Severus Snape

Gewohnheiten 

Der Vorratsraum war stickig und eng, und Professorin Winnow bemerkte mit jedem Atemzug die strenge, aber vertraute Ordnung, die in Snapes Sammlung an Zutaten herrschte. Gläser und Phiolen waren mit akribischer Sorgfalt beschriftet und sortiert. Er hatte jede Reihe in seinem persönlichen System arrangiert, das für Außenstehende fast unmöglich zu entschlüsseln war – genau wie der Mann selbst. Doch sie hatte es dennoch gewagt, einige Flaschen umzustellen, ganz einfach, um das Gewürm und den Staub zu meiden, die ihr als harmlose, aber durchaus unerfreuliche Störenfriede erschienen.

„Ich sagte Ihnen bereits," knurrte Snape und hob die Hand, als würde er eine lästige Fliege verscheuchen, „die Drachenkräuter gehören genau in dieses Regal, wo die Feuchtigkeit minimal ist."

Winnow zuckte die Schultern, ohne den Blick von der Zutatenreihe vor sich zu nehmen. „Vielleicht. Aber die Ordnung hier unten ist geradezu erstickend, Severus. Ich brauche Luft, um zu arbeiten, und da ich heute für die Schüler eine Vorbereitung zu den Tränken mache, dachte ich, ein paar kleine Änderungen wären in Ordnung."

„In Ordnung?" Snapes Stimme war leise, doch seine Worte schnitten wie Rasiermesser. „Dieses System mag Ihnen erstickend erscheinen, Miss Winnow, aber es bewahrt uns davor, dass irgendein unachtsamer Geist eine Katastrophe verursacht. Das hier sind seltene Zutaten, nicht irgendwelche Küchenkräuter."

Winnow ließ den Vorwurf ungerührt an sich abprallen und griff nach einer Flasche Mondalgen, wobei ihre Finger die Aufschrift sanft streiften. „Das ist ja nun wirklich keine Katastrophe, Severus," erwiderte sie, und ihre Stimme nahm einen leicht spöttischen Klang an. „Vielleicht sollten Sie ein wenig lockerer werden."

„Locker?" Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, doch sie spürte, wie die Luft im Raum sich zu verdichten schien. Sie konnte sein kaltes Stirnrunzeln hinter sich förmlich spüren. „Vielleicht haben Sie die letzten Jahrzehnte als Professorin hier noch nicht ganz begriffen, Miss Winnow. Es geht um Disziplin und Präzision. Und wenn Sie in meinem Raum arbeiten, dann haben Sie sich diesen Prinzipien anzupassen."

Sie konnte das Schnauben nicht zurückhalten, und drehte sich gerade so weit um, dass sie ihn über die Schulter hinweg anfunkelte. „Vielleicht, Severus, sollten Sie akzeptieren, dass nicht alles unter Ihren strengen Regeln zu funktionieren braucht. Ein bisschen Flexibilität hat noch keinem geschadet."

In der kleinen Kammer knisterte es förmlich vor Spannung, als Snape plötzlich seine Hand nach hinten ausstreckte, ihr Handgelenk mit einer fast erschreckenden Präzision und Festigkeit ergriff und sie kurzerhand herumzog, bis sie direkt voreinander standen, nur einen Hauch von Atemzügen entfernt. Ihre Augen weiteten sich, als sie in seine finsteren, dunklen Augen blickte, die so nah und intensiv wirkten, dass sie unwillkürlich den Atem anhielt.

„Flexibilität, Miss Winnow?" Seine Stimme war ein Flüstern, das sich direkt an sie zu richten schien, eindringlich und unverkennbar nah. „Ich fürchte, Sie unterschätzen, was in diesen... geordneten Umständen tatsächlich verborgen liegt."

Sie spürte, wie seine Finger sich kurz um ihr Handgelenk verkrampften, als hätte er selbst nicht damit gerechnet, wie weit er in seiner Bewegung gegangen war. Doch das einzig, was sie in diesem Moment wahrnahm, war das unerwartet weiche, flimmernde Funkeln in seinen Augen, das verriet, dass unter seiner Maske der Gleichgültigkeit etwas Unausgesprochenes, etwas Tiefes lauerte. Es lag eine beinahe verräterische Wärme in seinem Blick, eine leise, ungewollte Zuneigung, die sich für einen winzigen Moment nicht leugnen ließ.

Ihre Stimme war leiser, als sie es geplant hatte, und ihre Worte kamen schneller, fast atemlos: „Oder vielleicht sind Sie es, Severus, der sich selbst unterschätzt. Sie verbergen sich hinter diesem... kalten System, als könnten Sie dadurch alles Menschliche verdrängen."

