Kapitel 10
Hermine dachte an Bellatrix Lestrange und unwillkürlich zog sich alles in ihr zusammen, trotz der Temperaturen durchfuhr sie ein Schauder.
„Und da fragst du ausgerechnet mich?", flüsterte sie schwach und Draco hatte den Anstand, verlegen den Blick von ihr abzuwenden.
Die Erinnerung an das, was Bellatrix Hermine auf dem Anwesen der Malfoys angetan hatte, war in beider Gedächtnis präsent. Aufgewühlt blickte Hermine ins Geäst einer nahen Eiche, von der herab vielfältiges Vogelgezwitscher zu hören war und gab schließlich tonlos von sich:
„Frag doch im Ministerium nach."
„Glaubst du, das habe ich nicht schon gemacht?", kam es gereizt von Draco und bitter konstatierte er: „Aber die erzählen mir und meiner Mutter natürlich nichts."
Hermine konnte es dem Ministerium nicht verdenken, dass diese es vorzogen, die Familie eines inhaftierten Todessers im Unklaren darüber zu lassen, was mit einer weiteren Anhängerin Voldemorts passiert war.
„Aber ich muss es wissen!", begehrte Draco ungestüm, fast zornig auf, so dass seine Augen plötzlich ungemein dunkel wirkten. Hermine trat unweigerlich einen Schritt zurück, presste ihre Tasche an sich und wehrte entschlossen ab:
„Ich weiß darüber auch nur das, was in den Zeitungen steht. Da müsstest du schon Ron direkt befragen. Oder seine Schwester."
Draco schnaubte.
„Als wenn diese Blu...", er korrigierte sich rasch, „...die mir etwas sagen würden." In seinem Blick lag auf einmal etwas Bittendes. „Aber du ... du könnest es herausfinden."
Seine impulsive Berührung von Hermines Schulter kam für beide unerwartet und als hätte sie sich verbrannt schüttelte Hermine seine Hand hastig ab. Dadurch enthüllte Dracos hochgerutschter Ärmel den Grund für seine wettermäßig unpassende Kleidung. Wie ein Gruß aus der Vergangenheit starrte das dunkle Mal auf Dracos Unterarm ihr entgegen und wenn es auch blass und unscheinbar war, so war Hermine dennoch unfähig, den Blick davon abzuwenden. Zügig bedeckte Draco die eingebrannte Tätowierung wieder mit seinem Shirt und befreit von der Erinnerung an düstere Zeiten kommentierte Hermine mit allem Sarkasmus, den sie aufzubringen imstande war:
„Warum sollte wohl ein Schlammblut einem Todesser einen Gefallen tun?!"
Ein Zucken fuhr über Dracos Gesicht, von den Augen bis hinunter zu seinem Kiefer, dessen Anspannung seinem Gesicht die vorige Lässigkeit nahm. Leise, aber klar gestand er:
„Ich hatte keine Wahl, Hermine. Ich musste zustimmen. Was glaubst du, was er mit meinen Eltern gemacht hätte, wenn ich mich geweigert hätte?!"
Und obwohl Hermine im Prinzip die Zwänge, unter denen Draco gestanden haben musste, sachlich nachvollziehen konnte, war ihre Verachtung nur allzu deutlich.
„Feigling!"
Es war lediglich ein Wort, aber es knallte durch die sonnenflirrende Luft wie ein Peitschenschlag.
„Du...du verstehst das nicht!"
Draco hatte jegliche Contenance verloren und die Augen, die auf einen Punkt irgendwo hinter ihr ins Leere blickten und etwas sahen, was sich niemandem sonst offenbarte, machten deutlich, wie aufgewühlt er war.
„Du hast ihn nie vor dir gehabt. Wenn er vor einem stand, mit seinen glühenden Augen und dem falsch-freundlichen Lächeln, dann...", er fuhr sich fahrig durch die Haare, „...du konntest an gar nichts Anderes mehr denken, als das zu sagen, was er hören wollte, damit er dich bloß schnell in Ruhe lässt..."
Es war nicht mehr nur die Hitze, die Schweißtropfen auf Dracos Stirn zum Vorschein brachte und die Neigung des Kopfes zurück zu ihr bat um Verständnis für sein Handeln, doch das ließ Hermine ungerührt. Brüsk entgegnete sie:
„Harry hat mehrere Male vor ihm gestanden. Und sich nie so... so jämmerlich verhalten!"
