Lucius Malfoy

Gefühle im Schatten 

Der Regen prasselte sanft gegen die Fenster des Zaubereiministeriums, hinter denen die Hektik der Arbeitswelt trotz des späten Abends kaum nachgelassen hatte. Lucius Malfoy schritt zügig durch die langen, gewundenen Korridore des Ministeriums, das ihm so vertraut war, dass er sich auch im Schlaf hätte zurechtfinden können. Als angehender Mitarbeiter im „Magischen Verkehrsamt" sollte er eigentlich längst wieder zu Hause sein, doch eine Besprechung mit seinem Vorgesetzten hatte sich in die Länge gezogen. Seine Familie, seine Verlobung mit Narzissa – all dies war ein perfekt arrangiertes Spiel, und das Ministerium sollte ihm den letzten Schliff an Macht und Einfluss verleihen, den sein Name verdiente.

Während er über die Formalitäten nachdachte, blieb er kurz stehen, als eine Gestalt am Ende des Korridors seine Aufmerksamkeit erregte. Es war eine junge Frau, die scheinbar etwas verloren zwischen den hohen Aktenschränken stand, ihr Blick auf ein Pergament geheftet. Die grauen, kühlen Lichter ließen ihr Gesicht blass erscheinen, und ihre Haltung strahlte eine Ruhe und Unnahbarkeit aus, die ihn sofort in ihren Bann zog.

Lucius erkannte sie sofort. Alice Rosier – eine bekannte Angehörige des Rosier-Geschlechts, eine Familie, die ähnlich wie die Malfoys tief in die politischen Kreise des Ministeriums und die alten Traditionen der Reinblutgesellschaft verwoben war. Doch Alice hatte sich dem öffentlichen Einfluss der Rosiers entzogen, nahm keine Rolle in den üblichen Machenschaften der Familienpolitik ein. Gerüchten zufolge widmete sie sich lieber den Gesetzestexten und arbeitete in der Abteilung für magische Strafverfolgung – weit genug entfernt von den Sphären der Politik, in denen sich ihre Familie sonst bewegte.

Ohne groß darüber nachzudenken, ging Lucius auf sie zu. Sie hob den Kopf, als seine Schritte näher kamen, und musterte ihn mit einem kühlen, aber durchdringenden Blick.

„Mr. Malfoy," sagte sie schließlich, eine Spur von Überraschung in ihrer Stimme. „Es ist spät für einen Besuch im Ministerium, oder nicht?"

„Für manche Arbeit gibt es keine Uhrzeit," erwiderte er und lächelte leicht. „Aber was führt Sie zu dieser Stunde hierher, Miss Rosier? Ich hätte nicht erwartet, hier eine... Rosier zu treffen."

Alice lachte leise, und der Klang wirkte so ungewohnt in der stillen, kühlen Atmosphäre des Korridors. „Es überrascht mich immer wieder, wie schnell man meine Familie mit bestimmten... Erwartungshaltungen verbindet," sagte sie. „Aber ja, hier bin ich, und nein, ich habe nicht vor, irgendein politisches Drama zu inszenieren. Ich lese nur eine Akte, die ich morgen bei einer Anhörung brauche."

Sie hielt ihm das Pergament hin, und er konnte ein Thema erahnen, das mit der Durchsetzung der Gesetze gegen die Nutzung verbotener Zauber zu tun hatte. Ein sensibles Thema – etwas, was Familien wie die Rosiers, Malfoys und Blacks lieber unter Verschluss gehalten hätten. Dass Alice Rosier, die Tochter eines einflussreichen, traditionsbewussten Hauses, hier allein an einem Fall arbeitete, der gefährliche, dunkle Magie betraf, irritierte ihn auf eine Weise, die er nicht genau einordnen konnte.

„Sie gehen also gegen das eigene Erbe vor?" fragte er mit einem Hauch von Herausforderung, aber auch mit einem Funken von Bewunderung in der Stimme.

Alice schloss das Pergament und hielt seinem Blick stand. „Ich gehe gegen diejenigen vor, die das Gesetz brechen, Mr. Malfoy. Reinblut oder nicht – das sollte für das Ministerium keine Rolle spielen."

