Kapitel 13: Angst und falsche Anschuldigungen

Der Tumult in der Halle war nur der Anfang. Fred und George betrachteten Ginny und Vica noch immer skeptisch, ganz die großen Brüder, als würden sie sich darum sorgen, dass eine von ihnen jeden Augenblick ohnmächtig werden würde. Sie redeten mit Lee, warfen aber regelmäßig kontrollierende Blicke zu ihnen zurück. Die beiden Mädchen dagegen standen etwas unbehaglich nebeneinander. Ginny hatte sich zwar wieder etwas gefangen, vermied es aber tunlichst, ihnen in die Augen zu sehen, während Vica ständig an ihren Armbändern nestelte.  
In ihrem Kopf wirbelten die Gedanken unaufhörlich umher. Die Augen der Schlange, Harrys entschlossenes Gesicht und Ginnys hassverzerrte Miene wechselten sich vor ihrem inneren Auge ab, sodass ihr ganz schwindelig wurde.
Das Geflüster und Getuschel der Schüler untermalte klangvoll ihre Gedanken, bis Vica in einem verzweifelten Versuch, dem Ganzen Einhalt zu gebieten, heftig ihre Schläfen massierte.
In diesem Moment lief ihr kalter Schauer den Rücken runter und sie ahnte die Stimme schon, ehe Vica sie wirklich hörte:
"Die Zeit ist nah... So nah..."
Vica zuckte heftig zusammen. So lange schon war Vica von der Stimme verschont geblieben, dass sie fast schon daran zweifelte, sie überhaupt je gehört zu haben. Doch nun war es so, als sei sie niemals weg gewesen. Tatsächlich waren Vicas Anstrengungen, mehr über ihren Ursprung herauszufinden, sehr weit in den Hintergrund gerückt, seit sie die Zutaten für den Trank gestohlen hatte. Ein paar entspannt normale Schultage lang hatte sie einfach nur auf Harry, Ron und Hermine vertraut und auf einmal wurde ihr wieder bewusst, dass sie das Rätsel nicht verdrängen oder von sich fort schieben konnte. Allein die Tatsache, dass auch jetzt in der Großen Halle, obwohl so viele Schüler sich hier versammelt hatten, niemand die Stimme zu hören schien, führte ihr deutlich vor Augen, dass Vica alles tun müsste, um ihren Ursprung heraus zu finden. 

"Ich bin bereit, Herrin... Lass mich sie töten... Dieses Mal..."

Vica wirbelte herum. Sie bildete es sich nicht ein, die Stimme wanderte. Vorhin noch war es wie ein Echo, dass von den Wänden zurückgeworfen wurde, doch gerade eben klang es, als wäre sie genau hinter Vica gewesen. Doch hinter Vica war nichts... Nichts, außer der steinernen Wand. Sie streckte ihre Hand aus und berührte die kalten Steinblöcke. 

"Vica...", Ginny flüsterte ihren Namen und Vica sah zu ihr. Ihre Freundin war furchtbar blass und ihre Unterlippe zitterte. Vica griff besorgt nach ihrem Arm und bemerkte das kleine schwarze Buch, dass Ginny in ihren Händen hielt. Ihre Finger bohrten sich förmlich in den Ledereinband, als wäre das kleine Büchlein das einzige, das ihr Halt geben könnte. 
"Fred, George!", rief Vica und sofort waren die Zwillinge da. Fred fasste seine kleine Schwester behutsam an den Schultern und musterte sie mit fachkundigem Blick. 
"Ich bringe dich auf jeden Fall zu Madam Pomfrey, du siehst aus, als würdest du gleich umkippen"
Ginny widersprach ihm nicht, sondern ließ sich ergeben von ihrem großen Bruder aus der Halle bugsieren. Die Schüler machten ihnen Platz, ohne sie wirklich zur Kenntnis zu nehmen, sie hatten ihre eigenen Sorgen, und die Professoren taten ihr bestes, um alle zurück in ihre Gemeinschaftsräume zu schicken. Der Duellierclub ist zu einem völligen Desaster geworden. 
Eine Hand auf ihrer Schulter lenkte Vica ab und sie sah in Georges besorgte blaue Augen. 
"Willst du nicht auch lieber zu Madame Pomfrey gehen? Du bist fast genauso bleich wie Ginny. Hast du einen Fluch abbekommen?"
Vica schüttelte den Kopf. "Mir fehlt nichts. Ich bin bloß erschöpft, es war ganz schön viel heute"
Obwohl George noch nicht überzeugt aussah, ließ er es dabei bewenden. "Na schön, aber ich begleite dich bis zu deinem Gemeinschaftsraum. Falls du doch einen Schwächeanfall auf dem Weg hast, kann ich dich immerhin gleich auffallen, ehe du wieder auf die Fliesen knallst"
"Du würdest dich wohl eher über mich lustig machen, als dass du mich auffängst"
"Wer sagt denn, dass ich nicht beides gleichzeitig kann?", fragte George verschmitzt und Vica zwang sich seinetwegen zu einem Lächeln. Sie wusste, dass er nur versuchte sie irgendwie aufzuheitern. Weder er noch Fred wussten, was mit ihr los war oder mit Ginny. Sie wusste es ja selber nicht, aber sie war froh, dass die beiden dennoch alles taten, damit es ihnen besser ging, auf die für sie bestmöglichste Art: Mit viel Humor und Lachen.
Als Vica neben George die Halle verließ, warf sie ihm einen schiefen Seitenblick zu. "Ginny hat echt ein Glück, dass sie große Brüder wie euch hat"
George lachte. "Du hast dir wohl den Kopf angehauen, du bist auf einmal so sentimental"

