Kapitel 15: Master Mastles Sammelsurium der Monster & Bestien

Ginny und Vica sahen einander an, ihre Gesichter strahlten.

"Luna!", riefen sie gleichzeitig und stürmten zur Tür. Mr Lovegood lächelte ihnen freundlich entgegen. Sein Umhang hatte die Farbe von blühendem Klatschmohn und war auffälliger, als ein bunter Hund. Neben ihm war seine Tochter Luna schon fast unnatürlich schlicht in einen dunkelblauen Mantel gekleidet, der sich perfekt in die Muggelwelt einfügte. Ihre großen Augen weiteten sich noch mehr, als sie Ginny und Vica hinter Mr Harrison entdeckte und ein liebenswürdiges Lächeln erschien auf ihrem Gesicht.

Obwohl sie sich erst vor drei Tagen gesehen hatten, umarmte Vica Luna herzlich, als wären Monate vergangen. Mr Harrison nahm Mr Lovegood Lunas Koffer ab und bat beide herein. Vicas Großmutter, die schon immer außergewöhnlich gute Ohren hatte, setzte bereits Teewasser auf und stellte die Weihnachtskekse bereit, die Vica und Ginny am Morgen gebacken hatten. 

Mrs und Mr Preston begrüßten die Neuankömmlinge freundlich und unterhielten sich mit Mr Lovegood angeregt über dessen Zeitschrift, auch wenn sie über viele der Verschwörungstheorien nur den Kopf schüttelten. Mr Harrison war sichtlich verloren in der Übermacht der Magiebegeisterten. Routiniert servierte er den Tee, damit er wenigstens etwas zu tun hatte, denn die Mädchen bezogen ihn auch nicht gerade in ihre Gespräche über die vergangenen Tage ein. 
Luna lobte das Haus und die Einrichtung. 
"Die vielen Menschen machen es glücklich, das kann man sehen. Es ist nicht gerne einsam", sagte sie und Vica gab ihr Recht. 
Luna trug das Freundschaftsarmband, das Vica ihr zu Weihnachten geschenkt hatte. Sie hatte es selbst geflochten aus Bändern in unterschiedlichen Blautönen und mit Glasperlen verziert. Es war eine hübschere Version der verschlissenen Bänder, die sie selbst um ihre Handgelenke trug. Obwohl Vica bettelte und flehte wollte Luna ihr nicht verraten, wer oder was sich auf dem Bild befand, das sie für Ginny gemalt hatte, doch da beide so ein Geheimnis aus der Sache machten, war sich Vica inzwischen ziemlich sicher, dass niemand anderes als Harry dort verewigt war. 

Der Unterschied zwischen zwei Vätern könnte wohl kaum größer sein, als der zwischen Mr Lovegood und Mr Harrison. Der eine sah mehr Magie und Verschwörung als jeder Zauberer und der andere würde am liebsten gar keine sehen. Das kreative Chaos traf auf die penible Ordnung eines Pragmatikers. Doch der Schicksalsschlag als allein erziehender Vater für eine junge Hexentochter sorgen zu müssen, verband sie, auch wenn beide ganz unterschiedlich damit fertig wurden, dass ihre Frau so früh verstarb. Tatsächlich erwärmte sich Mr Harrison für Lunas Vater im Laufe des Gesprächs, das konnte Vica deutlich erkennen und es freute sie. 
"Xenophilius, bleiben Sie doch zum Abendessen", schlug Mr Harrison gerade vor und Mr Lovegood beugte sich verschwörerisch vor. 
"Nennen Sie mich doch Xenos, Anthony. Wir sind schließlich unter uns"
Mrs Preston legte vorwurfsvoll ihre Stirn in Falten. "So, so. Du lädst andere einfach zu dem Abendessen ein, dass sicher wieder ich kochen darf. Das sind mir ja Sitten"

Aber sie lächelte dabei und als Mr Harrison ihr schmeichelte, dass er einfach auch nach jahrelanger Übung nicht an ihre Kochkünste heranreichte, wurde sie sogar ein wenig rot. Schon lange hatte Vica ihren Vater nicht mehr so gelöst gesehen. Ihr war nie in den Sinn gekommen, dass er ebenso wie sie seine Familie und Freunde in Amerika zurückließ, als er in die alte Heimat England zog. 

Am Ende kochte Mrs Preston nicht alleine, sondern bekam Hilfe von Luna, Ginny und Vica und auch Mr Preston. Da dieser sich jedoch als furchtbar ungeschickt im Umgang mit Pfannen und heißem Öl erwies, wurde er kurzer Hand der Küche verwiesen, gemeinsam mit einer kühlenden Salbe gegen die Verbrennungen. Da Mr Harrison zu beschäftigt war, um ihnen nachzuspionieren, zückte Mrs Preston den Zauberstab und nahm ihn munter zur Hilfe. 

"Solche Haushaltszauber sind die nützlichsten Sprüche, merkt euch die gut! Von ihnen habt ihr später am meisten, wenn ihr erst ausgezogen seid. Oder ihr schafft euch einen Mann an, der das für euch erledigt", sagte sie zu den Mädchen und summte eine fröhliche Melodie, während sie geschäftig die Töpfe und Pfannen dirigierte. 

Nach einem leckeren und lebhaften Abendessen verabschiedete sich Mr Lovegood schließlich und drückte seine Tochter fest an sich. Als die Höflichkeit in Person reichte er natürlich auch Ginny und Vica die Hand und küsste den Handrücken von Mrs Preston, nicht ohne ihr außerdem einige Komplimente zum Essen zu machen. Ihr Ehemann schmunzelte, als er sah, wie sie sich vor Verlegenheit wand.  

"Schön, dass es Ihnen so gut geschmeckt hat", sagte Mrs Preston schließlich. "Nehmen Sie doch etwas mit nach Hause, es ist noch reichlich da"
Sie verschwand in der Küche und tauchte wenige Sekunden später mit einer abgedeckten Auflaufform wieder auf, die sie Mr Lovegood in die Hände drückte. 

"Da muss ich ja nicht verhungern, wenn meine liebste Luna fort ist", sagte er schmunzelnd und Luna lächelte. 

Als sich die Tür schließlich hinter ihrem Vater schloss, verschwand ihr Lächeln. "Ich habe noch nie bei Freunden übernachtet"
"Das macht doch nichts", sagte Vica aufmunternd. "Das ist fast das gleiche wie in Hogwarts, nur ohne Hausaufgaben und Unterricht. Und mit mehr Spaß"
"Und mir mir", zwitscherte Ginny fröhlich. "Endlich seid ihr zwei nicht mehr auf der anderen Seite des Schlosses"
"Ich habe alles schon durchgeplant", verkündete Vica dann grinsend. "Morgen zeige ich euch London und meine ganzen Lieblingsplätze, es ist jetzt wunderschön mit all der Weihnachtsdekoration überall. Übermorgen gehen wir dann mit Dad, Grandma und Grandpa in den Hydepark, denn dort ist seit November ein riesiges Winterwunderland aufgebaut. Das habe ich letztes Jahr total geliebt!"
Luna und Ginny nickten begeistert. 
"Ich wollte schon immer mal Schlittschuh fahren gehen", sagte Luna schwärmend und Vica erzählte ihr von der Eisbahn im Hydepark und von der direkt neben der Tower Bridge, die zwar wunderschön, aber oft ganz schön überfüllt war. 
Sie legte verschwörerisch einen Finger an die Lippen und senkte die Stimme. "Dad schaut sich London immer auf die Muggelart an, aber es gibt einige Orte, die mit einem Zauberstab noch wesentlich cooler sind"

"Was denn für Orte?", wollte Ginny sofort wissen.
"Seht ihr dann morgen, mehr verrate ich nicht"

Obwohl die Mädchen in der Nacht vor lauter reden kaum ein Auge zu getan hatten, wachten sie am nächsten Morgen zeitig auf. Mr Harrison hatte Lunas Bett zum Glück ebenfalls in Vicas Zimmer unterbringen können. Obwohl das zweite Gästezimmer durchaus schön war, wäre es sehr schade gewesen, wenn sie getrennt hätten schlafen müssen. Das zerstörte doch den Sinn einer Übernachtungsfeier! Oder, in ihrem Fall, einer Übernachtungswoche. 
Mrs Preston erwartete sie bereits mit einem leckeren Frühstück in der Küche. Vicas Vater saß im Anzug an der Kücheninsel und blätterte konzentriert im Tagespropheten. Er sah erst von seiner Lektüre auf, als sich die Mädchen zu ihm setzten. 