Ein kurzer Moment der Stille entstand zwischen ihnen. Lucius war es gewohnt, Menschen durch bloße Worte zu durchdringen, ihre Schwächen und Unsicherheiten offenzulegen. Doch hier, vor Alice, schien das nicht zu funktionieren. Sie war kühl, kontrolliert und doch lebendig, ein Widerspruch in sich, der ihn mehr faszinierte, als er zugeben wollte.

„Und dennoch – die Welt, in der wir leben, ist selten so klar in ihren Grenzen," murmelte er, ohne die Augen von ihr abzuwenden.

„Ich vermute, für uns beide gilt das gleichermaßen," erwiderte sie ruhig. Ihre Worte hatten eine seltsame Schärfe, als hätte sie seine Rolle im politischen Spiel längst durchschaut. Die Art, wie sie ihn ansah – durchdringend, ohne jeden Anflug von Angst oder Respekt vor seinem Namen – brachte ein Kribbeln in ihm hervor, dass er nicht gewohnt war.

„Vielleicht könnten Sie mir dann erklären, wie Sie Ihre Grenzen sehen, Miss Rosier," sagte er schließlich. „Sie scheinen hier Ihre eigenen Wege zu gehen – etwas, das in unserer Welt selten vorkommt."

„Vielleicht schätze ich einfach die Freiheit," antwortete sie, und in ihrer Stimme lag eine leise, herausfordernde Note. „Aber was ist mit Ihnen, Lucius? Haben Sie sich wirklich für diesen Weg entschieden – oder wurde er für Sie gewählt?" Sie sprach ihn bei seinem Vornamen an, eine kleine Geste, die ihre Haltung sanfter und zugleich intimer machte.

Für einen Moment herrschte Stille, eine Art Schweigen, das sich wie ein Band zwischen ihnen legte. Lucius bemerkte, wie sie sich leicht entspannte, den Blick auf ihn gerichtet, als wartete sie auf seine Antwort.

„Wählen ist ein Luxus, den wir uns nur selten leisten können," entgegnete er leise. „Aber manchmal... trifft man jemanden, der diese Illusion in Frage stellt."

Alice neigte den Kopf, und ein sanftes, nachdenkliches Lächeln glitt über ihre Lippen. „Das ist eine gefährliche Denkweise, Lucius."

„Und doch – ist es nicht gerade die Gefahr, die uns oft das Leben erst wirklich empfinden lässt?" Seine Stimme klang ruhig, aber in seinem Inneren spürte er eine unkontrollierbare Unruhe, eine Aufwallung von etwas, das er nicht ganz greifen konnte.

Sie erwiderte seinen Blick, und für einen Augenblick schien die Distanz zwischen ihnen zu schmelzen, als hätte der enge Korridor alle geheimen Wünsche und unausgesprochenen Worte konzentriert. Ohne weiter darüber nachzudenken, griff Lucius nach ihrer Hand. Ihre Berührung war warm und fest, und sie schien nicht überrascht zu sein. Ihr Blick war weich, beinahe einladend.

„Lucius..." flüsterte sie, und ihre Stimme war so sanft, dass es ihm wie eine heimliche Offenbarung vorkam. In diesem Moment erkannte er, dass sie beide die Grenzen ihrer Welten spürten – und dass keine Worte nötig waren, um das Verbotene, das zwischen ihnen lag, zu verstehen.

Ohne ein weiteres Wort beugte er sich vor und küsste sie, seine Lippen auf ihren in einer flüchtigen, doch innigen Berührung, die von all der Spannung zwischen ihnen genährt wurde. Ihr Atem vermischte sich, und der Kuss, der folgte, war ein stummer Protest gegen all das, was sie umgab – gegen die Erwartungen, die Verpflichtungen und die Macht der beiden Familien.

Doch schließlich zog Alice sich sanft zurück. In ihren Augen lag ein Ausdruck von Schmerz und Sehnsucht, und sie ließ seine Hand langsam los. „Wir beide wissen, dass das hier nicht weitergehen kann," flüsterte sie.

„Und wenn ich es nicht akzeptieren will?" fragte er leise, seine Stirn gegen ihre gelehnt.

Alice atmete tief ein, ihre Augen glänzten leicht im schwachen Licht des Korridors. „Lucius, ich bin eine Rosier, und du bist ein Malfoy. Wir beide haben keine Freiheit – nur die Illusion davon."