"Ich meine es ernst", betonte Vica und fügte scherzhaft hinzu. "Ihr Engländer solltet nicht immer so zugeknöpft sein, sondern euren Gefühlen viel öfter mal freien Lauf lassen"
Sie wedelte theatralisch mit einer Hand in der Luft herum, um ihre Worte zu veranschaulichen. 
"Das kann auch nur von einer Ausländerin kommen", konterte George. "Typisch Amerikaner. Immer so viel Drama und Gefühle und Umarmungen"
"Du solltest uns mal am Valentinstag in unserer natürlichen Umgebung erleben. Oder auch nur ein paar Tage davor", sagte Vica lächelnd. "Vermutlich würdest du dich in das nächste Ruderboot setzen und übers Meer fliehen. Oder Thanksgiving, oder Weihnachten..."
"Das kann ich mir bildlich vorstellen. Nein danke" George schüttelte sich angeekelt und Vica lächelte matt. Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her. George hatte die Hände tief in den Hosentaschen vergraben und pfiff eine fröhliche Melodie vor sich hin. Manche Töne summte Vica leise mit. Als sie schließlich im siebten Stock angelangten, blieb sie stehen.
"Ich muss jetzt in die andere Richtung weiter. Du musst mich nicht mehr begleiten, die paar Schritte schaffe ich alleine"

"In Ordnung", stimmte George zu und wandte sich zum Gehen, zögerte jedoch noch einen Moment und raufte sich die roten Haare. "Ich bin eigentlich gar kein Fan von solchen schnulzigen Sätzen, aber Ronnie..."
Etwas ungeschickt tätschelte er Vica die Schulter. "Du bist für uns wie eine kleine Schwester, okay? Und wenn es irgendjemanden gibt, der Ginny oder dir wehtut, werden Fred und ich es ihm tausendfach heimzahlen. Ihr müsst es nur sagen"
Einen Herzschlag lang starrte Vica George aus ihren großen blauen Augen ungläubig an. Sie blinzelte und trat blitzschnell einen Schritt auf ihn zu. Ehe George reagieren konnte, hatte sie auch schon ihre Arme um ihn geschlungen und drückte ihn so fest sie konnte. Da er um einiges größer war als sie, reichte sie ihm nicht einmal bis an die Brust.
"Danke", murmelte sie mit belegter Stimme und löste sich wieder von ihm. "Ihr seid die besten Brüder der Welt"
George wuschelte ihr durchs Haar, aber die trügerische rote Färbung seiner Wangen verrieten Vica, dass er nicht so unbeeindruckt war, wie er tat. "Schon gut, Ronnie"
Dann kratzte er sich am Hinterkopf und meinte, dass er mal nach Ginny sehen wollte und Fred sich sicher auch schon fragte, was er denn so lange trieb. Mit einem letzten schiefen Grinsen verabschiedete er sich von ihr und Vica sah ihm noch eine Weile nach. Vor zwei Jahren hätte sie niemals gedacht, dass sie sich im versnobten und regnerischen England je Zuhause fühlen würde. Und jetzt hatte sie ausgerechnet hier all diese Menschen getroffen, die sie wie ein Familienmitglied betrachteten, obwohl sie Vica doch eigentlich kaum kannten. Sie erkannte ja sich selbst kaum wieder! Was wäre wohl, wenn ihre alten Freunde sie jetzt so sehen könnten? Hätte sie sich sehr verändert? 
Energisch schüttelte Vica den Kopf. Solche Gedanken führten zu nichts. Sie sollte ihre Energie auf wichtigere Fragen verwenden und von denen gab es zu ihrem Leidwesen in letzter Zeit so einige.


Am nächsten Tag war die Stimmung im Unterricht gedrückt. Die Schüler waren unkonzentriert, ebenso wie manche der Lehrer. Die Geschehnisse von gestern Abend hatten sich rasend schnell herum gesprochen und Vica schauderte, wenn sie die absurden Geschichten der anderen hörte. Harrys Schlangenbändigung war nun scheinbar der Beweis dafür, dass Harry ein Nachfahr Slytherins sein musste, dem bekanntesten aller Parselmünder. 
"Du musst doch zugeben, Vica. Es passt zu gut zusammen!", sagte Pixie in Geschichte der Zauberei zu ihr. "Die Kammer des Schreckens wurde geöffnet und ganz zufällig stellt sich heraus, das ausgerechnet Potter Parsel spricht? Er muss einfach Slytherins Erbe sein und das heißt..."
"... Dass er Justin Finch-Fletchley vermutlich getötet hätte, wenn Snape nicht dazwischen gegangen wäre", fügte Cammie mit Grabesstimme hinzu. 

