Zauberverbot
Hermine war schon die ganze Nacht wach und hatte nach einem passenden Gegenzauberspruch gesucht. Sie konnte nicht verstehen, warum der letzte nicht funktioniert hatte. Eigentlich hatte alles gestimmt, doch vielleicht war er nicht stark genug gewesen. Neben ihr saß Ginny und zwang sich weiterzulesen. Ron lag auf dem Boden, in seinen Umhang gehüllt und schlafend. Er hatte den ganzen vorherigen Tag gelesen, hatte sich aber nicht beschwert. Das war sehr ungewöhnlich. Doch es schien so, als ob Ron langsam Gefallen an dem Buch fand.
Plötzlich schreckte Hermine hoch. Ron hatte laut aufgeschrien. "Ron, was ist los?!", fragte sie alarmiert. "Nein, Frodo, Nein!", schrie Ron, der sich nun normal auf den Boden gesetzt hatte. In seinen Händen hielt er einen kleinen Spiegel, den er gebannt anstarrte. "Ron! Was machst du da?!", schrie Hermine ihn an. "Hermine, ich hab jetzt keine Zeit! Frodo! Frodo, wo bist du?!", schrie nun Ron und ließ den Spiegel keine Sekunde aus den Augen.
"Ron, du solltest doch schlafen! Sonst schläfst du morgen ein, während du lesen sollst und Harry stirbt!" "Aber Hermine, wenn Ginny in der Nacht weiterliest kann ich am Tag darauf die Geschichte nur mit einer riesigen Unterbrechung weiterlesen! Aber die Geschichte ist so cool! Los Harry, zeig es den schwarzen Reitern!" Aus dem Spiegel drang nun Harrys Stimme: "Expecto Patronum!"
Hermine zuckte zusammen, schnappte sich den Spiegel und rief Harry noch zu: "Harry! Nicht zaubern!" Doch es war zu spät. Hermine sah ein helles Licht im Spiegel, das schwach einem Hirsch glich und auf mehrere dunkle Gestalten zu galoppierte. Die Hälfte der Gestalten schien vor dem Licht zu fliehen, die andere Hälfte wurde von einem Mann, der ein brennendes Holzscheit in der Hand schwenkte zurückgedrängt. Hermine konnte Harrys Anfeuerungsrufe hören.
"Harry! Was machst du da?", rief sie in den Spiegel. "Ich hab dir doch gesagt, du sollst nicht zaubern!" Doch Harry rief nur: "Tut mir leid, Hermine, ich muss jetzt Frodo helfen!" Und er steckte den Spiegel in die Tasche.
"Siehst du? Frodo ist in Gefahr!", meinte Ron nun vorwurfsvoll und nahm ihr den Spiegel aus der Hand. "Oh nein! Du gehst jetzt schlafen! Sonst bekommst du das Buch überhaupt nicht mehr zurück!" "Ach komm schon!", protestierte er noch, doch Hermine schüttelte den Kopf und zeigte zum Jungenschlafsaal. Ron schritt mit hängendem Kopf dorthin. "Und den Spiegel gibst du mir auch zurück!", rief Hermine ihm nach. Ron kam zurück, gab ihr den Spiegel und ging murrend schlafen.
Für Harry war im Moment nicht an Schlaf zu denken. Aragorn hatte zwar die restlichen schwarzen Reiter, die er mit seinem halben Patronus nicht verscheuchen konnte, mit Feuer in die Flucht geschlagen, doch Frodo lag verwundet und mit dem Gesicht nach unten am Boden. Harry stürzte zu Frodo, genau wie die anderen Gefährten. "Zurück!", schrie Aragorn ihn an. Erschrocken wich Harry zurück. Hatte der Waldläufer wirklich nur ihn gemeint oder alle im allgemeinen? Doch als Harry sah, dass auch die Hobbits sie neben den verwundeten Frodo hockten, dachte er nicht weiter darüber nach und setzte sich neben die anderen. Aragorn warf ihm einen kurzen Blick zu, doch dann konzentrierte er sich wieder auf Frodo. Er zog ein Fläschchen aus seinem Gürtel und flößte Frodo den Inhalt ein, dann sprang er auf und sagte leise: "Legt ihn neben das Feuer, er muss warm bleiben. Wartet hier, ich bin sofort zurück!" Harry beobachtete, wie der Mann im Dunkeln verschwand und half dann, Frodo näher ans Feuer zu tragen.