Angesichts Hermines abfälliger Worte überzog eine zarte Röte Dracos Gesicht, aber entgegen ihrer Erwartung blieb er regungslos vor ihr stehen und sah sie einen Moment schweigend an, bevor er mit dem Versuch, das ruhmlose Thema abzuschließen, zwischen zusammengepressten Lippen von sich gab:
„Jedenfalls bin ich – anders als die Anderen – nicht freiwillig zum Todesser geworden. Das Mal und seine Folgen werde ich aber wohl den Rest meines Lebens ertragen müssen. Entfernen lässt es sich nicht."
Mit zurückkehrendem Selbstbewusstseins schob er dann die Schultern nach hinten und fuhr entschlossen fort:
„Ich habe Dumbledore nicht getötet, obwohl es mein Auftrag war, und ich die Chance dazu hatte. Und ich habe meine Jugendstrafe abgebüßt. Es gibt also keinen Grund, mir die Vergangenheit weiter vorzuhalten!"
Seine plötzliche Offensive nahm Hermine den Wind aus den Segeln, zumal sie sich seinen Argumenten auch nicht ganz entziehen konnte.
„Wie dem auch sei", ruderte sie zurück und sah angelegentlich auf die Rasenfläche zu ihrer Linken, deren Halme längst bessere Tage gesehen hatten und die von der Sonne verbrannt mehr schlecht als recht den Anschein einer gepflegten Grasfläche erweckten.
„Bei Bellatrix kann ich dir nicht helfen. Ich bin einfach nur erleichtert, dass sie tot ist!"
Letztes wurde mit Inbrunst hervorgestoßen und schwungvoll warf Hermine ihre offenen Haare nach hinten und machte Anstalten, sich der Mensa zuzuwenden, überzeugt davon, dass das Gespräch oder was immer es gewesen war nun beendet war.
Doch Draco sah das offenbar anders. Er trat einen Schritt auf sie zu und brachte mit unerwartet sanfter Stimme seine Anteilnahme zum Ausdruck.
„Ich verstehe das."
Mit einem undefinierbaren Ausdruck in den Augen sah er Hermine an und ergänzte in ungewohnt verlegenen Worten:
„Bella war schon etwas...speziell."
„Speziell???"
Die Empörung in Hermines Antwort war unüberhörbar und ließ ihren Zorn erneut aufflammen.
„Sie war einfach nur grausam!"
Draco widersprach nicht, er senkte den Blick und studierte seine Schuhe, die, wie Hermine nicht umhin kam zu bemerken, hochwertig verarbeitet waren und lediglich ein paar Spuren des trockenen Staubs aufwiesen, der auf den Wegen lag.
„Aber sie war dennoch die Schwester meiner Mutter und ich verdanke ihr ein paar meiner Fähigkeiten", ließ sich Draco schließlich behutsam vernehmen, bevor er aufblickte und Hermines Blick suchte. „Könntest du nicht einfach deinen Freund im Ministerium fragen? Ich muss einfach wissen, wie sie gestorben ist."
Und jetzt hatte Dracos Frage deutlich den Anflug einer Bitte, die es Hermine schwer machte, sie abzulehnen. Um Zeit zu gewinnen erkundigte sie sich verwirrt:
„Warum? Reicht es nicht zu wissen, dass mit ihr die Letzte der Todesser gestorben ist?"
„Sie war kein Todesser", widersprach Draco automatisch.
„Bitte???" Hermine runzelte die Stirn, davon ausgehend sich verhört zu haben.
„Sie war kein Todesser", wiederholte Draco schlicht. „Der dunkle Lord hielt nicht viel von Frauen. Es gab kaum welche in seinem Umkreis. Natürlich, klar, nutzte er Bellas ständige Bereitschaft, alles für ihn zu tun. Aber selbst sie hätte er nie in sein Gefolge aufgenommen."
Überrascht von den neuen Informationen, die jedoch nichts an ihren Gefühlen gegenüber Bellatrix änderten, gab Hermine lediglich ein unverbindliches „Ach" von sich.
„Und nein. Nein, es reicht nicht!", fuhr Draco anschließend, an Hermines Frage anknüpfend, mit Nachdruck fort und seine Stimme hatte dabei den Tenor desjenigen angenommen, der entschlossen ist, die Wahrheit herauszufinden.
Nachdenklich betrachtete Hermine den Zauberer vor sich, dessen Erregung sie sich nicht entziehen konnte, und mit dem für sie typischen Interesse, immer allem auf den Grund gehen zu müssen, fragte sie erneut:
„Warum ist das wichtig?"