"Du gehst heute arbeiten?", fragte Vica zwischen zwei Bissen Toast und ihr Vater bejahte. 
"Ich muss schauen, was sich in den letzten Tagen ereignet hat. Das sollte jedoch recht schnell gehen, ich bleibe nicht lange"
Vica war davon nicht überzeugt. Eine steile Falte bildete sich zwischen ihren Augenbrauen als sie sagte: "Du hast doch Urlaub"
Mr Harrison lächelte nachsichtig. "Nicht jeder kann sich den Urlaub auch nehmen, nur weil er einem zusteht" 
Dann faltete er den Tagespropheten ordentlich zusammen, gab Vica zum Abschied einen Kuss auf den Scheitel und ignorierte die vorwurfsvollen Blicke seiner Schwiegermutter. 

"Ich wünsche euch viel Spaß heute, Mädchen. Zum Abendessen bin ich wieder da"
Dann verließ er sie und Vica sah ihm mit gerunzelter Stirn hinterher. Erst, als Mr Preston in die Küche kam, hellte sich ihre Miene wieder etwas auf, denn er hatte einige Briefe dabei. 

Für Vica kam ein Brief von Pixie, in dem sie ihr auf zwei Seiten ausführlich ihre unendliche Langeweile schilderte. Der Weihnachtsball der Malfoys war offenbar eine Katastrophe gewesen, zumindest für Cammie, da ausgerechnet Odilla Burke dort mit ihrer Mutter und ihrem Onkel aufgetaucht war. Anscheinend hatte sie Cammie versehentlich ihren Punsch über das teure Kleid geleert und Cammie war für wenige Minuten zum Gespött des Saales geworden, bis ihre wütende Mutter das Kleid mit einem Spruch schnell wieder in Ordnung brachte. Natürlich machte niemand Odilla für das Missgeschick einen Vorwurf und das ärgerte Cammie, doch noch schlimmer für sie war, dass Draco ebenfalls über sie lachte. Jetzt durfte sich Pixie abwechselnd die Hasstiraden auf Odilla und das wehleidende Gejammer über die Blamage vor Draco anhören und nutzte nun jede Gelegenheit, um Cammie für den Rest der Ferien aus dem Weg zu gehen. Außerdem warnte Pixie Vica in ihrem Brief eindringlich davor, Cammie zu dem Thema zu schreiben. Einmal angefangen, würde sie dann nicht mehr damit aufhören sich bei Vica auszuheulen.
Vica hatte Mitleid mit beiden. Dagegen waren ihre Ferien ein Traum, auch wenn oder gerade weil kein einziger Ball darin vorkam.
Jocelyn schrieb Vica auch ein paar Zeilen. Hauptsächlich wünschte sie ihr frohe Weihnachten, einen guten Rutsch und fragte nebenbei, ob sie denn schon alle Hausarbeiten erledigt habe und ob Vica sich vorstellen könne, ihr nach den Weihnachtsferien Master Dorovans Buch der Heiltränke auszuleihen. 
Als Vica Ginny und Luna davon erzählte, schmunzelten beide. 
"Sie erinnert mich an Hermine", meinte Ginny. "Nur nicht ganz so nett"
Vica, die Hermine auch schon von ihrer nicht ganz so netten Seite erlebt hatte, schwieg zu dem Kommentar. Tatsächlich hatten Jocelyn und Hermine viel gemeinsam. Beide waren sie muggelstämmig und stürzten sich auf die Zauberei, die sie vorher so nie kannten und konnten all die nicht verstehen, die es nicht genauso taten. Ein Wunder, dass Jocelyn sich so gut mit Pixie und Cammie verstand. Vielleicht klappte ihre Freundschaft aber auch genau deswegen so gut, weil sie ganz anders waren als Jocelyn selbst. Die beiden waren für sie keine ernsthafte Konkurrenz, während sie in Vica immer eine Art Rivalin sah und sich gleich persönlich angegriffen fühlte, wenn Vica sie in irgendeinem Fach übertraf. 

Von Fred, George und Lee kam kein weiterer Brief, was eigentlich auch kein Wunder war. Sie alle drei waren furchtbar schreibfaul. Vica konnte sich schon glücklich schätzen, dass sie überhaupt zwei Nachrichten von ihnen hatte. Vermutlich schreiben sie ihr noch einmal zu ihrem Geburtstag und das war es dann für den Rest der Ferien. Ginny hatte Vica erzählt, dass es schon immer so war. Ihre Eltern bekamen öfter Briefe von den Professoren aufgrund ihres schlechten Benehmens als von ihnen selbst.  

Nach dem Frühstück verabschiedeten sich die Mädchen fröhlich und hochmotiviert von Mr und Mrs Preston, die sie mehrfach ermahnten auf sich Acht zu geben, und zogen sich ihre Wintermäntel über. Voller Vorfreude verließen sie das Haus und überließen Vica die Führung, die, ganz Touristenführerin, in die Hände klatschte und ihre Freundinnen anstrahlte. 
"So", verkündete sie professionell. "Jetzt gehen wir erst einmal underground

Sie zog die neugierige Luna und die etwas verwirrte Ginny hinter sich her und führte sie zu einer nahe gelegenen U-Bahn-Station. Wobei nahe gelegen, vermutlich der falsche Begriff war, schließlich mussten sie ein ganzes Stück zu Fuß gehen, ehe sie dort ankamen. Doch immerhin hatten die drei so die Gelegenheit, die schönen alten Londoner Häuser zu betrachten und natürlich über Chelseas berühmteste Einkaufstraße, der Kings Road, zu schlendern. Neben edlen Modeboutiquen standen altmodische Pubs mit schwarzen Gitterfenstern und und Holzschildern und traditionellen Familienbetrieben. Was Vica an der Straße am meisten gefiel, war das Fehlen der modernen Betonklötze, die in London inzwischen überall zu finden waren. Hier waren die Fassaden noch geschmückt und die Häuser aus altmodischem Backstein mit weißem Stuck. Hin und wieder fuhr auch einer der berühmten roten Busse an ihnen vorbei.
"Im Sommer", erklärte Vica. "Sieht man in ganz London die Touristen hinter den Bussen herjagen. Nur hier sind sie eher selten. Das ist die Straße der echten Londoner"

Luna und Ginny sahen sich interessiert alles an, hielten an den verschiedenen Schaufenstern und pressten sie Gesichter gegen die Scheiben. 
"Touristen...", sagte Vica seufzend und pfiff laut auf zwei Fingern, damit ihre Freundinnen sich wieder ihr zuwandten. Sie klappte einen kleinen roten Taschenregenschirm auf, den sie aus ihrem Rucksack holte und hielt ihn hoch in die Luft. "Folgt dem Regenschirm und bleibt bei der Gruppe"

Sie wedelte mit dem Schirm in der Luft herum, was ihr einige befremdliche Blicke der vorbei gehenden Passanten einbrachte.
"Spiel dich nicht so auf", sagte Ginny lachend und riss Vica den Schirm aus der Hand. "Geh einfach weiter, wir kommen ja schon"
 

Als der Springbrunnen des Sloane Squares in Sicht kam, winkte Vica ihren Freundinnen, sich etwas zu beeilen. Während sie die Treppen zur Station runter stiegen, kamen ihnen viele Muggel mit Handys entgegen, die überhaupt nicht auf sie achteten undsich gelegentlich beschwerten, wenn sie ihnen nicht schnell genug beiseite gingen. 

