Kapitel 19: Im Büro des Schulleiters
Sie saßen in der Falle und es war allein Vicas Schuld. Sie hatte ihre Freunde zu der Aktion überhaupt erst überredet. Der Plan war, zugegeben, nicht ganz durchdacht, doch sie hätte auch nicht ahnen können, dass der Basilisk sofort zu ihr rennen würde, sobald sie rief. Sollte er durch die Tür brechen wären sie alle tot oder versteinert. Vica zweifelte nicht daran, dass der Basilisk sie erledigen würde, sobald er erkannte, dass es nicht seine Herrin war, die zu ihm sprach.
"Stopp!", rief sie in Parsel in einem verzweifelten Versuch, ihn aufzuhalten bevor es zu spät war. "Komm nicht näher"
Erneut hörte sie das Klatschen eines riesigen Leibes auf Steinfliesen. Sie mochte es sich einbilden, doch es klang... frustriert.
"Will töten... Will zerfleischen", jammerte der Basilisk und jetzt war sich Vica sicher, dass er sich im Flur vor der Toilette befand. Doch er bewegte sich nicht weiter.
"Geh zurück in deine Kammer", befahl Vica. "Die Zeit ist noch nicht reif"
"So hungrig..." Wieder ein Klatschen, als klatschte der Basilisk wütend seinen Schwanz gegen die Wand. "Lass mich fressen, lass mich töten"
"Nein!", setzte Vica nach mit so viel Selbstsicherheit, wie sie aufbringen konnte. "Zurück in deine Kammer bevor dich jemand sieht. Sofort!"
Ein lautes wütendes Zischen ertönte, das sie alle erzittern ließ. Erneut schlug der Basilisk gegen die Wand, doch dieses Mal schien es schon leiser zu sein, als hätte das Monster kehrt gemacht. Es ging zurück!
Vor Erleichterung stützte sich Vica auf die Knie und atmete laut aus. Ein unterdrückter Schluchzer lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihre Freunde. Diana saß zusammengekauert am Boden, die Hände auf die Augen gedrückt und ihr Körper bebte. Tröstend hatte ihr Bruder die Arme um sie geschlungen und wiegte sie sacht. Bei dem Anblick bildete sich ein Kloß in Vicas Hals. Als sie ihre Idee vorschlug hatte sie gar nicht daran gedacht, was alles hätte schief gehen können. Wenn einem ihrer Freunde etwas zugestoßen wäre, hätte sie sich das niemals verzeihen können.
Schuldgefühle nagten an ihr, doch ein kleiner Teil ihres Gehirns mahnte sie, die Gelegenheit jetzt nicht ungenutzt verstreichen zu lassen.
"Wir sollten ihm hinterher gehen", brachte Vica mit belegter Stimme zögerlich hervor. "Das ist unsere Chance die Kammer zu finden"
"Bist du völlig irre?!", quickte Diana und hob den Kopf. Ihre Augen waren rot und verquollen. "Das Vieh hätte uns beinahe umgebracht!"
Luna tätschelte ihr die Schulter und sah mit schief gelegtem Kopf zu ihrer Zimmergenossin. "Das war jetzt nicht sehr taktvoll, Vica"
Vica biss sich auf die Unterlippe. "Es tut mir leid... Ich wollte euch nicht in Gefahr bringen, aber wenn ich nicht hinterher gehe war das heute völlig umsonst"
Sie drehte sich um und stürmte aus dem Badezimmer, ehe einer der anderen sie aufhalten konnte. Der Flur war leer, doch sie meinte sich zu erinnern, dass das Monster ihrem Gehör nach von links kam, also entschied sie sich für diese Richtung. Doch schon am Ende des Korridores war sie sich unsicher. Mit ihrem Handspiegel schielte sie in alle Ecken und Winkel, drehte sich mehrfach um die eigene Achse, doch nirgendwo konnte sie einen Schlangenleib entdecken. Vermutlich war der Basilisk längst wieder in einem seiner Abflussrohre verschwunden. Er war mit Sicherheit schneller als sie. Vica könnte noch einmal nach ihm rufen, in der Hoffnung, seine Antwort könnte ihr eine ungefähre Ahnung von seinem Aufenthaltsort geben, doch was wäre wenn er noch in der Nähe war? Ihre Hände zitterten bei dem Gedanken daran. Doch diese Angst musste sie jetzt in Kauf nehmen. Entschlossen ballte sie die Fäuste.
"Hörst du mich?", rief sie in Parsel, lauschte hochkonzentriert und mit geschlossenen Augen auf die Antwort.
"Miss Harrison? Was bei Merlins Bart haben Sie da vor?"
