Vergeben will gelernt sein

So, es geht endlich wieder weiter. Die Grippe hatte mich eingeholt und außer Gefecht gesetzt, was mich leider am Schreiben gehindert hat. Aber jetzt ist das neue Kapitel für euch bereit und ich wünsche euch ganz viel Spaß beim Weiterlesen ;)

Liebe Grüße und einen schönen dritten Advent wünscht euch,
eure Hela

                                                                                                 ~~~

                                                                           Vergeben will gelernt sein

Völlig neben sich machte sich Amberle auf den Weg zurück zum Gryffindor-Gemeinschaftsraum, während sie von den verschiedensten Gefühlen förmlich überflutet wurde. In erster Linie machte sich Wut in ihr breit. Wut über die Worte, die sie persönlich aus dem Munde von Draco vernommen hatte und seine zweifellose Arroganz, die dadurch herrührte. Aber auch Enttäuschung kämpfte sich nach oben an die Oberfläche, denn Amberle ärgerte sich vielmehr über sich selbst und war maßlos enttäuscht darüber, dass sie sich offenbar doch in dem Slytherin getäuscht hatte.
Aber was hatte sie auch erwartet? Dass der sonst so unnahbare Eisprinz von Slytherin seine Ansichten gegenüber dem Hause Gryffindor ausgerechnet ihretwegen ändern würde? Nur, weil er sich vielleicht zu einem kurzen Tanz mit ihr hatte hinreißen lassen? Spätestens jetzt durfte klar sein, dass dies lediglich Wunschdenken gewesen war.
Obwohl Amberle es gar nicht wollte, konnte sie nicht verhindern, dass ihr einzelne Tränen über die Wangen liefen, die sie sich wegwischte. Sie wollte sich nicht so fühlen, aber sie konnte auch nicht leugnen, dass die Worte von Draco sie verletzt hatten und das, gleichwohl er sie ihr ja nicht mal direkt ins Gesicht gesagt hatte.
Nein. Valentin Blackwell gegenüber hatte er es zugegeben. Ausgerechnet Amberles Erzfeind schlechthin, für den das doch nur wieder ein gefundenes Fressen war und die nächste Möglichkeit bot, sie psychisch zu terrorisieren. Sie hätte es besser wissen müssen.
Schon die spontane Nachricht, die sie vorhin per Eule erreicht hatte und von der sie bis dahin noch geglaubt hatte, sie käme von Draco, der sie nochmal hatte sprechen wollen, war ihr ein wenig seltsam vorgekommen. Zwar wusste sie nicht, warum Valentin es drauf angelegt hatte, dass sie Zeugin von diesem Gespräch wurde, aber es machte auch keinen Unterschied mehr. Denn es änderte nichts an der Tatsache, dass Draco seine ehrliche Meinung offenbart und Amberle es gehört hatte.
Nur mit Mühe konnte Amberle ihre Fassung wahren, als sie das Passwort murmelte und die Dame auf dem Portrait die Stirn runzelte, sie dann aber kommentarlos einließ. Schnell huschte die Hexe durch die Öffnung und stellte zu ihrer Erleichterung fest, dass der Gemeinschaftsraum fast komplett leer war. Nur zwei Erstklässler saßen am Tisch und schienen über Hausaufgaben zu brüten, weshalb es Amberle gelang, sich unbemerkt an ihnen vorbei zu schleichen und in ihren Schlafsaal zu begeben.
Auch dieser war verlassen und Amberle erinnerte sich daran, dass Hermine nochmal in die Bibliothek wollte, bevor sie sich alle zum Abendessen treffen würden. Und das war in nicht einmal einer Stunde, was der jungen Hexe einen dicken Kloß im Hals bescherte. Wie sollte sie denn zu einem harmonischen Abendessen mit ihren Freunden gehen und anschließend auch noch eine weitere Stunde Tanz-Workshop über sich ergehen lassen, wo ihre Gedanken und Gefühle doch nur ein einziges Chaos waren? Ihre Konzentration war gleich Null und Amberle bezweifelte, dass sich das binnen einer knappen Stunde ändern würde. Da bräuchte es schon einen erstklassigen Vergessenszauber, um derartiges zu bewerkstelligen oder ein brillantes Ablenkungsmanöver, was aber einem Wunder gleichkommen müsste.