"Was tun sie da? Mit wem reden sie?", fragte Ginny.
"Mit Freunden, Familie, Arbeitskollegen... So kommunizieren Muggel mit Menschen in weiterer Entfernung. Ganz praktisch, eigentlich, wenn man nicht einfach einfach schnell apparieren kann", erklärte Vica ihrer Freundin flüsternd, um keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. 

Am Automaten löste Vica für sie alle drei jeweils ein drei Tages Ticket und zeigte ihren Freundinnen, wie man in London mit der U-Bahn fuhr und vor allem den Fahrplan las. 
Luna war vollkommen fasziniert. 
"Es erinnert mich an das Zaubereiministerium", sagte sie begeistert. "Eine eigene Stadt unter der Stadt und überall rennen die Angestellte von Ort zu Ort"

"Stimmt, so habe ich das noch gar nie gesehen", erwiderte Vica nachdenklich. "Manchmal schaffen sich Muggel selbst ihre eigene Art von Zauberei"

Irgendwie schaffte es Vica, alle zum richtigen Gleis zu befördern was alles andere als einfach war, schließlich bestaunten Ginny und Luna so ziemlich alles. 
"In ein paar Minuten fährt die U-Bahn ein", erklärte sie den beiden und deutete auf die Anzeige über ihnen, auf der Richtung und Abfahrtzeit vermerkt waren. Kurz bevor die Bahn erschien, erfasste sie der typische warme Luftschwall, der ihre Haare aufwirbelte. Vica liebte diesen Moment am U-Bahnfahren am meisten, obwohl sich viele ihrer Mitmenschen über genau diesen Luftschwall gerne beschwerten. 
Als sich die Türen der Bahn öffneten, zog Vica ihre Freundinnen vorsichtshalber etwas beiseite, damit sie von den aussteigenden Fahrgästen nicht mitgezogen wurden. Sobald sich eine Lücke auftat, schob sie beide vor sich rein und kommandierte sie zu den freien Sitzplätzen. 
"Alsoooo", fragte Ginny nach, sobald sie sich gesetzt hatten. "Wo fahren wir hin?"
Vica lächelte nur geheimnisvoll und legte den Zeigefinger an die Lippen. 
"Ach, komm schon!", maulte Ginny. "Was, wenn du die Haltestelle vor lauter Tratschen verpasst? Wäre es nicht viel vernünftiger, wenn wir alle drei unsere Ohren spitzen?"
"Hm..." Abwägend neigte Vica den Kopf. "Das ist ein ziemlich gutes Argument. Aber nein"
Ginny schlug frustriert mit der flachen Hand auf den freien Polstersitz neben ihr und Luna kicherte leise. 
Die U-Bahn hielt genau drei Mal, ehe Vica von ihrem Platz aufsprang. "Kommt schon, die nächste ist unsere"
Sie schubste die beiden ungeduldig Richtung Tür und als diese sich öffneten, packte Vica Ginny und Luna an den Händen und sprintete los. 
"Umsteigen!", rief sie ihnen zur Erklärung zu und ehe sie es sich versahen, landeten sie auch schon in der nächsten Underground-Bahn, die sich nur Sekunden später in Bewegung setzte.

Ginny und Luna hatten nicht einmal Zeit, sich nach dem Schild der Haltestelle umzusehen, so schnell waren sie auch schon wieder fort. Dieses Mal ging die Fahrt etwas länger, doch die Bahn war zu gut gefüllt, als dass sie einen Sitzplatz gefunden hätten. Stattdessen hielten sie sich an den Metallstangen fest und kämpften bei jedem Halt erneut um ihr Gleichgewicht. Vica, die das noch halbwegs gewohnt war, lachte amüsiert, wenn Luna versehentlich gegen Ginny flog, weil sie mit den Gedanken wieder ganz woanders war. Irgendwann schlang Ginny ergeben einen Arm um Luna und hielt sie fest. So schwankten sie zwar immer noch, aber immerhin nicht mehr gegeneinander. 

"Sind wir bald da?"
"Die übernächste Station ist unsere"
"Gut", sagte Ginny und schielte auf einen der angebrachten Pläne. "Regent's Park..."
"Nicht schummeln, Ginny!", sagte Vica. "Obwohl du dich hier ja eh nicht auskennst, also was solls"
"Hey, immerhin war ich schon ein paar Mal hier", hielt Ginny halbherzig entgegen, schließlich wusste sie, dass Vica Recht hatte. Auf ihre Besuche im Sommer konnte sie zur Orientierung nicht zurückgreifen, schließlich waren sie da nur mit Mr Harrison unterwegs gewesen und Vica hatte ganz offensichtlich andere Ziele. 
Als ihre Station kam, war Vica zum Glück nicht mehr so in Eile und ließ ihnen genügend Zeit zum Aussteigen und Umsehen. 
"Hier sieht keine Station so aus wie die andere", sagte Luna bewundernd.
"Zum Glück", sagte Ginny. "Sonst würde man ja gar nicht mehr wissen, wo man ist"
"Wollt ihr noch länger hier herumstehen, oder gehen wir zurück an die Oberfläche?", neckte Vica sie und zusammen suchten sie den Ausgang. 
"Willkommen am Regent's Park", verkündete Vica. "Ein nicht ganz so ansehnlicher Ort an einem Wintervormittag, wie ich zugeben muss, aber wir müssen ja nur durchlaufen und dafür reicht es"
Tatsächlich waren die kahlen Bäume und matschigen Rasenflächen nicht gerade der schönste Anblick, aber Vica führte sie zielstrebig die Wege entlang. Sie hörten von links lautes Lachen und Stimmen, aber dorthin ließ Vica sie nicht. 
"Da ist nur eine kleine Eisbahn und ein paar Essenstände. Da erleben wir morgen eine viel bessere"

Lunas Schultern sackten enttäuscht herunter und Vica lächelte entschuldigend. "Der Ort, an den ich eigentlich will, wird dir viel mehr gefallen, als eine Eisbahn, Luna, das verspreche ich dir"
Sie waren nicht alleine auf ihrem Weg. Überall waren Muggel, die in dieselbe Richtung strömten und als ein großes Eingangstor in Sicht kam, ahnten Luna und Ginny auch, wieso. 
Vica lachte. "Tadaaaa, der London Zoo. Ein Ort, an dem sich Kreaturen aus aller Welt versammelt haben, um den Besuchern einen Tag der Zerstreuung zu bieten"
Sie stellten sich an den Ticketschalter und bezahlten ihre Karten. Die Dame am Schalter, eine etwas ältere Frau mit dicken Brillengläsern, ermahnte sie, dass viele der Tiergehege bereits eine halbe Stunde vor Schluss geschlossen werden. 

"Keine Sorge, wir sind pünktlich wieder draußen", sagte Vica freundlich. 
Innen gingen sie von Gehege zu Gehege, sahen sich die Affen an, die Tiger und die Raubvögel, doch Vica sorgte dafür, dass sie nie zu lange stehen blieben. Sie kamen an ein großes, viktorianisches Karussell, auf dessen Holzpferden trotz des kalten Windes, einige Kinder saßen und fröhlich ihren Eltern winkten. Auf einmal schien es Vica gar nicht mehr eilig zu haben.

