Die Klage des Phönix
Die Klage des Phönix
Schweren Herzens hatte sich Amberle von Draco losgerissen und ihn im Raum der Wünsche zurückgelassen. Die Tränen liefen ihr noch vereinzelt über die Wangen und langsam aber sicher, trat sie ihren letzten Gang an, der sie noch von ihrem Schicksal trennte.
Das Phönix-Elixier hatte sofort Wirkung gezeigt und die Unsterblichkeit in Amberle neutralisiert. Aber dennoch spürte Amberle, wie die Magie ihren Preis einforderte und sie mit jeder Sekunde etwas schwächer wurde. Die Adern verblassten langsam und wandelten sich in ein inneres Ausmaß an Auswirkungen um, was Amberle deutlich spüren konnte.
Sämtliche Erinnerungen schienen wie ein Film an ihr vorbeizuziehen, als sie durch die Korridore von Hogwarts ging und dem Ende ihres Lebens entgegenblickte. Ihre ganze Existenz wurde ihr ein letztes Mal vor Augen geführt und Amberle hatte nicht gedacht, dass sich der bevorstehende Tod so befreiend anfühlen würde.
Natürlich brach es ihr das Herz, Draco und auch die anderen zurückzulassen. Doch sie würden auch ohne Amberle ihren Weg durchs Leben finden und die Aufgabe des wiederkehrenden Phönix war nun erfüllt.
Sie hatte ihr Schicksal akzeptiert und trug es mit Fassung, da sie keine Verzweiflung in ihren letzten Augenblicken spüren wollte. Und als Blaise ihr entgegenkam, genügte ihm ein einziger Blick und er wusste sofort, dass er Amberle zum letzten Mal gegenüberstehen würde.
,,Wo ist er?", fragte er nur und Amberle deutete in die Richtung, aus der sie gekommen war.
,,Im Raum der Wünsche. Er schläft und wird erst aufwachen, wenn es vorbei ist."
,,Verstehe. Ich werde zu ihm gehen und dafür sorgen, dass ihm nichts passiert.", versicherte er ihr, als er schon weitergehen wollte.
,,Blaise, bitte pass auf ihn auf. Und danke für alles."
Sie sah ihn zuversichtlich an und er neigte ein wenig den Kopf, ehe sich ihre Wege trennten. Blaise ging zum Raum der Wünsche, während Amberle nun den Ort anstrebte, der seit jeher für sie und auch ihren Vater ein Zufluchtsort gewesen war.
Dafür trat sie nach draußen und sah zu der Abenddämmerung am Himmel hoch. Die Sonne tauchte den Himmel in ein tiefes Rot, was ebenfalls Teil der Prophezeiung war und Amberle konnte kaum glauben, wie schnell die Zeit seit der Rückkehr ihrer Erinnerungen vergangen war. Fast schon wie im Flug und niemand würde sie ihr zurückgeben können.
Gerade wollte Amberle schon den Weg zum Astronomieturm einschlagen, als sie die Gegenwart einer anderen Person spürte und innehielt. Sie lächelte kaum merklich und drehte sich langsam um, wo Harry auf sie zukam und ihr einen abschätzenden Blick zuwarf. Der Junge mit der Blitznarbe schien dann wohl in der Tat die letzte lebende Person zu sein, die Amberle in ihrem Leben zu Gesicht bekommen würde.
,,Du wolltest doch hoffentlich nicht gehen, ohne dich richtig zu verabschieden.", raunte er ihr zu und Amberle musterte ihn neugierig.
,,Woher wusstest du es?"
,,Ich hab mir gedacht, was Dumbledore wohl tun würde. Du bist ihm ähnlicher, als du vielleicht glaubst.", erwiderte Harry und Amberle schmunzelte ein wenig.
,,Ich schätze, das ist mein Vermächtnis."
Eine andere Bezeichnung dafür hatte sie nicht, obwohl die von Newt auch passend gewesen wäre. Die Reise als Das Erbe des Phönix" zu beschreiben, traf es ziemlich genau und ohne Zweifel war sie bis zum Schluss aufregend gewesen, sowie voller Geheimnisse.
Harry wirkte nun jedoch etwas schuldbewusst, denn er senkte betreten den Kopf.
,,Es tut mir leid."
,,Was?"
,,Dass wir dich nicht retten können.", gab er schließlich zu und Amberle bewunderte einmal mehr die herzliche Art des jungen Zauberers, der so viel auf sich hatte nehmen müssen, um seine Bestimmung zu erfüllen.
,,Oh, mach dir deswegen keine Gedanken, Harry. Es kommt alles so, wie es soll. Jeder hat seine Bestimmung zu erfüllen und das hier ist meine. Und dafür haben viele andere eine zweite Chance erhalten. Das ist es wert."