Langsam öffnete Vica die Augen und sah in das erschrockene Gesicht von Professor Sprout. Die sonst so gut gelaunte Dame konnte ihre entgleisten Gesichtszüge nicht verbergen. Hatte sie Vicas Ruf in der Schlangensprache gehört und war dem Laut gefolgt?
"Ich... Ich schwöre, dass ich nur die besten Absichten hatte", fing Vica an, doch Professor Sprout schüttelte energisch den Kopf.
"Ich will gar keine Erklärung hören. Professor Dumbledore gab uns strikte Anweisungen, was zu tun ist, wenn ein Schüler die neuen Regeln bricht"
Der Ausdruck in ihren Augen wurde weicher, als sie Vicas zitternden Hände bemerkte.
"Professor Dumbledore wird sich mit Ihnen in seinem Büro unterhalten und über alles weitere entscheiden"
Sie legte eine Hand an Vicas Schulter und führte sie zielsicher zum Büro des Schulleiters, das sich in einem Turm auf der Westseite des Schlosses befand. Auch wenn Vica sich bisher nicht gerade bemüht hatte, Ärger fern zu bleiben, hätte sie doch niemals erwartet gleich im ersten Schuljahr in Dumbledores Büro geschickt zu werden. Während des gesamten Weges betete sie inständig darum, dass der Basilisk zurück in seiner Kammer wäre und sie nicht gerade jetzt erwischte. Sicherheitshalber warf sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit einen Blick in ihren Spiegel. Dann wanderten ihre Gedanken zu dem Gespräch, das vor ihr lag. Was sollte sie Dumbledore erzählen? Die Wahrheit? Als sich vor ihr der Wasserspeier aufbaute, der den Eingang des Büros bewachte, wurde es ernst. Der Druck von Professor Sprouts Hand auf ihrem Rücken verstärkte sich.
"Himbeermarmeladenkekse", nannte die Lehrerin für Kräuterkunde das Passwort und der Wasserspeier sprang beiseite um den Blick auf eine enge Wendeltreppe freizugeben. Mit einem kleinen Schubs und einem aufmunterndem Nicken gab Professor Sprout Vica zu verstehen, dass diese alleine die Treppe hochsteigen sollte. Immerhin vertraute sie Vica wohl soweit, dass sie diese nicht selbst beim Schulleiter anmeldete. Zögerlich folgte Vica der Treppe bis sie vor einer schlichten Holztür endete, deren auffälligstes Merkmal ein Türklopfer in Form eines Greifen war. Seltsamerweise tröstete sie der Anblick, da der Greif sie an den bronzenen Adler im Ravenclawturm erinnerte. Vica griff nach dem Türklopfer und ließ ihn aufs Holz schlagen.
"Ja, bitte?", hörte sie Dumbledore von innen sagen und trat ein.
Das Büro sah wesentlich freundlicher aus, als sie es sich vorgestellt hatte. Groß, rund und gemütlich wirkte es, mit einem prasselnden Feuer im offenen Kamin. Die Wände waren mit einem Meer aus Büchern und Porträts ehemaliger Schulleiter geschmückt, kleine Tische waren vollbeladen mit allerlei merkwürdigen Instrumenten, die munter vor sich hin surrten und dampften. Doch am beeindruckendsten fand Vica den prächtigen Phönix, der sich auf seiner Stange neben der Tür das scharlachrote Gefieder richtete.
"Hallo, du", begrüßte Vica ihn leise und das Tier hob den Kopf. Seine Augen musterten Vica neugierig.
"Ein eindrucksvolles Tier, nicht wahr?", sagte Dumbledore plötzlich neben ihr und Vica zuckte erschrocken zusammen. Er fuhr mit dem Zeigefinger sacht über die Bauchfedern des Phönix und zu Vicas Verwunderung schien dieser die Geste sehr zu genießen.
"Fawkes ist schon seit vielen Jahren mein treuer Begleiter"
"Er ist wunderschön", sagte Vica und meinte es auch so. Fawkes neigte seinen Kopf und blinzelte, als hätte er ihr Kompliment verstanden.
"Faszinierende Wesen diese Phönixe", fuhr Dumbledore fort. "Ein Symbol für den ewigen Kreislauf des Lebens. Unsterblichkeit, wie unsereins sie nie erlangen wird"
Vica musterte ihn von der Seite. Seine Haltung war entspannt, dennoch wirkte er in seinen burgunderfarbenen Roben und dem hüftlangen silbernen Bart sehr eindrucksvoll. Es war eine Sache, ihn am Lehrertisch zu sehen und eine andere, ihm plötzlich so nahe zu sein. Das schlechte Gewissen nagte an ihr.
"Professor..."
"Du hast die neuen Regeln missachtet, die ich vor wenigen Stunden erst aufgestellt habe?"