"So ein Schwachsinn!", fauchte Vica und Professor Binns stoppte mitten in seinen Ausführungen über die verschiedenen Zeitalter der Hexenverfolgung. 
"Wie bitte, Miss...?"
"Verzeihen Sie, Sir", sagte Vica hastig. "Ich habe auf Seite 342 nur gerade gelesen, wie die Muggel damals bestimmt hatten, wer eine Hexe war und wer nicht. Es hat mich ein wenig schockiert"
Die ganze Klasse starrte jetzt mit entsetzten Gesichtern zu Vica. Ob es nun war, weil Vica sich so geschickt herausmanövriert hatte oder ob sie nur so geschockt waren, dass Vica tatsächlich etwas aus dem Buch wusste, konnte sie jetzt nicht sagen. 
Professor Binns nickte langsam. "Ja, diese Methoden waren in der Tat mehr als fraglich. Vor allem, wenn man bedenkt, dass meistens nur Muggel dadurch zu Tode kamen, eine Ironie, die sich im Laufe der Jahre noch mehrfach wiederholen wird. Denken wir nur zurück an das 18. Jahrhundert..."
Binns schwadronierte weiter vor sich hin und Jocelyn kniff missbilligend die Augenbrauen zusammen.
"Es ist nicht gerecht, dass du dich immer aus allem herausredest, Vica. Manche hier wollen tatsächlich zuhören und werden dann durch deine Zwischenrufe gestört!"
"Ignoriere sie einfach", sagte Pixie achselzuckend zu Vica und stieß Jocelyn kichernd an. "Du bist doch nur sauer, weil Vica beides kann, tratschen und lernen, während du dich dafür abrackern musst. Vielleicht gibt Vica dir ja Nachhilfe?"
"Sei. Einfach. Still", presste Jocelyn hervor und versenkte ihre Nase tief in Geschichte der Zauberei. Pixie nutzte die Gelegenheit, um ihr Gespräch wieder aufzunehmen.
"Du kannst Harry nicht ewig verteidigen, Vica. Wenn die Lehrer erst mal einen Beweis dafür finden, dass er es war, dann..."
"Sie werden keinen finden!", entrüstete sich Vica, dieses Mal aber wesentlich leiser, ohne Professor Binns auf sich aufmerksam zu machen. "Harry hat der Schlange gesagt, dass sie sich von Justin fernhalten soll, er hat sie nicht angestachelt!"
Sowohl Cammie als auch Pixie verdrehten synchron die Augen. "Vica, du bist blind für die Wahrheit"
"Ich habe selbst gehört, was er gesagt hat und ich war dabei! Genau wie ihr! Jeder Trottel konnte doch sehen, wie zahm die Schlange auf einmal war. Hätte Harry sie wirklich angestachelt, würde Justin mit einem Schlangenbiss im Krankenflügel liegen!"
"Du kannst ihn gar nicht gehört haben, er hat Parsel gesprochen", sagte Cammie ganz langsam und gedehnt, als wäre Vica schwer von Begriff.

"Ach nein? Zufällig kann ich Parsel sprechen. Und zwar schon immer. Einer meiner besten Freunde im Krabbelalter war eine Strumpfbandnatter, mit der ich im Garten immer gespielt habe", erwiderte Vica trotzig. 
Mit einem Mal rückten Pixie und Cammie von ihr ab. "Meinst du das ernst?"
"Natürlich" 

"Was für ein lustiger Zufall", sagte Luna, die bisher nicht an ihrem Gespräch teilgenommen sondern lieber kleine Tierzeichnungen in ihr Heft gekritzelt hatte. Sie waren ihr erstaunlich gut gelungen. "So eine seltene Gabe und jetzt haben sie gleich zwei Schüler in Hogwarts. Vielleicht sind Harry und du ja sogar verwandt?"

Vica klappte der Mund auf. Nicht, dass sie wirklich glauben würde, mit Harry verwandt zu sein, aber etwas an Lunas Feststellung ließ ein Glöckchen in ihr klingeln. Ein Zufall... Ihre Gedanken sprangen in ihrem Kopf wild umher in einem solchen Tempo, dass selbst Vica ihnen kaum noch folgen konnte. Ein mächtiger Zufall, dass Harry und sie beide Parsel konnten... Doch sie konnten es nicht nur sprechen, sondern auch verstehen, deshalb war sie die Einzige, die wusste, was Harry wirklich zur Schlange gesagt hatte. Sie beide sprachen Parsel... Sie beide hörten als einzige die Stimme... 
"Sie spricht Parsel", presste Vica hervor und packte auf einmal ihre Sachen zusammen. 
"Wo willst du hin?", fragte Pixie verwundert. 
"In den Krankenflügel. Mir ist auf einmal furchtbar übel"

Hastig schmiss Vica Buch, Pergament und Federkiel in ihren Rucksack und stürzte aus dem Klassenzimmer. Sie war sich sicher, dass die anderen sie bei Binns entschuldigen würden.
Es herrschte ein heftiges Schneetreiben draußen, die Flure in Hogwarts schienen alle dunkler und kälter als an anderen Tagen. Obwohl Vica sich heute Morgen noch über den Schnee ärgerte, kam er ihr nun gerade recht. Bei so einem Wetter fiel der Kräuterkundeunterricht für die Schüler aus. Wie der Zufall es wollte wusste Vica, dass drei ganz bestimmte Personen nun also Freistunden haben müssten, doch es gab ein Problem: Sie musste dafür wieder an der fetten Dame vorbei. Vica überlegte gerade, wie sie dieses Mal an das Passwort kommen sollte, oder ob wild drauf los raten genügen würde, als sie die Gestalt einen schlacksigen Jungen im Gang vor ihr entdeckte, der ihr mehr als bekannt vorkam. 
"HARRY!", rief sie laut und registrierte zufrieden, wie der Junge zusammen zuckte und sich umdrehte. Vica schloss schnell zu ihm auf.
"Wie toll, dass ich dich hier erwische, denn genau dich habe ich gesucht. Mir ist...", sie stockte, als sie Harrys Gesichtsausdruck bemerkte. "Was ist los?"
"Ach nichts", meinte Harry ironisch. "Bis auf die Tatsache, dass alle davon überzeugt sind, dass ich Justin gestern umbringen wollte und der nächste Lord Voldemort werden will. Abgesehen davon geht es mir spitze" Harrys Gesicht war vor Wut gerötet. "Ich muss jetzt zurück, die Bücher für Verwandlung holen"
Ehe er einfach wütend davon stapfen konnte, hatte Vica ihn schon am Arm gepackt. Für so ein junges Mädchen hatte sie einen ganz schön festen Griff und Harry war zum Stehenbleiben gezwungen. Herausfordernd sah sie ihm in die Augen. 
"Ich weiß, dass ist alles sehr schwer für dich und ich kann mir gar nicht ausmalen, wie bescheuert es sein muss, wenn die ganze Schule gegen einen zu sein scheint, aber du musst mir jetzt zwei Minuten zuhören, in Ordnung?"
Als Harry nickte, löste sie ihren Griff. Mit einem Hauch von Stolz sah sie, wie sich Harry mit der einen Hand den Arm an der Stelle rieb, die sie vor wenigen Augenblicken noch umklammert hatte. Und da sage noch einmal jemand, Mädchen wären nicht stark!

