Jily: Ein Mittwochnachmittag mitten im Januar
Es war mal wieder einer dieser Tage, an denen das Glöckchen über der Tür des kleinen Cafés, in dem James praktisch bloß einen Job bekommen hatte, weil sein bester Freund der Inhaber war, kaum erklang. Einer dieser leeren, grauen Tage, ein kalter, ungemütlicher Mittwochnachmittag mitten im Januar. Der Himmel war wolkenverhangen und trug die selbe Farbe wie der Zement, über den schwarze Autoreifen zu Matsch geschmolzenen Schnee spritzten.
Die Leute, die auf den Straßen unterwegs waren, eilten mit gesenkten Blicken und Händen in den Manteltaschen ihres Weges, nicht einmal aufsehend, um eine heiße Tasse Kaffee oder ein Stück Kuchen in Erwägung zu ziehen. Während die Londoner also an Bushaltestellen warteten, mit steifgefrorenen Füßen auf der Stelle traten, sich mit weißen Wölkchen von Atemstößen die Hände aufwärmten und mit stummen Minen ihren Missmut über den beißenden Winterwind miteinander teilten, stand James Potter hinter dem Tresen des beheizten Cafés, dessen warme Luft das Aroma von Kaffeepulver und Putzmitteln beherrschte, mit gelangweiltem Blick die leeren Stühle und Tische betrachtend.
Nachdem er alle Tische gewischt hatte, zweimal, den Müll rausgebracht, die Tassen und das Besteck sortiert, seine Nachrichten gecheckt, und einen Cappuccino getrunken hatte, fand er sich mit dem Gefühl wieder, nichts besseres zu tun zu haben, als zur Hälfte über dem Tresen zu hängen und ins Nichts zu starren.
Sein Blick wanderte träge zur Wanduhr. Noch eine ganze Stunde musste er sich um die Ohren schlagen, bis er abschließen und nachhause gehen konnte. In die Stille hinein seufzte James tief, gerade abwägend, wie böse Sirius ihm sein würde, wenn er früher Schluss machen würde, als das Glöckchen erklang.
Eine junge Frau betrat das Café. Nachdem sie die Tür hinter sich zugezogen und die graue Kälte wieder ausgesperrt hatte, zog sie sich die eleganten Lederhandschuhe von den blassen, zarten Händen und schob sie in die rechte Tasche ihres Tannengrünen Mantels. Ihre Stiefel klackten auf dem Parkett, als sie auf den Tresen zuging und die roten Haare, die sich bis über ihre Schulterblätter wellten, hüpften mit jedem Schritt.
James, der mittlerweile kerzengerade stand und sich wünschte, er hätte diesen Morgen wenigstens den Versuch angestellt, seine wirren Haare mit einem Kamm bekannt zu machen, kam nun, da sie näher trat, der Gedanke auf, er habe noch nie zuvor schönere Augen gesehen. Sie waren klar und hellgrün und so ausdrucksstark, dass James es kaum möglich war, den Blick von ihnen loszureißen. Ihre von der Kälte geröteten Wangen und die feine Nase waren von Sommersprossen besprenkelt, ein feines Lächeln lag auf ihren Lippen, als sie James direkt ansah.
"Hallo."
James blinzelte ein paar mal, sein Mund ließ sich jedoch nicht dazu bewegen, Worte zu formen, geschweige denn sie auszusprechen. Sie roch nach frischen Blumen.
"Ähm, ich hätte gerne eine heiße Schokolade...mit Sahne, bitte."
James gab sich einen Ruck und öffnete den Mund. Diesmal kam tatsächlich etwas heraus, auch wenn er über seine Silben stolperte, als ob ihm Konversation volkommen fremd wäre.
"Zum... zum Hier essen o-oder zum M-mitnehmen?"
Er realisierte, was für einen Schwachsinn er von sich gegeben hatte, als ihr Lächeln breiter wurde und das Grün ihrer Augen belustigt aufblitzte.
"Zum Mitnehmen, bitte." Ihre Stimme bebte vor unterdrücktem Lachen und James spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss, obwohl er ihr dankbar dafür war, um sein Gestotter herumzutänzeln.
Mit einem Räuspern drehte James sich um, um das Getränk zuzubereiten, während er sich und seine Verlegenheit stumm verfluchte. Es konnte doch wohl nicht so schwer sein, mit einem hübschen Mädchen zu reden, es war nun wirklich nicht so, dass er keine Erfahrung damit hätte. Was war es bloß an ihr, das ihn seinen gesamten Charme vergessen ließ? Dass er ihren Blick im Nacken spürte, während er den Pappbecher mit der dampfenden Flüssigkeit befüllte, erleichterte die ganze Sache auch nicht wirklich.
James atmete einmal tief durch, bevor er sich umdrehte und ihr ein Lächeln schenkte. Na ging doch.
"Und welchen Namen kann ich auf den Becher schreiben?"
Noch immer lächelte sie ihn an und ließ somit sein Herz nervös gegen seinen Brustkorb hämmern.
"Lily."
Mit einem wachsenden Gefühl von Selbstsicherheit nahm James die Kappe des Markers zwischen die Zähne und schrieb mit höchster Sorgfalt ihren Namen auf den Becher, während er ihn in Gedanken immer und immer wieder wiederholte. Lily. Lily, Lily, Lily.
Als er Lily den Becher überreichte, huschte ihr Blick hinunter auf das Namensschild auf seiner Brust.
"Warte... bist du James? Sirius' Freund?"
"Bester... Freund, ja.", beeilte sich James zu sagen.
Nun musste sie wirklich lachen.
"Ich weiß, keine Sorge. Ich bin mit Remus befreundet, daher kenne ich ihn."
Wieder einmal errötete James und rieb sich mit einer Hand verlegen den Nacken. "Achso... okay."
"Naja, es ist schön, dich kennenzulernen."
Er erwiderte ihr Lächeln erfolgreich.
"Ebenso, Lily. Kann man denn erwarten, dich in nächster Zeit nochmal hier anzutreffen?"
"Das kann schon gut sein, James. Vielleicht habe ich bald ja Lust, meine heiße Schokolade zur Abwechslung mal im Warmen zu essen." Mit einem wunderbar unverschämten Grinsen und dem Klingen des Glöckchens war sie schon wieder aus der Tür verschwunden.
Das Café war nun wieder leer, der Himmel noch immer grau. Die warme Luft roch nach Kaffee, Putzmitteln, und heißer Schokolade. Fröhlich pfeifend machte James sich daran, die Tische ein drittes mal zu wischen.
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