"Ja, Sir"
"Ich nehme an, dass du dafür einen triftigen Grund hattest"
"Den hatte ich, Sir"
"Hm"
Der Professor wandte sich ab und ging gemächlich zu dem imposanten Schreibtisch in der Mitte des Raumes. Als er Platz nahm deutete er auf den Stuhl ihm gegenüber und Vica beeilte sich, darauf Platz zu nehmen.
"Zitronendrops?", bot Dumbledore an und schob ihr eine Schale voll Bonbons zu. Automatisch griff Vica danach und schob sich einen der sauren Drops in den Mund. Abwartend faltete Dumbledore die Hände vor der Brust und musterte sie über die Gläser seiner Halbmondbrille hinweg.
"Professor Sprout hat mich im dritten Korridor gefunden und hergebracht", sagte Vica schließlich. Sie wusste nicht, wo sie sonst anfangen sollte zu erzählen. Der intensive Blick, mit dem Dumbledore sie bedachte, machten sie nervös, doch sie wollte auf gar keinen Fall mehr Preis geben als unbedingt nötig. Dafür waren zu viele andere noch in der Sache verwickelt.
"So wie ich Professor Sprout kenne, wird sie das nicht nur getan haben, weil sie dich auf einem Gang zur Toilette erwischte", stellte Dumbledore mit ruhiger Stimme und leicht amüsiert fest.
"Sie hat gar nicht erst gefragt, wo ich hin wollte"
"Das ist ungewöhnlich"
"Es könnte daran gelegen haben, dass ich kurz zuvor auf Parsel in den Gang geschrien habe"
"Das könnte Professor Sprout wohl verunsichert haben" Dumbledore nickte zustimmend und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Die Porträts an den Wänden begannen zu tuscheln und Vica erkannte in ihnen einige bekannte Schulleiter und Schulleiterinnen von Hogwarts. Sie kam sich vor, als säße sie bei einer Gerichtsverhandlung und die Jury war jetzt schon gegen sie.
"Ich konnte schon immer Parsel sprechen und ich kann es zwar nicht erklären, aber ich bin mir sicher, dass Parsel der Schlüssel zur Kammer des Schreckens ist. Das heißt aber nicht, dass ich die Kammer geöffnet habe. Ich schwöre bei meinem Leben, dass ich das nicht war und auch keine Ahnung habe, wer das getan hat"
"Das habe ich auch nie behauptet"
Seine scheinbar grenzenlose Ruhe brachte Vica noch mehr aus der Fassung, als hätte er sie angeschrien. Sie war es gewohnt gegen Vorwürfe anzukommen. Wie sollte sie sich verteidigen, wenn er sie gar nicht anklagte?
"Wollen Sie denn gar nicht mehr wissen?", fragte sie verwundert und Dumbledore beuge sich verschwörerisch vor.
"Möchtest du mir denn etwas anvertrauen?"
Jetzt wäre die Gelegenheit, Dumbledore von allem zu erzählen, das sie wusste, doch irgendetwas hielt sie zurück.
"Ich hätte ein paar rein hypothetische Überlegungen", sagte sie stattdessen und bemerkte das belustigte Funkeln in Dumbledores Augen. "Angenommen, man wäre in der Lage, das Monster aus der Kammer zu hören und hätte eine berechtigte Vermutung, was es für ein tödliches Wesen sein könnte... Würde es zur Schließung der Schule führen, wenn man es jemanden mitteilt?"
"Es könnte durchaus sein, dass man es für sicherer erachtet, die Schüler zu evakuieren bis das Monster gefasst wäre. Doch das könnte so oder so bereits jeden Moment der Fall sein, wenn wir die Lage nicht in den Griff bekommen"
"Und die Person, die das Monster hören könnte, dürfte wohl nicht bei der Jagd helfen, solange sie minderjährig ist, richtig?"
"Davon ist auszugehen"
"Selbst wenn die Jagd ohne ihre Hilfe aussichtslos wäre?"
"Oh, ganz besonders dann", sagte Dumbledore. "Der Hochmut ist eine der schwersten Sünden, er macht die Menschen blind und taub. Welcher jahrelang praktizierende Zauberer würden sich wohl eingestehen, dass er Hilfe von einer minderjährigen Schülerin benötigt?"
"Also würde es rein gar nichts bringen, wenn die minderjährige Person das Monster identifiziert?"
"Es würde dem Schrecken ein Gesicht verleihen, so viel steht fest"
"Aber würde es wirklich von Nutzen sein? Man wüsste zwar, wonach man sucht, aber nicht wo. Ich bin mir sicher, sobald der Erbe mit den Schülern evakuiert wird, verschwindet das Monster wieder in der Kammer. Man hat die Schule schon sooft durchkämmt, wieso sollte man den Eingang dieses Mal finden?"
