Amber gerade noch, die Flamme am Boden mit einem Wasseraufrufzauber zu löschen. Doch dann begann sich das Licht vor ihren Augen zu verdunkeln. Sie zwang sich die paar Schritte zum Sofa hinüber und ließ sich darauf fallen, bevor ein Gefühl übernahm, das ihr längst fremd geworden war. Schrecken. So sehr sie immer die Dunkelheit zu schätzen wusste – was sie jetzt überfiel war Finsternis. Eine Finsternis, die ihr Herz rasen und ihren Atem stocken ließ und im Nu jeden klaren Gedanken forttrieb.

„Hab ich dir nicht gesagt, dass du im Dunkeln über deine Missetaten nachdenken sollst?!"

Die Stimme war herrisch und kalt und gehörte der Hexe, die in einer dunklen Silhouette vor dem grellen Licht der Stube im Türrahmen stand. Dagegen war ihr Licht, das sie umhüllte und Trost spendete, nur klein. Sie hatte nichts gegen die Dunkelheit, solange sie dieses kleine Licht besaß, in dessen warmem Schein sie neugierig die umherhuschenden Mäuse beobachten konnte und die grauen Käfer, die schnell vor ihm in die Ecke flohen. Es war eine Möglichkeit, die Zeit totzuschlagen, die sich von Minuten zu Stunden wandelte.

Einmal war sogar eine hübsch gemusterte Schlange durch das vergitterte Fenster geglitten, anfangs kaum zu sehen vor dem Hintergrund der dunklen Nacht, doch unschwer zu hören für denjenigen, dessen Sinne aufs Äußerste angespannt waren. Denn das konnte sie gut, ihren besonderen Sinnen vertrauen, die ihr nicht nur das Herannahen anderer Lebewesen verrieten, sondern sie bei den Menschen auch deren Gedanken lesen ließen.

Die Schlange war ein willkommener Besuch gewesen, denn zu ihrer Entzückung hatte sie sich sogar mit ihr unterhalten können. Reglos hatte das Reptil ein Weilchen vor ihr gelegen und die Berührung der sanften Kinderhand geduldet, vielleicht sogar genossen, bis es sich mit einem fast schon schnodderig zu nennenden „Bis bald" verabschiedet hatte und wieder fortgeschlängelt war. Wenn die Schlange ihr Versprechen hielt, würde es beim nächsten Mal weniger langweilig sein...

„Ich rede mit dir, du Miststück!"

Das plötzlich grelle Licht, das aus dem Zauberstab ihrer Mutter drang, tat ihren Augen weh und sie musste diese einen Moment zukneifen. Hastig rutschte sie nach hinten, als sie deren Näherkommen spürte, aber sie kam nicht weit genug. Schon schloss sich eine Hand mit eisernem Griff um ihren Oberarm. Es tat weh, doch sie gab keinen Ton von sich und blinzelte schließlich in das helle Licht.

„Hat dein Vater dir das Licht gezaubert, Mandy?", kam es aus dem zu einer Fratze verzerrten Gesicht.

Sie spürte den Zorn der Hexe über ihren Ehemann und spürte auch ihren eigenen Ärger ansteigen, der sich mit der Empörung über ihre Strafe und ihrer Wut darüber, Mandy genannt zu werden, vermischte. Offenbar war das in ihrem Blick zu lesen, denn ihre Mutter wandte sich einen kurzen Moment lang ab, bevor sie ihre Finger dann noch fester in den dünnen Arm ihrer Tochter bohrte und kreischte:

„Hat er das?! Amanda!"

Das Letzte kam sarkastisch heraus. Erstaunliche Willenskraft für eine Vierjährige, fuhr es ihrer Mutter gleich danach verdrossen durch den Kopf.

Amanda schüttelte stumm den Kopf und wusste es besser, als mit piepsiger Stimme einen Laut von sich zu geben. Denn sie unterdrückte ihre Angst mittels ihres Zorns nur notdürftig. Das nächtliche Einsperren im dunklen Keller war nur eine der Maßnahmen, die ihre Mutter ersonnen hatte, um angebliches Fehlverhalten zu bestrafen, und beileibe die harmloseste. Denn das, was sie mit Hilfe ihres Zauberstabes an Amanda bewirken konnte, war es nicht.

Ihre Mutter fasste sie an den Schultern und beugte sich zu ihr hinunter, so dass ihre Gesichter nur Zentimeter voneinander entfernt waren, ihre Stimme war auf einmal erstaunlich ruhig.

„Wie lange hast du dieses Licht schon, Amanda? Seit gestern Abend? Und du hast es selbst hervorgerufen?"