Seine Augen weiteten sich ein wenig, aber nur für einen Herzschlag. Dann verzogen sich seine Lippen zu einem schmalen Lächeln, das halb herausfordernd, halb seltsam melancholisch wirkte. Doch das sanfte Streifen seines Daumens über ihr Handgelenk, das unmerkliche Zögern seines Griffes, all dies sagte mehr, als er je in Worte gefasst hätte.

„Menschlichkeit ist eine Schwäche, Winnow," murmelte er leise und schüttelte kaum merklich den Kopf. „Eine, die ich mir nicht leisten kann."

„Vielleicht sind Sie dann eher daran gewöhnt, sich zu verstecken, als zu kontrollieren," antwortete sie kühn und hob den Kopf ein wenig, sodass sie ihm direkt in die Augen sehen konnte. „Aber fürchte nicht das, was dir... unkontrolliert erscheint, Severus. Manchmal führt das genau dahin, wo es am stärksten ist."

Er hielt inne, und ein kurzes, flimmerndes Zögern lag in seinem Blick, als würde er sich fragen, ob er diese Worte an sich heranlassen sollte oder nicht. Aber statt einer Antwort erwiderte er nur ihren Blick, und für einen Moment schien die Zeit stillzustehen. Hier, zwischen den engen Wänden dieses Vorratsraums, in der Stille und dem Dämmerlicht, schien das Unausgesprochene wie ein drängendes, unwiderstehliches Geständnis im Raum zu hängen.

Doch dann, so schnell wie er sie gepackt hatte, ließ er ihr Handgelenk los, als hätte die Berührung ihn verbrannt, und trat einen Schritt zurück, sein Gesicht wieder verschlossen und kühl. „Ich denke, wir haben das Missverständnis geklärt, Professorin," sagte er leise, doch seine Stimme klang heiser, fast wie ein Echo des zuvor unterdrückten Gefühls. „Es gibt nichts, was Sie hier länger aufzuhalten braucht."

Winnow stand noch einen Moment still, den Blick auf ihn gerichtet, bevor sie langsam nickte. „Natürlich, Severus." Sie warf ihm einen letzten, durchdringenden Blick zu, ein kleines, triumphierendes Funkeln in ihren Augen. „Ich schätze... wir verstehen uns."

Und als sie sich schließlich abwandte und durch die Tür trat, hinterließ sie nichts als ein flüchtiges Parfum und eine fast greifbare Stille. Snape blieb zurück, einen Moment lang in den Schatten seines Vorratsraums gehüllt, den Blick starr auf den leeren Raum vor ihm gerichtet – und in seinen Augen glomm noch ein letztes Aufblitzen des Moments, den er eben erlebt hatte.

Snape stand reglos im Vorratsraum, der Geruch von altem Holz und getrockneten Kräutern schwer in der Luft. Die Stille war wie eine Hülle, die ihn umfing, doch sie brachte keine Ruhe. Stattdessen hallte das Gespräch mit Winnow in seinem Kopf wider, wie das Nachglühen eines Zaubers, der sich nicht einfach zerstreuen ließ.

Er schloss kurz die Augen, als wolle er den Eindruck ihres triumphierenden Lächelns von seiner Netzhaut verbannen. Doch es half nichts – das Bild blieb zurück, wie eingebrannt. Er hasste diese Art der Vertrautheit, die sich unaufgefordert in sein Leben drängte. Sie rüttelte an den Riegeln seiner Vergangenheit, weckte Erinnerungen an längst verdrängte Momente. Winnow hatte in ihm eine Art Regung hervorgerufen, die er für längst tot gehalten hatte, etwas, das unwillkommen und doch unerschütterlich an seiner Oberfläche kratzte.

„Arroganz..." Das Wort schmeckte bitter, als er es leise vor sich hin murmelte. Vielleicht hatte sie ihm diese Eigenschaft zugesprochen, weil sie nie begreifen konnte, was in ihm vorging. Niemand konnte das. Die wenigen, die es einst versucht hatten, waren längst von ihm abgeschieden, durch seine Entscheidungen oder jene kalte Einsamkeit, die er sich selbst auferlegt hatte. Er hatte diesen Weg gewählt, weil es einfacher war, den Schmerz tief in sich einzuschließen und nur das Unabdingbare an die Oberfläche zu lassen. Ein Grundsatz, der sein Leben geformt und ihn von unnötigem Ballast befreit hatte. Und doch... durch ihre Blicke, durch diese verfluchte Neugier, hatte Winnow einen Moment lang das Ungeheuerliche angedeutet: Verständnis, vielleicht sogar Mitgefühl.

