01.12
Die Sonne über Godric's Hollow neigte sich ihrem Höhepunkt zu, die Felder und Wälder in sanftes Gold tauchend. Die Hitze des Sommers hing schwer in der Luft, doch ein leichter Wind trug die Düfte von frisch geschnittenem Gras und wilden Blumen mit sich. Albus Dumbledore schritt über einen schmalen Feldweg, seine Gedanken voller Unruhe.
Neben ihm ging Gellert Grindelwald, die Hände lässig in den Taschen seiner leichten Jacke vergraben. Er schien in sich gekehrt, ein ungewöhnlicher Zustand für jemanden, der sonst so voller Energie und Visionen sprühte.
„Du bist still heute," bemerkte Albus schließlich, ein leichtes Lächeln auf den Lippen.
Gellert hob den Blick und sah ihn an, sein Gesicht ein offenes Buch voller widersprüchlicher Emotionen. „Ich denke nach," sagte er schlicht.
„Das fällt dir schwer?" Albus' Ton war neckend, doch er bemerkte die Schwere in Gellerts Blick.
„Manchmal," gab Gellert zurück, „ist es schwerer, aufzuhören zu denken."
Sie erreichten den Hügel, der ihnen beiden vertraut war. Es war ein Platz, den sie in den vergangenen Wochen oft besucht hatten – ein stiller Ort, an dem sie ihre Gespräche führen konnten, ungestört von der Welt da draußen.
Der Ausblick war atemberaubend: Das kleine Dorf lag ruhig unter ihnen, die Dächer der Häuser schimmerten im warmen Licht der Sonne, und in der Ferne zogen Rauchfahnen von den Kaminen auf.
„Hier oben könnte man fast glauben, die Welt sei perfekt," sagte Gellert und ließ sich ins Gras fallen.
„Vielleicht ist sie das auch," antwortete Albus und setzte sich neben ihn.
Gellert schnaubte. „Du weißt, dass das nicht wahr ist. Die Welt ist voller Schwächen, voller Ungerechtigkeiten. Genau deshalb sind wir hier, nicht wahr?"
Albus nickte langsam, doch er sagte nichts.
Der Nachmittag zog sich dahin, die Stunden gefüllt mit Gesprächen und Schweigen. Sie sprachen über Magie, über Bücher, die sie gelesen hatten, und über ihre Pläne für die Zukunft.
„Ich habe über einen neuen Zauber nachgedacht," begann Albus, während er einen Kieselstein über den Boden rollen ließ. „Einen, der in der Lage wäre, Zeit in einem begrenzten Bereich zu manipulieren."
Gellert hob eine Augenbraue. „Zeit? Das ist gefährlich, Albus. Auch für dich."
„Vielleicht," gab Albus zu. „Aber stell dir vor, was wir damit erreichen könnten. Zeit, um zu lernen, zu planen, uns vorzubereiten."
Gellert schwieg einen Moment, dann lehnte er sich zurück und blickte zum Himmel. „Du bist ein Träumer, Albus. Das habe ich immer an dir bewundert."
Albus sah ihn überrascht an. „Du bewunderst mich?"
„Natürlich tue ich das," sagte Gellert leichthin. „Warum glaubst du, verbringe ich so viel Zeit mit dir?"
Die Sonne sank langsam tiefer, und die Schatten um sie herum wurden länger. Gellert erhob sich schließlich und streckte sich, die Muskeln in seinen Armen unter der Haut deutlich sichtbar.
„Komm," sagte er, eine Hand ausstreckend. „Lass uns den Abend richtig ausnutzen."
„Was hast du vor?" fragte Albus, doch er nahm Gellerts Hand und ließ sich hochziehen.
„Etwas, das du nicht vergessen wirst," antwortete Gellert mit einem schelmischen Lächeln.
Sie gingen hinunter ins Dorf, vorbei an den alten Steinhäusern und den kleinen Läden, die jetzt geschlossen waren. Die Straßen waren fast leer, die Bewohner drinnen bei ihren Abendessen oder ihren Familien.
Gellert führte Albus zu einem kleinen See am Rande des Dorfes, wo das Wasser im Licht der untergehenden Sonne wie flüssiges Gold glitzerte.
„Ein schöner Ort," sagte Albus, als sie am Ufer standen.
„Ich dachte, er würde dir gefallen," sagte Gellert.
Der See war still und spiegelglatt, umrahmt von hohen Bäumen, deren Schatten im goldenen Licht tanzten. Die Luft war erfüllt vom leisen Zirpen der Grillen, und ab und zu durchbrach das Platschen eines Frosches oder eines Fisches die friedliche Stille.
