10.12
Angelina Johnson wusste genau, dass Lee Jordan ein übergroßes Ego hatte. Sie wusste auch, dass er ihre Geduld regelmäßig auf die Probe stellte. Doch was sie an diesem Nachmittag im Gryffindor-Gemeinschaftsraum nicht erwartet hatte, war, dass er einen neuen Höhepunkt seiner charmanten Dreistigkeit erreichen würde.
„Na, Johnson. Heute schon jemanden vor Glück zum Weinen gebracht?"
Angelina hob den Blick von ihrem Buch, nur um Lee zu sehen, der lässig mit der Hüfte an die Armlehne ihres Sessels lehnte, das Grinsen eines Unruhestifters auf den Lippen.
„Noch nicht. Aber wenn du mich weiter störst, bist du der Erste."
„Ui, gefährlich." Lee lachte leise, als hätte sie gerade ein Kompliment gemacht. „Komm schon, warum immer so ernst? Das hier ist deine Chance, etwas Spaß in dein Leben zu bringen."
„Ich dachte, dafür hätte ich dich in meinem Leben."
„Und genau deshalb frage ich dich jetzt zum dritten Mal nach einem Date."
Angelina rollte mit den Augen. „Jordan, ich habe dir schon zweimal nein gesagt. Willst du das wirklich wieder durchmachen?"
„Absolut." Lee ließ sich auf die Sessellehne fallen, sein Gesicht nun auf Augenhöhe mit ihrem. „Denn ich habe festgestellt, dass du dieses Nein nur sagst, weil du Angst hast, dass du mich zu charmant finden könntest."
„Charmant?" Angelina zog eine Augenbraue hoch und konnte das Lächeln, das sich auf ihre Lippen schlich, kaum unterdrücken. „So nennst du also deinen ununterbrochenen Redefluss?"
„Das nenne ich überzeugende Argumentation", sagte Lee und lehnte sich so weit vor, dass sie kaum anders konnte, als ihn direkt anzusehen. „Ich meine, komm schon, Angie – darf ich dich Angie nennen?"
„Nein."
„Wie wäre es mit Miss Johnson?"
„Das klingt nach einer Strafe."
„Vielleicht bin ich bereit, bestraft zu werden." Sein Grinsen wurde breiter, und Angelina spürte, wie ein Lachen in ihr aufstieg.
„Du bist unmöglich."
„Das höre ich oft. Aber weißt du, was ich noch öfter höre?"
„Bitte sag, es ist 'Halt den Mund'."
„Nicht ganz. Es ist ‚Wie konnte ich je ohne Lee Jordan leben?'"
Angelina schüttelte den Kopf, diesmal mit einem unkontrollierten Lachen. „Du hast wirklich keine Scham, oder?"
„Warum sollte ich? Ich rede hier mit der beeindruckendsten Hexe in diesem Schloss. Glaubst du, ich lasse mich von ein paar kleinen Niederlagen aufhalten?"
Angelina wollte etwas Schlagfertiges erwidern, aber irgendetwas in seinem Blick hielt sie zurück. Da war mehr als nur sein typischer Humor. Es war Aufrichtigkeit, die fast unbemerkt unter seiner spielerischen Fassade lag.
„Warum bist du so hartnäckig?" fragte sie schließlich und legte ihr Buch weg.
„Weil ich dich mag." Lee zuckte mit den Schultern, als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt. „Und weil ich glaube, dass du mich auch magst, selbst wenn du es nicht zugeben willst."
„Ach, tatsächlich?" Angelina verschränkte die Arme vor der Brust. „Und woran willst du das festmachen?"
„An deinem Lächeln." Lee tippte mit dem Finger leicht auf ihre Wange. „Du versuchst, es zu verstecken, aber ich sehe es. Du magst meine Witze."
„Nur weil sie manchmal so schlecht sind, dass sie wieder lustig werden."
„Das nehme ich als Ja."
„Du bist unmöglich."
„Das hast du schon gesagt. Aber ernsthaft, Angie – ich meine, Angelina – gib mir eine Chance. Ich verspreche, ich werde dich zum Lachen bringen."
Angelina musterte ihn, ihr Blick prüfend. Seine Worte waren übertrieben, aber seine Augen leuchteten mit einer Wärme, die sie nur selten bei ihm gesehen hatte.
„In Ordnung", sagte sie schließlich und klang fast genervt. „Aber nur, damit du endlich aufhörst, mich zu nerven."
Lee sprang auf und streckte triumphierend die Arme in die Luft. „Das wird die beste Entscheidung deines Lebens, Johnson! Vertrau mir."
„Das wird die größte Zeitverschwendung meines Lebens, Jordan", konterte sie, aber ein kleines, echtes Lächeln spielte um ihre Lippen.
Vielleicht war Lee Jordan doch nicht ganz so unmöglich, wie sie immer dachte.
The End
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