Wahrheiten

Als Sirius an diesem Abend im Gästezimmer saß und seinen Koffer auspackte, hätte er erleichtert sein sollen. Charlus hatte am Nachmittag an die Tür seines Zimmers eine Namensplakette gezaubert und auch eine der cremeweißen Wände hatten sie  in ein warmes Gryffindorrot  geändert.

James lümmelte auf einer Holztruhe herum, bereits im Pyjama, sein Haar zerzaust und redete über Streichideen, und während er Sirius beim Auspacken zusah.

Er hatte nicht sonderlich viel mitnehmen können, also war er sehr schnell am Grund des Koffers angekommen. Dies war kein großes Problem, sicherlich kein Grund in Tränen auszubrechen, denn sie würden in den kommenden Tagen einkaufen gehen. Der Grund, weshalb er in Tränen ausbrach, würde vielen als banal vorkommen, zumal Sirius selten weinte. Doch hier saß er zusammengesackt auf dem roten, flauschigen Teppich, über seinen Koffer gebeugt und schluchzte unkontrolliert.

Auf dem Boden des Koffers lag ein kleines weißes Lämmchen. Das Fell war in einem hellen blau gefärbt, mit einer weißen Stirn , ein kleines Glöckchen war um den Hals gebunden. Es war völlig unbenutzt.

James sprang auf und kauerte binnen von Sekunden neben ihm auf dem Boden. Völlig verwirrt starrte er zwischen dem Kuscheltier und seinem weinenden Freund hin und her. Sirius weinte selten.  James wusste wenig von Sirius Leben außerhalb von Hogwarts, das Bild was er von diesem Leben hatte, war zusammengesammelt aus Bruchstücken. Bruchstücke von einem Sirius, der in dunklen Nächten leise Stücke seiner Selbst preisgab, der nachts aus dem Schlaf schreckte, der sich sichtlich nicht auf die Ferien freute, der ruhig, düster und verschlossen wurde sobald seine Eltern erwähnt wurden. James hatte sich also ein Bild zusammenpuzzeln können und dieses war nicht gerade positiv.

Und so sah er Sirius an und legte nur den Arm um ihn, in einem Versuch ihn zu trösten. So saßen die beiden Jungs auf dem roten Teppich, zusammengedrückt und beide ziemlich hilflos, bis Euphemia leicht an die Tür klopfte und sie zum Essen rief. James wollte schon antworten, dass es gerade ungünstig war, doch Sirius stand bereits auf, wischte sich die Tränen von den Backen und warf dann James einen leeren Blick zu. Dieser stand ebenfalls auf und zusammen liefen sie schweigend die Treppe zum Esszimmer hinunter. 

Während dem Essen war es still. James verpasste die besorgten Blicke die seinen Eltern wechselte  keineswegs, doch er brachte nichts über die Lippen. Die Bratkartoffeln, welche er sonst so liebte verschmolzen in seinem Mund zu Pappmasche sobald er Sirius ansah. Das Problem war, dass, wären Sirius rotgeränderte Augen nicht gewesen, man ihm beinahe nichts angesehen hätte. Sein Gesicht war ruhig, keine Regung verriet seine tatsächliche Gefühlslage.

Sobald sie ihre Teller geleert hatten, entschuldigten sie sich, Sirius so höflich wie eh und je, und gingen zurück in das frühere Gästezimmer. Sirius beugte sich zu seinem Koffer, hob das Kuscheltier auf, setzte sich damit auf sein Bett und starrte es an. Leise. Alles an Sirius war zu dieser Zeit leise und es machte James verrückt. Er verstand nicht, wie sein lauter aufgedrehter Freund dauerhaft so lautlos sein konnte. Sicher, sie alle hatten ihre Momente wo sie friedlich und schweigend zusammensaßen und so lange über alles redeten was sie beschäftigte bis die Nacht der Morgendämmerung wich. Doch diese ruhigen Momente wurden immer auch von lauten und chaotischen Momenten abgelöst, mit Streichen und unendlich viel lachen. Doch jetzt wich die Stille nicht, sie war wie ein dauerhafter Begleiter, als würde die Nacht nie weichen und es verunsicherte James wirklich.

Die Bettdecke neben Sirius senkte sich, als sich der andere braunhaarige Junge sich neben ihn setzte. Er sah auf und ihre Augen trafen sich. Sturmblaues, aufgewirbelte Augen trafen besorgte haselnussbraune Augen und plötzlich unterbrach Sirius Stimme die Stille.

„Ich habe ihn dort gelassen James. Ich habe ihn einfach dort gelassen und ich hatte ihm versprochen, dass ich das niemals tun würde."

James fror ein, denn mit diesen Worten schwang solch eine Verzweiflung mit, dass es schwer war Luft zu holen.

„Wen meinst du Sirius?" fragte er, bemüht seine Stimme so sanft wie möglich zu halten, als sei der andere Junge ein verschrecktes Reh.

Ein Schniefen. „Regulus. Und ich habe nicht einmal daran gedacht. Ich war so beschäftigt damit über mich selbst nachzudenken, dass ich meinen kleinen Bruder vergessen habe."

Stille. James runzelte die Stirn. „Ich dachte ihr hattet Streit?". Er konnte sich noch sehr gut an die Schimpftriaden erinnern, welche er sich über Regulus angehört hatte. Todesser- Symphasant, Feigling und Idiot. Großmaul, Puppe und Muttersöhnchen.  Er hatte Sirius und Regulus Beziehung immer als sehr zerbrochen wahrgenommen, beide Brüder waren in seinen Augen so verschieden wie Feuer und Wasser. Als könnten sie nicht miteinander existieren, da sie sich sonst unweigerlich auslöschen würden.