Lucius' Atem war schwer, als er sie ansah, und in seiner Brust pochte ein Gefühl, das er nicht länger ignorieren konnte. Etwas Wildes, Ungezähmtes, das in ihm brodelte, wie ein Feuer, das darauf wartete, sich auszubreiten. Er spürte das Gewicht der Wahrheit in ihren Worten, aber er wollte sie nicht hören. Nicht jetzt. Nicht hier, in diesem Moment, in dem ihre Nähe ihm mehr bedeutete als all das, was seine Familie und das Ministerium von ihm verlangten.

„Und doch..." sagte er, die Worte aus ihm herausdrängend, „möchte ich, dass wir es wenigstens versuchen, Alice. Einen Moment der Freiheit, bevor alles wieder in den alten Mustern zerbricht."

Alice schloss die Augen für einen flüchtigen Moment, als könnte sie die Wahrheit in seinen Worten spüren, doch sie wusste auch, dass sie sich nicht von dieser Wahrheit forttragen lassen durfte. Sie hatte den weiten, dunklen Abgrund der Erwartungen und Verpflichtungen der Rosiers immer gekannt, hatte ihren Platz darin gefunden – einen Platz, der sie nicht zwang, in den Schatten anderer zu treten, aber auch keinen Platz ließ für diese Art von Freiheit, die Lucius anstrebte. Nicht für sie, nicht für sie beide.

„Lucius," begann sie, ihre Stimme klang jetzt nicht mehr sanft, sondern fest, beinahe traurig. „Du verstehst es nicht. Ich..." Sie seufzte und rieb sich kurz über die Stirn, als könnte sie die Worte in ihrem Kopf ordnen. „Ich habe diese Entscheidung schon vor langer Zeit getroffen. Die Familie, die Politik, das Erbe – all das, was zwischen uns steht... es ist nicht nur etwas, das du und ich ändern können."

„Alice," drang Lucius, seine Hand jetzt fest um ihre, „Du hast dich für einen Weg entschieden, ja. Aber du bist nicht allein. Wir sind nicht allein in diesem, in dem, was wir fühlen. Du weißt es, genauso wie ich."

Ein schmerzliches Lächeln huschte über ihre Lippen, als sie ihm in die Augen sah. Es war kein freudiges Lächeln, sondern ein resigniertes, als würde sie sich in dieser kurzen Begegnung etwas eingestehen, das sie lange unterdrückt hatte. „Ich habe es gewusst, seit dem ersten Moment, als ich dich sah, es war fast zwei Jahre her. Aber du bist mit Narzissa verlobt. Du trägst das Gewicht deiner Familie, deiner Zukunft. Und ich... ich trage das Gewicht meiner eigenen Vergangenheit."

„Du musst es mir nicht erklären," sagte Lucius hastig. „Ich habe deine Familie nie als deine Wahl betrachtet. Aber du hast dich trotzdem für sie entschieden. Und ich für meine. Aber Alice..." Er nahm einen Schritt näher, legte seine andere Hand an ihre Wange. „Ich kann nicht weiter so tun, als ob es nicht passiert ist. Ich kann nicht einfach zurückgehen und alles vergessen."

Alice atmete scharf ein, als der Druck der Realität wieder auf sie zurückkam. Es war nicht nur die Bindung an ihre Familie, an die Tradition, die sie festhielt – es war auch die Verantwortung. Die Rosiers waren bekannt für ihren Einfluss, und Alice hatte ihren Teil daran getragen. Doch im Gegensatz zu den Männern der Familie, die in den dunklen Ecken der Zaubererwelt ihre Macht und ihren Ruf ausbauten, hatte sie sich stets für den Weg des Gesetzes und der Ordnung entschieden. Doch auch dieser Weg war von Familienbanden und politischen Spielchen durchzogen. Wie sollte sie inmitten all dessen einen Platz für sich selbst finden, um mit Lucius, dem Mann, den sie schon lange heimlich begehrte, zusammen zu sein?

„Was ist es, Lucius?" fragte sie schließlich, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern. „Was ist es, dass du von mir willst? Glaubst du, ich könnte einfach alles hinter mir lassen? Die Regeln, die Gesetze, die Erwartungen, die uns wie Fesseln halten?"

Er hielt ihren Blick, seine Finger strichen sanft über die weiche Haut ihrer Wange. „Ich will dich, Alice. Nicht nur als die Frau der Familie Rosier. Ich will dich, als die Frau, die gegen all das gekämpft hat, um für sich selbst zu denken."