Geduldig warteten sie, bis das Karussell zum Stillstand kam, dann lotste Vica alle zu drei nebeneinander stehenden, und schon reichlich in die Jahre gekommenen, Holzpferden. Sobald sie alle Platz genommen hatten, sah sich Vica um und überprüfte, ob irgendjemand zu ihnen sah. Als sie sich sicher war, dass niemand ihnen mehr Beachtung schenkte, zog sie unauffällig ihren Zauberstab, untersuchte das Pferd genau und fand schließlich eine runde Vertiefung oberhalb des Sattels. Ginny und Luna beeilten sich, es ihr gleich zu tun. Auch an ihren Pferden fanden sie die Vertiefungen. 
"Dreht ihn nach rechts", wies Vica sie leise, aber eindringlich an. "Auf drei. Eins... Zwei.... Drei"
Gleichzeitig drehten die Mädchen ihren Zauberstab und ein leises Klacken ertönte. 
Sanftes, helles Licht strömte aus der Öffnung und hüllte die Mädchen ein, gleichzeitig spürten sie, wie sich das Karussell in Bewegung setzte. Ginny sah mit offenem Mund zu Vica hinüber, die lachend die Arme in die Luft warf, während sich das Karussell schneller und schneller drehte. Dabei konnte keine von ihnen sagen, ob wirklich die ganze Plattform, oder doch nur ihre drei Holzpferde im Kreis rasten. 
Vica hörte Ginny jauchzen und sah, wie sich Luna auf ihrem Pferd hin und her wiegte, als würde sie es tatsächlich reiten. Inzwischen wirbelten sie so schnell umher, dass man nichts mehr von ihrer Umgebung erkennen konnte, außer verschwommene Umrisse. Es knirschte, als sich die Pferde von ihren Verankerungen lösten und unter ihnen lebendig wurden. Lunas Pferd schnaubte und riss sein hölzernes Maul auf. Verzückt tätschelte das Mädchen ihm den Hals, nur um sich dann schnell mit beiden Armen an den Hals des Pferdes zu klammern, als es mit einem Satz vom Karussell sprang. Ginny und Vica folgten auf ihren Pferden. 

"Oh", hörten sie Luna sagen, als sie knapp hinter ihr zum Stehen kamen. Ihre Pferde zuckten noch einmal kurz, ehe sie sich zurück in die bewegungslosen Holztiere verwandelten, die sie waren. Auch Ginny ächzte erstaunt, als abstiegen und sich umsah.
Statt von den kahlen Bäumen im Park waren sie von drei-Mann-hohen dicken Backsteinmauern umgeben und dort, wo der graue Winterhimmel hätte sein müssen, spannte sich eine riesige Plane, ähnlich der eines Zirkuszeltes, nur, dass man deren Ende nicht erahnen konnte. Wie weit man auch den Kopf in den Nachen legte, man sah nur das schattige Dunkel einer fernen Spitze. 
Die Muggelfamilien in ihren dicken Wintermänteln waren verschwunden, an ihrer Stelle waren Zaubererfamilien getreten, erkennbar an ihren langen Umhängen und Spitzhüten, die manchevon ihnen auch hier drinnen trugen. Drei kleine Jungs rempelten die Mädchen an, als sie einer feuerspeienden kleinen Echse nachjagten. Sie waren höchstens sechs Jahre alt und schwangen dürre Äste durch die Luft, als könnten sie mit ihren selbstgebastelten Zauberstäben tatsächlich die Echse erwischen und kamen dabei gefährlich nah an die vielen Feuerschalen, welche den Ort beleuchteten. 

"Wahnsinn", sagte Ginny.
"Was ist das für ein Ort?", wollte Luna wissen und Vica setzte gerade zu einer Erklärung an, als ein spindeldürrer Mann mit abnorm langen Gliedmaßen auf sie zukam. Sein Gesicht war weiß geschminkt und die Augen hatte er schwarz umrandet, doch Schweiß und die Spuren eines lagen Tages ließen die Farben verschmieren, was dem Mann eine noch unheimlichere Ausstrahlung verlieh. Seine Kleidung bestand aus einem schwarzweiß gestreiften Anzug, der reichlich zerschlissen und viel zu locker an ihm saß. Der Mann war so viel größer als die Mädchen, dass er sich auf auf einem Bein hinkniete, um mit ihnen auf Augenhöhe zu sein. 

"Puk grüßt euch, junge Hexen", schnarrte er und verzog seine Lippen zu einem Grinsen. Dabei zeigte er die gelben Zähne, die durch das Weiß seiner Schminke noch mehr ins Auge stachen. "Willkommen in Master Mastles' Sammelsurium der Monster & Bestien. Tretet ein, seht und staunt!"
Sein Grinsen verschwand. "Der Eintritt kostet eine Galleone für jede von euch, oder Puk schickt euch dahin zurück wo ihr gekommen seid"
Ohne zu protestieren zückte Vica ihren Geldbeutel und holte drei Goldmünzen heraus, die sie Puk in die Hand drückte. Sofort schlossen sich seine langen Finger um die Münzen und sein Grinsen kehrte zurück. Er stand auf und winkte die Mädchen an ihm vorbei. 
"Geht und erlebt das Grauen", sagte er zum Abschied und stakste auf die nächsten Neuankömmlinge zu. Die drei bemerkten, dass ihre Handrücken bläulich schimmerten.

"M... M... S...", entzifferte Luna.

"Eine Art Stempel", erklärte ihr Vica. "Damit kommen wir an den Statuen vorbei. Keine Sorge, er verschwindet, sobald wir wieder gehen"
"Ich war noch nie in einem magischen Zoo", sagte Ginny begeistert. "Los, gehen wir! Haben sie hier auch Drachen? Oder nur so harmlose Tiere wie in Hogwarts?"
Sie gingen auf eine Art Eingang zu, der von zwei tiefschwarzen Steinstatuen flankiert wurde. Die linke stellte eine Chimäre da, eines ihrer beiden Ziegenbeine war warnend erhoben, während der Löwenkopf das Maul weit aufgerissen hatte, als wolle es jeden ungebetenen Gast sofort verschlingen. Rechts von ihnen hielt ein steinerner Greif Wache, der geflügelte Löwe stand auf den Hinterbeinen, die Adlerklauen den Besuchern entgegen gereckt. 
Als sie an den Statuen vorbei gingen, leuchteten ihre Handrücken auf und der Schein spiegelte sich im glatten Stein der Wesen. 

"Hat das Vieh gerade seinen Schwanz bewegt?", fragte Ginny flüsternd und deutete auf die Chimäre. Tatsächlich war deren schuppiger Schwanz vorhin noch nicht um ihre Beine gewickelt. 
"Es sind Wächter, natürlich bewegen sie sich", sagte Vica, aber auch sie mochte die Statuen nicht sonderlich. "Als mein Großvater mich das erste Mal hierher mitnahm, hatte ich furchtbare Angst, an ihnen vorbei zu gehen, aber ich konnte es ja nicht zeigen, schließlich rennen hier lauter kleine Kinder rum, die sich auch trauten. Und als ich dann endlich durch ging, hat der Greif nach mir geschnappt, das elende..."
Der Greif zuckte mit den steinernen Flügeln und Vica ließ den Rest des Satzes in der Luft hängen. 

"Es wundert mich nicht, dass dein Vater nicht mit dir hier her geht", sagte Luna trocken und Vica grinste. 
"Meine Großmutter auch nicht. Es war das Geheimnis von meinem Großvater und mir, also kein Wort zu irgendwem"
Sobald sie das Tor passiert hatten, schlug ihnen ein unglaublicher Lärm entgegen. Stimmen, das Brüllen von Tieren, Kinderlachen und auch Weinen vermischten sich zu einer unglaublichen Geräuschkulisse. Das Gelände war hier viel weitläufiger, das musste es auch sein, denn andernfalls hätten die unzähligen Käfige und Gehege wohl kaum Platz gefunden. Über ihnen flatterte es und sie sahen auf. 
Ein grauschwarzer Hippogreif flog über ihre Köpfe hinweg. Seine Krallen verfehlten sie nur knapp. Auf ihm saß ein junger Mann mit schwarzen Haaren, der das Tier eilig an Höhe verlieren ließ, bis es landen konnte. Hastig gingen die Mädchen einige Schritte zur Seite, sonst hätten die Flügel des Tieres sie sicherlich erschlagen.