"Das ist eine berechtigte Frage. Wenn Salazar Slytherin tatsächlich diese Kammer in Hogwarts vor den anderen Gründern verstecken konnte, immerhin drei der mächtigsten Magier ihrer Zeit und Erbauer von Hogwarts, muss sie mit unglaublich mächtigen Zaubern geschützt sein"
"Denken Sie dabei an Blutzauber, Sir?", fragte Vica.
"Das wäre Magie in einer ihrer dunkelsten Formen, Veronica. Es wäre, rein hypothetisch, um es mit deinen Worten auszudrücken, durchaus möglich, dass der Schlüssel zur Kammer im Blut der Erben liegt. Doch ein solcher Zauber hinterlässt Spuren die sich kaum verbergen lassen, nicht einmal von Slytherin selbst"
"Wenn es nicht das Blut selbst ist, dann etwas anderes, das sich vererben lässt. Ein Gegenstand vielleicht?"
"Möglicherweise", sagte Dumbledore nickend und musterte Vica abwartend, fast ein wenig neugierig. "Diese Möglichkeit habe ich in Betracht gezogen. Doch dann erinnerte mich eine junge Schülerin daran, dass es noch andere Dinge gibt, die eine Familie von Generation zu Generation weitergibt. Dinge, die sich nicht einfach in den Koffern eines Schülers verstecken lassen"
Es wurde still zwischen ihnen. Vica fühlte, dass Dumbledore erwartete, dass sie selbst auf die Lösung kam und ging in Gedanken ihr Gespräch noch einmal Wort für Wort durch, bis ihr endlich ein Licht aufging.
"Fähigkeiten!", sagte sie aufgeregt.
"Du hast selbst behauptet, Parsel wäre der Schlüssel zur Kammer des Schreckens", erinnerte Dumbledore sie sanft.
"Nicht nur, um das Monster zu verstehen, sondern auch, um sie zu öffnen", überlegte Vica laut. "Wenn man den Erben fassen möchte, sollte man sich also zuerst auf alle Parselmünder konzentrieren und..."
Vica brach ab, dachte an Harry und dann an sich selbst.
"Sie glauben doch nicht, dass Harry und ich es waren, oder Professor?", fragte sie.
"Es wäre ein logischer Gedanke, sich auf die Schüler zu konzentrieren, die sich bereits als Parselmünder bekannt haben und zudem an einem oder mehreren Tatorten gesichtet wurden", antwortete Dumbledore. "Doch ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich die Lösung eines Rätsels nicht immer so eindeutig ist, wie sie zu sein scheint"
"Wenn ich der Erbe wäre, würde ich ganz sicher niemandem erzählen, dass ich Parsel spreche", sagte Vica. "Ich würde auch ganz sicher niemals meine eigenen Freunde versteinern"
"Das sind genau die Art von Ungereimtheiten, die so manch einen Verdacht von einem ablenken, in der Tat"
"Ich war das nicht, Professor!" Vica sprang von ihrem Stuhl auf, die Hitze schoss ihr in die Wangen. "Im Gegenteil, seit diese Angriffe passieren versuche ich herauszufinden, wer dahinter steckt! Ich verbringe Stunden in der Bibliothek, wälze Bücher, erstelle Karten,... Ich bin ganz sicher keine Reinblutfanatikerin, die meisten Familien würden mich ja nicht mal als Reinblüterin zählen, obwohl meine Großeltern allesamt zaubern konnten und um ehrlich zu sein, juckt mich das auch nicht"
Dumbledore blieb während ihres Ausbruches vollkommen ruhig, die Hände ganz entspannt vor der Brust gefaltet.
"Hätte ich dich, rein hypothetisch, jemals verdächtigt, so würden mir jetzt durchaus Zweifel an deiner Schuld kommen"
"Ich fürchte, diese hypothetischen Überlegungen bringen uns nicht weiter, Professor", sagte Vica frustriert.
"Noch einen Zitronendrop?"
"Ja, bitte"
Während Vica an ihrem zweiten Drop lutschte, erhob sich Dumbledore und schritt hinter seinem Schreibtisch auf und ab.
"Ich fürchte nur, dass uns nicht viel Zeit für weitere Gedankenspielereien bleibt, Veronica. Ich erwarte den Zaubereiminister in Kürze und- wie ich fürchte, auch eine Eule der Schulräte. Da ich nicht weiß, ob ich in naher Zukunft in der Lage sein werde, die Ausführung einer Bestrafung deines Regelverstoßes zu überwachen, schlage ich vor, dass wir diese ganz unter den Tisch fallen lassen"
Fast hätte sich Vica an ihrem Drop verschluckt. "Sie wollen mich nicht bestrafen?"