Sie alle blieben schweigend über den Hobbit gebeugt. Niemand rührte sich. Harry lauschte in die Nacht hinein. Fast hätte er erwartet, die Reiter zurückkommen zu hören, doch es war totenstill. Und diese Stille beunruhigte Harry fast noch mehr.
Es schien, als kauerten sie dort eine Ewigkeit in der Finsternis. Irgendwann jedoch schien es Harry, als ob Frodo sich bewegte und er entnahm Sams erleichterten Aufatmen, dass er es sich nicht bloß eingebildet hatte. Plötzlich waren sie alle wieder vollkommen auf Frodo konzentriert und endlich schlug er seine Augen auf. Er saß von einem zum anderen und dann fragte er verwirrt und mit brüchiger Stimme: "Was ist geschehen? Wo ist der bleiche König?"
Die ganze Anspannung und Angst war für einen kurzen Moment wie weggeblasen. Sie alle waren so überglücklich, das Frodo gesprochen hatte, dass sie eine ganze Weile überhaupt nicht auf seine Frage eingingen. Schließlich fragte Harry: "Entschuldige, wie war die Frage, Frodo?" "Der bleiche König! Wo ist er?! Und was ist geschehen?", fragte er nun erneut. "Welcher bleiche König?", wollte Sam nun wissen. "Der, der uns angegriffen hat!", antwortete der Hobbit. Sie alle schwiegen eine kurze Weile und Sam antwortete als erster: "Wir haben nur die schwarzen Schatten gesehen, die auf uns zugekommen sind, Herr Frodo. Du bist wohl etwas verwirrt." Und auf die erneute Frage, was passiert war, fing Sam an alles zu erzählen, vom Erscheinen der schwarzen Reiter, bis zu dem Moment, als Frodo erwachte.
Harry schien, während Sam so sprach und erzählte, wie Streicher in den Wald gelaufen war, dass auch der Hobbit nicht allzu viel von diesem Mann hielt. Bald war die Freude über Frodos Erwachen etwas verblasst und Harry blickte sich wieder unruhig in der Gegend um. Wo war Streicher? Hatte er sie verlassen, oder war ihm gar etwas zugestoßen? Und vor allem: Wo waren die schwarzen Reiter? Eine Gänsehaut kroch Harry über den Rücken, bei dem Gedanken daran, dass sie noch irgendwo hier draußen sein müssten.
Als Harry das leise Knacken, von abbrechenden Ästen hörte, schnellte er sofort in die Höhe und legte die Hand an den Griff seines Schwertes (da er sich doch dunkel an Hermines Warnungen erinnerte). Eine dunkle Gestalt schob sich aus dem Wald und kam auf die Gruppe zu. Sam zog ebenfalls ein Schwert und stellte sich schützend vor Frodo. Langsam kam das Wesen näher und trat schließlich in den Lichtschein. Dann hob es die Hand und zog seine Kapuze vom Kopf.
Harry atmete auf, nahm die Hand vom Schwertgriff und setzte sich wieder. Streicher, der nun endgültig in den Lichtkreis getreten war blickte Sam an, der ihn nun auch erkannte und sagte besänftigend: "Ich bin kein schwarzer Reiter, Sam. Und auch nicht mit ihnen im Bunde. Ich habe versucht herauszufinden, wohin sie gegangen sind, aber ich habe nichts feststellen können. Ich verstehe nicht, warum sie sich zurückgezogen haben und nicht wieder angreifen. Aber nirgends in der Nähe ist ihre Anwesenheit zu spüren."
Dann ließ er Pippin und Merry Wasser heiß machen und Harry sollte noch mehr Holz in das Feuer (das ohnehin schon weit um sich fasste) werfen. Nach einiger Zeit übernahmen das Merry und Pippin, Frodo war eingeschlafen und Streicher hatte Sam zu sich gezogen und redete leise auf ihn ein. Harry war neugierig, was sie so besprachen, aber dachte, dass der Waldläufer das sicher bemerken würde.
