03.12
Das Quidditch-Stadion war leer und still, ein ungewohnter Zustand für einen Ort, der sonst von Jubelrufen und dem Dröhnen von Besen in der Luft erfüllt war. Marcus Flint zog die Schultern seines Mantels enger zusammen, um die kühle Abendluft abzuwehren. Der Herbst hatte die Ländereien von Hogwarts fest im Griff, und die letzten Sonnenstrahlen tauchten den Himmel in ein glühendes Orange.
Er war nicht hier, um nachzudenken. Marcus Flint war kein Mann, der sich in Gedanken verlor. Aber heute Abend, nach einem weiteren langen Training, hatte er sich nicht zurück in die Slytherin-Gemeinschaftsräume begeben. Stattdessen hatte er die leeren Tribünen aufgesucht, um... ja, was eigentlich?
„War klar, dass ich dich hier finde."
Die vertraute Stimme ließ Marcus hochsehen. Er brauchte nicht einmal hinzusehen, um zu wissen, wer da sprach. Oliver Wood stand am unteren Ende der Tribüne, das Besenende locker auf den Boden gestützt. Sein Gryffindor-Umhang flatterte leicht im Wind, und in seinem Gesicht lag dieses selbstbewusste Lächeln, das Marcus gleichermaßen bewunderte und verabscheute.
„Wood," sagte Marcus, seine Stimme so neutral wie möglich. „Was willst du?"
Oliver kam näher, seine Schritte leichtfüßig, aber zielgerichtet. Er ließ sich neben Marcus auf die Bank fallen, ohne um Erlaubnis zu fragen. „Ich wollte nur sehen, ob du schon Pläne schmiedest, wie du uns morgen vom Besen fegst."
Marcus schnaubte. „Ich brauche keine Pläne. Wir schlagen euch, wie immer."
Oliver grinste, ließ sich aber nicht provozieren. „Ist das so? Du solltest dich nicht zu sicher fühlen. Katie Bell hat heute einen Quaffelwurf hinbekommen, der sogar dich aus dem Gleichgewicht bringen würde."
Marcus warf ihm einen Seitenblick zu. Es war typisch für Oliver, mit seinen Gryffindor-Spielern anzugeben, aber Marcus wusste, dass es nicht die Wahrheit war, die ihn hierhergeführt hatte.
„Also, was willst du wirklich?" fragte er schließlich, die Arme vor der Brust verschränkt.
Oliver wurde kurz still, sah hinaus auf das leere Spielfeld. „Vielleicht wollte ich einfach sichergehen, dass du dich nicht überanstrengst. Immerhin brauchen wir morgen einen ordentlichen Gegner."
Marcus lachte trocken. „Das ist es nicht. Du bist nicht hier, weil du dir Sorgen um das Spiel machst."
Oliver zuckte die Schultern, und für einen Moment war da etwas in seinem Blick, das Marcus' Aufmerksamkeit fesselte – eine Mischung aus Nachdenklichkeit und Unsicherheit, die er bei Wood selten sah.
„Vielleicht wollte ich auch einfach nur hier sein," sagte Oliver schließlich.
Die Worte klangen fast beiläufig, aber Marcus spürte das Gewicht, das sie trugen. Er sah Oliver an, und in der Dämmerung wirkte sein Gesicht weicher, weniger kantig, als würde das Licht die Grenzen verwischen, die sie seit Jahren voneinander trennten.
„Das wird morgen unser letztes Spiel hier sein," sagte Oliver leise, als hätte er Marcus' Gedanken erraten.
Marcus nickte knapp. Es war eine Tatsache, die ihn in den letzten Wochen immer wieder beschäftigt hatte, obwohl er es sich nie eingestanden hätte. Das letzte Quidditch-Spiel in Hogwarts, bevor der Abschluss kam und sie beide in verschiedene Richtungen gehen würden.
„Du wirst Profi werden," sagte Marcus schließlich, und es klang fast wie ein Vorwurf.
Oliver drehte den Kopf und sah ihn an. „Und du nicht?"
„Ich weiß es nicht," gab Marcus zu. Es war das ehrlichste, was er je zu Oliver gesagt hatte.
Eine Weile schwiegen sie, während die Dunkelheit allmählich über das Stadion kroch.
„Du bist ein großartiger Spieler, Flint," sagte Oliver schließlich, und seine Stimme hatte den Tonfall einer Wahrheit, die nicht in Frage gestellt werden konnte. „Vielleicht solltest du darüber nachdenken."
Marcus lachte leise, ein raues, bitteres Geräusch. „Du bist der erste Gryffindor, der mir ein Kompliment macht."
„Vielleicht liegt das daran, dass ich der einzige Gryffindor bin, der dich wirklich kennt."
Marcus drehte sich um, und ihre Blicke trafen sich. Es lag keine Herausforderung in Olivers Augen, kein Trotz, nur eine Ehrlichkeit, die Marcus gleichzeitig ärgerte und faszinierte.
„Du bist wirklich ein Idiot, Wood," murmelte Marcus, aber seine Worte klangen nicht so scharf, wie er es gewollt hätte.
„Möglich," sagte Oliver, und sein Lächeln war zurück. „Aber ich bin dein Idiot, wenn du willst."
Marcus starrte ihn an, sprachlos. Für einen Moment schien die Zeit stillzustehen, und die Distanz zwischen ihnen – all die Rivalität, die Kämpfe, die verbalen Schläge – schmolz dahin.
„Du weißt schon, dass das völlig absurd ist, oder?" sagte Marcus schließlich.
„Völlig," stimmte Oliver zu. Dann beugte er sich vor, und bevor Marcus noch weiter protestieren konnte, spürte er Olivers Lippen auf seinen.
Es war kein sanfter Kuss, kein zögerliches Abtasten. Es war leidenschaftlich, fordernd, wie alles, was Oliver Wood tat. Und Marcus, der nie der Typ für Zurückhaltung gewesen war, erwiderte ihn mit ebenso viel Feuer.
Als sie sich schließlich voneinander lösten, war Marcus' Herzschlag außer Kontrolle. „Das war..."
„Überfällig," sagte Oliver schlicht, und sein Grinsen war triumphierend.
Marcus lachte und schüttelte den Kopf. „Du bist wirklich unerträglich."
„Und doch bist du noch hier."
Das konnte Marcus nicht leugnen. Und vielleicht, dachte er, während er in Olivers Augen blickte, die von einem warmen Licht erhellt wurden, war das genau der Grund, warum er geblieben war.
The End
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