Schattenwesen

Noch einmal öffne ich die Tür. Ich erwarte, den Vogel dort fliegen zu sehen, den ich eben dort eingesperrt habe, doch auf den ersten Blick scheint der Schrank leer. Dann fällt mein Blick auf den Boden. Da liegt er. Der Vogel. Tot. Ich habe ihn umgebracht! Nein, ich darf so nicht denken! Ich muss schließlich auch Dumbledore töten. Ich spüre, wie mir Tränen in die Augen treten, doch ich blinzle sie weg. Ein Malfoy weint nicht. Frustriert lehne ich mich an dieses verdammte Verschwindekabinett, das mir meine Zeit und Kraft raubt. Raus. Bloß raus. Wie von der Tarantel gestochen renne ich aus dem Raum der Wünsche, viele Treppen nach unten und durch die Eingangshalle nach draußen. Ich achte nicht auf die Schüler, die mich schräg anschauen. Ich höre einen 7. Klässler aus Gryffindor "Was'n mit dem los?", sagen. "Was?!", schnauze ich ihn an, "Noch nie einen rennenden Menschen gesehen?" "Noch keinen rennenden Malfoy", erwidert er verdutzt, doch ich laufe bereits weiter. Wohin? Irgendwohin, wo mich niemand sieht und niemand mir dumme Fragen stellt. In den Wald. Es ist der einzige Ort, an dem ich alleine sein kann. Ich bin zwar oft bei Myrte auf der Toilette, aber sie ist eben auch etwas... Speziell. Ich höre erst auf zu rennen, als ich den Waldrand bereits weit hinter mir gelassen habe. Endlich. Endlich alleine. An einem Baumstamm rutsche ich zu Boden. Ich vergrabe mein Gesicht in meinen Händen und kann die Tränen schließlich doch nicht zurückhalten. "Malfoy?", höre ich eine Stimme. Ich kenne sie, kann sie aber nicht zuordnen. Ich hebe meinen Kopf und sehe Luna Lovegood barfuß vor mir im Laub stehen. "Was machst du denn hier?!", fahre ich sie an. "Entschuldige", sie lächelt mich vorsichtig an. Früher hätte ich sie jetzt wahrscheinlich beleidigt, sie "Loony" genannt oder so. Aber im Moment fehlt mir einfach die Kraft dazu. Und ehrlich gesagt: auch die Lust. Ich meine, was hat es mir je gebracht, andere zu beleidigen? Nichts. Habe ich mich dann besser gefühlt? Nein. Also. "Tut mir leid, du willst bestimmt allein sein.", reißt Luna mich aus meinen düsteren Gedanken, lächelt noch einmal und will sich umdrehen, doch aus unerfindlichen Gründen sage ich: "Nein, bleib." Für einen kurzen Augenblick sehe ich Überraschung in ihren Augen, die jedoch gleich wieder von diesem verträumten Lächeln ersetzt wird. Sie hat so ein schönes Lächeln. Was denke ich denn da? Merlin, ich schlafe wirklich zu wenig. "Also was machst du tatsächlich hier?", frage ich, um die Gesprächspause zu überbrücken. "Ich bin gerne hier, und füttere die Thestrale.", antwortet sie. "Thestrale?", frage ich und sehe mich um (bis mir einfällt, dass ich sie ja sowieso nicht sehen kann), "Sind hier welche?" "Ja, drei, dort hinten.", erwidert sie, "komm mit." Sie nimmt mich am Arm und ich stehe auf. Sie führt mich zur Mitte einer Lichtung und streckt dann meinen Arm aus, bis ich etwas lederartiges an meinem Handrücken fühlen kann. Während ich unbeholfen den Thestral streichle, frage ich, ohne ihr in die Augen zu sehen: "Du kannst sie sehen?" Sie nickt, schweigt aber. Meine unausgesprochene Frage nach dem Warum liegt in der Luft. "Meine Mutter", sagt sie schließlich, "hat experimentiert und dabei ist ein Zauber schief gegangen.." Ich blicke zu Boden. "Das tut mir leid.", sage ich, und meine es auch so. "Ist schon okay. Weißt du, wie Thestrale aussehen?", fragt sie. "Naja", erwidere ich, "Ich kenne Zeichnungen aus Büchern... Früher habe ich sie mir immer als eine Art Schattenwesen vorgestellt." Wie schafft sie das nur? Wann habe ich das letzte mal mit jemandem außer Blaise über meine Kindheit geredet? Sie lächelt wieder. "Sie sind sehr missverstanden. Sie sind eigentlich total lieb, aber die meisten verurteilen sie wegen der Sache mit dem Sterben..." Ja.. Die Sache mit dem Sterben. Wenn ich meinen Auftrag tatsächlich erledige, werde ich sie auch sehen können. Die Schattenwesen. Denn das ist es, was auf mir liegen wird. Ein Schatten. Ich schlucke. "Ich glaube, es gibt bald Abendessen.", sage ich, um diesen Gedanken zu vertreiben. "Ja das stimmt. Ich hoffe es gibt Pudding.", stimmt sie zu. Ich muss grinsen. "Willst du mit essen kommen?", fragt sie und legt den Kopf schief. Ich zögere. "Geh du schonmal vor", antworte ich schließlich. Sie lächelt leicht und wendet sich zum gehen, doch vorher fasse ich noch einen Entschluss. "Es tut mir leid.", sage ich leise. "Was?", fragt sie. "Alles." "Was alles?" "Was war. Und was kommen wird." Sie lächelt wieder. "Draco. Was immer kommen wird, es ist nicht deine Schuld." Und wie es das ist. "Ich glaube an dich, Draco.", sagt sie noch und verschwindet dann durch die Bäume Richtung Schloss. Und zum ersten Mal fühle ich etwas, das ich seit langem nicht mehr gespürt habe.
Hoffnung.

Heyyy ;D

Ich hoffe es hat euch gefallen.
Mir persönlich gefällt es ganz gut, auch wenn ich es unglaublich schwierig finde, Lunas Art (zu reden) richtig darzustellen.

Konstruktive Kritik bitte gerne in die Kommentare!

Danke fürs Lesen!

HerGinnyLu♡

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