Kapitel V
Er sah desinteressiert zur Decke auf. Der Nachthimmel, der sich in ihr spiegelte, war ungewöhnlich klar. Die Sterne funkelten hell wie kleine Diamanten, aber es interessierte ihn wenig.
Seine schwarzen Haare fielen ihm in die Augen, aber er beachtete sie nicht. Um ihn herum schnatterten seine Mitschüler und zeigten auf diese und jene Neuen, flüsterten Namen und wie sie waren.
Ohne zuzusehen, wusste Arcturus, dass sich nun alle in zwei geordnete Reihen aufstellten, eine links und eine rechts vom Hut. Wie jedes Jahr konnte er es nicht verhindern, dass seine Gedanken an seine eigene Auswahl abschweiften. Er war zwölf gewesen, ein Jahr älter als die anderen Schüler in seinem Jahrgang, weil er kurz vor seinem elften Geburtstag erkrankt war. Er hatte fürchterliche Angst, den Brief danach nicht mehr zu bekommen, aber seine Mutter hatte ihn beruhigt. Auch wenn sie das Gegenteil nicht behauptet hatte. Sie log einfach nicht. Und tatsächlich war an seinem zwölften Geburtstag ein wunderschöner, brauner Waldkauz durch sein Zimmerfenster geflattert und ihm das linke Bein entgegen gestreckt, an das ein sorgfältig gefalteter Brief befestigt war, auf dem in smaragdgrünen Lettern sein Name und seine Adresse standen. So war er einige Monate später zum ersten Mal durch die gigantischen Tore geschritten, und voller Ehrfurcht und Misstrauen auf den alten geflickten Hut geblickt, hatte nicht glauben können, dass dieses unförmige Ding, das nur aus verschiedenen Stofffetzen, die unzählige Löcher zu verdecken schienen, bestand, die Macht hatte, ihn in das Haus zu stecken, in das er gehörte.
„Zazek, Lauren", rief McGonagalls Stimme harsch.
Arcturus blickte hoffnungsvoll nach vorne und sah gerade, wie sich der fleckige Hut über eine wirre, aufgebauschte Flut von weißblonden Haaren senkte, die an den Spitzen rötlich wurden und deren Trägerin ihn trotzig von unten anstarrte, als ihre Augen von dem Stoff bedeckt wurden. „GYFFINDOR!"
Er beugte sich schon vor und wartete darauf, dass auf der Platte vor ihm endlich das Essen erscheinen würde, aber McGonagall fing wieder an zu sprechen: „In diesem Jahr begrüßen wir noch eine weitere neue Schülerin, die allerdings direkt in das dritte Jahr stoßen wird, da sie die vergangenen beiden Jahre zu Hause unterrichtet wurde. Ich hoffe, ihr werdet sie in eure Gemeinschaft aufnehmen und keinen Unterschied machen."
Arcturus sah gespannt nach vorne, genau wie alle anderen. Seine Mutter hatte ihm erzählt, dass es schon manchmal vorkam, dass Schüler nachträglich eingeschult werden würden, er selbst hatte aber noch nie dabei zugesehen.
„Middletal, Lily", rief McGonagall und es wurde für einen Moment so still, das man eine Stecknadel hätte fallen hören, dann fing das Geflüster an. Ein Mädchen, wahrscheinlich ein Jahr jünger als er, trat nun vor.
Sie war extrem dünn, zu dünn, das sah er sogar auf die Entfernung, und besaß kupferrote, leicht gelockte Haare, von denen ihr eine Strähne vor die tiefgrünen, katzenartigen Augen fiel. Als sie nach vorne trat und sich au den Schemel setzte, zeigte ihre Miene nicht die geringste Spur von Angst oder Aufregung.
Unwillkürlich musste er sie dafür bewundern, er war in einer Schar von Erstklässlern schon unendlich fahrig gewesen, und nun waren alle Blicke der Großen Halle auf sie gerichtet. Etwas in seinem Kopf schien bei dem Namen 'Middletal' zu klingeln. Er war sich beinahe sicher, dass es sich dabei um eine sehr alte, reinblütige Familie handelte. Die Chancen standen gut, dass sie in sein Haus kommen würde. Das wäre interessant, sicherlich. Kurz bevor sich der Hut über ihren Kopf legte, schloss sie die Augen.