Wie aufs Stichwort öffnete sich die Tür und Hermine kam herein, die ihren Stapel Bücher auf dem Nachttisch ablegte und sich ihre Locken aus dem Gesicht pustete, während sie ihre Schuluniform glatt strich.
,,Puh. Die Zusatzaufgaben für Zaubertränke sind echt knifflig. Bin ich froh, dass ich die hinter mir habe. Wenn du Hilfe brauchst, dann sag mir einfach Bescheid, Amberle. Ich glaube, Snape zieht uns massenweise Punkte ab, wenn wir das nicht akkurat und fehlerfrei abliefern."
Zwar nahm Amberle die Worte ihrer besten Freundin wahr, aber blendete sie gleichzeitig auch irgendwie aus. Sie starrte gedankenverloren an die Steinwand und fragte sich, wie sie Draco Malfoy von nun an am besten aus dem Weg gehen konnte. Das gemeinsame Geheimprojekt bezüglich des Buchs der Schatten war natürlich Geschichte, denn sie war sich absolut sicher, dass sie den verräterischen Slytherin nicht mehr sehen wollte, wenn es sich vermeiden ließ.
,,Amberle, hörst du mir überhaupt zu?", fragte Hermine, woraufhin die Braunhaarige abwesend nickte.
,,Sicher."
,,Dann weißt du also schon, dass Dumbledore einen Solo-Walzer in seinem Büro hingelegt hat und dabei von Fred und George gesehen wurde?", kam es von dem Lockenkopf und Amberle nickte erneut.
,,Natürlich."
Erst jetzt wurde der Hexe klar, was Hermine da eben von sich gegeben hatte und starrte ihre beste Freundin voller Unglauben an.
,,Bitte was?"
,,Ah, du hörst mir ja doch zu. Wo warst du denn eben mit deinen Gedanken? Ich habe bestimmt 5 Minuten auf dich eingeredet und der Einzigen, der du deine Aufmerksamkeit schenkst, ist die Steinmauer da drüben."
Hermine klang ein wenig beleidigt und Amberle hatte sofort ein schlechtes Gewissen, dass sie ihre Freundin ignoriert hatte. Aber Hermine ahnte ja auch nichts davon, was Amberle heute widerfahren war und das war auch besser so. Schließlich hatten ihre Freunde ja alle keine Ahnung, was zwischen Amberle und Draco vorgefallen war und das sollte auch so bleiben.
,,Bitte entschuldige, Hermine. Es ist im Moment nur alles ein bisschen viel. Ich meine, der Tanz-Workshop, das trimagische Turnier und der Unterricht...das bringt mich ein wenig aus dem Konzept."
,,Oje, das kann ich verstehen. Wenn du willst, dann blasen wir den Workshop einfach ab. Ich meine, war vielleicht ohnehin nur eine verrückte Schnapsidee.", schlug Hermine vor, aber Amberle entschied sich schließlich doch dazu, sich nicht unterkriegen zu lassen.
,,Nein, das werden wir nicht. Wir haben es begonnen und deshalb ziehen wir das auch durch. Die Schüler verlassen sich schließlich auf uns, nicht wahr? Was wäre das Leben ohne Ehrgeiz?"
,,So gefällst du mir schon besser. Außerdem hat das Ganze doch noch etwas ganz besonders Tolles an sich.", entgegnete Hermine verschmitzt, während sie sich bei Amberle einhakte und mit ihr Richtung Tür marschierte.
,,Und was wäre das?"
,,Ich darf Ron weiter mit Walzer foltern."
Die Antwort von Hermine brachte Amberle zum Lachen und sie hatte sofort wieder den gequälten Gesichtsausdruck von Ron vor Augen, als dieser vor versammelter Menge mit McGonagall hatte tanzen müssen. Es war ein Augenblick, der ohne Zweifel in die Geschichtsbücher von Hogwarts eingehen würde.