Für einen Moment schien die Zeit stillzustehen. Sie spürte, wie ihre Hände zitterten, als er ihre Wange noch etwas fester hielt. Der Raum um sie herum war verschwommen, und sie konnte nichts mehr hören, außer dem hämmernden Klang ihres eigenen Herzens. Ihre ganze Welt, die jahrelang von den erdrückenden Erwartungen ihrer Familie bestimmt worden war, zerbrach in diesem einen Augenblick – und sie wusste, dass sie nie wieder denselben Blick auf Lucius haben würde.

Die Luft zwischen ihnen war elektrisch, aufgeladen mit einem Verlangen, das nicht länger zurückgehalten werden konnte. Alice spürte, wie Lucius' Blick sie durchdrang, als suchte er nach einer Antwort in ihr, die sie selbst noch nicht vollständig kannte. Ihre Hand, die immer noch in seiner lag, begann zu zittern, und die Nähe zu ihm war zu viel – und doch war sie alles, was sie wollte.

„Lucius..." Ihre Stimme war kaum mehr als ein Hauch, und die Worte, die sie sagen wollte, verwehrten sich ihrer Zunge. Sie wollte ihm erklären, warum sie nicht konnte, aber es war zu spät. Sie fühlte die Hitze seines Körpers, die sich wie ein magnetisches Feld um sie zog. Die Unmöglichkeit ihrer Situation schien in diesem Moment so weit entfernt wie der Sternenstaub am Himmel, weit genug, um die Schwerkraft ihrer Verpflichtungen zu entkommen.

„Du musst nicht reden, Alice," flüsterte er, seine Hand strich über ihren Arm, der sich plötzlich, wie ein brennendes Band anfühlte. „Es ist genug, dass du hier bist."

Alice hatte das Gefühl, dass die Zeit um sie stillstand. Nichts existierte mehr außer diesem Augenblick. Ihre Gedanken waren verschwommen, und als er sich endlich näherte, ihr Gesicht in seine Hände nahm und sanft an sich zog, spürte sie das Drängen, das unaufhaltsame Ziehen, das sie nicht mehr loslassen konnte. Ihre Lippen trafen sich in einem Kuss, der zunächst zögerlich, beinahe vorsichtig war – doch er wurde schnell drängender, intensiver, als ob ihre Körper die Worte ersetzen wollten, die nicht mehr ausgesprochen werden konnten.

Sie hörte sein tiefes, keuchendes Atemholen, und ihre Finger fanden den festen Stoff seines Hemdes, zerrten daran, als wollten sie ihn von all den Masken und der Welt befreien, die sie beide trugen. Die Berührung, die fast schon verzweifelt war, schien die Realität mit jedem Atemzug weiter zu zerreißen.

Lucius zog sie noch näher, ihre Körper verschmolzen in einer Bewegung, die sie beide von allem befreite. Es war, als wären sie das einzig Wahre in diesem Raum, in dieser Welt, die nichts anderes mehr zuließ. Kein Gewicht der Familie, keine Schatten der Vergangenheit. Nur die unbändige Kraft ihres Verlangens, das sich wie eine Flutwelle über sie legte.

„Alice," keuchte Lucius, und der Klang ihres Namens in seiner Stimme ließ sie erschauern. „Ich will dich. Hier. Jetzt. Lass uns diesen Moment haben, bevor alles wieder an uns zerbricht."

Sie wusste, dass dies der Punkt war, an dem sie sich nicht länger entziehen konnte. Ihre Welt, ihre Verpflichtungen, alles, was sie dachte, zu verstehen – es schien in diesem Moment unwichtig. Was blieb, war nur die brennende Nähe zu ihm. Ihre Lippen suchten nach ihm, zogen ihn weiter an sich, als wollten sie sich in diesem flimmernden Augenblick verlieren.

Die Welt um sie herum verschwand, und es gab nur noch das Prickeln, das Zischen von Leidenschaft, die sich wie ein Feuer durch ihre Adern fraß. In diesem Moment war alles erlaubt – und nichts würde sie jemals wieder in die Ketten ihrer Vergangenheit zurückführen können.