"Sorry", sagte der Mann mit rauer Stimme und grinste spitzbübisch. "Dornkrall liebt riskante Flugmanöver, nicht wahr?" Beim Sprechen dehnte er die Vokale seltsam und betonte sie anders, ganz wie jemand, der lange Zeit im Ausland zubrachte und eigentlich in einer anderen Sprache zuhause war. Er beugte sich zu dem Kopf des Hippogreifs, doch dieser beachtete seinen Reiter gar nicht. Beleidigt senkte er das Haupt und wich dem Mann dadurch geschickt aus, stellte aber bedrohlich ein paar der schwarzen Federn auf. Der Mann wandte sich wieder an die Mädchen und stutzte überrascht. 
"Oh, hallo Vica"
"Hey, Maverick", grüßte Vica zurück und wurde ein wenig rot.

Maverick stieg elegant ab, hielt aber immer noch einen Arm um Dornkralls Hals geschlungen. Er lächelte schief. "Man, bist du wieder gewachsen, hab dich auf den ersten Blick gar nicht erkannt"
"Ich war ja auch schon mindestens fünf Monate nicht mehr da", antwortete Vica ausweichend. "Das sind meine Freundinnen, Ginny und Luna"
"Hallo", grüßten die beiden synchron und Maverick hob lässig die Hand während er sich vorstellte.

"Maverick Mercutio Mastles, zu euren Diensten"
Seine schwarzen Haarsträhnen fielen ihm ins Gesicht und verdeckten die dunklen Augen. Er strich sie sich geübt zurück und musterte die Mädchen aufmerksam, die es ihm ihrerseits aber gleich taten. Maverick trug ausnahmslos Schwarz, von den ausgetretenen Schuhen, über das verblichene Shirt bis hin zu der übergroßen, schon recht mitgenommen aussehenden Lederjacke. Um den düsteren Flair seiner Garderobe noch zu unterstreichen waren seine Augen dunkel umrandet, doch statt albern zu wirken, stand es ihm sehr gut. Es passte zu dem abstrakten Schlangentattoo an seinem Hals, an dem er sich nun nachdenklich kratzte. 

Vica war bemüht, das Schweigen zu brechen. "Maverick, kannst du uns vielleicht eine kleine Führung geben? Wenn wir dich schon so treffen... Ich meine, nicht dass wir es darauf angelegt hätten, aber... "
Sie brach ab und Ginny sah sie mit hochgezogener Augenbraue amüsiert an. Maverick zuckte mit den Achseln. 
"Klar, wieso nicht?" Er gab Dornkrall einen Klaps und der Hippogreif schnappte wütend nach ihm, ehe er davon trabte. "Master Mastles ist mein Großonkel. Ich kenne den Laden hier in und auswendig"
Er grinste ein wenig selbstgefällig, ehe er ihnen winkte, ihm zu folgen. Maverick gab sich keine Mühe, langsam zu gehen und sah sich auch nicht nach ihnen um, also nutzte Ginny die Gelegenheit um Vica in die Mangel zu nehmen.
"Ich glaube nicht, dass du wirklich wegen der Tiere so oft herkommst, Vica", sagte sie mit einem kaum unterdrücktem verschlagenen Grinsen.
"Ist das dahinten ein Hippocampus? In dem Tank dort?", fragte Luna und zeigte in eine Richtung.
"Ja, ist es", antwortete Vica Luna hastig, aber die Röte ihrer Wange verriet sie. "Sein Name ist Neptun. Nicht gerade einfallsreich, was?"
"Der ist viel, viel, viel zu alt für dich. Wie alt ist er? Zwanzig?", stichelte Ginny weiter.

"Genau genommen ist Neptun sogar jünger als ich"
"Du weißt genau, wen ich meine" Ginny ging gar nicht erst auf Vicas Ablenkungsmanöver ein. 

"Neunzehn", antwortete Vica widerwillig. "Und ich bin nicht in ihn verknallt oder so. Ich finde ihn nur ziemlich cool, okay? Außerdem sind sieben Jahre echt nicht viel, viel, viel zu alt" 
"Klar...", sagte Ginny gedehnt. "Du hast echt einen seltsamen Geschmack"
"Sagst ausgerechnet du"
"Harry ist jedenfalls nett. Nicht so aufgeblasen wie dein Typ", entgegnete Ginny ihr trotzig. "Das ist doch bestimm seine Masche, oder? Mit einem Hippogreif ein paar Mädchen beeindrucken und ihnen dann eine ganz private Tour geben..."

"Er ist nicht mein Typ", zischte Vica und erschrak, als Maverick sich zu ihnen umdrehte. 

"Wo bleibt ihr denn?", fragte er grinsend und Vica beeilte sich zu ihm aufzuschließen. 
"Sollen wir deinen Freundinnen zuerst die harmloseren Wesen zeigen oder vertragen sie auch etwas Spannenderes als Einhörner?", fragte Maverick. 
"Auf jeden Fall!", antwortete Vica ein wenig zu laut und Maverick lachte über ihre kindliche Begeisterung. 

"Na dann fangen wir doch mal mit dem Erumpent an. Er ist zwar harmlos, wenn man ihn in Ruhe lässt, aber hat er einen schlechten Tag... ", rief er über die Schulter hinweg zu Ginny und Luna und ließ den Satz unvollendet. Obwohl Ginny beschlossen hatte, Maverick nicht zu mögen, war sie von der Idee begeistert und Luna war sowieso dabei wenn es um Tierwesen ging, ganz gleich welcher Art.

"Ihr habt ihr Platz für ein Erumpent?", fragte Luna Maverick erstaunt.
"Ja, es ist sogar ein Männchen. Eigentlich ist er ganz friedlich, solange man ihn nicht reizt, wenn aber doch... Einer seiner Pfleger hat letztes Mal zum Glück nur ein paar Finger statt dem ganzen Arm verloren. Oder Schlimmerem"
Die Art, in der Maverick das sagte, legte nahe, dass er den Erumpent wohl schon mal selbst gereizt hatte. Maverick führte sie vorbei an den normalen Wegen für Besucher, er kannte die Hintereingänge, Abkürzungen und Geheimwege besser als jeder andere, außer vielleicht Master Mastles selbst. 

Schließlich blieb er vor einem großen Gehege stehen. Äußerlich unterschied es sich stark von den Gehegen im Londoner Zoo, hier gab es keine Gitterstäbe oder Mauern. Nur eine quadratische Vertiefung in der Erde, aus der an dieser Stelle hohes blasses Gras spross. Die Luft war hier wärmer, sodass sie alle die Reißverschlüsse ihrer Jacken öffneten, um nicht zu schwitzen. Luna streckte die Hand aus, doch ihre Finger stießen auf eine unsichtbare Barriere und kamen nicht weiter.
"Es tut nicht weh, aber es fühlt sich merkwürdig an", sagte sie. "Wie Luft, die hier zu dick wurde"

Maverick nickte. 
"Grenzzauber. Die Tiere kommen nicht raus und wir nicht rein, außer, wir haben einen der Schlüssel bei uns"
Er deutete auf das Lederhalsband an seinem Hals, an dem ein schmutziger Plastiktotenkopf mit Vampirzähnen baumelte. "Leider kann ich euch nicht reinbringen. Mastles killt mich, wenn er es herausfinden würde. Vica hat sich in Tiergehegen einfach nicht unter Kontrolle"
Empört schnappte Vica nach Luft. 
"DU hast mich bei den Feuerkrabben einfach vergessen! Wenn ich sie nicht erschreckt hätte, damit sie Feuer speien, wäre ich vermutlich bis zur nächsten Fütterung dort eingesperrt gewesen"

"Ja, aber ich hatte dir gesagt, dass du draußen warten sollst"
"Master Mastles hat aber gesagt, dass ich dir helfen darf und das ging von draußen schlecht"
"Du hast mir wirklich sehr geholfen", sagte Maverick spöttisch. "Ich wollte schon immer Brandblasen auf meiner Haut, weil ich dem flammenspuckenden Hinterteil einer Riesenschildkröte zu nahe kam"
Vica verdrehte die Augen. "Stell dich mal nicht so an, du warst achtzehn, ich war zehn, die Verantwortung lag ganz eindeutig bei dir. Von mir wurde ja fast schon erwartet, dass ich Mist baue. Du hättest mich aufhalten müssen"
Maverick sah zu Ginny und Luna. "Sie tut so, als wäre das Jahre her. Jedenfalls, da habt ihr den Grund, weshalb ihr nicht näher ran dürft"
Vica schwieg beleidigt. Der Erumpent graste gelassen in seinem Gehege. Von weitem konnte man ihn fast für ein zu groß geratenes Nashorn halten. Genüsslich rupfte es an den Grashalmen und kaute langsam. Dann raschelte etwas im Gras. Als witterte er Gefahr, richtete sich der Erumpent plötzlich auf, sein langes todbringendes Horn, dass sich durch jede Substanz fraß, bewegte es drohend hin und her. 