"Ich halte es dennoch für ratsam, wenn du in es in Zukunft unterlassen würdest, die Kammer auf eigene Faust finden zu wollen", sagte Dumbledore und hielt inne. "Es ist mir nicht entgangen, dass Harry und du ein größeres Interesse an der Kammer hegt, als euch gut tut. Nicht alle Lehrer werden dieses Interesse richtig zu deuten wissen"
"Es tut mir leid, Professor. Ich will die Regeln ja nicht absichtlich brechen, es ist nur...", wollte Vica erklären, aber Dumbledores erhobene Hand brachte sie zum Schweigen.
"Manchmal fällt es schwer, die Methoden und Anordnungen der Älteren zu akzeptieren, besonders in jungen Jahren. Man fühlt sich unbesiegbar und glaubt, alles besser machen zu können. Doch in Zeiten wie diesen müssen wir einander vertrauen"
Er ging zurück zu Fawkes und wandte Vica den Rücken zu.
"Professor Sprout wartet sicher unten und wird dich zurück zum Ravenclawturm geleiten. Sie und die anderen Lehrer haben bisher nur Gutes über dich verlauten lassen. Wenn du dich weiterhin bemühst, wird aus dir sicherlich eine großartige Hexe werden. Ich hoffe nur, dass du deine Fähigkeiten richtig zu verwenden weißt"
"Danke, Professor" Vica stand auf und ging zur Tür, nicht ohne noch einmal einen Blick auf Dumbledores Rücken zu werfen. Seine Worte klangen wie ein Abschied. Von dem Gespräch verwirrt kehrte Vica zurück in den siebten Stock, wo Professor Sprout mit gezücktem Zauberstab umher tigerte.
Als sie Vica entdeckte huschte ein erleichtertes Lächeln über ihr Gesicht. Ohne sich zu erkundigen, wie denn das Gespräch mit dem Schulleiter lief, winkte sie Vica, ihr zu folgen.
"Sie wirken ein wenig verstört, meine Liebe", stellte Sprout fest.
"Glauben Sie, dass ich etwas mit den Versteinerungen zu tun habe, Professor?"
Sprout rückte ihren Spitzhut zurecht und nahm sich Zeit für ihre Antwort.
"Ich habe Sie als eine interessierte und intelligente junge Hexe kennengelernt. Sie haben ein großes magisches Talent, sind schnell gelangweilt und finden Dinge lieber selbst heraus, als sich Hilfe zu suchen. Ich fürchte auch, dass Ihnen Regeln nicht allzu viel bedeuten", sagte sie schließlich. "Doch ich sehe ebenfalls, wie aufgeschlossen Sie Ihren Mitschülern gegenüber sind. Sie wollen zwar selbst keine Hilfe, doch helfen gerne anderen. Ich glaube nicht, dass Sie jemandem etwas antun würden und Dumbledore sieht das sicherlich genauso, sonst wären Sie jetzt nicht hier"
Sie kniff Vica aufmunternd in den Arm, um ihre Worte zu unterstreichen. Vica bedankte sich mit einem Lächeln.
"Nun aber auf, es ist schon bald Sperrstunde", trieb Sprout sie an und begleitete sie bis zum bronzenen Türklopfer des Ravenclawgemeinschaftsturmes.
"Sie müssen nicht bleiben, Professor", sagte Vica mit Blick auf den Adler.
"Oh doch, ich muss doch sicherstellen, dass du wirklich hinein gelangst. Außerdem habe ich noch nie miterlebt, wie der Adler ein Rätsel stellt. Das lasse ich mir nicht entgehen", erwiderte ihre Lehrerin.
Der Bronzeadler öffnete derweil den Schnabel und krächzte:
"Die Armen besitzen es, die Glücklichen brauchen es, doch isst du es, so stirbst du. Was ist es?"
Professor Sprout blies die Wangen auf. "Du liebe Venemosa, da lobe ich mir doch die alten Passwörter und Geheimverstecke"
Vica ließ sich davon nicht beirren und überlegte. Was besaßen Arme? Ihr Leben? Doch das besaßen alle und brauchten alle. Außerdem konnte man es nicht essen. Was hatten Arme noch? Wenig bis nichts, sonst wären sie nicht arm. Natürlich, das war die Antwort!
"Die richtige Antwort lautet: Nichts", sagte Vica überzeugt.
"Sehr schnell gedacht", lobte der Adler und die Tür zum Gemeinschaftsraum schwang auf. Vica sah zu Professor Sprout, die ihr einen sanften Schubs Richtung Tür versetzte.
"Rein mit dir. Kein Herumstreunern mehr. Dieses Mal hast du Glück gehabt, doch wenn dich das nächste Mal ein Lehrer in den Gängen erwischt, wird es nicht mehr so glimpflich ausgehen", warnte Sprout und Vica gehorchte eilig. Sie wollte ihre Kräuterkundelehrerin nicht noch mehr gegen sich aufbringen.