"In Geschichte der Zauberei haben wir uns gerade mal wieder über die Angriffe unterhalten..."

Harry sah aus, als hätte er auf eine Zitrone gebissen. "Vica..."
"Nein, hör erst mal zu. Zwei Minuten, schon vergessen?", fiel Vica ihm sofort ins Wort. Geschäftig räusperte sie sich und erzählte dann weiter. "Du bist nicht der Einzige, der Parsel sprechen kann. Ich kann es auch und zwar schon immer. Muss wohl irgendwie ein Überbleibsel aus der Reinblutfamilie meiner Großmutter sein. Jedenfalls weiß ich als Einzige, was du wirklich zu der Schlange gesagt hast. Ich war gestern zu schockiert, um daran zu denken, sie mit Parsel zu besänftigen. Es ärgert mich ein wenig, dass ich nicht sofort darauf gekommen bin"
Harry runzelte verwirrt die Stirn. "... Willst du mir jetzt etwa sagen, dass du der wahre Erbe bist? Irgendwie verstehe ich gerade nur Bahnhof"
"Ich fasse mich etwas kürzer", sagte Vica. "Der Grund, weswegen nur wir beide eine Stimme hören können, die andere nicht vernehmen, ist der, dass sie in einer Sprache spricht, die nur wir verstehen!"
Mit einem Mal ging Harry ein Licht auf. "Die Stimme spricht Parsel"
"Genau!", sagte Vica aufgeregt und faltete die Hände. "Es könnte eine Schlange sein, oder aber jemand, der ebenfalls Parsel spricht. Weißt du zufällig, ob Draco Parsel kann?"
"Nein, aber das bekommen wir heraus", meinte Harry zuversichtlich. Er sah schon wesentlich besser aus. "Wir sollten es gleich Ron und Hermine erzählen, endlich haben wir eine echte Spur!"
Gemeinsam liefen sie weiter, ganz beschwingt von ihrer neuen Entdeckung, bis sie an einem Korridor vorbeikamen, der noch wesentlich dunkler war, als die anderen. Ein eisiger Windhauch fegte durch den Gang und hatte sämtliche Fackeln gelöscht, die sonst für etwas Licht sorgten. Bald schon erkannten sie auch den Grund dafür: Eines der Fenster war geöffnet und schlug klappernd in seinen Angeln. Kleine Schneeflocken flogen von außen herein und belegten bald das ganze Fensterbrett mit einer weißen Schicht. Harry und Vica gingen weiter, als sie am Fenster ankamen, schloss Vica es vorsichtig. Als sie den eisigen Griff umfasste, bemerkte sie, wie unzählige kleine Spinnen durchs Fenster in die Freiheit krabbelten. Ein ungewöhnliches Verhalten für Spinnen, sie hatte noch niemals so viele Spinnen so zielsicher hintereinander her krabbeln sehen, als wären sie auf der Flucht. 
Sie hörte Harrys Schritte etwas weiter vor ihr und beschloss, die Spinnen fürs Erste nicht weiter zu beachten, sondern lieber ihrem Freund hinterher zu laufen, ehe er sie in diesem kalten Korridor noch zurück ließ. Je weiter sie sich vom Fenster entfernte, umso dunkler wurde es. Es war so unheimlich still.
"Harry?", fragte Vica leise. 
"Ich bin hier", antwortete ihr Harry, er konnte nur ein paar Schritte von ihr entfernt sein. Sie lief etwas schneller und auf einmal hörte sie einen Fluch und lautes Gepolter. 
"Verdammt, was...?", hörte sie Harry schimpfen. Er musste über irgendetwas gestolpert sein. Sofort blieb Vica stehen und zückte ihren Zauberstab. 
"Lumos!", sagte sie und augenblicklich leuchtete die Spitze ihres Zauberstabes auf und erhellte den Gang. Sie sah Harry auf dem Boden knien, die Brille saß leicht verrutscht auf der Nase. Er kniff die grünen Augen zusammen, als er von ihrem Licht geblendet wurde und Vica leuchtete in eine andere Richtung- und ließ beinahe den Zauberstab fallen.
"Oh nein...", krächzte sie und auch Harry wandte sich dem Hindernis zu, über das er eben gestolpert war. Von einer Sekunde auf die andere wurde sein Gesicht leichenblass. 
Justin Finch-Fletchley lag auf dem Boden, kalt, steif, leblos. Wie eine Wachsfigur, die jemand hier vergessen hatte. Seine leeren Augen starrten zur Decke, sie waren weit aufgerissen, ebenso wie sein Mund. Er hatte vor Entsetzen geschrien, doch niemand hatte ihn gehört. Oder kam er erst gar nicht dazu?
Vica berührte seine Hand. "Er wurde versteinert"
"Da war er nicht der einzige", sagte Harry, der sich inzwischen aufgerappelt hatte und auf eine merkwürdig schwebende Gestalt neben Justin deutete, die Vica erst auf den zweiten Blick als den Fast Kopflosen Nick erkannte. Statt durchsichtig und weiß schimmernd, sah Nick aus, als hätte irgendjemand giftigen schwarzen Rauch in ihn hinein geblasen, bis es ihn ganz ausfüllte. Sein Kopf hing seitlich herunter, nur gehalten von dem schmalen Strang, der ihn noch immer mit dem Körper verband. Sein Gesicht war ebenso vor Entsetzen verzerrt wie das von Justin. 
Vica wich zurück und stieß dabei gegen Harry. Sie sahen einander an und Vica konnte dieselbe Panik in Harrys Augen erkennen, die sie selbst gerade fühlte. Panik gemischt mit Übelkeit und Angst. 
"Wir müssen Hilfe holen. Dahinten sind die nächsten Klassenzimmer, irgendein Lehrer muss kommen...", sagte Vica und hörte selbst, wie dünn ihre Stimme dabei klang. 
"Würde auch nur einer von denen glauben, dass wir nichts damit zu tun hatten?", fragte Harry. Trotzdem rannte er nicht einfach weg, sondern sah noch einmal zu Justin. "Aber wir haben wohl keine andere Wahl"
"Doch. Ich hole Hilfe und du rennst weg. Niemand wird wissen, dass du hier warst. Du wirst doch schon jetzt verdächtigt. Geh!", sagte Vica zu ihm und gab ihm einen auffordernden Schubs gegen die Brust. Harry nickte und sah noch einmal besorgt zu Justin, als ein krachendes Getöse erschallte. Beide zuckten ertappt zusammen.
Peeves, der Poltergeist von Hogwarts, schoss den Flur entlang, lauthals vor sich her singend. Als er Harry und Vica entdeckte, lachte er gackernd. "Sieh einer an, der kleine Potter schleicht sich aus dem Unterricht, um mit seiner Freundin zu knutschen! POTTER UND DAS MÄDCHEN SITZEN AN DEM SEE- K-Ü-S-S-E..."
Peeves schlug einen Salto in der Luft und brach jäh ab, als er Justin und den Fast Kopflosen Nick erkannte. Eine Sekunde lang hing er starr in der Luft, doch dann riss er seinen weißen Mund auf und brüllte aus vollem Hals. 
"ALARM! ALARM! ES GAB EINEN ANGRIFF! RENNT UM EUER LEBEN! KEIN GEIST ODER ZAUBERER IST MEHR SICHER! ALAAAARM"
Peeves schrie den ganzen Korridor zusammen, auch wenn Vica verzweifelt versuchte, ihn irgendwie zum Schweigen zu bringen, doch es war bereits zu spät. Die Türen zu den Klassenzimmern am Ende des Korridores flogen alle krachend nacheinander auf und entlud eine Horde neugieriger Schüler, die sich auf dem Gang versammelten. Es herrschte ein heilloses Durcheinander. Die Schüler stießen einander gegenseitig um. Irgendjemand entzündete die Fackeln auf dem Gang und auf einmal war der Gang schon fast zu gut beleuchtet. Diejenigen, die Justin sahen, wichen zurück, stießen gegen die anderen, die von hinten nachströmten und fielen um. Unzählige Füße traten besorgniserregend nah an Justins Körper heran und er drohte schon, irgendwie verletzt zu werden, bis Vica sich als Barriere vor ihm aufbaute. Dabei stieß sie versehentlich ein Mädchen an, das nun mitten im Kopflosen Nick stand. Kreischend lief es rückwärts, bis es nur noch die Wand im Rücken hatte. Über dem ganzen Chaos thronte Peeves, der noch immer die Sirene spielte und einfach weiter schrie. Vica versuchte, Harry in der Menge auszumachen, doch die Schülerschaar, die von allen Seiten zu kommen schien, hatte ihn verschluckt. Endlich hörte Vica die Stimmen der Professoren, die es langsam schafften, die Schüler wieder zurück und in ihre Klassenräume zu drängen. Die letzten von ihnen wurden schließlich mit einem lauten Knall, der aus Professor McGonagalls Zauberstab ertönte, vertrieben. Nur noch Harry, Vica und der versteinerte Justin befanden sich noch auf dem Korridor. 
Peeves stellte das Sirenengeheul ein und verlegte sich auf etwas poetischeres: "Potter, du Schwein, was hast du getan,