"Alfred ist sehr reizbar. Gut für die Show, schlecht für seine Pfleger", erklärte Maverick, während der Erumpent wütend aufstampfte und sich im Kreis drehte. 

"Er ist riesig. Stell dir vor, so ein Tier rennt auf dich zu", sagte Ginny. 

"Du wärst vermutlich Matsch", kommentierte Maverick trocken. "Lasst uns weitergehen. Ihr habt schließlich noch gar nicht unsere Drachen gesehen"
Die nächsten Stunden über spielte Maverick ihren persönlichen Tourguide durch den magischen Zoo. Er ließ Luna mit einigen Jarvey-Jungen spielen, die gerade mal drei Wochen alt waren und mit ihren frettchenähnlichen Mäuler gierig an Lunas Fingern sogen, sodass diese glücklich kicherte. Ginny durfte sogar eines der gebändigten Kelpies streicheln, doch das Kelpie schüttelte seine nasse Algenmähne während der Streicheleinheit so oft, dass Ginny ebenfalls ganz nass wurde und den restlichen Tag nach Salzwasser und Alge roch.

Weil Maverick Vica auf gar keinen Fall in die Nähe der Drachennester lassen wollte, sahen sie sich diese nur aus sicherer Entfernung an, obwohl Vica ihm mehrfach versicherte, nicht mit seinem Totenkopf bewaffnet ins Gehege zu rennen. Stattdessen steckte er Vica zu den Knuddelmuffs, drückte ihr einige in die Arme, setzte einen der pelzigen Fellkugeln auf ihren Kopf und lachte über ihr finsteres Gesicht. 

Obwohl Vica eigentlich sauer war, dass sie nur die lebendigen Wattebauschen abbekam, die auch alle Kleinkinder um sie herum zu gerne streichelten und knuddelten, war sie bald dem Charme der süßen Dinger erlegen. 
Ihr gelbliches Fell war wunderbar weich und einfach ideal, um die Finger oder gleich das ganze Gesicht darin zu vergraben. Eines der Knuddelmuffs streckte seine lange rosa Zunge heraus und fuhr ihr über das Gesicht, ehe es anfing, behaglich zu summen. Ginny und Luna saßen schon bald neben ihr, jede mit ihren eigenen Knuddelmuffs bewaffnet und kuschelten mit ihnen selbstvergessen. 

Maverick verabschiedete sich von ihnen, er hatte noch einiges zu tun, denn das Highlight des Tages stand für ihn erst noch bevor. Master Mastle rühmte sich nicht nur dafür, das ausgefallenste Sammelsurium der Tierwesen zu besitzen, sondern vor allem für seine spektakulären Mitternachtshows, die er jeden Monat zu Vollmond veranstaltete. Die Mitternachtshows waren unter Zauberern in ganz London und auch außerhalb bekannt und gern besucht. Minderjährige Zauberer hatten jedoch keinen Zutritt. Leider hatte Vica bisher noch nie eines der Tickets ergattern können, nicht einmal durch ihre Bekanntschaft mit Maverick, doch einmal eine der Mitternachtshows zu sehen, stand ganz oben auf der Liste der Dinge, die sie mit siebzehn Jahren machen würde. An Showtagen schloss das Sammelsurium schon früh, damit die Pfleger und die Tiere noch etwas Ruhe hatten vor dem großen Event. Etwas widerwillig reihten sich Vica, Ginny und Luna in den Strom der Besucher ein, die zum Ausgang strömten. 

"Wie kommt es eigentlich, dass du den Großneffen des Besitzers kennst?", fragte Ginny schließlich.
Vica zuckte mit den Schultern. "Ich kenne ihn ja nicht wirklich, schließlich weiß ich kaum etwas über Maverick. Mein Großvater ist mit seinem Großonkel zusammen auf der Schule gewesen. Wallace Mastles war auch in Gryffindor und die beiden waren irgendwie befreundet"

"Ein Leben lang Gratisführungen", sagte Ginny kichernd und Vica zwinkerte ihr zu. 

"Wie schön für dich, dass du immer gleich einen Grund hast, um ihn anzusprechen", sagte Luna und das verstohlene Lächeln zeigte Vica, dass ihre sonst so zurückhaltende Freundin sie tatsächlich nun ebenfalls aufzog. 

"Ach, seid doch beide einfach still", sagte Vica und zog sich die Mütze tiefer ins Gesicht, damit niemand ihre roten Wangen sah. 

Die nächsten Tage vergingen wie im Flug. Vica wollte Ginny und Luna so viel wie möglich von ihrem Heim zeigen und Mr und Mrs Preston begleiteten sie oft. Auch Mr Harrison kam gelegentlich dazu, doch meistens ging er früher oder kam erst gar nicht mit, sondern ging erneut zur Arbeit. Es kam ihr so vor, als hätte er gar keine Lust, sich mit seiner Familie zu beschäftigen. Vica war enttäuscht von ihrem Vater und gleichzeitig froh, dass sie wenigstens ihre Großeltern und ihre Freundinnen um sich hatte, sonst wären das ziemlich langweilige und einsame Ferien gewesen. 

Als ihr Vater am Silvestermorgen ebenfalls zur Arbeit gehen wollte, stritt sich Vica heftig mit ihm. 
"Du gehst sonst nie in den Weihnachtsferien arbeiten! Was ist los mit dir?", wollte sie wütend von ihm wissen.
Ihr Vater wurde nun ebenfalls wütend und eine steile Falte bildete sich zwischen seinen Augenbrauen. Vielleicht hätte er sie auch angeschrien, wenn seine Schwiegereltern nicht beschwichtigend dazwischen gegangen wären. Vica war verstimmt und das an einem ihrer liebsten Tage im Jahr. Nur widerwillig ließ sie sich überreden, Mrs Preston beim Backen der traditionellen Fleischpasteten zu helfen. Ginny und Luna wechselten hilflose Blicke während sie dabei zusahen, wie Vica auf die Fleischmasse vor sich einschlug. 

"Er weiß genau, wie wichtig mir das Feuerwerk ist. Wenn er bis dahin nicht wieder da ist..."

"Er wird da sein, Liebes. Das weißt du genau", fuhr ihre Großmutter dazwischen und nahm ihr die Füllung ab. 

"Hat es mit den Ereignissen in Hogwarts zutun, dass er immer aus dem Haus muss? Befasst er sich damit?", fragte Vica sie und ihre Großmutter warf ihr einen tadelnden Blick zu. 
"Deinem Vater ist es verboten, über seine Arbeit zu sprechen. Frag ihn also nicht danach. Außerdem ist es vorrangig immer noch Dumbledores Angelegenheit, solange sich die Zustände nicht verschlimmern" Mrs Preston seufzte, dann sah sie die drei prüfend an. "Ihr passt doch auf euch auf, oder?"
"Natürlich", versicherte Luna ihr und Vica war ihr dankbar dafür. Sie wollte ihre Großmutter nicht anlügen und reinen Gewissens konnte sie definitiv nicht behaupten, besonders achtsam zu sein. Auch Ginny schwieg betreten.