,,Aber du wirst sterben.", wandte er ein und Amberle nickte.
,,Ja, das stimmt. Aber mein Tod ist auch gewissermaßen ein Neuanfang. Zum ersten Mal weiß ich nicht, was mich erwarten wird. Das ist ein schönes Gefühl."
Wahrlich stellte sich Amberle die Frage, wohin die Reise nach dem Tod wohl gehen würde. Denn dieser war bekanntlich nicht die Endstation und in Amberle keimte die stumme Hoffnung auf, dass sie vielleicht wirklich Frieden finden konnte.
,,Dein Leben war aber viel zu kurz.", merkte Harry an und Amberle trat ein paar Schritte an ihn heran, während sie ihn zuversichtlich betrachtete.
,,Weißt du, Harry...mein Schicksal war es schon immer anderen zu helfen. Es war mir nie bestimmt, ein normales Leben zu führen, insofern das für Menschen wie uns möglich ist. Das hier ist lediglich meine Berufung. Mein Leben...das ist eine andere Geschichte."
,,Vielleicht erfahre ich sie ja irgendwann mal.", meinte er und Amberle wirkte wieder einmal sehr geheimnisvoll.
,,Wer weiß."
Ja, wer wusste schon, was die Zukunft brachte. Vielleicht würde die Welt eines Tages wirklich einmal erfahren, wie alles seinen Anfang genommen hatte und welche Hürden Amberle Theodora Dumbledore auf ihrem langen Weg hatte nehmen müssen. Denn sie alle hatten sie hierher geführt und das Schicksal offenbart. Und auch Harry schien sich dessen langsam bewusst zu werden.
,,Deine Bitte habe ich übrigens befolgt. Und du hattest Recht. In der Schublade von Umbridges Büro...befanden sich unzählige Akten. Sogar deine. Dann wusste das Ministerium also die ganze Zeit, wer du wirklich bist.", offenbarte Harry mit einem Mal und Amberle verschränkte die Hände hinter ihrem Rücken.
,,Ich glaube eher, sie hatten eine Ahnung. Ganz sicher waren sie sich nicht, sonst hätte Umbridge das ohne Zweifel gegen mich oder meinen Vater verwendet. Aber ist doch schön zu wissen, dass man dem Ministerium in Erinnerung geblieben ist."
Amberle musste anhand des Sarkasmus schmunzeln, was Harry ihr gleichtat. Doch dann wirkte er sehr ernst und warf Amberle einen eingehenden Blick zu.
,,Ich danke dir, Amberle. Ohne dich hätte ich das niemals geschafft."
,,Oh, doch...das hättest du. Und ich glaube, in einem anderen Leben hast du das durchaus. Vergiss nicht, ich bin eine Dumbledore. Wir sind nicht die Helden der Geschichte."
Amberle bedachte Harry mit vielsagendem Blick und dieser widersprach nicht. Für einen kurzen Moment herrschte Schweigen zwischen ihnen, bis Amberle die Gelegenheit nutzte und noch ein letztes Anliegen an ihren besten Freund richtete.
,,Kannst du mir etwas versprechen? Pass auf die anderen auf und auch auf dich. Ich möchte, dass ihr das Leben in vollen Zögen genießt und seid versichert, dass ich bei euch sein werde. Nur eben auf eine andere Art.", bat sie ihn und Harry nickte.
,,Ich verspreche es."
,,Und achte auch auf Draco, ja? Er soll nicht um mich trauern. Ich möchte, dass er glücklich wird. Ihr alle sollt das."
Harry nickte erneut und umarmte Amberle noch ein letztes Mal. Sie erwiderte es und war froh, dass sie ihn auf seinem Weg hatte begleiten dürfen. Von Anfang an waren sie miteinander verbunden gewesen und obgleich ihr gemeinsamer Weg nun enden würde, so blieb dennoch die Erinnerung daran.
,,Ich werde dich nie vergessen.", versicherte Harry ihr und Amberle löste sich daraufhin aus der Umarmung, um ihn optimistisch zu betrachten.
,,Gut zu wissen. Dann fällt einem der Abschied gleich ein wenig leichter. Ich wünsche dir alles Glück der Welt, Harry. Du hast es verdient."
,,Du auch. Ich hoffe, du findest deinen Frieden.", erwiderte Harry, woraufhin Amberle sich von ihm entfernte und ihm ein letztes Lächeln zuwarf.
,,Auf Wiedersehen, Harry Potter."
,,Auf Wiedersehen, Amberle."