du meuchelst Schüler und freust dich daran!

Niemand ist mehr vor dir sicher-"

"Das reicht, Peeves!", befahl McGonagall dem nervtötenden Poltergeist im selben Moment, als Vica zornig Silencio rief. Der Schweigezauber traf Peeves völlig unvorbereitet und als der Geist merkte, dass er keinen Laut mehr ausstoßen konnte, fuchtelte er außer sich vor Wut in der Luft herum und drohte, sich auf Vica zu stürzen. 
"Miss Harrison!", sagte Professor McGonagall streng zu ihr, aber Professor Flitwick, der gemeinsam mit dem Astronomieprofessor Sinistra auf dem Korridor über dem armen Justin gebeugt stand, zwinkerte Vica kurz amüsiert zu. Diese kleine Geste beruhigte sie ungemein. Immerhin glaubte wenigstens er nicht, dass Harry oder sie etwas damit zu tun hatten, sonst wäre er doch viel strenger, oder nicht? Peeves wurde von McGonagall schließlich erfolgreich verscheucht, doch er ließ es sich nicht nehmen, Vica und Harry beleidigt die Zunge heraus zu strecken. 
Flitwick und Sinistra hoben den armen Justin auf und trugen ihn zum Krankenflügel. Dann wandte sich Professor McGonagall an Harry und Vica. 
"Was ist hier geschehen?"
Die beiden zuckten gleichzeitig mit den Schultern. 