Kaum war die Tür hinter ihr zugefallen, als sich eine Gestalt von vorne gegen sie warf und die Arme um ihren Hals schlang. Es war nur ihrer antrainierte Balance zu danken, dass sie nicht ins Straucheln geriet.
"Wie konntest du nur so blöd sein, Ronnie?", schimpfte Diana und drückte Vica noch fester. "Das Vieh hätte dich umbringen können"
Vica strich ihr sanft über den Kopf. Hinter ihr konnte sie die besorgten Gesichter von Damian und Luna ausmachen. "Keine Sorge, Di. Mir geht es gut"
Das Mädchen löste sich von ihr nur um ihr einen heftigen Schlag gegen den Oberarm zu versetzen. "Mach das nie wieder"
Auch Luna umarmte Vica erleichtert während Damian etwas betreten daneben stand und sich in den Nacken fasste.
"Das hätte echt übel enden können, Ronnie. Wir sind dir zuerst hinterher, aber dann kam eine Lehrer-Patrouillier vorbei und wir sind an ihnen vorbei zurück in den Turm geschlichen. Als du dort nicht warst und nicht nachkamst, waren wir kurz davor, den Lehrern alles zu erzählen"
"Ich war bei Dumbledore. Der Basilisk ist mir entwischt"
"Du wurdest zum Schulleiter beordert? Musst du jetzt Strafdienst leisten?", fragte Diana.
"Er hat mich laufen lassen"
"Dumbledore weiß, dass du unschuldig bist", sagte Luna voller Überzeugung und Vica zuckte mit den Schultern.
"Das behaupten alle, außer er selbst. Jedenfalls hat er es so direkt nicht gesagt"
Den restlichen Tag verbrachten alle Schüler im Turm und es dauerte nicht lange, bis sie sich wie Gefangene fühlten. Es war eine Sache, freiwillig den gesamten Tag in einem der Sessel zu verbringen und zu lesen, doch eine ganz andere, wenn einem keine andere Wahl blieb. Vica fragte sich wirklich, wie lange sie das alle aushalten mussten. Sie selbst war jetzt schon furchtbar unruhig und hibbelig, was dazu führte, dass sie den Unterricht am nächsten Tag mit glühendem Eifer herbei sehnte, nur um etwas Abwechslung zu bekommen.
Hätte sie gewusst, welche Nachrichten sie am nächsten Tag erwarten würde, hätte sie die letzten Stunden der vermeintlichen Ruhe mehr genossen.
Als Flitwick am nächsten Morgen erneut im Gemeinschaftsraum stand, dachten sich die meisten Schüler zunächst nichts dabei. Ein paar mutmaßten darüber, ob ein erneuter Angriff stattfand, doch ein Großteil glaubte einfach, dass Flitwick sie zum Frühstück begleiten würde, wie es am Vortag angekündigt wurde. Dann bemerkten sie die Schriftrolle in seinen Händen und Angst verbreitete sich unter ihnen wie ein Leuchtfeuer.
"Ich habe eine traurige Nachricht für Sie alle", verkündete Flitwick. "Gestern Nacht haben die Schulräte entschieden, Professor Dumbledore bis auf Weiteres zu beurlauben. Professor McGonagall wird als Schulleiterin einspringen, bis er zurückkehrt. Zudem wurde unser geschätzter Wildhüter, Rubeus Hagrid, auf Anweisung des Ministers in Untersuchungshaft genommen"
Die darauffolgende Stille war erdrückend. Ohne Dumbledore fühlte sich niemand mehr sicher. Auch Vica verlor das letzte bisschen Hoffnung, dass die Lehrer die Lage in den Griff bekommen würden, bevor es zur Schulschließung käme. Wer hatte nur diese hirnverbrannte Idee, den mächtigsten Zauberer seiner Zeit in dieser gefährlichen Zeit abzusetzen? Und wer würde ausgerechnet Hagrid verdächtigen, einen Halbriesen mit dem freundlichen Gemüt eines Knuddelmuffs?
Die Fragen konnte sie sich schon nach kurzer Zeit selbst beantworten. Draco Malfoy prahlte am Slytherintisch lauthals mit dem Einfluss seines Vaters. Er war der einzige, den die neuen Umstände nicht nur völlig kalt ließen, sondern sich auch noch an ihnen erfreute. Er stolzierte durch die Schule als könnte ihm nichts und niemand etwas anhaben, was dazu führte, dass seine Freunde es ihm gleich taten.
Während sich in den kommenden Tagen und Wochen kaum noch Schüler trauten, in den Gängen zu lachen oder sonstige Späße zu treiben, waren es nur noch die Sprosse der alten Reinblüterfamilien, die mit beschwingtem Schritt und erhobenen Hauptes durch die Gänge liefen. Auch Odilla Burke lachte nur über die Geschehnisse mit einer Häme, die alle vor den Kopf stieß.