Er lachte leise, doch das Geräusch klang hohl. Mitgefühl – was für eine Farce. Nichts davon könnte jemals Bestand haben. Menschen wie Winnow würden vielleicht versuchen, die Dunkelheit zu durchdringen, doch wenn sie auch nur ansatzweise begriffen, was er war und was er getan hatte, würden sie sich ebenso von ihm abwenden, wie es alle anderen getan hatten. Und das war gut so. Für ihn und für sie.

Dennoch blieb die Frage, die er nicht zum Schweigen bringen konnte: Warum berührte ihn ihre Nähe so? Warum brachte sie in ihm eine seltsame, kaum greifbare Wärme hervor, die ihn zwang, die vertraute Kontrolle einen Moment lang aufzugeben?

Langsam fuhr er sich mit einer Hand über das Gesicht und schüttelte den Kopf. „Dummheit," murmelte er mit scharfer Selbstironie. Ein Tropfen Schwäche, mehr war das nicht gewesen. Er hatte es sich erlaubt, einen Moment zu viel preiszugeben, doch das würde nicht noch einmal geschehen. Winnow mag ihn provozieren, mag versuchen, ihn aus der Reserve zu locken, aber sie würde nicht durch die Mauern dringen, die er um seine Vergangenheit und seine Schuld errichtet hatte.

Doch als er sich wieder seiner Arbeit zuwandte, suchte sein Blick unwillkürlich nach dem leeren Platz, an dem sie eben noch gestanden hatte. Das Gefühl ihrer Berührung – flüchtig und doch so präsent – hing immer noch in der Luft, und gegen seinen Willen spürte er das leise Brennen dieser Erinnerung in seiner Hand. Sie hatte etwas in ihm zum Klingen gebracht, etwas längst Vergessenes, eine vage Erinnerung daran, dass einst auch für ihn eine andere Zukunft möglich gewesen war.

Er schob den Gedanken beiseite. Nichts als Nostalgie. Nichts, das eine Bedeutung hatte. Winnow würde ebenso vergehen, wie alle anderen, die versucht hatten, ihm nahezukommen. Seine Vergangenheit war eine Last, die er allein zu tragen hatte, und niemand – am wenigsten eine Kollegin, die glaubte, in ihm ein wenig Menschlichkeit zu erkennen – würde ihm diese Last abnehmen können.

Mit einem letzten, entschlossenen Blick drehte er sich um und verließ den Vorratsraum, seine Schritte hallten durch die leeren Korridore, kalt und bestimmt. Professorin Winnow mochte ihn vielleicht als jemanden sehen, dem es schwerfiel, die Kontrolle aufrechtzuerhalten, aber in Wahrheit war er sich der Grenzen, die er um sich zog, nur allzu bewusst.


Die Wochen seit jenem Tag im Vorratsraum vergingen langsam, aber die Erinnerung an Winnow und ihre unverfrorenen Worte blieb in Snapes Gedanken haften wie eine unwillkommene Melodie, die nicht verhallen wollte. Er hatte sich wieder in seine gewohnte Disziplin geflüchtet, sich auf seine Arbeit und seine Tränke konzentriert. Doch immer wieder schlich sich ein flüchtiges Bild in seinen Kopf: Winnows Augen, die ihn mit dieser Mischung aus Neugier und Herausforderung fixierten, ihr Lächeln, leicht spöttisch, fast provokant. So sehr er sich bemühte, dieses Bild zu verdrängen, gelang es ihm nicht vollständig.

Inzwischen war es spät in der Nacht, und die Korridore von Hogwarts lagen still und dunkel da. Der Mond warf schmale Lichtbänder durch die Fenster, die den kalten Stein mit einem unruhigen Schimmer überzogen. Severus Snape hatte die letzte Runde seiner Nachtaufsicht begonnen und schritt mit leisen, unnachgiebigen Schritten durch die leeren Flure. Er mochte diese Stunden, in denen das Schloss still war, nur von seinem eigenen Atem und den entfernten Geräuschen alter, knarrender Wände durchbrochen. Die Ruhe ließ seine Gedanken klar werden, machte es einfacher, sich von allem abzuschotten, was am Tag auf ihn einströmte.

Gerade als er um eine Ecke bog und auf den Vorratsraum für die Zaubertrankzutaten zuging, bemerkte er eine Gestalt im Halbdunkel des Ganges. Instinktiv verhärteten sich seine Gesichtszüge; es war spät genug, dass er mit Schülern rechnete, die verbotenerweise unterwegs waren. Ohne Zögern ging er näher und packte die Person an der Schulter, drückte sie mit einem festen Griff gegen die Wand und hielt seinen erleuchteten Stab in das Gesicht der Person.