"Es war schon so, als wir hier ankamen. Wir wollten zurück in den Gemeinschaftsraum der Gryffindors...", begann Vica zu erzählen, doch die Professorin unterbrach sie scharf. 
"Der nicht der deine ist. Hast du nicht eigentlich Unterricht gehabt, Harrison?"
Schuldbewusst zuckte Vica zusammen. Der Krankenflügel lag leider überhaupt nicht auf dem Weg zwischen diesem Gang und dem Klassenraum für Geschichte der Zauberei. Professor McGonagall sah sie streng an. 
"Ich will keine Ausreden hören, dieses Mal nicht"
Vica biss sich auf die Unterlippe. "Ich habe dem Professor gesagt, dass mir übel sei und habe dann den Unterricht verlassen"
"Du warst danach nicht im Krankenflügel, wie ich annehmen darf, sondern hast dich mit Potter getroffen?", fragte McGonagall und hatte nun auch Harry im Visier. 
"Ich hatte eine Freistunde", verteidigte er sich sofort. "Aber ich schwöre, dass ich es nicht war. Vica auch nicht"
Die Verwandlungslehrerin seufzte und richtete ihre Brille. "Nachdem, was sich in letzter Zeit ereignet hat, liegt das Ganze nicht mehr in meiner Hand, Potter. Harrison, Professor Flitwick wird über die Strafe entscheiden, die du für das Schwänzen des Unterrichts erhälst. Fürs Erste wirst du aber dafür verantwortlich sein, Sir Nicholas auf irgendeine Art in den Krankenflügel zu befördern. Potter, du kommst mit mir mit"
Verblüfft sah Vica ihnen nach, bis die beiden hinter der nächsten Ecke verschwunden waren. Sie war sich sicher, dass McGonagall Harry zu Dumbledore brachte. Doch da sie Vica hier ließ bedeutete es, dass die Professorin nicht wirklich vermutete, dass Vica die Kammer geöffnet hatte. Sie hoffte um Harrys Willen inständig, dass Dumbledore ihn nicht verdächtigte. 
Sie sah zurück zum Fast Kopflosen Nick und stöhnte. Wie sollte sie etwas bewegen, dass sie nicht einmal anfassen konnte? Versuchsweise stellte sie sich vor den Geist und griff nach dem durchscheinenden Ärmel. Natürlich glitten ihre Finger durch den Stoff und sie schauderte. Es war, als würde ein eisiger kalter feuchter Nebel ihre Haut berühren. Schnell zog sie ihre Hand zurück und verursachte dabei einen leichten Lufthauch, der tatsächlich den Arm des Geistes ein Stückchen verrückte. Natürlich, Wind konnte Geister bewegen! Vica prüfte ihre Erkenntnis und holte tief Luft. In Gedanken entschuldigte sie sich beim Fast Kopflosen Nick für das Kommende. Er war sehr schnell eingeschnappt und es würde ihm ganz gewiss nicht gefallen, wäre er im Moment bei Bewusstsein. So kräftig sie konnte stieß Vica die Luft aus und blies den Fast Kopflosen Nick einen halben Meter den Flur entlang. Es funktionierte! 
Begeistert zückte sie ihren Zauberstab und ließ ihr Handgelenk locker kreisen. 
"Ventauras"

Ein Luftzug schoss aus der Spitze ihres Zauberstabs und erfasste den Geist. Auf diese Weise konnte Vica ihn bequem vor sich her schweben lassen und ihn bis in den Krankenflügel blasen, wo Madam Pomfrey sie bereits erwartete. Nachdem sie ihr Nick sozusagen abgenommen hatte, nahm sie Vica aber noch auf die Seite und musterte sie fachkundig. 
"Professor Flitwick meinte zu mir, dass es dir heute nicht gut gehe und dass der Vorfall dich wohl ziemlich mitgenommen haben muss", sagte sie mit zweifelnder Stimme. "Du siehst eigentlich ganz munter aus. Etwas blass um die Nase vielleicht..."

Vica überkreuzte zwei Finger hinter ihrem Rücken und befand, dass sie mit ihrem Hauslehrer wirklich mehr als Glück gehabt hatte, bis Madam Pomfrey den Deckel einer übelriechenden Tinktur öffnete und Vica dazu nötigte, einen Löffel davon zu nehmen. 
"Das bringt den Kreislauf wieder schön in Schwung und ist außerdem gut für die Nerven", behauptete die Krankenschwester und Vica konnte ihr ansehen, dass es ihr Spaß machte, eine kleine Simulantin mit dieser Brühe zu ärgern. Trotzdem nahm sie artig einen Löffel, auch wenn es ihr das ganze Gesicht verzog und sie es beinahe wieder ausgespuckt hätte. Dann huschte ihr Blick zu den verhüllten Betten und der schwebenden schwarzen Gestalt des Fast Kopflosen Nicks. Erst Colin, jetzt Justin. Es war wirklich keiner mehr sicher.
Madam Pomfrey war ihrem Blick gefolgt, nahm ihr den Löffel wieder ab und tätschelte ihr die Wange. "Ich habe keine Zeit mehr für dich, ich muss mich um die beiden neuen Patienten kümmern. Du kannst dich aber gerne bis zum Abendessen hinlegen, es war doch ein richtiger Schock über den armen Jungen zu stolpern. Aber morgen geht es wieder ab in den Unterricht, verstanden? Und nicht alleine durchs Schloss wandern"
Vica nickte und lächelte sie dankbar an. Sie ging auch tatsächlich hoch in den siebten Stock, doch statt ihren Schlafsaal aufzusuchen, trödelte sie fast eine ganze Stunde lang an der Treppe in der Nähe der fetten Dame herum in der Hoffnung, dass Harry bald aus Dumbledores Büro zurück kommen würde. Doch als die ersten Schülerscharen aus dem Unterricht kamen, beschloss sie, nicht länger zu warten. Sie würde noch früh genug erfahren, was sich im Büro des Schulleiters ereignet hatte.


Die Lage hatte sich verschlimmert. Lehrer und Schüler waren nun in Panik und alle wollten sie das Schloss so schnell wie möglich verlassen. Jeder, der zu Weihnachten nach Hause fahren konnte, wollte das nun auch tun. Vica war froh, dass sie schon früh ihre Karte für den Hogwarts-Express gekauft hatte, denn jetzt rissen sich die Schüler diese förmlich gegenseitig aus den Händen. Fred und George schmollten als sie erfuhren, dass Vica Ginny die Ferien über zu sich eingeladen hatte. 
"Wie kannst du uns nur so hintergehen", hatte Fred sie gefragt und fassungslos den Kopf geschüttelt. 
"Wir haben dir vertraut, dich zu uns ins Haus eingeladen, dir unsere Tricks gezeigt...", führte George weiter aus und Ginny, die neben Vica beim Sonntagsfrühstück saß, verdrehte die Augen. 