"Als Reinblüterin habe ich wohl kaum etwas zu befürchten", sagte sie und warf sich die blonden Haare über die Schulter. "Was interessieren mich die Schlammblüter?"
Sie waren auf dem Weg zum Klassenzimmer für Verwandlung, Professor Sinistra führte ihre Schülergruppe zielstrebig an. Seit sämtliche ihrer Unterrichtsstunden nur noch am Tag stattfinden durften und sich auf reine Theorie beschränken mussten, hatte sie viel ungewollte Freizeit und spielte öfters den Begleitschutz für sie. Odilla, die mit Scarlett und einem abwesend wirkenden Mädchen namens Euphrosyne Longstaff das Schlusslicht bildete, nutzte den Abstand zur Professorin geflissentlich aus.
"Wenn sie schlau wären, würden die alle in den nächsten Zug steigen und nach Hause fahren. Dann wären die sicher in ihren Muggelhäusern und für uns gäbe es überhaupt keinen Grund mehr, die Schule zu schließen", sagte sie zu ihren Freundinnen.
"Du bist noch blöder als du aussiehst", fauchte Cammie sie an. "Hoffentlich erwischt das Monster dich als nächstes. Du hast genügend Schandflecke unter deine Ahnen, vielleicht sogar noch schlimmere als jeder Muggelstämmige"
Jocelyn, die ganz blass und still neben Cammie herlief, sah sie dankbar an, Cammies unglückliche Wortwahl ignorierend. Seit Penelope attackiert wurde, eine Person, die Jocelyn aus tiefstem Herzen bewunderte, sprach sie kaum noch ein Wort. Sie verließ den Gemeinschaftsraum nur zum Unterricht und besuchte nicht einmal die Bibliothek aus Angst vor einem Angriff. Vielen Muggelgeborenen erging es ähnlich. Pixie und Cammie hatten es sich zur Gewohnheit gemacht, Jocelyn stets in ihre Mitte zu nehmen, wenn sie irgendwohin gingen und Jocelyn war für diese kleine Geste mehr als dankbar.
Odilla verzog das Gesicht zu einer wütenden Grimasse. "Wie kannst du es wagen..."
"Lass gut sein, Odilla", unterbrach sie Scarlett mit einem Augenrollen. "Diese Angriffe sind kein Spaß, wir sitzen alle im selben Boot"
"Ich wiederhole nur, was Draco gesagt hat", rechtfertigte sich Odilla empört und erntete einen erneuten giftigen Blick von Cammie.
"Er hat auch nicht immer Recht", sagte Scarlett schlicht und straffte ihren Pferdeschwanz. Die Diskussion war für sie damit beendet.
Tatsächlich legte Odilla den restlichen Weg zum Klassenzimmer schweigend zurück, wenn auch schmollend.
Es überraschte Vica zu sehen, wie diese Krise sie einander näher brachte. Schülerinnen und Schüler aller Häuser halfen und unterstützten einander wie sonst nur selten. Vica selbst hatte überall das Gerücht in die Welt gesetzt, dass ein Basilisk in der Kammer versteckt sei und war mehr als erleichtert zu sehen, wie viele Schülerinnen und Schüler inzwischen mit Handspiegeln durch die Gegend liefen, auch wenn nicht alle daran glaubten.
Diana hatte sich ein Beispiel an Luna genommen und in jeder Tasche mindestens einen Spiegel versteckt. Wenn sie durch die Gänge liefen, hatte sie den Blick stets gesenkt und sich bei einem anderen Mitschüler eingeharkt, um ganz sicher zu gehen. Erst gestern hatte Vica auch Darcy Gamp mit einem Handspiegel um die Ecke schielen sehen. Als Vica sie fragte, ob sie sich auch vor dem Monster fürchtete, erwiderte sie ernst:
"Wenn der Erbe nur ein kleines bisschen wie meine Großeltern denkt, bin ich die Nächste"
Noch nie wurden die Worte Blutsverräter, Schlammblüter und Blutschande öfter in den Mund genommen, als zu diesen Zeiten. Auch wenn es nur hinter vorgehaltenen Händen geschah, hörten die Lehrer es, gab es im besten Falle Punktabzug, im Schlimmsten gleich eine saftige Strafarbeit. Nicht nur die Schüler waren angespannt. Mit Ausnahme von Lockhart, der die Sache mit Hagrids Verhaftung als erledigt ansah, waren alle Lehrer in höchster Alarmbereitschaft. Sie warteten nur auf den nächsten Angriff oder darauf, dass jemand in den Krankenflügel einbrach und die Versteinerten endgültig erledigte, weshalb Madam Pomfrey die ihr anvertrauten mit Argusaugen bewachte und sämtliche Besuche untersagte.