Und während die nächste Stunde Tanzworkshop für Ron und auch Harry in der Tat wieder zum reinsten Albtraum wurde, bescherte sie Amberle genau das, was sie brauchte: pure Ablenkung!
Denn kaum, dass sie mit Hermine und Ginny wieder ganz im Element war, den anderen Schülern Nachhilfe in Sachen Tanzkunst zu geben, waren alle anderen Probleme vollkommen vergessen. Zwar hatte Draco Malfoy versucht, sie nach dem Abendessen kurz abzufangen, aber Amberle hatte ihn eiskalt ignoriert und ohne jegliche Beachtung stehen lassen. Denn sie hatte kein Interesse daran, noch mehr hinterlistige Heucheleien aus dem Mund einer Schlange zu hören und würde Malfoy somit keine Gelegenheit mehr geben, sie weiter bloßzustellen. Ob Gryffindor oder nicht...auch Amberle hatte ihren Stolz.
Auch am nächsten Morgen fühlte sich Amberle schon wesentlich besser. Das lag nicht nur daran, dass Samstag und somit Wochenende war, sondern auch vielmehr an der Tatsache, dass viele Schüler enorme Fortschritte beim Workshop gemacht hatten und dem Weihnachtsball langsam optimistisch entgegen sahen, der langsam aber sicher immer näher rückte.
Amberle stand schon früh auf, denn ein Blick auf den Wecker verriet ihr, dass es noch nicht mal 8 Uhr war. Hermine schlief noch tief und fest, begraben unter drei Büchern, die auf ihrer Decke verteilt lagen und Amberle konnte bei dem Anblick nur den Kopf schütteln. Sie streichelte Artemis über das graue Gefieder, woraufhin die Eule kurz ihre müden Augen ein wenig aufsperrte und ein zufriedenes Schuhu von sich gab, ehe sie wieder einschlief und sich von ihrem Nachtflug erholte. Und als Amberle einen Blick aus dem Fenster warf, stellte sie zu ihrer Freude fest, dass es geschneit hatte.
Ganz Hogwarts und seine Ländereichen waren von einer dicken weißen Pulverschicht Schnee überzogen und noch immer fielen unzählige Flocken vom Himmel herab, was Amberle das Gefühl gab, sie alle befänden sich mit diesem traumhaften Schloss in einer Schneekugel.
Voller Vorfreude, die schneeweiße Landschaft von Nahem zu begutachten, zog sich Amberle eine dunkle Jeans und den dicken Gryffindor-Pullover über, ehe sie in ihre Winterstiefel schlüpfte und sich den schwarzen Mantel überwarf. Mütze, Schal und Handschuhe begleiteten sie ebenfalls nach draußen, als die junge Hexe sich aus dem Gryffindor-Turm stahl und sie sich auf direktem Wege nach draußen auf das Außengelände begab.