"Hey, ich habe nie gesagt, dass ihr nicht kommen dürft", besänftigte Vica die beiden oder versuchte es zumindest. "Aber wollt ihr wirklich mit uns die ganzen Weihnachtsferien verbringen? Ohne Magie? In einem Haus, das mitten in einer von Muggeln bewohnten Straße liegt? Und wenn Luna dazu kommt, würden wir nur noch mehr Mädchenkram machen. Ihr wisst schon... Musik hören, singen, uns die Nägel lackieren"
Die Zwillinge verzogen das Gesicht und die Mädchen lachten. 

"Was ist so lustig?", fragte eine Jungenstimme hinter ihnen, die Vica sofort als Harrys erkannte. 
"Fred und George sind nicht ganz begeistert von unseren Plänen für die Weihnachtsferien", erklärte ihm Vica, während Harry sich neben den Zwillingen nieder ließ. "Wo sind Hermine und Ron?"
"Hermine ist vermutlich in der Bibliothek und Ron schläft noch"
Fred und George taten ganz schockiert. "Was? Du hast die beiden noch nicht versteinert? Harry, jetzt wird es langsam aber Zeit, die Sache mit Justin ist doch schon über eine Woche her"
"Ja, wenn du nicht von Zeit zu Zeit dein Monsterchen auf auf uns loslässt, verlieren wir doch den Respekt vor dir"
Ginny funkelte ihre Brüder wütend an. "Hört doch einfach auf"
Ihre Brüder dachten nicht daran. George wich vor Harry zurück und wehrte ihn mit einer Gabel ab, an deren Zinken ein winziges Stückchen Knoblauch befestigt war. Fred hielt sich an Georges Schultern fest und wimmerte lauthals los, Harry soll doch sein Leben zu verschonen und stattdessen George nehmen.

Das Ganze war so absurd komisch, das Vica laut losprustete und ihren halben Saft verschüttete. Auch Ginny bekam einiges ab und wischte hastig mit einem Tuch an ihrem Pullover herum. Sie sah Fred und George anklagend an, als seien sie dafür verantwortlich und nicht Vica. 
"Lasst die blöden Witze"
"Ich finde es gar nicht so schlimm", sagte Harry und grinste. Er und Vica amüsierten sich sehr über das Verhalten der Zwillinge in den letzten Tagen. Während alle Harry mieden, als hätte er die Pest, machten sich die beiden über jeden lustig, der ihm angstvoll aus dem Weg ging. 
"Ja, macht Platz für den Erben!", riefen sie dann. "Der böseste und gefährlichste Zauberer der Welt ist auf dem Vormarsch. Achtung: Er ist zwölf und wird euch alle vernichten"
Vica hatte andere Methoden. Hörte sie, wie jemand Gerüchte über Harry verbreitete, schritt sie ein und versuchte es erst einmal mit einer logischen Argumentation die  in etwa besagte, dass alle, die so einen Unsinn glaubten, wohl das Hirn eines Flohs besäßen. Half das nicht, dann genügte meist die Androhung eines klitzekleinen Fluches, der sich immer dann zeigte, wenn derjenige weiter Lügen über Harry verbreitete. Bei den Erstklässlern reichte die Drohung, denn diese wussten, dass Vica durchaus in der Lage war, einem einen Fluch an den Hals zu hetzen. Die älteren Schüler waren da schon problematischer. Sie mussten erst noch überzeugt werden. Wie Ernie Macmillan, der einen geschlagenen Tag lang mit Popel-Pickeln herum lief, bis Madam Pomfrey einen Gegenzauber fand. Die Stunde Pokale säubern, zu der Professor Flitwick Vica anschließend halbherzig verdonnert hatte, war es allemal wert gewesen.  

Percy Weasley war von dem Verhalten seiner Brüder genauso wenig begeistert wie Ginny. Das Thema sei nicht zum Lachen, wie er meinte und es war einer der wenigen Punkte, in denen er einmal mit seiner kleinen Schwester übereinstimmte. Seit er aber Vica einmal erwischt hatte, wie sie und Odilla Burke sich mitten auf den Schulkorridoren duellieren wollten, war Vica bei ihm unten durch. Er hatte sich entschieden dagegen ausgesprochen, dass Ginny die Weihnachtsferien bei ihr statt im Schloss verbringen wollte. 
"Veronica hat einen schlechten Einfluss auf dich", hatte er protestiert, doch Ginny wollte nichts davon wissen und Vica hatte ihm einfach die Zunge rausgestreckt. Er hatte Glück, dass er Ginnys Bruder war, sonst hätte er für einen solchen Kommentar sicherlich ein oder zwei Tropfen ihres selbstgebrauten Schlaftrankes in den Kürbissaft geschüttet bekommen, wenn keiner hin sah. 