Gellert zog seine Jacke aus und ließ sich direkt ans Ufer nieder, die Ellbogen auf die Knie gestützt, den Blick fest auf das Wasser gerichtet. Albus blieb einen Moment stehen und beobachtete ihn. Es war etwas Faszinierendes an der Ruhe, die Gellert hier zeigte – eine Seite von ihm, die Albus selten zu Gesicht bekam.
„Ich wusste nicht, dass du solche Orte magst," sagte Albus, während er sich neben ihn setzte.
Gellert zuckte die Schultern. „Manchmal ist es gut, den Gedanken freien Lauf zu lassen. Und hier... fühlt es sich an, als könnte man für einen Moment alles vergessen."
Albus nickte und ließ seinen Blick über den See wandern. „Vergessen. Ja. Das wäre manchmal eine schöne Fähigkeit."
Eine Weile sprachen sie nicht. Es war eine angenehme Stille, in der nur das leise Rauschen des Windes und das Plätschern des Wassers zu hören war. Doch Albus spürte, dass Gellert etwas auf dem Herzen hatte.
„Albus," begann Gellert schließlich, seine Stimme ungewohnt sanft, „wenn du alles hinter dir lassen könntest – die Erwartungen, die Verpflichtungen, die Last deiner Familie – was würdest du tun?"
Albus sah ihn überrascht an. Die Frage kam unerwartet, doch sie traf einen Nerv.
„Ich weiß es nicht," gab Albus zu. „Vielleicht würde ich reisen. Die Welt sehen. Lernen. Ich habe das Gefühl, dass es so viel mehr gibt, als ich mir jemals vorstellen kann."
„Allein?"
Die Frage ließ Albus innehalten. „Ich... denke nicht," sagte er schließlich. „Ich würde jemanden bei mir haben wollen. Jemanden, der das Gleiche sucht."
Gellert lächelte schwach. „Jemanden wie mich?"
Albus spürte, wie ihm das Herz schneller schlug. Doch er zwang sich, ruhig zu bleiben. „Vielleicht."
Die Sonne war nun fast vollständig untergegangen, und der Himmel hatte sich in ein tiefes Blau verfärbt. Die ersten Sterne waren zu sehen, ihre blassen Lichtpunkte flackerten über dem See.
„Hast du jemals daran gedacht," begann Gellert, „dass manche Dinge unausweichlich sind? Manche Verbindungen?"
Albus blickte ihn an, überrascht von der Tiefe in seinen Worten. „Was meinst du damit?"
Gellert richtete sich auf und drehte sich zu ihm. Sein Blick war intensiv, fast durchdringend, und Albus fühlte, wie ihm die Worte im Hals stecken blieben.
„Ich meine," sagte Gellert langsam, „dass es manchmal Menschen gibt, die sich finden, egal was passiert. Menschen, die... füreinander bestimmt sind."
Die Welt schien für einen Moment stillzustehen. Albus wusste nicht, was er sagen sollte. Er spürte, wie sein Herz gegen seine Brust hämmerte, und er konnte den Blick nicht von Gellerts Gesicht abwenden.
Gellert rückte näher, und Albus konnte nun die feinen Linien in seinem Gesicht sehen, die kleinen Narben und die winzigen goldenen Sprenkel in seinen Augen.
„Albus," sagte Gellert, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern, „hast du je an uns gedacht?"
Bevor Albus antworten konnte, schloss Gellert die Lücke zwischen ihnen. Seine Lippen berührten Albus', sanft und zögernd, fast fragend.
Albus' Herz setzte einen Moment aus, und dann ließ er sich fallen. Der Kuss war warm, süß und voller Emotionen, die Albus nie in Worte fassen konnte. Es fühlte sich an, als hätte die Welt um sie herum aufgehört zu existieren – als gäbe es nur sie beide, in diesem einen, vollkommenen Augenblick.
Als sie sich schließlich voneinander lösten, sahen sie sich an, beide atemlos.
„Das war... unerwartet," murmelte Albus, ein schwaches Lächeln auf den Lippen.
„Unerwartet?" Gellert grinste, und sein schelmischer Ausdruck kehrte zurück. „Das glaube ich nicht."
Albus lachte leise, fühlte sich jedoch gleichzeitig seltsam verletzlich. Es war, als hätte Gellert eine Tür geöffnet, die er selbst nie gewagt hatte zu berühren.
Die Nacht verging, während sie weiterhin redeten, lachten und träumten.
Da wussten sie beide noch nicht, dass dies ihr letzter Abend als Freunde sein würde. Das letzte Mal, dass sie sich in Frieden sahen.
The End
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