Die Intensität zwischen ihnen war fast greifbar, und Alice spürte, wie ihre ganze Kontrolle schwand. Lucius' Hand wanderte sanft über ihren Rücken, zog sie näher, und der Moment zwischen ihnen schien die Zeit zu dehnen. Es war, als würde jeder Atemzug ihre Entschlossenheit ein kleines Stück weiter auflösen, bis nur noch das Verlangen übrig war.

„Lucius..." Ihre Stimme war ein Hauch, als sie sich von ihm löste, nur um ihn mit ihren Augen zu fesseln. Sie wollte etwas sagen, eine Erklärung, eine Entschuldigung – doch es waren keine Worte nötig. Alles, was sie fühlte, stand in diesem Blick, in der Art, wie sie sich in seinen Armen verloren hatte.

„Wir können nicht einfach..." begann sie, doch er legte einen Finger sanft auf ihre Lippen, unterbrach sie.

„Nicht jetzt, Alice. Lass uns diesen Moment für uns behalten. Es gibt keine Regeln, keine Erwartungen, nur du und ich." Seine Stimme war tief und drang in ihre Seele, während er sie mit einem Blick durchdrang, der ihre Unsicherheiten zerbrach.

Seine Hand glitt langsam von ihrem Rücken bis zu ihrer Hüfte, und der Kontakt ließ sie erbeben. Es war kein Zwang, sondern eine Einladung, eine stillschweigende Erlaubnis, in diesem Augenblick zu verschwinden und alles, was sie bis dahin gekannt hatte, hinter sich zu lassen.

Alice schloss für einen Moment die Augen und atmete tief ein. Ihre Hände, die zitternd an seiner Brust lagen, schoben sich weiter nach oben, tasteten nach den Kanten seines Hemdes, spürten die warme Haut darunter. Sie war sich der Bedeutung dessen bewusst – der Bedeutung dieses Augenblicks – und doch konnte sie nichts anderes tun, als sich in dem Gefühl zu verlieren.

„Du bist alles, was ich will", flüsterte Lucius, seine Worte wie ein sanfter Hauch auf ihrer Haut. „Hier und jetzt. Nur du."

Sein Kuss folgte den Worten, diesmal drängender, hungriger. Alice fühlte, wie ihre Welt sich um sie herum auflöste. Ihre Hände zogen ihn noch näher, als würde sie ihn in sich aufnehmen wollen, als könnte sie in diesem Moment die Welt, die sie trennte, einfach vergessen. Jeder Kuss, jede Berührung schien die Zeit zu verlangsamen, und die Schwere der Welt von außerhalb verschwand.

Ihre Körper reagierten, als hätten sie nie etwas anderes gekannt, und doch wusste sie, dass sie in diesem Moment so weit von allem entfernt waren, was ihre Realität bestimmen sollte. Der Moment war brüchig, beinahe gefährlich, aber auch voller Verlangen und einer Freiheit, die sie nie gewagt hatte zu suchen.

„Alice..." Lucius' Stimme war nun rau, seine Hände fuhren über ihren Rücken, während er sie sanft gegen sich drückte. Sie fühlte das Feuer in ihm, das genauso heiß war wie das, das in ihr loderte. Es gab keine Worte mehr, keine Barrieren zwischen ihnen – nur die pure Nähe und das Wissen, dass sie diesen Moment für sich beanspruchen konnten.

In diesem Augenblick gab es nur sie beide, und alles, was sie bisher zurückgehalten hatte, schien zu verschwinden, als ob sie in ein unbekanntes Terrain traten, das ihre Seelen verband.

Die ersten Sonnenstrahlen drangen zaghaft durch das Fenster des kleinen Raums, in dem die Nacht ihre geheimen Schatten hinterlassen hatte. Alice lag noch immer neben Lucius, ihre Köpfe leicht nebeneinander auf dem Kissen, die Hände fast wie im Einklang, die Finger zart miteinander verwoben. Der Raum war erfüllt von der Ruhe, die nach der intensiven Nähe der Nacht blieb, und für einen Moment gab es keinen Schmerz, keine Verantwortung – nur das unbeschreibliche Gefühl, füreinander da gewesen zu sein.

Lucius hob langsam den Kopf, seine Augen suchten die ihren. Es war der Blick, der alles sagte – von den Momenten voller Leidenschaft bis zu den stillen Momenten des Verstehens, die zwischen ihnen gewachsen waren. Alice lächelte, ein sanftes, fast trauriges Lächeln.