„Was in aller Welt glauben Sie—" Er stockte. Das Gesicht, das ihm überrascht entgegenblickte, gehörte nicht zu einem Schüler, sondern zu Professorin Winnow. Einen Moment lang stand er wie erstarrt da und hielt sie noch fest. Der Duft von Kräutern und einem Hauch ihres Parfüms hing in der Luft, und er spürte die Wärme ihres Körpers durch den Stoff ihres Umhangs.

„Severus..." Winnow hob die Augenbrauen und sah ihn überrascht, aber keineswegs erschrocken an. Ihre Lippen waren leicht geöffnet, da sie nicht mit solch einer Situation gerechnet hatte. Somit schien Winnow ihre Worte vorsichtig zu wählen. „Ich wusste nicht, dass Sie... so enthusiastisch bei der Nachtaufsicht sind."

Langsam ließ er seinen Stab, sowie seine Hand von ihrer Schulter sinken, konnte den Rest seiner Überraschung aber nicht vollständig verbergen. „Professorin Winnow," sagte er kühl, „was genau tun Sie um diese Uhrzeit hier draußen?"

Sie schüttelte kaum merklich den Kopf und erwiderte gelassen: „Ich könnte Sie das Gleiche fragen. Es scheint fast so, als ob Sie mich hier erwartet hätten."

Er schnaubte leise, seine Verärgerung darüber, dass sie ihm erneut die Kontrolle entriss, war unüberhörbar. „Ich gehe davon aus, dass meine Anwesenheit hier um einiges berechtigter ist als Ihre."

„Oh, das will ich nicht bestreiten," entgegnete sie mit einem kleinen Lächeln. „Aber vielleicht sollten Sie mir sagen, warum Sie mich ständig festhalten. Das scheint langsam eine Angewohnheit zu werden, Severus."

Seine Lippen zuckten, und er unterdrückte ein Lächeln, das in der Dunkelheit der Gänge vielleicht niemand gesehen hätte – außer ihr. „Vielleicht, weil Sie es schaffen, jedes Mal eine Gefahr darzustellen, wo auch immer Sie auftauchen," erwiderte er leise, seine Stimme schneidend, aber diesmal ohne die gewohnte Kälte. „Das könnte für uns beide problematisch werden."

Winnow lachte leise, ihr Blick blieb unverwandt auf ihn gerichtet. „Oh, das bezweifle ich, Severus. Schließlich sind wir ja Kollegen – und die sollen sich doch unterstützen, nicht wahr? Oder haben Sie eine andere Art der... Zusammenarbeit im Kopf?"

Ein Funken von etwas Unerklärlichem schoss durch ihn. Ihr Ton, ruhig und unerschrocken, reizte ihn auf eine Weise, die ihn selbst überraschte. Er hätte längst weitergehen, sie ignorieren, das Gespräch abbrechen sollen. Stattdessen fand er sich in diesem seltsamen Spiel mit ihr wieder, das seine kalte Disziplin auf eine Weise herausforderte, wie er es sich kaum erlaubt hätte.

„Zusammenarbeit?" Er ließ den Hauch eines Lächelns zu, das jedoch so schnell verschwand, wie es gekommen war. „Ich wage zu behaupten, dass Zusammenarbeit zwischen uns eine höchst unvorhersehbare Sache wäre, Winnow."

Sie schüttelte den Kopf, immer noch lächelnd. „Und dennoch finden wir uns immer wieder hier. Merkwürdig, finden Sie nicht?"

Snape sah sie eine Weile schweigend an, spürte die Spannung, die zwischen ihnen pulsierte wie ein unausgesprochener Zauber, dessen Wirkung er nur zu gut kannte. Schließlich schüttelte er den Kopf und setzte wieder sein gewohnt kühles Gesicht auf, mit einer entschlossenen Strenge, die ihn selbst an die Grenze seiner Geduld brachte.

„Merkwürdig, ja," erwiderte er knapp. „Aber ich fürchte, das ist eine Angewohnheit, die Sie sich abgewöhnen sollten."

Winnow legte den Kopf leicht zur Seite und sah ihn mit einem nachdenklichen, fast nachsichtigen Blick an. „Vielleicht. Aber manchmal, Severus, können Gewohnheiten auch... von Vorteil sein."

Sie lächelte leicht und trat zurück, ließ ihn in der Stille zurück, die sie mit jedem Schritt hinter sich ließ. Einen Moment blieb Snape stehen und starrte in den leeren Gang, als ob sich ihre Gestalt noch immer dort befände. Sein Herz schlug leise, aber heftig, und er spürte das unerwünschte Echo eines Gedankens, der in den hintersten Winkeln seines Verstandes verharrte.

Noch eine Gewohnheit, die er sich abgewöhnen sollte – oder vielleicht... eine, die ihm bereits zu nahegekommen war.

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