Amberle atmete die kühle Morgenluft ein und schmunzelte, als leichte Nebelschwaden von ihrem Atem erzeugt wurden, während die Schneeflocken auf sie herabfielen. Die Braunhaarige liebte den Winter und seit sie in Hogwarts war noch mehr. Denn die kalte Jahreszeit hatte etwas an sich, was einen jeden in gewisser Weise verzaubern konnte. Es war eine Magie, wie sie niemand mit Worten beschreiben könnte.
Deshalb missfiel es Amberle auch ein wenig, dass ihre Gedanken an den gestrigen Tag sie wieder einholten, als sie einen Spaziergang über das Gelände machte. So gut es ihr gestern Abend dann noch gelungen war alles zu verdrängen, so kam nun alles wieder mit geballter Kraft zurück. Und das, obwohl Amberle sich doch selbst untersagt hatte, noch einen weiteren Gedanken an Draco Malfoy zu verschwenden.
Ihr Kopf wusste, dass es die einzig richtige Entscheidung war, aber warum nur gab ihr Unterbewusstsein einfach keine Ruhe? Immer wieder führte es ihr vor Augen, dass sie bisher das Gefühl gehabt hatte, Draco vertrauen zu können. Doch wie sollte sie das noch nachdem, was gestern vorgefallen war? Und warum bei Merlin wollte ihr Instinkt das einfach nicht begreifen und ihr trotz allem noch weiterhin dazu raten?
Amberle schüttelte kaum merklich den Kopf und versuchte die lästigen Gedanken zu vertreiben, als sie urplötzlich beinahe von jemandem über den Haufen gerannt wurde. Völlig perplex sah die Braunhaarige auf und bekam ihr Gegenüber noch am rechten Arm zu fassen, um denjenigen vor einem sicheren Fall auf dem Erdboden zu bewahren. Und niemand anderes als Harry stand vor ihr, der nun ein wenig verlegen wirkte und trotz der Eiseskälte schienen sich seine Wangen ein wenig rosa zu färben.
,,Amberle, tut mir leid. Ich hab dich gar nicht gesehen.", brachte er hervor, doch die Hexe winkte ab.
,,Alles gut, Harry. Wir stehen ja beide noch. Aber mit dir hätte ich jetzt überhaupt nicht gerechnet. Was machst du denn so früh hier draußen?"
,,Ich könnte dich das Gleiche fragen.", gab der Schwarzhaarige grinsend zurück und Amberle musste gestehen, dass er Recht hatte.
,,Touché. Also meine Erklärung ist die unglaubliche Faszination für die atemberaubende Winterlandschaft um uns herum und was haben Sie zu Ihrer Verteidigung hervorzubringen, Mr. Potter?"
,,Spaziergang, um den Kopf frei zu kriegen, Miss Harvey."
,,Oh, aber hoffentlich nicht wegen dem Workshop gestern. Ich hab mich wirklich bemüht, euch nicht zu hart ranzunehmen.", meinte Amberle, aber Harry konnte sie beschwichtigen.
,,Nein, das ist es nicht. Eher die ganze Turnier-Sache und die Tatsache, dass ich mich gerade komplett blamiert habe."