„Wir können nicht für immer hierbleiben, Lucius", sagte sie leise, ihre Stimme ruhig, aber mit einer Tiefe, die alles, was sie bisher gesagt hatten, in sich trug.

„Ich weiß." Lucius' Antwort war genauso leise, doch sie schwang eine Entschlossenheit mit, die er nicht zurückhalten konnte. „Aber ich kann diesen Moment nicht einfach loslassen. Du hast mir mehr gegeben, als ich je erwartet hätte."

„Und du mir." Alice' Augen glänzten, und ein Funken von Freude mischte sich mit der Traurigkeit in ihrem Blick. „Aber wir wissen beide, dass es nicht reicht. Die Welt wird uns wieder einholen."

Er zog sie vorsichtig näher, ihre Stirn an seine neigen. „Vielleicht nicht sofort", flüsterte er. „Vielleicht können wir uns einen Moment lang die Freiheit nehmen, in dem, was wir sind, zu leben."

„Vielleicht." wiederholte sie, ihre Hand leicht über seinen Arm streichend. „Aber die Welt wird uns nicht vergessen. Und du hast deine Familie, deinen Weg, den du gehen musst. Ich habe meinen. Ich habe mich schon immer gefragt, ob ich meinen wirklich ändern könnte, aber ich weiß, dass ich das nicht kann." Ihre Stimme schwankte zwischen dem Drang, mehr zu sagen, und der Erkenntnis, dass Worte nicht alles lösen konnten.

„Vielleicht können wir unsere Wege irgendwann wieder kreuzen", sagte Lucius, seine Hand über ihr Haar streichelnd. „Vielleicht wird es der Tag kommen, an dem wir die Freiheit haben, uns erneut zu begegnen. Aber bis dahin werde ich dich nicht vergessen."

Alice schloss für einen Moment die Augen, als sie die Tiefe seiner Worte spürte. Ihr Herz, so zerrissen und voller Emotionen, war in diesem Moment gleichzeitig ruhig und aufgewühlt. „Ich werde dich auch nicht vergessen, Lucius. Du hast mir gezeigt, was es bedeutet, wirklich zu fühlen, ohne Angst."

Die Luft zwischen ihnen war geladen, und doch war es eine Art von Ruhe, die sie in diesem Moment ausfüllte. Sie wussten, dass ihre Trennung unausweichlich war, aber sie war nicht das Ende – sie war nur eine Pause, ein Atemzug inmitten von etwas, das niemals ganz vergehen würde.

„Vielleicht ist es besser so", sagte Alice schließlich, mit einem letzten Lächeln, das so viele unausgesprochene Worte enthielt. „Vielleicht müssen wir jetzt getrennte Wege gehen, um etwas zu finden, das uns ein Leben lang tragen kann."

Lucius nickte, ein schwerer, aber erfüllter Ausdruck auf seinem Gesicht. „Dann gehen wir. Aber dieses Gefühl – diese Liebe, die wir hier geteilt haben – wird immer bei uns bleiben. Und vielleicht, eines Tages, finden wir wieder zusammen."

Mit einem letzten, tiefen Kuss verabschiedeten sie sich – ein Kuss, der nicht von Abschied, sondern von Hoffnung geprägt war. Denn in ihren Herzen wusste jeder von ihnen, dass das Band, das sie geschaffen hatten, nicht so leicht zu zerreißen war. Es war ein Band, das durch die Zeit hindurch bestehen würde, selbst wenn die Welt um sie herum versuchte, sie auseinander zu reißen.

Langsam löste sich Alice aus seiner Umarmung, und auch Lucius stand auf, sich noch ein letztes Mal zu ihr umdrehend, bevor er den Raum verließ. Ihre Blicke trafen sich noch einmal, voller unausgesprochener Versprechungen, bevor jeder von ihnen seine eigene Richtung einschlug, doch der Moment der Zweisamkeit, der die Nacht durchzogen hatte, würde sie nie ganz loslassen.

Und während sie sich voneinander entfernten, wussten sie beide, dass das, was sie in dieser einen Nacht geteilt hatten, ein Teil von ihnen geworden war – ein Stück Liebe, das sie für immer trugen, auch wenn ihre Wege sie in unterschiedliche Richtungen führten.

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