Als Mr Harrison am frühen Abend nach Hause kam, wirkte er beschwingt und summte fröhlich vor sich hin, während er seine Krawatte löste. Vica beäugte seine gute Laune misstrauisch, doch da sie nicht nachtragend sein wollte, beschloss sie, es einfach hinzunehmen und mit dem Schmollen aufzuhören. Sobald es dunkel war, begannen Mr Harrison und Mr Preston mit dem Aufbauen der Raketen im Garten, während die Mädchen sich die Zeit mit ein paar Brettspielen vertrieben. Je mehr die Zeiger der Uhren sich der zwölf näherten, desto ungeduldiger wurden sie, bis sie aufgeregt von einem Ort zum anderen huschten, ums ich zu beschäftigen, bis es losging. 

"In England sind die Feuerwerke zwar nicht schlechter als in den USA", erklärte Vica Ginny und Luna. "Aber die Leute hier gehen es total ruhig an. Auf Staten Island ging es rund, auch nach Mitternacht! Es war laut, alle Nachbarn kamen zusammen und feierten ordentlich. Und am Times Square erst! Ich war drei Mal dort, zusammen mit meinen Eltern und meiner Tante. Dad hat mich auf den Schultern getragen, sonst hätte mich die Menge erdrückt und Mum musste immer auf Zehenspitzen stehen, aber es war so viel los und es gab so viel zu sehen! All das Konfetti und die Musik... Hier trinkt man nur Tee und Wein, isst ein paar Pasteten und geht ins Bett"
"Du solltest wirklich nicht so sehr über uns Briten herziehen, Liebes", warnte Mrs Preston sie lächelnd. "Du bist als einzige Amerikanerin in der Unterzahl"

"Bin schon still", sagte Vica lachend und hob ergeben die Hände.

Um kurz vor Mitternacht gingen sie endlich alle gemeinsam in den Garten. Mr Harrison hatte einige Feuerwerkskörper inzwischen aufgebaut und Vica stellte überrascht fest, dass einige davon sogar magischer Natur waren und sich deutlich in Form und Größe von den gewöhnlichen Raketen unterschieden. Es freute sie, dass sie dieses Mal die Weihnachtsferien mit einem richtig großen Feuerwerk ausklingen lassen würden. Aufgeregt tauschte sie einen Blick mit Luna und Ginny. In der Ferne hörten sie schon ein paar Kracher von Leuten, die es entweder nicht abwarten oder die Zeit nicht eindeutig bestimmen konnten. 

Mrs Preston sah unruhig auf die Uhr und entschuldigte sich kurz, ehe sie im Haus verschwand. 
"Sie verpasst noch den Anfang!", beschwerte sich Vica bei ihrem Großvater doch der winkte ab. 
"Im Alter ist eine leere Blase wichtiger als den Anfang des soundsovielten Silvesterfeuerwerks mitzuerleben. Sie kommt sicher gleich", antwortete Mr Preston scherzhaft und half seinem Schwiegersohn mit den Raketen. 

Ginny rief laut: "Nur noch 20 Sekunden!"
"Nehmen wir die Zauberstäbe?", fragte Mr Preston.
"Ausnahmsweise", brummte Mr Harrison und zog seinen Stab. 

" 15 Sekunden!"
Vica griff nach Lunas Hand. Sie beide tänzelten ungeduldig auf der Stelle um sich warm zu halten und hielten den Blick fest auf den Himmel gerichtet. 

"Noch Elf", warnte Ginny sie vor und sie fielen in ihren Countdown ein. 
"Zehn!", riefen sie alle drei laut. Ginny ließ die Uhr verschwinden und griff nach Vicas freier Hand.
"Neun!"
"Acht!"
Mr Preston und Mr Harrison riefen den Countdown ebenfalls mit, die Zauberstäbe gezückt und bereit, die ersten Raketen abzufeuern.
"Sieben!"
"Sechs!"
"Fünf!"
Einer ihrer Nachbarn war zu früh und die erste Rakete schoss zischend in die Luft und zerstob in goldenem Licht.
"Vier!"
"Drei!"
"Zwei!"
Mehr Raketen folgten, doch sie selbst warteten ab.
"EINS!"
"LOS!", schrien die Mädchen und die Raketen schossen in die Luft. Rot, Blau und Grün leuchteten der Himmel während sie einander um den Hals fielen und sich ein frohes neues Jahr wünschten. Nun kam auch Mrs Preston zurück aus dem Haus und drückte Vica liebevoll an sich, ehe sie zu ihrem Mann ging und sich von ihm den ersten Kuss des neuen Jahres geben ließ. 
Draußen auf der Straße stimmten die Leute das Lied Auld Lang Syne an und Vica sang inbrünstig mit, während sie das Farbenspiel am Himmel betrachtete. Eine besonders große Rakete war gerade in der Luft in einem besonders leuchtendem Funkenkreis explodiert und ihr Nachhall bestand aus silbernen Sternen. 
"Wunderschön", wisperte Luna und summte nun ihrerseits das Silvesterlied der Londoner mit, auch wenn sie es zum ersten Mal hörte.

Eine weitere Rakete schoss in die Luft, zerplatzte und ergoss sich in zahlreichen, schier endlosen Funken. Doch statt einfach zu verglühen, verdichteten sich die Funken und leuchteten immer heller. Buchstaben bildeten sich und während Vica las, verstummte sie erschrocken.
Vor ihren Augen formten die Raketen den Satz:
Alles Gute zum Geburtstag, Ronnie! 

Sie starrte in den Himmel. Überrascht, ungläubig und gleichzeitig unfassbar glücklich. Sie spürte, wie Ginny sie erneut umarmte. 
"Alles Gute zum Geburtstag, Vica!"
Sie erwiderte die Umarmung fest. "Danke!"
Ihre Freundin löste sich grinsend von ihr und ließ Platz für Luna, die ihr ebenfalls die Arme um den Hals schlang und gratulierte. Sie hauchte Vica sogar einen Kuss auf die Wange, ehe sie Vica wieder freigab. Jetzt gratulierten ihr auch ihr Vater und Großvater.

Verstohlen wischte sich Vica eine Träne aus den Augenwinkeln und sah ihre Familie und ihre Freundinnen gerührt an. 
"Dankeschön, dass war eine tolle Überraschung!"
"Und wer, denkt sie, hat das Feuerwerk wohl gemacht?", hörte Vica da eine verärgerte Stimme hinter sich und zuckte zusammen.
"Keine Ahnung, Georgie, aber es wäre schon echt undankbar von unserer Ronnie, wenn sie sich nicht persönlich bei uns dafür bedankt"
Mit einem erstickten Schrei wirbelte Vica herum Richtung Haus. Dort standen die Zwillinge, die Hände lässig in ihren Jackentaschen vergraben und mit einem verschlagenen Grinsen in den identischen Gesichtern. Ohne weiter darüber nachzudenken stürmte Vica auf sie zu und sprang in ihre Arme. Da sie kleiner war als die beiden zog sie die Zwillinge zu sich herunter und erwürgte sie halb in ihrer Freude. 
"Danke, danke, danke! Was macht ihr hier? Ihr könnt doch nicht einfach aus Hogwarts abhauen! Wie kamt ihr hier überhaupt rein? Ich kann es gar nicht glauben"

"Man könnte meinen, sie hätte die beiden seit Jahren nicht gesehen", scherzte Mr Preston. 
"Man könnte meinen, meine Brüder würden ihre einzige Schwester zuerst begrüßen", sagte Ginny trocken, aber sie lächelte dabei. 

Vicas Freude wuchs, als sie hinter Fred und George auch noch Lee neben Diana und Damian Robins erkannte. Sie sah zurück zu ihrem Dad, der still in sich hinein lächelte und lief lachend zu ihnen um sich auch von ihnen drücken zu lassen. Lee wuschelte ihr etwas verlegen durchs Haar, Diana erstickte sie fast in ihrer Umarmung und Damian wusste offenbar nicht, ob er sie umarmen, oder ihr doch lieber nur auf die Schulter klopfen sollte, bis Vica ihm die Entscheidung abnahm. Sie umarmte ihn fest und strahlte ihn ebenso an wie seine Schwester. 
"Ich hatte eigentlich auch zwei deiner Freundinnen aus deinem Schlafsaal angeschrieben, doch sie mussten leider absagen" Ihr Vater war zu ihr getreten und legte ihr eine Hand auf die Schulter. "Ist die Überraschung gelungen?"