Der mit einem Schweigen unterlegte Blick, das Kinn entschlossen nach vorn gereckt, aber mit Augen, die sein Misstrauen nicht verhehlten, machten deutlich, dass Draco abwog, wie viel er für die benötigte Unterstützung zu geben bereit war. Ungeduldig befingerte Hermine das filigrane Armkettchen, das Ron ihr zum letzten Geburtstag geschenkt hatte, und gab schließlich geschäftsmäßig klingend von sich:
„Du willst meine Hilfe. Dafür will ich aber wissen, warum."
Draco musterte sie noch einmal nachdenklich und erklärte dann mit leichtem Widerwillen:
„Es gibt nicht viele, die willens und gleichzeitig fähig wären, meine Tante zu töten. Soweit ich weiß sind das nur Potter und das Ministerium. Da man aber davon ausgehen kann, dass unser Held mit seinem geliebten Expelliarmus-Zauber bei Bella nicht weit käme und seine Weigerung, einen unverzeihlichen Fluch anzuwenden, allgemein bekannt ist...", er schnaubte mehr belustigt als verächtlich, „...dürfte er es also kaum gewesen sein. Die Dummköpfe vom Ministerium hingegen sind sicherlich mehr daran interessiert, Bella vor Gericht zu bringen und sie lebenslänglich nach Azkaban zu schicken, als ihr einen sofortigen Tod zuzugestehen."
Unvermittelt zog ein schmerzhafter Ausdrück über sein Gesicht und es war nicht schwer zu erraten, dass er vermutlich an seinen Vater dachte. Hermine selbst empfand keinerlei Bedauern darüber, dass Lucius Malfoy zu Azkaban verurteilt worden war. Es war mehr als gerechtfertigt. Bellatrix Lestrange hingegen hatte mit ihrem schnellen Tod leider unverschämtes Glück gehabt, fuhr es ihr durch den Kopf. Mehr als alles andere hätte sie es verdient, erneut unter den Dementoren zu leiden. In Anbetracht der ganzen Grausamkeiten, die Dracos Tante so vielen Menschen hatte angedeihen lassen, war das Schicksal manchmal einfach zutiefst unfair.
Draco hatte inzwischen fröstelnd die Arme um seinen Oberkörper geschlungen und sah mit hart aufeinandergepresstem Kiefer zu Boden. Hermine hatte keine Ahnung, wie nahe er seinem Vater gestanden hatte und es interessierte sie auch nicht. Vielleicht dachte er auch nur daran, wie knapp er selbst dem Zauberergefängnis entgangen war. Vermutlich waren die weitverzweigten Beziehungen seiner Familie zu diversen Stellen dabei überaus dienlich gewesen, dachte Hermine leicht spöttisch. Narcissa Malfoy hatte mit Sicherheit alles in ihrer Macht Stehende getan.
Andererseits... hatte sie nicht damals davon gelesen, dass sich Draco in seinem letzten Schuljahr absolut unauffällig verhalten und sich offenbar nur auf seine Abschlussprüfungen konzentriert hatte? Mit den Carrows auf Hogwarts hätte es unendliche Möglichkeiten gegeben, sich als wahrer Todesser zu gebärden... Anders als Crabbe und Goyle im Raum der Wünsche hatte er jedoch nicht versucht, einen von ihnen zu töten. Zudem hatte er Harry auf Malfoy Manor geschützt.
Forschend starrte Hermine auf den blonden Magier vor sich, dessen unergründlicher Blick weiterhin auf dem Boden verharrte. Sie mochte sich kaum vorstellen, wie es sein musste, in einer Familie von Voldemort-Anhängern aufzuwachsen. Womöglich war es familiärer Druck gewesen, der Draco dazu gebracht hatte, die Reihen der Todesser zu verstärken. Oder ein Befehl Voldemorts...
Dracos plötzliche Bewegung ließ sie zusammenzucken. Mit einem entschlossenen Gesichtsausdruck hatte den Kopf gehoben und setzte die Unterhaltung fort, als hätte es keine Pause gegeben:
„Dennoch ist sie tot, aus, wie es heißt, ungeklärter Ursache."
Seine Skepsis war unüberhörbar. Mit nachdrücklichem Blick sah er Hermine an und ließ sie dann nicht mehr länger auf seine Schlussfolgerung warten:
„Wenn es also weder Potter noch die Handlanger des Ministeriums waren – wer hat dann ein Interesse daran, dass meine Tante tot ist? Wem nützt es?"
Überrascht weiteten sich Hermines Augen. Denn das war eine Frage, zu der auch sie im Moment keine Antwort wusste.
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Hi ihr Lieben, ich hoffe, das Aufeinandertreffen von Hermine und Draco hat euch gefallen.
Und wer könnte Bellatrix' Tod verursacht haben?
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