"Weiter." -Jily

Harry war schon den ganzen Tag lang fürchterlich aufgeregt gewesen. Zwar war er erst ein Jahr alt, aber er hatte bemerkt, dass heute ein besonderer Tag war. Halloween, um genau zu sein. Mit ihm um die Häuser ziehen, wie man es sonst an Halloween tat, konnten wir natürlich nicht, doch James hatte ihm (mithilfe von ein wenig Magie) ein Kürbiskostüm genäht. Er war ein wirklich toller Vater und Ehemann, ich bereute es kein Stück ihn geheiratet zu haben. Der Kleine flog gerade wieder mit seinem Spielzeugbesen durch die Wohnung und James rannte ihm panisch hinterher. Bei diesem Schauspiel musste ich unwillkürlich lächeln. Ich wollte gar nicht weg, so herzerwärmend war es, doch ich musste noch Briefe an all meine Freunde schreiben, besonders an Sirius, wegen seiner Geburtstagsparty.

"Puh!", machte ich, als ich den vorletzten Brief zuklebte. Die von Remus, Peter und Mary waren nun bereit zum Abflug. Viele waren von unserem früheren Freundeskreis nicht geblieben. Frank und Alice erinnerten sich nicht mehr an uns, hatten ihren Verstand verloren. Dorcas war tot. Kurz suchte ich nach dem Brief für Marlene, doch ich fand ihn nicht. Dann fiel es mir wieder ein: Marlene war fort. Für immer und unwiederbringlich. Meine beste Freundin war tot, und ich würde sie nie wiedersehen. Ich spürte Trauer in mir aufwallen, wie eine Herde auf mich zurennende Hippgreife schlug sie mich beinahe um. Eine einsame Träne rollte meine Wange hinab. Aber ich durfte jetzt nicht schon wieder weinen.

Konzentrier dich auf die Briefe, Lily!

Jetzt war nur noch einer zu schreiben, und das war der an Sirius.

Lieber Sirius,

Ich hoffe, es geht dir gut. Bei uns ist soweit alles in Ordnung, wenn man die ständige Angst, Voldemort könnte uns doch irgendwie finden, mal außer Acht lässt. Alles was ich will ist, dass Harry ein langes und glückliches Leben hat. Deshalb, bitte versprich mir, dass du Harry aufziehen wirst, wenn James und ich es nicht schaffen. Es ist ein schrecklicher Gedanke und ein noch schrecklicherer Anfang für einen Brief, ich weiß. Aber du musst es mir verprechen, du musst. Du bist für Harry der beste Pate der Welt.  Der Kleine liebt dich wirklich, Sirius.

Der eigentliche Grund für mein Schreiben ist aber dein Geburtstag. Wo? Wann? Wie? Und was wünschst du dir?
Mir persönlich wäre es am liebsten, wenn wir nicht das Haus verlassen müssten und hier in Godric's Hollow feiern könnten.

Abschließend muss ich noch was loswerden. Wie gesagt könnte es sein, dass ich nicht mehr lang zu leben habe. Natürlich hoffe ich , dass ich mich irre, aber nur für den Fall möchte ich dir gern sagen, wie viel du mir bedeutest. In meiner Schulzeit war das noch anders, ich konnte James und dich einfach nicht ausstehen, aber jetzt wüsste ich nicht, was ich ohne dich machen würde. Du bist einer meiner bestem Freunde geworden und ich schätze unsere Freundschaft sehr. Außerdem bist du für James der Bruder den er nie hatte, und stellvertretend für ihn möchte ich dir mitteilen, dass er dich liebt. Ich will, dass du das weißt.

Schreib mir so schnell wie möglich zurück.

In Liebe,

Lily

Sirius' Antwort kam am späten Nachmittag:

Liebe Lily,

Ja, mir geht es soweit ganz gut, auch wenn ich ebenfalls schreckliche Angst vor der Zukunft habe. Ich würde es mir nie verzeihen, wenn euch etwas zustöße. Aber auf Peter ist Verlass. Er wird das Geheimnis nicht verraten, dessen bin ich mir sicher. Ich vertraue ihm und zudem ist er auch viel unauffälliger als ich.

Zu meiner Geburtstagsparty: Wir können gern bei euch feiern. Dann aber nur im kleinen Kreis, auch wenn ich nie gedacht hätte, dass ich das mal tun würde. Ich würde sagen, sie beginnt um 15 Uhr, dann können wir zuerst etwas Kaffee trinken und Kuchen essen. Schenken brauchst du mir nichts, deine Anwesenheit ist Geschenk genug, Evans. Aber James kann mir gern eine Flasche Feuerwhiskey besorgen, sag ihm das.