Doch Sirius lachte nur bitter auf. „Sicher hatten wir Streit. Wir haben so oft gestritten, weil uns einfach so verdammt unähnlich sind. Er tut alles was meine Eltern verlangen und hinterfragt dabei nicht ein einziges mal ihre Taten. Als hätte er keine eigene Meinung, der Feigling."

In der erneuten Stille wuchs James Verwirrung nur noch.  Sirius seufzte und seine Stimme wurde weicher, nur ein wenig, doch James bemerkte es sofort.

„Aber er ist mein Bruder."

„Blut sollte nichts bedeuten. Es bedeutet nichts, nicht wenn diese Menschen dich nicht wertschätzen!", erwiderte James sogleich, sein Unverständnis war deutlich zu hören.

Sirius zuckte mit seinen Schultern. „So meinte ich das nicht. Wir sind zusammen aufgewachsen. Er ist jünger als ich und ich habe mich immer so bemüht ihn zu beschützen. Reg ist weicher und immer ein wenig zu beeinflussbar. Wenn er jetzt allein ist. Er verstummte. Ich habe Angst, was sie mit ihm tun. Zu was sie ihn machen. Sie haben ihn bereits zu viel verändert."
Er sah James mit einem traurigen Lächeln in die Augen.

„Verletzen sie ihn? Ich meine..", er zögerte, „schlagen sie ihn?"

Beinahe hätte Sirius aufgelacht. Welch Ironie, dass James mit einer solchen Vorsicht nach Schlägen fragte, während sein ganzer Körper mit den Nachwirkungen des Crutiatus Fluches schmerzte, so dass manche Atemzüge schmerzhaft waren.

Was sollte er schon sagen? Das die anfänglichen Schläge bald zu langweilig wurden, dass sie sich nicht einmal dafür mit ihm beschäftigen wollten?

James hatte stets ein privilegiertes Leben geführt, mit Sicherheit und Eltern die ihn liebten. Vermutlich würde es ihm nie selbst in den Sinn kommen, doch letztendlich war ein Teenager, der die Schrecken und Grausamkeiten der Welt nur aus Erzählungen kannte. Es war nichts, das er wirklich nachvollziehen, nichts was er sich vorstellen konnte.

Also hielt Sirius seine Worte zurück und antwortete mit dem kleinsten Teil der Wahrheit an die er denken konnte.

„Reg gehorcht ihnen. Lässt sich formen. Sie haben keinen Grund ihn zu schlagen."

James nickte, dann stockte er. „Und dich?"

Stille, so leise, dass man die Grillen auf dem Anwesen der Potters zirpen hören konnte. Versteckt in hohen Gras, wo die heiße Sommerhitze sie nicht erreichen konnte. Eine friedliche Abendstimmung, so unpassend zu den Erinnerungen an die einer der schwarzhaarigen Jungen im Inneren dachte.

„Ich meine, du folgst ihnen nicht Sirius. Du sträubst dich gegen alle ihre Ideale."

Noch immer antwortete Sirius nicht. James zögerte. „Bitte, sag mir nur, ob du verletzt bist. Bitte, ich..."

Sirius senkte den Blick, herab auf die weiche Bettdecke. „Es ist jetzt ohnehin vorbei. Ich kann nicht zurück."

Die Abenddämmerung brach hinein und mit ihr die Wahrheit.

„Sirius." Wisperte James, in solch einem ungewohnt sanften Ton, dass es Sirius beinahe überraschte.

„Es war nichts, ehrlich ich bin okay, es war nie schlimm, es ist nur..." er stolperte über seine Worte. „Du sagst selbst, ich folge ihnen nicht, ich bin stur, ich bin nicht ihr guter Sohn. Es, es muss Konsequenzen geben, richtig? Ich meine sie sind meine Eltern!"

„Das macht es nicht richtig! Das war nicht deine Schuld, okay? Bitte, glaub das nicht, du hättest nie verletzt werden sollen. Sie liegen falsch. Blut rechtfertigt keinen Missbrauch! Keinen, hörst du?"

„Ich weiß. Eigentlich weiß ich das, nur, wenn ich es zugebe Wenn ich mir eigestehe, dass es Missbrauch war, dann wird es real.

Ihre Ideale sind falsch und ihre Handlungen sind falsch und ich hasse sie. Aber ich verstehe nicht, wie sie all das tun können und dann frage ich mich, ob es nicht besser wäre zu folgen. Ein guter Sohn zu sein, jemand auf den man stolz ist.  Nur manchmal, ja? Ich hasse keine Muggelgeborenen und ich möchte mich nicht Voldemort anschließen, ich Ich bin nur müde davon so gehasst zu werden. Nur wie können sie mich so verabscheuen, wieso können sie mich nicht einmal ein bisschen lieben?"

Sirius klang so klein und verzweifelt, dass sich alles in James zusammenzog. Sein Freund, sei Bruder war verletzt geworden. Und er hatte nichts getan. Hatte nichts bemerkt. Das es nicht seine Verantwortung war, dass er ebenfalls nur ein Jugendlicher, ein Kind war, das kam ihm nicht in den Sinn. Er wusste nichts zu antworten, denn was antwortet man schon auf solch eine blanke Wahrheit? Und so zog er Sirius wieder näher an sich und flüsterte in das schindende Tageslicht.

„Es ist jetzt vorbei."

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Ich habe zu Weihnachten einen Laptop bekommen und es ist solch eine Erleichterung nicht mehr alles auf meinem Handy tippen zu müssen.  Danke an alle die lesen, kommentieren und bewerten :)

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