Der Junge, der überlebt hatte, kehrte ihr den Rücken und ging zurück ins Schloss. Amberle sah ihm noch nach und es fühlte sich wie ein endgültiger Abschied an, weil es auch genau das war. Harry und sie hatten diesen Weg gemeinsam begonnen und ihn auch zusammen beendet. Nun konnte Amberle ruhigen Gewissens gehen, da das Böse vernichtet war. Die Welt würde ihren Frieden finden und das gab der Hexe den nötigen Mut, um ein letztes Mal die Stufen des Astronomieturms zu erklimmen.
Langsam trat sie den Weg nach oben an und jeder Schritt wurde beschwerlicher. Deshalb brauchte Amberle auch einen kurzen Moment, als sie oben ankam und schließlich an das Geländer herantrat. Ihr Blick fing den Sonnenuntergang ein, der die Landschaft von Hogwarts eintauchte und von keinem Ort aus wirkte er atemberaubender, als von dem höchsten Turm des Schlosses. So oft hatte Amberle hier Zuflucht gesucht und auch ihr Vater hatte diesen Ort geliebt. Hier war er auch gefallen und deshalb wollte Amberle ebenfalls hier ihre letzten Augenblicke verbringen. An dem Ort, der stets etwas Besonderes für sie gewesen war.
Der Gesang eines Phönix erklang mit einem Mal und Amberle sah zum Himmel, wo Fawkes entlang flog und seine letzten Runden um Hogwarts zu drehen schien. Es klang wie ein Klagelied, was Amberle symbolisierte, dass ihre Zeit gekommen war. Und noch bevor er neben ihr auftauchte, spürte Amberle die Präsenz des Todes. Er war Freund und Feind zugleich, da er ihr schon so lange nachjagte und dennoch die Erlösung bringen würde.
,,Du bist wahrlich von Nostalgie geprägt. Wobei ich gestehen muss, dass man durchaus schlechter abtreten könnte. Wo bietet sich einem sonst so eine Aussicht?"
Valentin sah ebenfalls auf den roten Horizont und Amberle war irgendwie erleichtert, dass er hier war. Es klang absurd, aber so würde sie immerhin nicht ganz alleine sterben und der Tod würde sie begleiten.
,,Komisch, aber jegliche Feindseligkeit zwischen uns ist verschwunden.", sagte Amberle und der Tod sah sie bedeutsam an.
,,Weil es dafür auch keinen Grund gibt. Wie ich bereits sagte, ich war niemals dein Feind. Aber durch den gebrochenen Deal hast du mich gezwungen, härtere Methoden anzuwenden, um dir dein Schicksal vor Augen zu führen. Doch ich muss wohl zugeben, dass deine Zeit damals in der Tat noch nicht gekommen war."
,,Aber heute ist sie es.", gab Amberle zu und er nickte.
,,So ist es. Der Kreis deiner Unsterblichkeit ist durchbrochen und die Magie des Phönix fordert ihren Preis ein. Sie gab dir die Möglichkeit, deine lange Reise zu bewältigen und für das Gute zu kämpfen. Doch sie trotzte damit auch den Gesetzen der Natur und war viel zu mächtig. Albus Dumbledore hatte ohne Zweifel einen Faible dafür, die Grenzen zu überschreiten."
Amberle widersprach dem Tod nicht, denn es war immerhin eine Tatsache. Doch sie wollte nicht länger über das Vergangene sprechen und sah Valentin deshalb nun erwartungsvoll an.
,,Was passiert jetzt?"
,,Sobald der letzte Sonnenstrahl erloschen ist, endet dein drittes Leben und somit deine Existenz. Dein Körper wird zu Asche und dein Geist tritt die letzte Reise an.", erklärte der Tod und Amberle spürte eine Mischung aus Hoffnung und Skepsis.
,,Wo führt diese Reise mich hin?"
,,Das wirst nur du herausfinden. Wie ich dir bereits sagte. Ich führe dich auf den letzten Pfad, doch das Ende erreichst nur du allein."
Amberle nahm es hin, denn mehr würde ihr der Tod auch nicht sagen können. Und es brauchte keine Worte mehr, um die letzten Augenblicke verstreichen zu sein. Stattdessen betrachtete Amberle die untergehende Sonne und dachte ein letztes Mal an ihre Freunde und Familien zurück. An all die Menschen, die sie in ihren drei Leben begleitet hatten. Und sie würde jede einzelne Erfahrung mit sich nehmen. Das Gute und auch das Schlechte, denn das alles gehörte zum Leben dazu und war ebenso ein Teil von ihr, wie sie eine Dumbledore und eine Grindelwald war.
Das Letzte, was Amberle Dumbledore in ihrem Leben hörte, war der Gesang von Fawkes, der einmal mehr zum Abschied seine Klaglieder erklingen ließ und Richtung Horizont flog. Dann verlöschte auch der letzte Sonnenstrahl und hüllte Amberle in ein hell gleißendes Licht, was alles um sie herum verschwimmen ließ.
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