Genug der Scherze, jetzt mal ernst (haha). Passt auf euch auf. Wirklich. Ihr seid alles was ich noch habe, von Remus, Peter und Mary mal abgesehen. Ich will euch nicht auch noch verlieren, ihr bedeutet mir so unendlich viel und ohne euch... ich wüsste nicht, was ich tun würde. Und der kleine Harry... ich hab ihn unglaublich lieb gewonnen. Natürlich würde ich ihn aufnehmen, wenn Krone und du... Das will ich mir gar nicht vorstellen. So viele Freunde sind schon weg und kommen nie wieder. Ich vermisse Marlene, ihr Lachen und ihre Stimme. Ich vermisse Dorcas, ihren schiefen Gesang und ihr Lächeln, wenn Marls ihr einen Witz erzählt hat. Ich vermisse Frank und Alice, obwohl sie nicht tot sind, aber die, die ich kannte, die sind es. Es sind so viele gefallen. Hast du das von Gideon und Fabian Prewett gehört? Ihre Beerdigung fand letzte Woche statt. Ich wäre gern hingegangen, doch ich habe Angst. Nicht um mich, sondern um alle, die bei mir sind, ungeschützt. Jederzeit könnten Todesser kommen und alle niedermetzeln, nur um mich mitzunehmen, weil sie denken, ich wäre euer Geheimniswahrer.

Ich muss jetzt aufhören zu schreiben, sonst kann man den Brief wegen meiner Tränen kaum noch lesen.

In Liebe,

Sirius

Tatsächlich war die Schrift an einigen Stellen ganz verwischt, als hätte Sirius geweint, als er den Brief geschrieben hatte. Ich konnte ihn gut verstehen, denn nun hatte auch ich Tränen in den Augen. Schon wieder.

Marlene. Dorcas. Alice. Frank. Und nun auch noch die Prewett-Brüder. Nicht, dass ich sie besonders gut gekannt hatte. Aber sie waren im Orden gewesen, ich hatte schon Seite an Seite mit ihnen gekämpft. Und nun waren sie tot.

"James, kommst du mal?", rief ich durchs ganze Haus, meine Stimme klang heiser.

Mein Mann kam sofort und als er sah, dass ich weinte, nahm er mich kurzerhand in der Arm. Er war warm und vertraut und tröstete mich besser als es irgendjemand je hätte tun können.

"Was ist los, Lils?", fragte er nuschelnd, ohne mich loszulassen.

"S-Sirius. Er hat zurückgeschrieben. Jetzt sind auch noch die Prewett-Brüder tot. Wer kommt als nächstes? Alle sterben und Du-weißt-schon-wer wird immer mächtiger. Ich... ich habe Angst, James. Was, wenn sie Harry finden? Sie dürfen ihn nicht töten, nicht Harry. Sie dürfen Harry nicht töten, sie dürfen es nicht!", schluchzte ich und meine Tränen durchnässten James' T-Shirt.

"Shhh, Lily. Alles wird gut. Ich verspreche es dir."

Ich wusste, dass es vorbei war, als James schrie. Es war schwer zu begreifen, ganz unwirklich, dass er tot war. Ich hatte ihn vor Augen, wie er lachte, wenn er mit Harry spielte. Das konnte nicht sein, er musste leben, er konnte nicht tot sein, ich musste mich irren. Doch für so etwas hatte ich nun keine Zeit. Ich musste Harry beschützen, er durfte nicht sterben, und wenn ich mein Leben für ihn opfern musste. In der völligen Stille waren nur die unheilvollen Schritte zu hören, die die Treppe hoch stapften. Das war nicht James. Als sich die Tür öffnete, blickte ich in das gefühlskalte Gesicht Voldemorts. Ich stellte mich schützend vor Harry, flehte ihn an, dass er doch mich töten sollte und nicht ihn, weigerte mich, meinen Sohn sterben zu lassen, um meine eigene Haut zu retten.

Und mein letzter Gedanke war, dass Harry überleben musste, koste es was es wolle.


Als ich aufwachte, umgab mich gleißend helles Licht. War ich am Leben? Ich kannte diesen Ort. Ich befand mich in Hogwarts, auf dem Quidditchfeld, aber es war weit und breit kein Mensch zu sehen. Ich sah mich um, alles war wie immer, nur völlig leergefegt. Ich lag auf dem Rasen und versuchte aufzustehen, als mir plötzlich jemand aufhalf. Als ich nach oben blickte, sah ich in James' lächelndes Gesicht.

"Komm, Lily. Wir gehen jetzt an einen schönen Ort.", sagte er und gab mir einen Kuss auf die Wange.

"Wo sind wir? Sind wir tot?", fragte ich ihn.

Er lächelte noch breiter.

"Ja, das sind wir. Und wie du siehst, sind wir in Hogwarts. Komm, steig auf."

Plötzlich hatte er einen Besen in der Hand. Er setzte sich und zog mich auch hinter sich auf das Gefährt.

"Gut festhalten.", riet er mir grinsend und wir hoben ab.

"James... Wohin gehen wir jetzt?"

"An einen schönen Ort.", wiederholte er. "Es wird dir gefallen. Marlene vermisst dich sehr."

"M-marlene? Ist sie auch dort?", fragte ich hoffnungsvoll.

"Alle, die nicht mehr leben, sind dort. Auch deine Eltern, Lily. Sie warten schon auf dich."

Ich musste glücklich lächeln. Ich würde sie alle wiedersehen, nach so langer Zeit.

Wir stiegen hoch in den Himmel und durch die Wolken.

"Wo fliegen wir hin?", fragte ich nochmals. Ich wollte es genau wissen.

James lächelte liebevoll.

"Weiter."

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