Glücklich sah Vica zu ihm auf und suchte seinen Blick. "Und wie. Das ist der beste Geburtstag seit langem"

Sie sah kurz auf ihre Armbanduhr. "Dabei ist er gerade mal neun Minuten lang"

Fred und George stießen einander an. "Wir zeigen den Muggeln mal, wie ein richtiges Feuerwerk aussieht"
Sie gingen zu den übrig gebliebenen Raketen und steckten noch weitere in die Erde, welche sie selbst mitgebracht hatten. Lee folgte ihnen und half, wo er konnte.

"Oh je", stöhnte Ginny. "Wieder ihre Eigenkreationen"
"Dann wird es sicher interessant", sagte Luna und verschränkte die Finger ineinander. 
Mrs Preston verschwand wieder nach innen und wenige Augenblicke später strömte ein leckerer Duft von Fleischpasteten durchs Haus bis in den Garten. Vica fragte Diana nach den Einzelheiten ihres Erscheinens und diese war nur zu gern bereit, Vica jedes Detail zu erzählen.
"Dein Vater war der Wahnsinn! Er hat uns abholen lassen, da kam ein echter Fahrer und unsere Eltern waren zuerst besorgt, immerhin sollte es ja eine Überraschung sein, also wurden wir erst ganz spät abgeholt und außerdem ist dein Dad ja immer noch ein Zauberer und sie kannten ihn ja nur vom Telefon, aber zum Glück haben sie doch noch zugestimmt, und dann kam der Fahrer um punkt Zehn vor unser Haus gefahren und wir dachte zuerst, dass es wie in so einem Agentenfilm aussieht, mit den dunklen Scheiben, aber der Fahrer war dann doch nur ein normaler Muggel und kein Spion, nicht mal ein Zauberer"
"Hol Luft, Di!", fuhr Damian dazwischen. Er lächelte halb und wühlte in seinen Jackentaschen. "Ich, ähm, ich meine, wir haben noch ein Geburtstagsgeschenk für dich"
Er reichte Vica ein schmales, kleines Päckchen, das sorgfältig in blauem Geschenkpapier eingeschlagen war. Vica konnte sich zunächst nicht entscheiden, ob sie es vorsichtig auspacken sollte, oder es einfach aufreißen wie ein kleines Kind. Sie entschied sich für Letzteres und zum Vorschein kam eine kleine dunkelblaue Schachtel. Als sie diese aufklappte waren darin zwei dünne gewebte Armbänder. Eines war mit Perlen und kleinen Glöckchen geschmückt, das andere schlicht und schwarz mit jeweils einer winzigen hellblauen Perle am Ende. 
"Gefallen sie dir?", wollte Diana aufgeregt wissen. "Es war Damians Idee, jeder von uns hat eins gemacht. Meins sollte richtig auffallen, schließlich hast du schon so viele. Aber mit Glöckchen sicher noch keines, oder?"
"Nein", lachte Vica. "Das bisher noch nicht"
Sie hielt Diana das Handgelenk hin, damit diese ihr Armband verknoten konnte. Weil sie ohnehin schon dabei war, verknotete sie auch gleich noch Damians. 

"Du hast mal gesagt, dass die alle von deinen alten Freunden sind", sagte Damian erklärend und nun sichtlich verlegen. "Ich dachte, es wäre nett, wenn du auch ein paar deiner neuen Freunden hättest. Du musst sie nicht tragen, wenn das eine doofe Idee ist"
"Nein, nein", beruhigte Vica ihn. "Ich finde das toll. Ich liebe diese Armbänder. Sie sollen Glück bringen. Angeblich fallen sie erst ab, wenn der Träger sie nicht mehr braucht, hat man mir erzählt. Das hat mir schon immer gefallen"
Damian grinste erleichtert.
"Hey Ronnie!", hörte sie George rufen. "Schau mal"
Sie drehte sich um und sah,wie die Zwillinge Lee ein Zeichen gaben. Sekunden später schossen sämtliche Raketen in die Luft und explodierten am Himmel in einem Lichtermeer, das vermutlich die halbe Stadt sehen konnte. Funken wirbelten, änderten die Farbe und zerteilten sich in noch mehr Funken. Es knisterte, krachte und sauste. 
Glücklich lief Vica zurück zu ihrem Vater und drückte ihn fest an sich.

"Danke, Daddy. Und tut mir leid, dass ich so gemein zu dir war"
"Ist schon gut, mein Schatz" Er streichelte ihr übers Haar und drückte ihr einen Kuss auf den Scheitel. "Ich hab dich trotzdem lieb. Du darfst auch mal launisch sein. Aber nicht zu sehr. Deine Teenagerjahre kommen erst noch"

Vica hob den Kopf. Ihre Augen funkelten belustigt. "Du weißt, dass ich in meiner Entwicklung immer weit voraus bin?"

Ihr Vater seufzte. "Dann ist es immerhin auch schnell wieder vorbei"
"Dad!"

Sie schlug ihren Vater leicht gegen die Schulter und genoss das Grinsen in seinem Gesicht. Heute Abend sah er gute fünf Jahre jünger aus, ohne die verkniffenen Züge um Mund und Augen, die sich sonst in sein Gesicht gruben. Wie damals, als die Welt noch in Ordnung war. Ihre größte Sorge bestand tatsächlich mal darin, sich vor der sonntäglichen Andacht zu drücken, ohne den Unmut der Nachbarn zu erregen, weil ihre Mum es nicht aushielt, solange in einer Kirche still zu sitzen. 

Vica verkniff sich ein Seufzen und jagte die trüben Gedanken innerlich zum Teufel. Ihre Großmutter schenkte inzwischen an alle heißen Tee aus, der verführerisch nach Zimt roch, und Wein für die Erwachsenen. Fred, George und Lee bettelten um einen Schuss in ihrem Tee und wurden von Mrs Preston mit einem wütenden Klaps auf die Finger bestraft, als sie hinter ihrem Rücken nach der Flasche griffen. 
Diana erzählte Ginny und Luna noch einmal haarklein von ihrer Anreise und Vica stellte sich neben Damian, der etwas verloren da stand und im Himmel nach den letzten Feuerwerken suchte. Mit ihren Teetassen prosteten sie einander zu und als auch die letzte Rakete sich in der Luft in leuchtenden Farben zerstreute, war Vica nicht eine Sekunde lang von Wehmut erfüllt. Aus ihrem Lächeln sprachen schlicht die reinste Freude und Glück.

***

So, ihr Lieben!

Wieder ein  Kapitel fertig. Ein wenig lang, ich wollte eigentlich  sogar noch mehr über das magische London schreiben, kürzte es aber wieder etwas. Vielleicht komme ich noch mal dazu, der Zoo musste aber sein. Ich finde, jedes zwölfjährige Mädchen braucht einen kleinen geheimen Schwarm, ihr nicht? ;-)

Dieses Mal seht ihr ein Bild von Vicas Großeltern. Ich hoffe, ihr habt sie genauso ins Herz geschlossen wie ich, doch langsam wird es Zeit, nach Hogwarts zurückzukehren und da freue ich mich schon drauf.

Bis zum nächsten Kapitel!

Eure Evynne

P.S.
Das typische Silvesterlied der Londoner zum Mithören:

https://youtu.be/pWK1AP1Jpco

P.P.S: Ein kleines Bild von Maverick (auf dem Bild noch mit zwei 'r' geschrieben, hatte mich spontan bei der Schreibweise umentschieden) und Dornkrall als Bonus. ;-)

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top