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Lily setzte sich auf den Stuhl und hoffte inständig, dass sie nicht so nervös aussah, wie sie sich fühlte. Sie sah, wie die Gesichter der Menge in der Halle sie anstarrten, ungläubig, einige flüsternd. Sie schloss die Augen und hörte, wie die Stimmen verstummten, noch bevor sich der Hut über ihre Ohren schob.
Oh, wen haben wir denn da?, fragte eine seltsame Stimme in ihrem Kopf, die nur vom Hut stammen konnte. Bevor Lily etwas sagen konnte, redete er weiter Seltsam, seltsam... Ich habe nach den letzten Jahren nicht gedacht, dass ich dich je einteilen könnte...
Ach, wirklich?, fragte Lily zurück, selbst überrascht über die Schärfe in ihren Gedanken.
Aber, aber, nicht gleich so unfreundlich... Wo stecke ich dich denn hin... Huch, wieso so sauer?
Die letzte Frage stellte sich an Lilys Wut, die plötzlich in ihrem Inneren aufkam.
Ich will nicht, das jemand über mein zukünftiges Leben entscheidet!, fauchte sie, mit jedem Gedanken wurde sie überraschter. Sie war sonst nicht so, überhaupt nicht. Sie spürte in sich, wie der Hut irgendwie... glücklich über die Bemerkung war, aber er murmelte nur
Hufflepuff scheidet dann wohl aus, dafür bist du zu schnippisch. O ja. Ravenclaw wäre auch nicht die richtige Wahl, auch wenn du viele Eigenschaften in dir vereinst, die dafür sprechen würden. Slytherin wäre eine kluge Entscheidung, ehrgeizig, selbstbewusst...
Nein, unterbrach Lily sein Selbstgespräch. Nein. Ich werde nicht nach Slytherin und zu den Schwarzmagiern gehen! Nein!
Wieso war sie so wütend, sie wusste doch, dass Slytherin nicht so schlimm war.
Weißt du, du bist ganz schön frech für dein Alter, nicht viele reden so mit mir, denn eigentlich sollte ich am Besten wissen, wo du hingehörst... Vielleicht sollte ich einfach nicht auf dich hören und dich zum Spaß ins Haus vom alten Salazar stecken... Aber ich denke, das wäre kontraproduktiv, auf jeden Fall für das Wohl unserer Schule. Eventuell doch Ravenclaw?
Lily spürte, dass sie unter dem Hut die Stirn runzelte Wieso ziehst du Gryffindor nicht in Betracht?
Irgendwie spürte sie nun Schuldbewusstsein in den Tiefen des Stoffes. Sie hatte nicht gedacht, dass er wirklich Gefühle hatte.
Nun ja, mutig bist du schon, und tapfer und loyal, aber ich weiß nicht, ob das mit den äußeren Umständen kombiniert wirklich eine gute Idee wäre...
Wieso?
Weil... nun ja, ich denke, du solltest das mir überlassen. Jetzt halt schön deine Gedanken in Zaum und lass mich überlegen, murrte der Hut.
Lily folgte seiner Aufforderung, als sie auf einmal von einer Flut von Gedanken überschwemmt wurde, die sie nicht benennen konnte, nicht einmal sehen, was sie wirklich waren, denn sie waren von einer Art Nebel verhangen, der alles zu Silhouetten verwandelte und die Stimmen waren verzerrt und unverständlich. Die unterschiedlichsten Empfindungen brachen über sie herein, wechselten mit jedem Abschnitt ihrer Gedanken, die immer schneller kamen. Wut, Freude, Zuneigung, Trauer, Angst, Erleichterung, Unzufriedenheit, Spannung, Verlorenheit...
Hey, ich habe mich entschieden, rief der Hut auf einmal laut in ihrem Kopf, Ich dachte du wärst ganz wild auf dein Haus.
Lily kam in die Wirklichkeit und Schwärze des Hutes zurück und sandte eine stumme Entschuldigung aus.
Also... „GRYFFINDOR."
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