Harry sah auf einmal aus, als würde er am liebsten im Erdboden versinken und Amberle runzelte irritiert die Stirn. Es war früh am Morgen und es fand kein Unterricht statt, wie sollte sich ihr bester Freund denn da bitteschön bis auf die Knochen blamieren?
,,Jetzt bin ich neugierig. Was hast du angestellt?", verlangte die Gryffindor zu wissen und der Junge mit der Blitznarbe verzog zerknirscht das Gesicht.
,,Ich bin zufällig Cho über den Weg gelaufen und hab sie gefragt, ob sie mit mir zum Weihnachtsball geht. Allerdings ging das ziemlich nach hinten los. Nicht nur, dass ich am laufenden Band gestottert habe, sondern auch, weil sie schon eine Verabredung hat. Was habe ich mir nur dabei gedacht, Amberle?"
Amberle wusste zuerst gar nicht, was sie sagen sollte, denn es überraschte sie doch ziemlich, dass Harry tatsächlich den Mut aufgebracht hatte, das Mädchen nach einem Date zu fragen, für das er offensichtlich schwärmte. Natürlich hatte Amberle ihm niemals gesagt, dass sie seine Gefühle für Cho erahnte, aber in ihren Augen schien es auch nicht gerade unauffällig zu sein. Zumal Harry in der Gegenwart der Ravenclaw-Schülerin zunehmend die Contenance verlor.
,,Entspann dich erstmal, Harry. Gut, die Sache ist vielleicht ein wenig blöd gelaufen, aber ich bin mir sicher, dass Cho das nicht als Blamage einstufen würde. Es tut mir leid, dass sie dir eine Absage erteilt hat. Ihr hättet zusammen sicher eine schöne Figur abgegeben.", versuchte Amberle ihren besten Freund etwas aufzubauen, doch dieser seufzte nur.
,,Vielleicht lasse ich den Ball einfach ausfallen. Ich meine, Tanzen kann ich ohnehin so gut wie gar nicht und alleine da auflaufen ist auch nicht gerade eine Glanzleistung."
,,Das kommt gar nicht in Frage, Harry Potter. Sieh es doch mal so: du verbringt den Abend dann halt eben mit deinen Freunden. Wir sind doch ohnehin alle anwesend, also können wir auch alle gemeinsam dort hingehen."
Amberle zuckte mit den Schultern, denn für sie war der Weihnachtsball von Anfang an keine große Sache gewesen. Es zählte nicht gerade zu den Meilensteinen, die sie unbedingt im Leben erreichen wollte und daher war es ihr auch egal, dass sie nach wie vor keine Verabredung dafür hatte. Allerdings schien sie Harry mit der Aussage auf eine Idee gebracht zu haben, denn er wirkte ein wenig zuversichtlicher.
,,Warum eigentlich nicht? Ich meine, was würde dagegen sprechen, wenn wir...zusammen hingehen würden?", meinte Harry auf einmal und Amberle sah ihn etwas irritiert an.
,,Warte, meinst du etwa wir beide...auf den Ball?"
,,Ja. Als Freunde, meine ich natürlich. Nicht irgendwie als...Paar oder sowas. Denn das sind wir ja nicht und werden wir auch nie, schließlich sind wir ja Freunde. Aber vielleicht ist es doch keine so gute Idee und wir vergessen einfach, was ich gerade gesagt habe..."
,,Harry!"

Amberle unterbrach den Redeschwall ihres besten Freundes, der sich fast um Kopf und Kragen redete und musste ein Grinsen unterdrücken. Sie konnte sich nur zu gut vorstellen, dass die Begegnung mit Cho ungefähr auch so abgelaufen sein musste und die Hexe musste zugeben, dass sie die Idee gar nicht so schlecht fand.
,,Vergiss das Atmen bitte nicht. Und irgendwie hast du ja Recht. Warum eigentlich nicht?", erwiderte sie schließlich und Harry starrte sie perplex an.
,,Wirklich?"
,,Ja. Ich meine, zwar hatte ich uns ursprünglich alle als Gruppe betrachtet, aber wir beide würden somit immerhin nicht ohne Verabredung dastehen. Und es spricht nichts dagegen, als Freunde zum Weihnachtsball zu gehen."
,,Toll. Versteh das bitte nicht falsch, aber mit dir habe ich vielleicht auch eine Chance, mich beim Tanzen nicht ganz so dumm anzustellen. Denn du bist schließlich Expertin auf dem Gebiet.", murmelte der Schwarzhaarige und Amberle hakte sich grinsend bei ihm ein, während sie gemeinsam den Rückweg antraten.
,,Wozu hat man schließlich Freunde? Ich mach dir einen Vorschlag: ich mache aus dir einen wahren Profi-Tänzer und du lehrst mich, wie man einen Drachen bezwingt?"
,,Bei Merlin. Ich bin froh, dass ich mein erstes Duell gegen einen Drachen überlebt habe und ich hoffe inständig, dass ich so eine Kreatur nie wieder von Nahem sehen muss."
Amberle konnte verstehen, dass Harry auf eine weitere Begegnung mit einem Drachen nur zu gerne verzichtete. Wer wollte auch schon freiwillig einer feuerspeienden Kreatur gegenübertreten?

