09.12

Die frische Nachtluft durchzog die Gänge von Hogwarts, als Albus und Scorpius die steilen Stufen des Schlosses hinunterstiegen. Es war spät, viel später, als sie normalerweise unterwegs gewesen wären, aber sie hatten keinen Plan, warum sie sich entschieden hatten, nach draußen zu gehen. Es war eine dieser Nächte, in denen die Dunkelheit alles andere verdrängte und die Welt um sie herum in ein gedämpftes, fast geheimnisvolles Licht tauchte.

„Warum gehen wir überhaupt nach draußen?", fragte Scorpius, seine Stimme leicht amüsiert, während er die kalte Luft einatmete.

„Weil es ruhig ist", antwortete Albus mit einem schiefen Grinsen. „Weil niemand uns hier finden kann. Und weil es einfach... das Richtige ist."

Scorpius konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als er Albus' Gesicht betrachtete. Der Slytherin war ein interessanter Mensch. Nie so einfach zu lesen wie andere. Albus hatte diese Eigenart, immer das zu tun, was ihn irgendwie von allen anderen abhob. Es war nicht immer das, was erwartet wurde, und genau das faszinierte Scorpius an ihm.

Sie gingen durch den dunklen, stillen Garten, umgeben von hohen Bäumen, deren Zweige sich in den Himmel streckten. Der Boden war mit feuchtem Laub bedeckt, und das leise Rascheln der Blätter klang fast wie ein geheimnisvolles Flüstern in der Stille der Nacht.

„Wohin genau gehen wir?", fragte Scorpius, als sie sich immer weiter entfernten.

„Zum See", antwortete Albus mit einem Hauch von Geheimnis in seiner Stimme. „Ich dachte, es wäre der perfekte Ort, um mal abzuschalten. Keine Leute, keine Fragen. Einfach wir und der See."

Scorpius warf ihm einen Blick zu, aber Albus' Gesicht war undurchdringlich, fast so, als würde er etwas erwarten, das Scorpius noch nicht ganz verstand. Der Slytherin zuckte mit den Schultern und folgte ihm.

Bald erreichten sie den Rand des Sees. Der Ort war atemberaubend – das Wasser glänzte schwach im Mondlicht, und die Wellen schlugen ruhig gegen den Uferboden. Es war ein seltener Moment der Ruhe, ein Moment, in dem Scorpius nicht das Gefühl hatte, ständig in einer Welt voller Erwartungen und Verpflichtungen zu leben.

„Ich habe das Gefühl, dass hier niemand uns stört", sagte Albus und setzte sich auf einen der Felsen am Rand des Sees, die über die Zeit vom Wasser geformt worden waren. Er blickte über das Wasser hinaus und schien nachzudenken, als ob er die Stille in sich aufnehmen wollte.

Scorpius zögerte, setzte sich aber schließlich neben ihn, der Blick ebenfalls auf den See gerichtet. „Es ist seltsam, wie friedlich es hier ist", murmelte er. „In Hogwarts geht nie etwas wirklich ruhig vor sich."

„Vielleicht liegt es am See", sagte Albus, seine Stimme weicher als sonst. „Er ist... alt und ruhig. Vielleicht kann er uns helfen, den Lärm in unseren Köpfen zu beruhigen."

Scorpius nickte, aber irgendetwas in Albus' Tonfall ließ ihn den Blick von der Wasseroberfläche abwenden. Er sah Albus an – der sich jetzt zu ihm drehte, mit einem leichten, unsicheren Lächeln.

„Was ist?", fragte Scorpius, als ihm der plötzlich ernste Ausdruck in Albus' Gesicht auffiel.

„Ich wollte dir schon lange etwas sagen, Scorpius", sagte Albus, und seine Augen funkelten im schwachen Mondlicht, als er Scorpius direkt ansah. „Ich... mag dich. Mehr als nur als Freund."

Der Atem stockte in Scorpius' Lunge. Es war, als hätte der See selbst für einen Moment aufgehört zu atmen. Die Worte, die er selbst nie wirklich in den Mund nehmen wollte, hingen jetzt in der Luft. Vielleicht hatte er es geahnt, vielleicht nicht. Doch als Albus ihn so ansah, wusste Scorpius, dass es wahr war.

„Ich auch", antwortete Scorpius schließlich, die Worte kamen fast unkontrolliert, als hätte er sie so lange zurückgehalten, dass sie jetzt mit aller Macht hervorbrachen. „Ich dachte, du würdest es wissen, aber vielleicht... habe ich es nie wirklich gesagt."

Albus' Augen weiteten sich für einen Moment, als hätte er die Antwort nicht erwartet. Dann jedoch trat er einen Schritt näher, und Scorpius konnte den Herzschlag in seiner Brust spüren, der jetzt schneller wurde. „Es ist nicht einfach, oder?", fragte Albus, seine Stimme ein bisschen rauer als sonst. „Nicht, wenn du nicht sicher bist, wie der andere fühlt."

Scorpius nickte, seine Finger zitterten fast. Er wollte nicht unsicher wirken, wollte nicht, dass Albus dachte, er würde zögern. Doch Albus' Nähe, die sanfte Wärme, die von ihm ausging, machte alles irgendwie... verwirrend und richtig zugleich.

„Ich weiß", sagte er leise, bevor er sich entschloss, die Distanz zwischen ihnen endgültig zu überwinden. Albus hatte ihn in diesem Moment so unendlich nah zu sich gezogen, dass Scorpius nicht länger die Möglichkeit hatte, zurückzuweichen.

Mit einem leicht zögerlichen Lächeln beugte sich Scorpius vor und küsste Albus.

Der Kuss war sanft und zurückhaltend, fast scheu – als ob sie beide immer noch versuchten, die Bedeutung dieses Moments zu verstehen. Doch als Albus' Hand sanft auf seine Wange glitt, öffnete sich eine neue Welt für Scorpius. Der Kuss wurde tiefer, intensiver, und die Welt um sie herum verschwand. Der See, der Mond, das Schloss – es gab nur noch Albus und ihn, zusammen.

Als sie sich voneinander lösten, war Scorpius immer noch atemlos, aber ein Lächeln spielte auf seinen Lippen. Albus' Augen waren genauso weit offen, und das Grinsen, das sich langsam auf seinem Gesicht ausbreitete, war das erste Mal, dass Scorpius es als ehrlich empfand.

„Das war...", begann Albus und sah Scorpius an. „Das war genau das, was ich mir erhofft habe."

„Ich auch", antwortete Scorpius und lehnte sich zurück, während sie nebeneinander am Ufer des Sees saßen. „Vielleicht sind wir nicht so verschieden, wie wir dachten."

„Vielleicht", flüsterte Albus und legte seine Hand auf Scorpius' Schulter, ein sanfter Druck, der mehr sagte als Worte.

Und in diesem Moment, bei den sanften Wellen des Sees und der Stille der Nacht, war alles richtig. Es gab nur sie beide, die sich in einem neuen Licht fanden, eines, das die Dunkelheit der Umgebung aufhellte und den Beginn von etwas Schönem versprach.

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