17.12
Die Nacht hatte eine eigentümliche Stille über Hogwarts gelegt, unterbrochen nur vom fernen Rauschen der Bäume im Verbotenen Wald. Severus Snape stand im Gewächshaus Nummer drei, die Hände in die Taschen seines Umhangs vergraben. Die schummrigen Lichter der magischen Laternen tauchten die Pflanzen in ein grünliches Leuchten, während die feuchte Erde den Raum mit ihrem typischen Geruch erfüllte.
Er wusste nicht, warum er überhaupt hier war. Oder besser gesagt, er wusste es, wollte es sich aber nicht eingestehen.
Die Tür knarrte hinter ihm, und er drehte sich abrupt um.
„Sev?"
Ihre Stimme. Immer ihre Stimme. Sie klang weich, fast fragend, und ließ seine Schultern augenblicklich sinken. Lily Evans stand in der Tür, die Locken ihres roten Haares fielen ihr wie ein Feuerfall über die Schultern, und ihre grünen Augen suchten seinen Blick.
„Lily." Er versuchte, seinen Ton neutral zu halten, aber selbst er hörte die angespannte Wärme darin.
„Was machst du hier?" fragte sie und trat näher, während sie die Tür hinter sich schloss.
Severus zuckte mit den Schultern. „Ich könnte dich dasselbe fragen."
„Ich hatte das Gefühl, dass ich hier jemanden finde." Sie lächelte leicht, und er fühlte, wie seine Kehle trocken wurde.
„Nun, jetzt hast du mich gefunden." Er wandte den Blick ab und konzentrierte sich auf eine Pflanze neben ihm – eine Venemosa Tentacula, deren Ranken sich wie schlafende Schlangen bewegten.
„Ich wollte mit dir reden." Lily ging näher an ihn heran, bis nur noch der Tisch zwischen ihnen stand. „Es ist schon eine Weile her."
„Das ist es." Seine Stimme war rau, fast unfreundlich, aber er konnte die leise Hoffnung in seiner Brust nicht verdrängen.
Lily legte den Kopf schief. „Warum machst du das, Sev? Du hast mich doch die letzten Tage komplett ignoriert."
„Ich habe dich nicht ignoriert."
„Ach nein?" Sie hob eine Augenbraue. „Du bist mir aus dem Weg gegangen. In der
Bibliothek. In den Fluren. Sogar in Zaubertränke, obwohl wir direkt nebeneinander sitzen."
Severus spürte, wie seine Wangen heiß wurden. „Vielleicht war ich beschäftigt."
„Oder vielleicht warst du einfach ein Feigling."
Ihre Worte trafen ihn wie ein Schlag, und er hob den Kopf, um sie anzusehen. Ihre Augen funkelten vor Entschlossenheit, und ihr Blick hielt ihn wie ein Zauber gefangen.
„Ich bin kein Feigling," sagte er leise, seine Stimme voller Emotionen, die er nicht kontrollieren konnte.
„Dann sag mir, was los ist."
Er wollte ihr die Wahrheit sagen. Über die anderen Slytherins. Über die Worte, die er bereute. Über die Welt, in der er gefangen war, und die ihn von ihr entfernte. Aber stattdessen sagte er: „Es spielt keine Rolle."
Lily schnaubte und verschränkte die Arme. „Das ist so typisch für dich, Sev. Du schottest dich ab, redest nicht mit mir, und dann tust du so, als wäre alles meine Schuld."
„Ich habe nie gesagt, dass es deine Schuld ist!"
„Aber du lässt mich im Dunkeln stehen! Wie soll ich dir helfen, wenn du mich nicht lässt?"
Severus starrte sie an, ihre Wangen waren gerötet, und ihre Augen glitzerten vor Wut. Sie war so wunderschön, dass es wehtat.
„Ich brauche keine Hilfe," flüsterte er schließlich.
„Doch, brauchst du. Und ich bin bereit, sie dir zu geben. Aber du musst mich reinlassen, Sev."
Die Stille zwischen ihnen war schwer, und für einen Moment dachte er, sie würde gehen. Doch stattdessen trat sie um den Tisch herum und stellte sich direkt vor ihn.
„Weißt du, warum ich hier bin?" fragte sie leise.
Er schüttelte den Kopf, unfähig, Worte zu finden.
„Weil ich dich vermisse."
Severus' Herz setzte einen Schlag aus.
„Du bist der einzige Mensch, mit dem ich über alles reden konnte," fuhr sie fort. „Und ich hasse es, dass wir uns so entfremden. Es fühlt sich an, als würde ich dich verlieren."
„Du wirst mich nie verlieren." Die Worte waren heraus, bevor er sie zurückhalten konnte, und sie klangen wie ein Versprechen, das er nicht brechen durfte.
Lily lächelte traurig. „Dann zeig mir das, Sev. Zeig mir, dass es dir noch wichtig ist."
Er atmete tief ein. Die Versuchung, alles zu sagen, was er fühlte, war überwältigend. Aber er wusste, dass es nie einfach sein würde. Also tat er das Einzige, was er tun konnte.
„Lily..." Seine Stimme brach, und er senkte den Kopf. „Ich weiß nicht, wie ich das ändern soll."
„Dann lass mich anfangen."
Bevor er reagieren konnte, beugte sie sich vor und legte ihre Hände auf seine Schultern. Ihre Lippen berührten sanft seine Wange, und er spürte, wie seine Knie fast nachgaben.
Als sie sich zurückzog, sah sie ihn mit einem weichen Lächeln an. „Das ist der Severus, den ich kenne."
Severus starrte sie an, unfähig zu sprechen, unfähig zu denken. Und in diesem Moment, in der Stille des Gewächshauses, fühlte er etwas, das er seit Wochen nicht mehr gefühlt hatte: Hoffnung.
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