Auch Draco Malfoy war an diesem Morgen früh auf den Beinen. Blaise war bis spät in die Nacht aus gewesen und befand sich noch im Totenschlaf, was Draco ausgenutzt hatte. Samt Buch der Schatten hatte er sich in den Raum der Wünsche begeben, um das Artefakt genauer unter die Lupe zu nehmen und sich somit auch von seinen Problemen abzulenken.
Noch immer würde er Valentin Blackwell am liebsten verfluchen und mittlerweile konnte Draco nicht mehr leugnen, dass ihm dieser Kerl nicht ganz geheuer war. Er war zu gerissen, zu scharfsinnig und in den Augen von Draco machte ihn das sogar richtig gefährlich. Ohne Zweifel hatte der Slytherin es nach wie vor auf Amberle abgesehen, aber es konnte keinerlei Feindschaft sein, wie Draco sie zu Potter pflegte. Da musste mehr dahinter stecken und deshalb erhoffte sich Draco, Antworten in dem Buch der Schatten zu finden. Obgleich dies natürlich alles andere als einfach war, denn die Inschrift war nach wie vor verschlüsselt und egal was er tat, jegliche Versuche es zu enträtseln schlugen fehl.
Irgendwann überwog die Frustration von Draco und er fuhr sich genervt durch die Haare, da ihn dieses Buch förmlich um den Verstand brachte. Wie sollte er denn rauskriegen, was es mit diesem Ritual auf sich hatte und warum es fehlgeschlagen war, wenn er nicht mal verstand, was diese Inschriften von sich gaben? Es war zum verrückt werden und wieder einmal hatte er Amberle vor Augen, wie sie zum ersten Mal mit dem Relikt agiert hatte.
Sie schien in diesem Moment furchtlos gewesen zu sein. Wild entschlossen, das Buch zu benutzen und somit endlich Antworten zu finden, was auf der einen Seite zwar beunruhigend, aber auch irgendwie faszinierend gewesen war. Draco konnte nicht leugnen, dass die junge Hexe etwas an sich hatte, was ihn beeindruckte und ihre Entschlossenheit war geradezu grenzenlos. Umso machtloser fühlte er sich angesichts der Tatsache, dass Amberle ihn seit dem Zwischenfall mit Valentin keines Blickes mehr würdigte und mit Ignoranz strafte.
Selbst gestern Abend, als er sie nach dem Abendessen versucht hatte abzufangen, hatte sie ihm keinerlei Beachtung geschenkt und war einfach ihrer Wege gegangen. Als wäre er Luft und sie hätte seine Anwesenheit nicht einmal wahrgenommen. Dabei hatte Draco ihr doch erklären wollen, dass nichts von dem, was er vor Valentin behauptet hatte, der Wahrheit entsprach. Nur bezweifelte er stark, dass er überhaupt noch Gelegenheit dazu haben würde die Sache geradezubiegen, da Amberle bezüglich seiner Wenigkeit wohl kaum den Kurs der Vergebung einschlagen würde. Und wer konnte es der Hexe verübeln?

