06.12
Ron Weasley stieß die Tür der verlassenen Eulerei mit einem Knall auf und stapfte hinein. Sein Gesicht war gerötet, seine Schultern hochgezogen, als hätte er die Wut selbst auf seinen Rücken geladen. Er hatte gehofft, in der Kühle des Turms Ruhe zu finden, weit weg von den Stimmen und Erwartungen, die ihn in den letzten Wochen verfolgt hatten.
Doch natürlich war er nicht allein.
„Muss der große Gryffindor wirklich so laut auftreten?" Blaise Zabini saß auf der steinernen Bank unter einem Fenster, die langen Beine elegant ausgestreckt, eine Pergamentrolle lässig in der Hand. Er hatte den Kopf zur Seite geneigt und beobachtete Ron mit einer Mischung aus Neugier und Amüsiertheit.
Ron blieb stehen, überrascht, dann verschränkte er die Arme vor der Brust. „Was machst du hier, Zabini? Heimlich Briefe an Voldemorts Geist schicken?"
Blaise hob nur eine Braue. „Charmant wie eh und je. Und nein, ich genieße lediglich die Ruhe – oder tat es, bevor du hier hereingeplatzt bist."
Ron schnaubte und ging zur anderen Seite des Raumes, wo er sich mit einem schweren Seufzen gegen die Wand lehnte. „Ich dachte, ich wäre allein."
„Das dachten wir wohl beide." Blaise ließ die Pergamentrolle sinken und musterte Ron genauer. „Aber es sieht so aus, als wärst du hergekommen, um Dampf abzulassen. Was ist passiert? Hat Granger dich wieder zu viele Bücher tragen lassen?"
Ron funkelte ihn an. „Das geht dich nichts an."
„Oh, aber dein Zorn erfüllt diesen Raum wie ein schlecht gewirkter Duftzauber. Wenn du schon hier bist, kannst du auch reden." Blaise klang fast gelangweilt, doch Ron spürte, dass hinter der spöttischen Fassade echtes Interesse lag.
Er zögerte. Es war nicht so, als würde er Blaise Zabini als Vertrauten sehen, doch irgendetwas an seiner kühlen, distanzierten Art fühlte sich... sicher an. Als würde er Ron zuhören, ohne ihn zu verurteilen.
„Es ist Hermine", platzte er schließlich heraus.
Blaise zog eine Braue hoch. „Ist sie deine Freundin?"
„Ist sie", murmelte Ron. „Oder... war sie das? Ich weiß nicht mehr, was sie überhaupt will. Es fühlt sich an, als ob sie... als ob sie mich kaum noch ansieht. Wir reden nicht, wir streiten nur. Es ist wie... als wäre ich nicht genug."
Blaise sah ihn lange an, und als er sprach, war seine Stimme ungewohnt weich. „Vielleicht ist es nicht, dass du nicht genug bist, Weasley. Vielleicht seid ihr einfach nicht mehr das, was ihr einmal wart."
Ron starrte ihn an. Es war die Ehrlichkeit in Blaises Worten, die ihn aus der Fassung brachte. Niemand hatte es so offen gesagt, nicht einmal Harry oder Ginny.
„Vielleicht hast du recht", sagte Ron schließlich und rieb sich den Nacken. „Aber was soll ich machen? Ich dachte, sie wäre... die Eine, weißt du?"
Blaise zuckte mit den Schultern und stand auf. „Manchmal ist es nicht das, was wir denken, sondern das, was wir fühlen."
Er trat näher, seine Schritte leise, und bevor Ron es wirklich bemerkte, stand Blaise vor ihm, die Hände in die Taschen seiner Robe gesteckt. Seine dunklen Augen ruhten auf Rons Gesicht, und plötzlich fühlte sich der Raum kleiner an.
„Manchmal", fuhr Blaise fort, „muss man den Mut haben, das loszulassen, was einen zurückhält, um das zu sehen, was wirklich vor einem steht."
Ron schluckte. Sein Herz schlug schneller, und er wusste nicht, ob es an Blaises Worten lag oder an der Nähe zwischen ihnen. Blaise wirkte ruhig, kontrolliert wie immer, doch in seinen Augen war etwas, das Ron nicht deuten konnte.
„Und was... was steht vor mir?" fragte Ron, seine Stimme leise, fast rau.
Blaise lächelte, ein echtes, warmes Lächeln, das all seine üblichen Masken zerschlug. „Vielleicht solltest du das herausfinden."
Bevor Ron etwas sagen konnte, drehte sich Blaise um und ging zur Tür. Doch als er sie öffnete, hielt er inne und sah zurück.
„Ich bin übrigens nicht so weit weg, falls du jemanden brauchst, um zu reden. Oder um zu schreien."
Ron nickte, unfähig, etwas zu sagen, doch sein Herz fühlte sich leichter an. Blaise verschwand, und zum ersten Mal seit Wochen hatte Ron das Gefühl, dass er wirklich eine Entscheidung treffen konnte – nicht über Hermine, sondern über sich selbst.
The End
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