Amanda nickte vorsichtig. Sie wusste nicht, wie sie es tat, aber das Licht stellte sich ein, sobald ihre Gefühle sie im Keller zu überwältigen drohten. In diesem Moment glitt etwas über das Gesicht ihrer Mutter, das am ehesten als Schock zu beschreiben war.

Bei Merlin, das kann doch nicht... Wie lange hatten wir nicht...?

Es waren nur noch Bilder im Kopf ihre Mutter zu erkennen, die Amanda jedoch nicht verstand. Die damit verbundenen Gefühle hingegen spürte sie hingegen sehr wohl: erst Erschrecken, dann dämmerndes Begreifen, Furcht und anschließend eine plötzlich brennende Entschlossenheit.

„Nun denn", befand ihre Mutter und starrte Amanda mit einem unheilvollen Grinsen an. „Dann wollen wir doch gleich mal klarstellen, wer hier das Sagen hat!" Die nächsten Gedanken standen wieder so klar vor Amanda, als hätte ihre Mutter sie tatsächlich ausgesprochen:

Ich muss dieses Teufelsbalg ein für alle Mal in ihre Schranken weisen, bevor ihre Fähigkeiten möglicherweise zu mächtig werden. Sie muss lernen, wem sie zu gehorchen hat! Und der dunkle Lord darf von ihrer Existenz nie etwas erfahren! Warum hätte es nicht wenigstens ein Sohn sein können, dann hätte sich das ganze Zurückstecken wenigstens gelohnt.

Ihre Mutter erhob sich und richtete den Zauberstab auf sich selbst, leise „Protego" murmelnd.

Anschließend riss ihre Mutter sie mit einem Ruck so heftig nach vorne, dass sie taumelte und einen Aufschrei nicht unterdrücken konnte. Zu ihrer Wut und Verzweiflung konnte sie gegen die physische Kraft ihrer Mutter nichts ausrichten und fühlte sich die Treppe hochgezerrt, wobei sie schmerzhaft mit ihren Beinen über die Stufen schrammte.

Sie betraten kurz darauf die Stube. Amanda konnte die plötzliche Furcht ihrer Mutter, die sich hinter deren Aggressivität verbarg, spüren, doch es nützte ihr nichts – sie war zu klein, um etwas gegen deren Stärke ausrichten zu können. Sie fühlte allerdings Wut in sich lodern und die Luft begann um sie herum zu vibrieren. Doch die Hand ihrer Mutter blieb, wo sie war, und ließ nicht ein Jota nach.

Mit der anderen Hand sorgte ihre Mutter dafür, dass sich Tür und Fenster verschlossen und überrascht realisierte Amanda, dass sie diesmal offenbar in der Stube bleiben würden. Ihre Mutter schubste sie auf einen Stuhl und donnerte:

„Wage es nicht, dich zu rühren!"

Anschließend murmelte ihre Mutter einen für Amanda unhörbaren Zauberspruch und ein teuflisches Grinsen zog über ihr Gesicht.

„Wenn ich heute mit dir fertig bin, wirst du es nie wieder wagen, dich gegen mich zu stellen, das verspreche ich dir!", zischte sie ihrer Tochter zu und bei den Einzelheiten, die Amanda in den Gedanken ihrer Mutter sah, überflutete das Mädchen pure Angst.

Doch noch bevor sich die magische Kraft, die sie in Zeiten der Not unwillkürlich entwickelte, einstellen konnte, fand Amanda die Bewegung ihrer Arme und Beine durch einen Zauber blockiert. Ihre magische Fähigkeit war nicht groß genug, ihr jetzt Flucht oder Verteidigung zu ermöglichen. Wenn sie bloß erst einen Zauberstab hätte... dieser allein gebot Macht über alles und jeden ...

Der Stab in der Hand ihrer Mutter zitterte und ruckelte unter deren fassungslosem Blick und widersetzte sich dem Bemühen, ihn ruhig zu halten. Mit einer Plötzlichkeit, die Amanda nicht vorhergesehen hatte, schritt ihre Mutter auf den Kamin zu, entnahm ihm einen brennenden Ast und drehte sich wieder zu ihrer Tochter um. Im Bruchteil einer Sekunde las Amanda die Absicht ihrer Mutter in deren Gedanken und ein schrilles, panisches „Neeeeiiin! Mami, neeeeiiin!", entwich ihrem Mund. Und dann war da nur noch der Geruch verbrannter Haut und ein Schmerz, der alles sprengte, was sie bisher erlebt hatte, und der nicht enden wollende Schrei aus ihrem Mund...



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