Ratlos sah Draco zum Buch und glaubte schon fast, weit entfernte Stimmen zu hören, die wie ein schauriges Echo zu ihm sprachen. Eine Gänsehaut lief ihm über den Körper und mit einem Mal erinnerte er sich an den Moment, wo Amberle das Buch zum ersten Mal geöffnet hatte. Sie hatte die Inschrift zuerst auch nicht lesen können, doch dann waren ihr ein paar Worte über die Lippen gekommen. Worte, die Draco zuvor noch nie zuvor gehört hatte und dennoch schienen sie es gewesen zu sein, die Amberle den Schlüssel zur Inschrift des Buches verliehen hatten.
Mit neuem Elan kniete sich Draco vor das Buch auf den Parkettboden und schloss die Augen, ehe er sich konzentrierte und in seinen Erinnerungen zurückwanderte. Zurück zu dem Augenblick, wo Amberle die entsprechende Formel ausgesprochen hatte und während er sie in seinen Gedanken förmlich vor Augen hatte, kamen die Worte wie von selbst über seine Lippen.
,,Carpe Retractum. Quid intus te revelare."
Er spürte es, noch bevor das letzte Wort seine Lippen verlassen hatte. Er spürte den Windhauch, der durch den Raum fegte und die entfernten Stimmen, die seine Worte zu wiederholen schienen. Als Draco die Augen öffnete, begannen die Runen ineinander zu verschwimmen und formten sich zu Worten in seiner Sprache. Die Inschrift wurde tatsächlich entschlüsselt und Draco kam nicht umhin, ein anerkennendes Lächeln sein Gesicht umspielen zu lassen.
,,Amberle Harvey, du bist ein Genie."
Sofort begann der Blonde, in dem Buch zu blättern und suchte nach jenem Ritual, welches Amberle angewendet hatte. Und er musste nicht lange suchen, denn eine Seite stach ihm schließlich ins Auge, die zweifellos der Zauber sein musste, in dem Amberle die Antwort gesehen hatte.
,,Traumwandeln.", las Draco vor und überflog grob die Anwendung, als ihm weiter unten ein Text ins Auge stach, dem sie beim ersten Mal wohl mehr Beachtung hätten schenken sollen. ,,Traumwandeln gewährt dem inneren Geist Zutritt zu jenem Ort, wo Träume und Ereignisse erneut durchlebt werden können. Er wird von den Seelen der Verdammten bewacht- all jene, die sich bei diesem Zauber einst verloren und nie den Weg zur Rückkehr fanden. Er zählt zu den gefährlichsten Ritualen der schwarzen Magie und wird nur äußerst selten von den mächtigsten Hexen und Zauberern angewandt. Doch um den Ort des Traumwandelns überhaupt betreten zu können, ist es unabdingbar, dass er bereits einen Teil der eigenen Seele beherbergt. Nur sie allein vermag den Zugang zu ermöglichen und holen einen die Seelen der Verdammten ein, wandelt sich der Traum zur Realität, welcher man nie mehr zu entkommen vermag. Mors hic ingressum non habet."
Die letzten Worte vermochte Draco nicht zu entziffern, da sie in der gleichen Sprache wie die Formel zur Entschlüsselung geschrieben standen und er keine Ahnung hatte, was dies bedeutete. Allerdings reichte ihm auch schon aus, was er gelesen hatte, um sich sichtlich unwohl in seiner Haut zu fühlen.

Was hatte das nur zu bedeuten? Ihm wurde schlagartig bewusst, dass dieses Ritual gefährlicher war, als er bisher angenommen hatte und allein die Tatsache, dass Amberle fast Erfolg damit gehabt hatte, ließ ihn erschauern. War sie wirklich dort gewesen? An einem Ort, wo die Seelen der Verdammten ins Unwesen trieben und vielleicht sogar noch Schlimmeres?
Draco wurde schlecht bei der Vorstellung und es war, als wäre die Temperatur des Raums um ihn herum um mehrere Grad kälter geworden. Die echohaften Stimmen umzingelten ihn wieder und er klappte das Buch mit einem Schlag zu, woraufhin sie verstummten. Dieses Buch war ihm eindeutig nicht geheuer und es bereitete ihm mindestens genauso viel Unbehagen, wie es Valentin Blackwell tat.
Der Blonde steckte das Buch zurück in den Beutel und verwahrte diesen in der großen Innentasche seines Umhangs, ehe er den Rückweg antrat und somit den Raum der Wünsche hinter sich ließ. Zwar wusste er noch nicht genau, wie er es anstellen würde, aber er musste Amberle unbedingt dazu bringen, wieder mit ihm zu sprechen und dann musste er sie darüber in Kenntnis setzen, was es mit dem teuflischen Ritual überhaupt auf sich hatte. Denn er hatte das ungute Gefühl, dass beim nächsten Mal mehr als ein Ohnmachtsanfall die junge Hexe heimsuchen würde, sollte sie es jemals wieder wagen, diesen Zauber durchzuführen.

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