Nun fiel Harry wieder ein, dass er einmal mit Hermine reden wollte. Er sah sich verstohlen um; alle waren in irgendeiner Weise mit Frodo beschäftigt. Würde es auffallen, wenn er für einen kurzen Augenblick verschwand? Nach kurzen Bedenken beschloss er es zu wagen. Was konnte schon schlimmes passieren? Höchstens, dass Streicher noch misstrauischer wurde...
Endlich hatte Harry einen guten Platz gefunden. Es war eine kleine Lichtung, die nicht sehr weit von ihrem Rastplatz entfernt war, aber durch Bäume und Gestrüpp gut verdeckt war. Solange er leise sprach, würden sie ihn nicht bemerken, aber wenn sie ihn riefen würde er sie hören können. Er zog den Spiegel aus der Tasche und rief Hermines Namen.
"Harry! Wurde aber auch Zeit, wir müssen unbedingt reden. Ich habe nicht gewagt, dich zu rufen, am Ende hätten sie mich noch gehört!", erwiderte sie laut. "Psst, Hermine! Nicht so laut, sonst hören sie dich noch!" "Ich hab dir doch gesagt, dass du nicht zaubern darfst!", fuhr sie leiser, aber immer noch aufgeregt fort. Langsam wurde Harry wütend. "Hör mal, Hermine", sagte er mit leicht zitternder Stimme. "Frodo wäre gestorben wenn ich nicht gezaubert hätte! Das konnte ich doch nicht zulassen! Und außerdem hat das Zauber noch nie geschadet...", fügte er etwas trotzig noch hinzu.
Hermine machte ein genervtes Gesicht. "Harry, ich glaube du vergisst manchmal, dass du in einem Buch bist! Diese Personen existieren nicht wirklich! Außerdem habe ich das Buch gelesen. Frodo stirbt nicht, Aragorn kümmert sich um seine Wunden, dann treffen sie auf einen Elben, namens Glorfindel, danach werden sie wieder von Reitern gefunden, Glorfindel lässt Frodo auf seinem Pferd davonreiten, Glorfindel besiegt die Reiter vorerst und Frodo erwacht in Bruchtal, wo seine Wunde von Elben behandelt und er gerettet wird!"
Harry sah Hermine mit offenem Mund an, dann hörte er plötzlich ein Räuspern à la Umbridge aus dem Spiegel dringen und danach Ginnys Stimme: "Entschuldigung, Hermine, aber ich möchte nur anmerken, dass du mir gerade die größten Spoiler aller Zeiten vorgesetzt hast!" Hermine fing unwillkürlich an zu lächeln und sagte: "Nein, der größte Spoiler aller Zeiten ist, dass Snape Dumbledore tötet!" Die anderen beiden sahen sie entsetzt an, dann erwiderte sie: "Ach kommt schon, das wisst ihr doch! Das ist immerhin vor zwei Jahren passiert!"
Hermine besann sich, und dann sagte sie: "Jedenfalls, Harry, ist es wichtig, dass du nicht zauberst! Ich bin gerade darauf gekommen, dass mein Zauberspruch um aus dem Buch zu kommen, deswegen nicht funktioniert hat, weil du zu viel gezaubert hast! Jeder Zauber von dir, je stärker, desto schlimmer, stärkt meinen Zauberspruch, wodurch es schwieriger wird einen Zauber zu finden, der dich auch wieder aus dem Buch heraus holen kann. Von jetzt an herrscht für dich Zauberverbot, ich bitte dich, sonst wird der Zauber vielleicht zu stark, und ich kann dich nicht...", ihre Stimme versagte und sie blickte Harry traurig an. Plötzlich hatte Harry einen Kloß im Hals und größeres Heimweh, als je zuvor. "Ich verstehe, Hermine. Ab jetzt gibt es keine Zaubersprüche mehr!", versprach er und versuchte dabei selbstbewusst auszusehen. Insgeheim dachte er aber nach, ob er das wohl schaffen würde.
Leise drangen die Stimmen der Hobbits an Harrys Ohr. Sie riefen nach ihm. Er verabschiedete sich von Hermine und steckte den Spiegel wieder in die Tasche. "Ich komme!", antwortete er ihnen. Während er durch den Wald zurück ging, dachte er an das, was Hermine gesagt hatte. Sie waren nur Romanfiguren.
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