Der erste Tag der Weihnachtsferien begann eisig, im wahrsten Sinne des Wortes. Die Temperatur ist über Nacht mehrere Grad unter den Gefrierpunkt gefallen und hatte den Schulhof in eine Eislaufbahn verwandelt. Die Scharen an Schülern, die eilig den Weg zu den Kutschen zurück legten, hatten ziemlich damit zu kämpfen, auf den Füßen zu bleiben. Luna und Vica warteten unter den Arkaden auf Ginny und beobachteten währenddessen, wie mehrere ihrer Mitschüler auf dem Eis ausrutschten. Kichernd sah Vica dabei zu, wie Odilla Burke, deren übergroßer Kaschmirschal ihr halbes Gesicht verdeckte, um ihr Gleichgewicht kämpfte. Ihre Freundin Scarlett lief unbeirrt neben ihr her und setzte ihre Schritte so sorgfältig, dass es aussah, als würde sie den Schulhof entlang schweben. Odilla bemerkte es auch und warf ihrer besten Freundin einen Blick zu, der sie auf der Stelle stürzen lassen könnte, hätte Odilla dabei ihren Zauberstab gezückt. 
"Es ist unhöflich, sich über andere Leute lustig zu machen", tadelte Luna Vica sanft vorauf hin sich das dunkelhaarige Mädchen vom Hof abwandte und die Arme vor der Brust verschränkte. 
"Eigentlich sollten wir auch langsam los, wenn wir noch die Kuschen erwischen wollen. Wo bleibt Ginny nur?"
Während beide nach ihrer gemeinsamen Freundin Ausschau hielten, lief die Penelope Clearwater an ihnen vorbei, die langen blonden Locken fröhlich wippend, während sie die Schüler dazu anhielt, sich ordentlich zu den Kutschen zu begeben. Als sie Vica und Luna sah, blieb sie kurz bei ihnen stehen und lächelte. 
"Ihr zwei fahrt wohl ebenfalls nach Hause?", fragte sie.
"Ja, du nicht?"
"Nein", erwiderte Penelope. "Ich finde, wir sollten die Lehrer in dieser Sache unterstützen. Als Vertrauensschüler ist es besonders wichtig, dass wir unsere Augen offen halten" Wieder lächelte sie. "Und das wird mir viel leichter fallen, wenn ich nicht ständig darauf achten muss, dass sich eine gewisse Erstklässlerin nicht spät nachts in den Gängen herumtreibt"
Vica verdrehte grinsend die Augen und die Vertrauensschülerin verabschiedete sich. Natürlich nicht, ohne ihnen noch einmal schöne Feiertage zu wünschen und sie zu ermahnen, sich langsam zu beeilen. 
"Ich frage mich, wieso sie wirklich hier bleiben will", grübelte Luna laut. Verwirrt sah Vica sie an. 
"Das hat sie doch gesagt... Oder glaubst du ihr nicht?"
Luna schüttelte entschieden den Kopf. "Sie hat uns nicht die Wahrheit gesagt, sonst wäre ihr die Frage nicht so unangenehm gewesen"
Vica, der nicht einmal aufgefallen ist, dass Penelope sich irgendwie merkwürdig verhalten hätte, beließ es dabei. Außerdem fiel ihr in dem Moment auf, wie sich ein rothaariges Mädchen hastig einen Weg zu ihnen bahnte. Sie war zwar klein, aber scheute sich nicht davor, von ihren Ellenbogen Gebrauch zu machen.
"Ginny!"
Als Ginny sie endlich erreicht hatte, beeilten sich die drei, schnell zu den Kutschen zu gelangen. Sie gehörten zu den letzten Schülern, doch sie hatten Glück, eine Kutsche war noch frei. Da sie als Erstklässler den Weg zum Schloss am Anfang des Schuljahres mit dem Boot zurück gelegt hatten, sahen sie die magischen Kutschen zum ersten Mal. Luna und Vica waren ganz fasziniert von den merkwürdigen pferdeartigen Wesen, die die Kutsche zogen, während Ginny bereits hinein geklettert war und ungeduldig auf die beiden Mädchen wartete. Sie waren pechschwarz und ihre Haut war ledrig. Stramm spannte sie sich über die Knochen des Tieres, als hätte es keine Muskeln oder Organe. Auch der Kopf war merkwürdig geformt, gar nicht wie der eines Pferdes, obwohl das Tier mit seinen vier Hufen und den fledermausartigen Flügeln an die Albtraumversion eines Pegasus erinnerte. Oder eines unheimlichen Drachens. Das Tier schnaubte und starrte Luna und sie aus seinen milchigweißen Augen an, als wunderte es sich über sie genauso, wie die beiden Mädchen über seinen Anblick. 
"Kommt schon, ihr könnt später noch genug Löcher in die Luft starren", rief Ginny aus der Kutsche. 
"Wenn du nicht so spät dran gewesen wärst, müssten wir uns jetzt nicht beeilen", konterte Vica, milderte den Vorwurf allerdings mit einem Zwinkern ab und stieg schließlich ebenfalls in die Kutsche. Luna folgte sofort, doch sie beide reckten die Köpfe aus dem Kutschfenster um zuzusehen, wie sich das Tier gemütlich in Bewegung setzte und die Kutsche mit einem Ruck ins Rollen geriet.

"Es ist wunderschön, nicht wahr?", fragte Luna Vica, leise wispernd. "Auf seine eigene einzigartige Weise"

Vica nickte zur Antwort und löste sich schließlich vom Anblick des Tieres um Ginny vor lauter Vorfreude auf die nächsten zwei Wochen breit anzugrinsen. Nach ein paar Minuten wollte auch Luna ihren Kopf wieder zurück in die Kutsche stecken, stieß sich dabei jedoch an und runzelte verärgert die Stirn, während sie den Fensterrahmen musterte, als hätte er das mit Absicht getan. Der Anblick war so komisch, dass Ginny und Vica zuerst leise, dann immer lauter lachen mussten. Luna rieb sich die schmerzende Stelle, ließ sich dann aber vom Lachen ihrer Freundinnen anstecken und gemeinsam machten sie sich auf dem Weg zum Bahnhof in Hogsmeade. 

***


JA!

Das verfluchte 13. Kapitel ist endlich online. Es ging wirklich viel schief, angefangen mit Speicherfehlern bis hin zum versehentlichen Löschen ganzer Textpassagen. Vermutlich ist das meiste reiner Aberglauben und Einbildung, aber ich bin trotzdem froh, dass es nun rum ist...
Im nächsten Kapitel feiern wir Weihnachten (ja, ich weiß, dass Weihnachten und Ostern bereits um sind) und ihr werdet Vicas Familie kennen lernen. 
Ich hoffe, ihr bleibt mir bis dahin alle erhalten, ihr seid allesamt spitze und ich freue mich über jeden Kommentar und jedes Vote von euch. Ihr motiviert mich immer wieder, selbst wenn alles schief läuft und ich gar keine Lust mehr habe, weiterzumachen. ;-)

Eure Evynne

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