Es frustrierte Vica ungemein, dass sie seit der neuen Regelverkündung nie die Gelegenheit hatte, mit Harry und Ron zu sprechen. Ständig stand sie unter Beobachtung und bei den Essenszeiten war es inzwischen verboten, den Tisch zu verlassen, bis die Mahlzeit beendet war. Vica wusste, dass ihr nicht viele Möglichkeiten blieben. Es war der gute alte magische Papierflieger, der es letztendlich schaffte, die Aufmerksamkeit der beiden Gryffindors auf sich zu ziehen. Er traf Ron am Kopf, geriet ins Strudeln und legte eine Bruchlandung auf seinem Teller hin. Harry, der die Gesten von Vica richtig zu deuten wusste, faltete den Flieger auseinander.
"Wir müssen uns treffen, ich habe Neuigkeiten. Nach dem Essen warte ich vor der großen Halle. V.", hatte sie in Eile auf das Papier gekritzelt. Vielleicht hätte sie sich mit ihrer Schrift etwas mehr Mühe geben sollen. Harry überflog die Zeile und reckte einen Daumen in die Höhe zum Zeichen, dass er verstanden hatte. Vica tat das Gleiche.
Nach dem Essen, als sich ein Tisch nach dem anderen erhob um, angeführt von einem Lehrer, zurück in die Schlafsäle zu gehen, ließ sich Vica bis ganz nach hinten fallen, den Blick immer wieder zurück zur Tür wandernd.
Als Harry und Ron endlich mit den Gryffindors hinter her kamen, schnappte sich Vica beide und redete sofort flüsternd drauf los und zwar in einem Tempo, das sogar Diana Konkurrenz machen könnte. Sie wollte keine Zeit verlieren und erzählte knapp von ihrer Recherche und dem Basilisken, ihrem gescheiterten Versuch, den Eingang der Kammer zu finden und von dem Gespräch mit Dumbledore. Als sie geendet hatte, war ihr Mund ganz trocken, doch niemand außer den beiden Jungs schien gelauscht zu haben. Sie hatten Glück, dass ihre Gemeinschaftsräume beide in den oberen Stockwerken lagen, das schenkte ihnen wertvolle Minuten.
"Bist du dir ganz sicher?", fragte Harry leise.
"Zu etwa achtzig Prozent", sagte Vica ebenso leise.
"Das würde wirklich passen. Wir haben auch etwas erfahren. Bevor sie Hagrid mitgenommen haben, hat er gemeint, wir sollten den Spinnen folgen, wenn wir mehr herausfinden wollen"
Vica sah Harry aufgeregt an. "Den Spinnen folgen? Natürlich, das ergibt Sinn"
"Ich versteh kein Wort", mischte sich Ron ein.
"Erinnerst du dich an den Korridor, wo wir Justin gefunden haben, Harry?", sagte Vica und Harrys Augen hinter den Brillengläsern weiteten sich.
"Die Spinnen, die alle in einer Reihe aus dem Fenster geflohen sind. Genau wie in dem Gewächshaus heute. Sie fliehen alle vom Schlossgelände in Richtung Wald"
"Im Gewächshaus?"
"Ach, unwichtig", winkte Harry ab. "Der Punkt ist, jetzt wissen wir, wo wir suchen sollen"
"Da gibt es nur ein Problem: Im Moment kommen wir nicht einmal auf die Toilette, ohne dass es ein Lehrer mitbekommt. Wie wollen wir da in den Verbotenen Wald gehen?"
Ron und Harry tauschten einen wissenden Blick.
"Wir haben eine Lösung, aber wir müssen warten, bis alle zu Bett sind und es nicht auffällt, dass wir fehlen", sagte Harry. "Schaffst du es nach Mitternacht vor deinem Gemeinschaftsraum zu stehen ohne, dass dich jemand sieht?"
"Das sollte ich hinkriegen", meinte Vica zögerlich. "Doch was ist dann? Man wird uns doch sehen, selbst wenn wir die Geheimgänge nutzen"
"Lass das mal unsere Sorge sein", sagte Harry mit einem verschmitzten Grinsen im Gesicht.
***
Hallo ihr meine lieben Potter-Fans!
Ich habe eine kurze Frage an euch: Was findet ihr besser, lange oder kurze Kapitel? Beziehungsweise, was ist für euch die perfekte Länge?
Ich überlege gerade, ob kürzere und dafür mehr Kapitel sinnvoller wären. Bisher habe ich mich immer an der Kapitellänge der Originalbücher (mal mehr mal weniger genau) orientiert.
Schreibt eure Meinung gerne in die Kommentare, ich bin gespannt, was ihr so denkt.
Eure 𝓔𝓿𝔂𝓷𝓷𝓮
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